TE Bvwg Beschluss 2019/10/14 W187 2224118-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2019
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Entscheidungsdatum

14.10.2019

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs2
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §350
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §6
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W187 2224118-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der XXXX ,[HR1] vertreten durch MMag. Dr. Claus CASATI, Rechtsanwalt, Mariahilferstraße 1b/17, 1060 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "‚Pensionsversicherungsanstalt - Ambulante Rehabilitation Tranche I' - Los 3 (Innsbruck)" der Auftraggeberinnen

1. Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Friedrich Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, 2. Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK), Siegfried Marcus-Straße 5, 7000 Eisenstadt, 3. Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK), Engelbert-Weiß-Weg 10, 5021 Salzburg, 4. Steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK), Josef-Pongratz-Platz 1, 8010 Graz, 5. Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), Hintere Zollamtsstraße 1, 1030 Wien, 6. Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), Josefstädter Streaße 80, 1080 Wien,

7. Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB), Linke Wienzeile 48-52, 1060 Wien, alle vertreten durch die vergebende Stelle Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Friedrich Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch die Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien, vom 7. Oktober 2019 beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der XXXX , "das Bundesverwaltungsgericht möge folgende für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens (vgl lit a) befristete einstweilige Verfügung erlassen: "Der Pensionsversicherungsanstalt, der BGKK, der SGKK, der StGKK, der SVA, der BVA und der VAEB ist es bei sonstiger Exekution untersagt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend das Vergabeverfahren ‚Pensionsversicherungsanstalt - Ambulante Rehabilitation Tranche I' Los 3 (Innsbruck), über den oben (vgl lit a) bezeichneten Antrag auf Nichtigerklärung der ergangenen Zuschlagsentscheidung / Entscheidung über den beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung vom 27.09.2019 (Beilage ./1), eine Rahmenvereinbarung betreffend Los 3 (Innsbruck) abzuschließen.", gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt den Auftraggeberinnen 1. Pensionsversicherungsanstalt (PVA), 2. Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK), 3. Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK), 4. Steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK), 5. Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), 6. Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), 7. Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB) für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren "‚Pensionsversicherungsanstalt - Ambulante Rehabilitation Tranche I' - Los 3 (Innsbruck)", eine Rahmvereinbarung abzuschließen.

B)

DIE REVISION IST GEMÄß ART 133 ABS 4 B-VG NICHT ZULÄSSIG.

Text

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2019, beantragte die XXXX ,[HR2] vertreten durch MMag. Dr. Claus CASATI, Rechtsanwalt, Mariahilferstraße 1b/17, 1060 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung / Entscheidung über den beabsichtigen Abschluss einer Rahmenvereinbarung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben und den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren "‚Pensionsversicherungsanstalt - Ambulante Rehabilitation Tranche I' - Los 3 (Innsbruck)" der Auftraggeberinnen

1. Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Friedrich Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, 2. Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK), Siegfried Marcus-Straße 5, 7000 Eisenstadt, 3. Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK), Engelbert-Weiß-Weg 10, 5021 Salzburg, 4. Steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK), Josef-Pongratz-Platz 1, 8010 Graz, 5. Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), Hintere Zollamtsstraße 1, 1030 Wien, 6. Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), Josefstädter Streaße 80, 1080 Wien,

7. Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB), Linke Wienzeile 48-52, 1060 Wien, alle vertreten durch die vergebende Stelle Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Friedrich Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch die Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien.

