Entscheidungsdatum
04.11.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G314 2216819-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH, gegen Spruchpunkt V. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2019, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt V. des
angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am 21.02.2019 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet bei Arbeiten auf einer Baustelle betreten und wegen seines infolge unrechtmäßiger Erwerbstätigkeit unrechtmäßigen Aufenthalts angezeigt.
Der BF wurde am selben Tag vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot vernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er für ein slowakisches Unternehmen arbeite und auch in der Slowakei lebe, wo bereits ein Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels laufe. Er sei am heutigen Tage nach Österreich eingereist und würde am Abend wieder in die Slowakei zurückkehren.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Das Einreiseverbot wurde im Wesentlichen mit der Mittellosigkeit des BF, seinem unrechtmäßigen Aufenthalt und der Betretung bei der Ausübung einer illegalen Erwerbstätigkeit (Schwarzarbeit) begründet.
Nach der Zustellung dieses Bescheids wurde der BF am 01.03.2019 nach Serbien abgeschoben.
Ausdrücklich nur gegen das in Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids erlassene Einreiseverbot richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, dieses nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beheben; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Der BF beantragt auch, die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens gegen seinen slowakischen Arbeitgeber beizuschaffen und den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er für ein slowakisches Unternehmen tätig sei, das in Österreich einen Werkvertrag erfüllt habe. Er lebe in der Slowakei und habe dort auch bereits einen Aufenthaltstitel beantragt. Er habe auf die Zusicherung seines Arbeitgebers, wonach er sich bereits ab der Antragstellung rechtmäßig in der Slowakei aufhalte und zur Arbeitsaufnahme berechtigt sei, verlassen. Die Ausübung einer unerlaubten Erwerbstätigkeit, der er nicht zugestimmt hätte, sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Für ihn sei keine negative Zukunftsprognose zu treffen, weil er sich bis zur Betretung und auch danach rechtskonform verhalten habe. Die Dauer des Einreiseverbots sei nicht nachvollziehbar, zumal über seine Arbeitskollegen bei gleichem Sachverhalt jeweils nur ein 18-monatiges Einreiseverbot verhängt worden sei.
Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.
Am 15.04.2019 gab die Finanzpolizei in Beantwortung einer entsprechenden Anfrage des BVwG bekannt, dass österreichweit weder der Arbeitgeber des BF noch der BF selbst aufschienen. Das BFA legte trotz einer entsprechenden Aufforderung des BVwG keine ergänzenden Informationen zur unerlaubten Beschäftigung des BF vor.
Am 07.05.2019 legte der BF dem BVwG aufforderungsgemäß eine Kopie seines slowakischen Aufenthaltstitels vor.
Feststellungen:
Der BF ist serbischer Staatsangehöriger. Er wurde am XXXX in der serbischen Stadt XXXX geboren und spricht Serbisch. Er ist ledig, frei von Sorgepflichten, gesund und arbeitsfähig. In Serbien leben Familienangehörige des BF.
Der BF hat einen bis 26.11.2028 gültigen serbischen Reisepass. Am 21.03.2019 wurde ihm ein bis 04.03.2021 gültiger slowakischer Aufenthaltstitel erteilt.
Am 21.02.2019 wurde der BF von Beamten der Landespolizeidirektion XXXX auf einer Baustelle in Arbeitskleidung beim Einbau von Fenstern angetroffen. Er war ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung für den serbischen Staatsangehörigen XXXX, der in der Slowakei ein Bauunternehmen betreibt, tätig. Eine EU-Entsendebestätigung wurde nicht vorgelegt.
Von 21.02.2019 bis zu seiner Abschiebung am 01.03.2019 wurde der BF in einem Polizeianhaltezentrum in Schubhaft angehalten. Abgesehen davon weist er im Bundesgebiet keine Wohnsitzmeldung auf. Er wurde in Österreich nie strafgerichtlich verurteilt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.
Auch zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen bestehen keine widersprüchlichen Beweisergebnisse. Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Geburtsort des BF werden durch seinen in Kopie vorliegenden Reisepass belegt. Eine Kopie seines slowakischen Aufenthaltstitels, für dessen Ungültigkeit keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, liegt ebenfalls vor. Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel; Anhaltspunkte für andere Sprachkenntnisse sind nicht aktenkundig. Gegenüber dem BFA gab er an, dass seine Familie in Serbien lebt und er über keine Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister; seine Wohnsitzmeldung wird anhand des Zentralen Melderegisters festgestellt.
Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF ergeben. Im Fremdenregister ist weder eine österreichische Aufenthaltsgenehmigung noch ein entsprechender Antrag des BF dokumentiert. Dergleichen wird von ihm auch gar nicht behauptet, zumal er vor dem BFA angab, dass er um einen slowakischen Aufenthaltstitel angesucht habe, der in der Folge auch vorgelegt wurde.
Die Feststellung, dass der BF am 21.02.2019 in XXXX bei der Arbeit ohne entsprechende Bewilligung angetroffen wurde, beruht auf der vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift vom 21.02.2019 und der im Akt einliegenden Anzeigeschrift der LPD XXXX, Zl.: XXXX.
Rechtliche Beurteilung:
Die (rechtskräftige) Bestrafung einer Person nach dem AuslBG wegen Beschäftigung eines Fremden entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes bewirkt keine Bindung in einem gegen diesen Fremden geführten aufenthaltsbeendenden Verfahren. Da es auf den Ausgang eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens mangels Präjudizialität nicht ankommt, kommt eine Aussetzung des Verfahrens gegen den BF gemäß §§ 38 AVG, 17 VwGVG nicht in Betracht (siehe VwGH 31.01.2013, 2011/23/0538).
Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen den Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides; sohin gegen den Ausspruch eines Einreiseverbotes.
Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG (soweit hier relevant) z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahre erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
Bei der vorzunehmenden Gefährdungsprognose ist hier zu berücksichtigen, dass die nach dem AuslBG nicht zulässige Beschäftigung des BF aufgrund einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden festgestellt wurde und somit der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG erfüllt ist. Auch bei einer ordnungsgemäßen Beschäftigung in der Slowakei hätte es für eine vorübergehende Arbeitsleistung im Bundesgebiet bei Einhaltung österreichischer Lohn- und Arbeitsbedingungen zwar uU keiner Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung, aber gemäß § 18 Abs 12 AuslBG jedenfalls einer EU-Entsendebestätigung bedurft.
Eine vorsätzliche Vorgehensweise ist keine Voraussetzung der Erfüllung des Tatbestandes nach § 53 Abs 2 Z 7 FPG. Auf die subjektive Sicht des Drittstaatsangehörigen kommt es nicht an. Von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Drittstaatsangehörigen muss verlangt werden, sich mit den dafür einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Dabei genügt es etwa auch nicht, sich auf die Auskunft des Arbeitgebers zu verlassen (vgl VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Die vom BF ins Treffen geführte Zusicherung seines Arbeitgebers, wonach die Tätigkeit in Österreich rechtmäßig sei, kann ihn daher nur nicht völlig entlasten.
Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs 2 FPG indiziert grundsätzlich, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen und der Verhinderung von "Schwarzarbeit" ist zwar eine erhebliche Bedeutung zuzugestehen, jedoch ist bei der Erstellung der Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden und insbesondere das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr in Betracht zu ziehen.
Dabei ergibt sich hier, dass der im Bundesgebiet unbescholtene BF einmal bei einer unerlaubten Beschäftigung angetroffen wurde und ihm nur wenige Tage später ein slowakischer Aufenthaltstitel erteilt wurde. Es gibt keine Hinweise darauf, dass er vorhatte, sich hier für längere Zeit unrechtmäßig aufzuhalten oder wiederholt gegen fremden- und beschäftigungsrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Es ist daher keine nennenswerte Wiederholungsgefahr anzunehmen, zumal das erstmalige Fehlverhalten des BF angesichts der komplexen Rechtslage bei grenzüberschreitenden Entsendungen nicht überbewertet werden soll.
Da fallbezogen nur eine vergleichsweise geringe Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist das Einreiseverbot nicht zusätzlich zur Rückkehrentscheidung (die gemäß § 12a Abs 6 AsylG ohnedies 18 Monate ab der Ausreise des BF aufrecht bleibt), notwendig, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen. Die Erlassung eines Einreiseverbotes ist unter Berücksichtigung der bloß einmaligen Verfehlung des BF und der mit der Erteilung eines slowakischen Aufenthaltstitels und der Erwerbstätigkeit dort verbundenen positiven Zukunftsprognose nicht gerechtfertigt. Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.
§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens geklärt werden konnte, kann die Beschwerdeverhandlung entfallen. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin er vom BFA zu seiner Beschäftigung am 21.02.2019 befragt wurde und von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen zu seiner Erwerbstätigkeit in der Slowakei und dem ihm dort mittlerweile Aufenthaltstitel ausgegangen wird.
Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmende Interessenabwägung und die Erstellung einer Gefährdungsprognose können jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. VwGH 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2216819.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.02.2020