Entscheidungsdatum
10.10.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
G310 2214457-1/6Z
G310 2214458-1/9Z
G310 2214455-1/6Z
G310 2214451-1/9Z
G310 2214460-1/6Z
G310 2214454-1/6Z
G310 2214452-1/6Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. am XXXX, 2. XXXX, geb. am XXXX, 3. XXXX, geb. am XXXX, 4. XXXX, geb. am XXXX, 5. XXXX, geb. am XXXX, 6. XXXX, geb. am XXXX, und 7. XXXX, geb. am XXXX, alle nordmazedonische Staatsangehörige, 4. vertreten durch die Eltern XXXX und XXXX, 6. und 7. vertreten durch die Mutter XXXX, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2019, Zl. XXXX betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides) zu Recht erkannt:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide
wird Folge gegeben und wird der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin (BF2), die Drittbeschwerdeführerin (BF3), der Viertbeschwerdeführer (BF4) und die Fünftbeschwerdeführerin (BF5) sind die leiblichen Kinder von BF1 und BF2, alle waren zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig. Die Sechstbeschwerdeführerin (BF6) und der Siebtbeschwerdeführer (BF7) sind die leiblichen Kinder von BF5. Die Beschwerdeführer (BF) beantragten am 25.11.2015 in Österreich internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gaben sie zusammengefasst an, dass sie ihren Herkunftsstaat aufgrund von Problemen mit Privatpersonen verlassen haben, welche ihnen Geld geliehen hätte und in weitere Folge BF2 und BF3 vergewaltigt hätten. BF1, BF2 und BF3 hätten deswegen mit schweren psychischen Problemen zu kämpfen und BF5 leide zudem an Epilepsie.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nordmazedonien festgestellt (Spruchpunkt IV. und V.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die BF aus Nordmazedonien und damit aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen.
Im angefochtenen Bescheid wird dazu weiter ausgeführt:
"Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."
Eine weitere Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte nicht.
In der Beschwerde, die sich gegen alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, beantragten die BF die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Hierzu wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich das BFA unter anderem unzureichend mit den psychischen Problemen von BF1, BF2 und BF3 auseinandergesetzt habe. BF5 habe aufgrund ihrer Epilepsieerkrankung in Österreich einen Behindertenpass (Behinderung 70 %) ausgestellt bekommen. BF2 und BF3 würden eine zeitnahe, leicht zugängliche Psychotherapie benötigen, was im Falle einer Rückkehr nicht sichergestellt sei.
Das BFA legte dem BVwG die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 14.02.2019 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs. 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen (vgl VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und 27.07.2017, Fr 2017/18/0022).
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn beispielsweise der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z1).
Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Ein Ablauf dieser einwöchigen Frist steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 6 BFA-VG nicht entgegen.
Eine pauschale Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei allen Asylwerbern, die aus sicheren Herkunftsstaaten stammen, ist nicht zulässig. Die Aberkennung bedarf vielmehr - auch angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen, insbesondere der Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen vor Rechtskraft der Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung, zumal die Zulässigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in solchen Fällen gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gnandi vs. Belgien (C-181/16 vom 19.06.2018) generell in Zweifel gezogen wird (vgl z.B. das Teilerkenntnis des BVwG in der Rechtssache W237 2201985-1 ua).
Die Aberkennung bedarf somit einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jedoch nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen und ohne auf die konkreten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich einzugehen.
Durch die Einschätzung, ihrem Antrag auf internationalen Schutz sei keine Aussicht auf Erfolg beschieden, wird überdies das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens in unzulässiger Weise vorweggenommen.
Das von den BF behauptete reale Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen kann bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens nicht von vornherein ausgeschlossen werden, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Zu Spruchteil C)
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2214455.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.02.2020