1.1 Nach der Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und Angaben zur Rechtzeitigkeit erachtet sich die Antragstellerin in ihren Rechten auf gesetzeskonforme Bekanntgabe bzw Mitteilung der Zuschlagsentscheidung / Entscheidung über den beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung, auf Zuschlagsentscheidung / Entscheidung über den beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung zugunsten ihres Angebots, auf Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit ihr betreffend das Los 3 (Innsbruck), auf freien und lauteren Wettbewerb und Gleichbehandlung aller Bieter (§ 19 BVergG 2006), auf ausschreibungs- und gesetzeskonforme, sachverständige Angebotsprüfung (§§ 122 ff BVergG 2006), auf Durchführung einer gesetzes- und ausschreibungskonformen, transparenten und nachvollziehbaren Angebotsbewertung, auf Verhandlung und Aufklärung über ihr Angebot, auf Aufklärung allfälliger Unklarheiten / Unleserlichkeiten in ihrem Angebot, auf Ausscheiden des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerinnen und der übrigen, ihrem Angebot vorgereihten Angeboten und auf Widerruf des gegenständlichen Vergabeverfahrens verletzt. Nach Ausführungen zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags und Darstellung des Sachverhalts bezeichnet sie die Kosten für die Beteiligung am Vergabeverfahren und der Vertretung, das Erfüllungsinteresse, das Interesse an der Auslastung der eigenen Kapazitäten und Mitarbeiter und den drohenden Verlust eines Referenzprojekts als drohenden Schaden.

1.2 Als Gründe für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung gibt sie im Wesentlichen an, dass der Gestaltungsspielraum der Auftraggeber bei der Vergabe eines nichtprioritären Dienstleistungsauftrags insbesondere durch die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz, des freien und lauteren Wettbewerbs sowie der Vergabe an geeignete Unternehmer zu angemessenen Preisen und der daraus durch die Rechtsprechung abgeleiteten weiteren Vorgaben wie insbesondere der Nachprüfbarkeit der diversen Vorgaben und der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen nach dem objektiven Maßstab eines durchschnittlichen Sachverständigen. Bei der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung unterliege der Auftraggeber den selben Transparenzvorschriften wie bei der Vergabe von prioritären Dienstleistungen. Dem Schreiben vom 27. September 2019 fehle die Bewertung der erstgereihten Bieterin. Auch fehlten die Angaben zu der Bewertung in den Qualitätskriterien und Subkriterien und eine verbale Begründung für die Bewertung. Diese Bekanntgabe würde keine Geschäftsgeheimnisse oder andere schützenswerte Interessen verletzen. Daher sei die Zuschlagsentscheidung / Mitteilung über beabsichtigten Abschluss der Rahmenvereinbarung für nichtig zu erklären.

1.3 In der Ausschreibung fehle eine Angabe der einzelnen Mitglieder der nur "erforderlichenfalls" zum Einsatz kommenden (Bewertungs)Kommission und die Art der konkreten Entscheidungsfindung. Es könne nicht festgestellt werden, welche konkreten Experten die Angebotsprüfung vorgenommen hätten und ob diese unbefangen und von den Bietern unabhängig entschieden hätten. Auch der angefochtenen Mitteilung über den beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung sei nicht zu entnehmen, wer die Entscheidung getroffen habe. Die Angebotsprüfung dürfe nur solchen Personen zu übertragen, welche die fachlichen Voraussetzungen hierfür erfüllten. Die Bewertung müsse für Dritte, insbesondere die Verwaltungsgerichte nachvollziehbar sein. Die Begründung insbesondere von Juryentscheidungen müsse wegen der Nachvollziehbarkeit auch verbal erfolgen. Die Bewertung des größten Teils der zu vergebenden Punkte sei zum Thema "medizinisch-therapeutische Aspekte" erfolgt. Es fehle die Information wie und von wem die Bewertung mit Qualitätspunkten erfolgt sei. Es entstehe der Eindruck, dass die Bewertung von keinen oder lediglich von juristischen Fachberatern der Auftraggeberin erfolgt sei.

1.4 Der angefochtenen Entscheidung seien die Rechtsträger nicht zu entnehmen, in deren Namen die angefochtene Entscheidung getroffen worden sei. Aus dieser Umstand mache die angefochtene Entscheidung rechtswidrig.

1.5 Die Vorgaben über die Punkteverteilung seien extrem kasuistisch und intransparent. Es sei kein Maßstab für die Punkteverteilung zu erkennen. Die erfolgte Bewertung sei nicht nachvollziehbar. Die Entscheidung sei ausschließlich auf der Grundlage schriftlicher Angaben erfolgt. Der Antragsteller sei vorgehalten worden, zu wenige Klarstellungen vorgenommen zu haben, obwohl sie diese durch den jahrelangen Betrieb von Rehabilitationsleistungen für die Auftraggeberin nachgewiesen habe. Es bestünden Widersprüche zwischen den Ausschreibungsunterlagen und der Punktevergabe. Die Auftraggeberin habe den Grundsatz "Erweiterung vor Neuvergabe" bei der Punktevergabe in den Zuschlagskriterien "medizinisch-therapeutische Aspekte, organisatorische Aspekte und Räumlichkeiten" nicht berücksichtigt. In der Ausschreibung sei ausdrücklich eine kurze und übersichtliche Beantwortung des Fragenkatalogs "AMB" und eine Beschränkung der Konzepte auf höchstens zehn Seiten gefordert worden. Bei anderen Bietern hätten auch nur "kurze und beschränkte Antworten" akzeptiert werden dürfen. Die Bewertungskommission hätte den Umstand besser bewerten müssen, dass ein Bieter die Anforderungen schon jetzt und nicht erst in Zukunft durch ein "Versprechen pro futuro" erfülle. Die Erfüllung von Kriterien durch einen bereits laufenden Betrieb hätte mit dem Punktemaximum bewertet werden müssen. Alle Angaben des Bieters in sonstigen Beilagen hätten bei der Angebotsbewertung berücksichtigt werden müssen. Die Auftraggeberin habe das Angebot der Antragstellerin unrichtig geprüft. Die Auftraggeberin hätte die Antragstellerin auf den Umstand hinweisen müssen, dass ihr medizinisches Therapiekonzept "unkonkret, nicht nachvollziehbar und zT nicht leserlich" sei. Die Auftraggeberin hätte eine Verhandlungsrunde durchführen müssen. Das Gleichbehandlungsgebot hätte diesen Hinweis verlangt. Beim Notfallkonzept in der 2. Fassung des Angebots hätten die Auftraggeberinnen tatsächlich eine Aufklärung eingefordert, während sie das beim therapeutischen Konzept nicht getan habe. In dem Bescheid des Landes seien keine Therapieplätze enthalten. Die Auftraggeberinnen hätte die bereits vorhandenen Therapieplätze weniger gut bewertet als die erst versprochenen im Angebot der in Aussicht genommenen Partnerin der Rahmenvereinbarung. Nicht lesbare Unterschriften ohne Beisetzung des Namens in Blockbuchstaben seien ein verbesserbarer Mangel und hätten nicht zu einem Punkteabzug führen dürfen. Die Auftraggeberinnen hätten nur die verkürzten Ausführungen um Fragenkatalog und nicht die Ausführungen im jeweiligen Konzept bewertet. Die Bewertung im Kriterium "Therapeutisches Konzept und Entlassungsmanagement" sei nicht nachvollziehbar, weil weit mehr Übererfüllungskriterien vorlägen, als bewertet worden seien. Im Kriterium "Förderung der beruflichen Teilhabe" habe die Antragstellerin entgegen den Ausführungen im Prüfprotokoll konkrete Ausführungen zur Förderung der beruflichen Teilhabe gemacht. Die Bewertung sei daher nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für die Kriterien "Förderung der sozialen Teilhabe" und "Entlassungs- und Teilhabeberatung". Im Kriterium "Strukturqualität/Personal" sei wieder auf den Unterschied zwischen Fragebeantwortung und Konzept zu verweisen. Letzteres enthalte umfangreiche Ausführungen und Angaben zum einzusetzenden Personal, die eine niedrige Bewertung nicht rechtfertige. Im Kriterium "Leistungen für PatientInnen mit besonderen Bedürfnissen" sei die Bewertung insofern unrichtig, dass Hunde personenbezogen seien und von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen nicht bereitgestellt würden. Die fehlenden Angaben zu den Kosten fänden sich in der Darstellung "Kostenlose Pflegeassistenz". Im Kriterium "frühestmöglicher Inbetriebnahmezeitpunkt" sei eine unrichtige Bewertung erfolgt, weil eine lokale Einrichtung wie die Antragstellerin viele Leistungen sofort oder kurzfristig bereitstellen könne, jedenfalls früher als eine erst zu errichtenden nicht lokale Einrichtung, die noch nicht über eine genehmigte Betriebsanlage verfüge. Im Kriterium "Raumkonzept" habe die Antragstellerin einen Raumplan und eine schriftliche Aufzählung und Beschreibung der Räume samt Funktion und Maßangaben vorgelegt. Ein Architektenplan sei nicht gefordert gewesen und wäre auch nicht hochzuladen gewesen. Die Bewertung sei willkürlich erfolgt und sei nicht nachvollziehbar. Bei richtiger Bewertung wäre das Angebot der Antragstellerin an erster Stelle zu reihen gewesen. Maßgeblich seien die Festlegungen AU2 "00" Punkt 3, die Bewertungs-Richtlinien. Grundlage der qualitativen Bewertung seien die Beurteilung des Fragenkatalogs "AMB", wobei alle Angaben spätestens zum frühestmöglichen Inbetriebnahmezeitpunkt vorliegen müssten. Es seien nur die in den Zuschlagskriterien festgelegten Aspekte der Angebotsbewertung zugrunde zu legen. In weiterer Folge nimmt die Antragstellerin erneut zu den Punktevergaben in den einzelnen Kriterien Stellung und stellt einen jeweiligen Punkteanspruch abweichend von der erfolgten Bewertung dar.

1.6 Der Auftraggeber müsse wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung ein den in § 25 BVergG 2006 genannten Verfahrenstypen gleichwertige Verfahren schaffen. Die Auftraggeberinnen hätten ein Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung ausgeschrieben und nicht ein anderes, den gesetzlich vorgegebenen Verfahrenstypen unbekanntes Vergabeverfahren. Das "2-stufige Zertifizierungsverfahren mit vorheriger EU-weiter Bekanntmachung" sei dem BVergG 2006 unbekannt. Obwohl die Auftraggeberinnen die in der Ausschreibung 1. Fassung vorgesehenen "(allfällige) Verhandlungsrunden" in der 2. Fassung gestrichen hätten, habe die Antragstellerin mit Verhandlungen rechnen können. Die Auftraggeberinnen wären zu Verhandlungen verpflichtet gewesen. Die Auftraggeberinnen hätten zwar einige schriftliche Aufklärungen vorgenommen, aber keine Verhandlungen oder persönlichen Aufklärungsgespräche durchgeführt. Entgegen ihrer eigenen Ankündigung hätten sie ein Verhandlungsverfahren ohne Verhandlungen durchgeführt. Eine Festlegung, keine Verhandlungen durchzuführen, sei nicht bestandsfest.

1.7 Betreiber, die nicht über eine Befugnis verfügten, seien auszuscheiden. Weder die erst- noch die zweitgereihte Bieterin verfüge über eine entsprechende Befugnis nach dem KaKuG noch über Eigentums- oder Verfügungsrecht an der für die Anstalt in Aussicht genommenen Betriebsanlage für Innsbruck. Die Auftraggeberinnen seien an die Ausscheidensgründe des § 129 BVergG 2006 gebunden. Die Angebote der erst- und der zweitgereihten Bieterin seien daher auszuscheiden.

1.8 Wenn die Festlegungen in der Ausschreibung über die Angebotsbewertung so mangelhaft seien, dass eine gesetzeskonforme und transparente Angebotsprüfung unmöglich sei, müssten die Auftraggeberinnen die Ausschreibung zu widerrufen.

2. Am 9. Oktober 2019 sprach sich die Auftraggeberin nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und ersuchte um Fristerstreckung für die Stellungnahme zum gesamten Antragsvorbringen bis 16. Oktober 2019.

3. Am 9. Oktober 2019 räumte die Auftraggeberin dem Bundesverwaltungsgericht einen Zugang zum elektronischen Vergabeakt ein.

4. Am 10. Oktober 2019 erteilten die Auftraggeberinnen allgemeine Auskünfte und nahmen zum Antrag auf Akteneinsicht Stellung.

5. Am 10. Oktober 2019 legten die Auftraggeberinnen die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK), die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK), die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK), die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) und die Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB). vertreten durch die vergebende Stelle Pensionsversicherungsanstalt (PVA) schreiben unter der Bezeichnung "Pensionsversicherungsanstalt - Ambulante Rehabilitation Tranche I" Rahmenvereinbarungen über Dienstleistungsaufträge mit den CPV-Codes 85100000-0 - Dienstleistungen des Gesundheitswesens als Hauptgegenstand und den ergänzenden Gegenständen mit den CPV-Codes 75300000-9 - Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung, 85310000-5 - Dienstleistungen des Sozialwesens und 85100000-0 - Dienstleistungen des Gesundheitswesens im Oberschwellenbereich in einem "2-stufigen Zertifizierungsverfahren mit vorheriger EU-weiter Bekanntmachung" nach dem Bestangebotsprinzip aus. Die Rahmenvereinbarung ist in zehn Lose unterteilt. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtauftrags beträgt € 41,55 Mio, der geschätzte Auftragswert des verfahrensgegenständlichen Loses 3 € 4,11 Mio. Die Rahmenvereinbarung soll im verfahrensgegenständliche Los mit zwei Unternehmen abgeschlossen werden. Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 10. Juli 2018 zur Zahl 2018/S 130-297494 und im Amtlichen Lieferungsanzeiger vom 9. Juli 2018 zur Zahl L-652614-845, alle abgesandt am 6. Juli 2018. Das Ende der Teilnahmefrist war für alle Lose der 31. August 2018. Die Öffnung der Teilnahmeanträge erfolgte am selben Tag. Die Auftraggeberinnen luden vier Bewerber zur Angebotsabgabe für das gegenständliche Los ein. Die Frist zur Abgabe der Erstangebote endete am 4. März 2018, 12.00 Uhr. Vier Bieter gaben Erstangebote ab. Die Frist zur Abgabe der Zweitangebote endete ua für das gegenständliche Los am 24. Juni 2019, 12.00 Uhr. Es wurden vier Angebote abgegeben. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.2 Am 29. September 2019 gab die Auftraggeberin der Antragstellerin die nachstehende Entscheidung, mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, bekannt:

"...

Wir danken für Ihre Teilnahme am oben angeführten Vergabeverfahren und teilen Ihnen mit, dass beabsichtigt ist, mit den folgenden Bietern entsprechend der im Rahmen der kommissionellen Bewertung vorgenommenen Bieterreihung eine Rahmenvereinbarung abzuschließen.

Rang

Bieter

Punkte

1

XXXX

89,88

2

XXXX

76,94

Das Angebot der XXXX ist für das gegenständliche Los

4. Stelle gereiht und erreichte insgesamt 60,60 Gesamtpunkte. Aufgrund Ihres Ergebnisses im Los Innsbruck kommt das Angebot für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung demnach nicht in Betracht, zumal durch die vorgereihten Bieter der ausgeschriebene Bedarf in allen Indikationen vollständig abgedeckt werden kann.

Die von Ihnen mit dem Angebot erreichten Punkte gliedern sich wie folgt auf (hinsichtlich der ‚subjektiven' Bewertungskriterien verweisen wir auf das beiliegende Prüfprotokoll):

Zuschlagskriterien - Thema (1. Ebene)

maximale Punkte

erreichte Punkte

medizinisch-therapeutische Aspekte

60 Punkte

33,12 Punkte

organisatorische Aspekte

35 Punkte

24,43 Punkte

Räumlichkeiten

5 Punkte

3,05 Punkte

Summe

100 Punkte

60,60 Punkte

Bild kann nicht dargestellt werden

Demgegenüber stellt sich die punktemäßige Bewertung des letzten noch zu berücksichtigenden Angebots der ‚ XXXX ' wie folgt dar:

Bild kann nicht dargestellt werden

Die Stillhaltefrist endet am 7.10.2019, 24:00 Uhr.

..."

Diesem Schreiben war das Angebotsprüfungsprotokoll des Angebots der Antragstellerin angeschlossen.

(Beilage ./1 zum Nachprüfungsantrag)

1.3 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen. (Auskünfte der Auftraggeberin)

1.4 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von €

19.440. (Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl I 2013/10, idgF lauten:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, lauten:

"Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

...

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) ...

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

..."

3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, lauten:

"4. Teil

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

1. Hauptstück

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

(2) ...

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig

1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie

2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) ...

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) ...

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) ...

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

...

Inkrafttretens-, Außerkrafttretens- und Übergangsvorschriften

§ 376. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ausnahme der Einträge im Inhaltsverzeichnis zu den §§ 62, 66, 232, 237, 367 und 368 und der §§ 54 Abs. 2, 62 samt Überschrift, 66 samt Überschrift, 223 Abs. 2, 232 samt Überschrift, 237 samt Überschrift, 367 samt Überschrift, 368 samt Überschrift und des 2. Abschnittes von Anhang VIII samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Zugleich tritt das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, außer Kraft.

(2) ...

(4) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2018 neu gefassten Bestimmungen gilt Folgendes: Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Vergabeverfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Abs. 1 und 2 bereits beendet sind, richtet sich die Durchführung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage."

3.2 Maßgebliche Rechtslage

3.2.1 Am 21. August 2018 trat das BVergG 2018 nach seinem § 376 Abs 1 in Kraft und das BVergG 2006 zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.

3.2.2 Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Vergabeverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 eingeleitet waren, nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Vergabeverfahren am 6. Juli 2018 eingeleitet wurde, ist es nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage, dem BVergG 2006, zu Ende zu führen und zu beurteilen.

3.2.3 Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Nachprüfungsverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig waren, nach der nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Da das gegenständliche Nachprüfungsverfahren nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde, ist es nach der Rechtslage des BVergG 2018 zu führen.

3.3 Zu Spruchpunkt A) -Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.3.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 sind die Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK), die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK), die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK), die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) und die Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB). Sie sind als Sozialversicherungsträger bundesgesetzlich eingerichtete Körperschaften und nach ständiger Rechtsprechung öffentliche Auftraggeberinnen gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 und § 3 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 (st Rspr zB BVwG 3. 12. 2015, W114 2116410-1/13E; 20. 12. 2018, W187 2208747-2/26E; 14. 1. 2019, W123 2210191-2/19E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 BVergG 2006. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert, jener des gegenständlichen Loses eben falls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 1 BVergG 2006, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2006 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin der Abschluss der Rahmenvereinbarung beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher - bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 - Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und im Erhalt des Auftrags.

3.3.2.3 Die Auftraggeberin sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus, sich da der Ausscheidensgrund klar aus der Aktenlage ergebe und damit der Nachprüfungsantrag ohne Aussicht auf Erfolg sei.

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, wurden nicht geltend gemacht und sind dem Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich.

3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).

3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.

§ 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

3.3 Zu Spruchpunkt B) - Nichtzulassung der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschlussverbot, Bewertung, Bewertungskommission,
Bietergleichbehandlung, Dauer der Maßnahme, Dienstleistungen,
Dienstleistungsauftrag, einstweilige Verfügung, Entscheidungsfrist,
Frist, Interessenabwägung, Nachprüfungsantrag,
Nachprüfungsverfahren, Nachvollziehbarkeit, öffentliche Interessen,
öffentlicher Auftraggeber, Provisorialverfahren, Punktevergabe,
Rahmenvereinbarung, Schaden, Transparenz, Untersagung,
Vergabeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W187.2224118.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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