TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/20 W131 2223461-2

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Veröffentlicht am 20.12.2019
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Entscheidungsdatum

20.12.2019

Norm

BVergG 2018 §141 Abs1 Z7
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W131 2223461-2/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin MMag Dr Annemarie MILLE als Beisitzerin der Auftragnehmerseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Franz PACHNER als Beisitzer der Auftraggeberseite betreffend das Vergabeverfahren des Auftraggebers Arbeitsmarktservice Österreich (= AG) "AMS Graz West - Neuer Standort", GZ AMS/BGS/INF/1311/4578-2018, und den diesbezüglich gestellten Nachprüfungs- und Nichtigerklärungsantrag gegen eine Ausscheidensentscheidung und gegen eine Zuschlagsentscheidung, diese jeweils zu Lasten der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (= ASt) XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.10.2019, wie am 09.10.2019 verkündet und hiermit schriftlich ausgefertigt, im Rahmen eines Teilerkenntnisses betreffend die Ausscheidensentscheidung, zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die AG versandte in dem im Entscheidungskopf ersichtlichen Vergabeverfahren eine Ausscheidensentscheidung und eine Zuschlagsentscheidung.

2. Nach einem Nachprüfungsantrag samt einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und weiteren Parteienschriftsätzen sowie einer eV - Erlassung fand am 09.10.2019 schließlich ein erster Verhandlungstermin statt, bei dem die Parteien anwaltlich vertreten teilnahmen, wobei die Verhandlung in den hier interessierenden Teilen (samt anschließender Teilerkenntnisverkündung) wie folgt verlief [R = vorsitzender Richter; AGV = Rechtsvertreter des Auftraggebers; AStV = Rechtsvertreter der Antragstellerin; MBV = Rechtsvertreter der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin]:

[...]

R: Klargestellt wird, dass vorerst die Anfechtungsgründe bei der Ausscheidensentscheidung geprüft werden.

R ersucht AGV, im Originalangebot zu zeigen, wo der Preis für die nachhaltigen Baustoffe mit dem allfälligen Vorbehalt dokumentiert ist.

AGV zeigt insoweit das Preisblatt vom Letztangebot, welches im Konvolut im Letztangebot der ASt eingebunden ist. AGV verweist darauf, dass dies bei beiden Preisblättern für den 10-jährigen und für den 15-jährigen Kündigungsverzicht ident formuliert ist.

R ersucht AGV um Konkretisierung, inwieweit hier beim Angebot die Fertigung kritisiert wurde.

AGV verweist hier auf die Seite 11 von 11 "Bietererklärungen". Dort ist nicht ersichtlich wer hier unterschrieben hat und auch nicht in wessen Namen.

AStV bestätigt die Richtigkeit der gezeigten und konkretisierten Unterlagen.

AStV: Ich verweise darauf, dass dem Last and Best Offer ein Begleitschreiben angeschlossen war, dass firmenmäßig gefertigt ist und aus der diesbezüglichen Unterschrift leicht ableitbar ist, dass es die selbe Unterschrift ist, wie in der Bietererklärung. Im Übrigen wurde auch das Erstangebot in der gleichen Form gefertigt, sodass für die AG offenkundig war, wer die Bietererklärung unterfertigt hat.

R: Gibt es noch Vorbringen oder Beweisanträge bzw. Akteneinsichtsanträge zur Frage der Ausscheidensnotwendigkeit der Antragstellerin?

AStV: Es ist richtig, dass - wie von der AG zuletzt vorgebracht - in den Verhandlungsgesprächen auch über die mit Null ausgepreiste Position "Verwendung nachhaltiger Baustoffe" und über die diesbezügliche Anmerkung "wird nach tatsächlichen Bedarf verrechnet" gesprochen wurde. In den Verhandlungsgesprächen hat die ASt auf Aufforderung diese Position auf dem Erstangebot unter Verweis auf die ihr genannte Referenzprojekt Finanzamt aufgeklärt und wurde dies so von der AG anerkannt. Eine Aufforderung hier einen Preis einzusetzen wurde nicht erteilt. In diesem sind die Verhandlungsprotokolle laut Vergabeakt unvollständig und begründet diese Unvollständigkeit der Verhandlungsprotokolle eine Rechtswidrigkeit, die gegebenenfalls auch zu einer Nichtigerklärung der gegenständlichen Ausscheidungserklärung zu führen hat. Zum Beweis dafür, würde ich gerne Herrn Mag. R*** bzw. Herrn Mag. O*** führen, die an der Verhandlung teilgenommen haben.

R: Ich verweise auf 1.4.2., der Ausschreibungsunterlagen, wonach offenbar zwingend ein optionaler Preis für die Verwendung nachhaltiger Baustoffe anzubieten gewesen sein dürfte. Die Frage an den AStV, wurde dieses Erfordernis nach seinem Kenntnisstand gegenüber allen Bietern gleich behandelnd revidiert?

AStV: Ob alle Bieter weiß ich nicht, aber wir vermuten, dass dies nicht der Fall ist. Und dass dies auch das Ausscheiden aller übrigen Angebote zu Folge haben hätte müssen.

AGV: Ich bestreite das Vorbringen der ASt. Ich verweise auf die Verhandlungsprotokolle, wonach die ASt im Zuge der Verhandlung die Gelegenheit hatte, dass Protokoll zu lesen und allfällige Änderungswünsche bekannt zu geben. Mit der Unterfertigung wurde auch dessen Richtigkeit bestätigt (siehe Punkt 1. der Verhandlungsprotokolle vom 04.06.2019 und 17.07.2019). Weiters wurde in den Verhandlungsprotokollen festgehalten, dass im Rahmen der Verhandlung ohnehin keine verbindlichen Zusagen der AG erfolgen und allfällige Änderungen in der Folge schriftlich im Rahmen der Letztangebotsunterlagen vorgenommen werden. In der Einladung zur Letztangebotsabgabe wurden die Bieter dann auch ausdrücklich daraufhin gewiesen, dass die Angebotsblätter vollständig auszupreisen sind wobei auch ausdrücklich daraufhin gewiesen wurde, dass sich dies auf jede rosa markierte Position bezieht. Hinsichtlich des Erstangebots der ASt ist festzuhalten, dass sich die aus Sicht der AG bestehende Unklarheit in erster Linie darauf bezog, dass seitens der ASt dem Erstangebot der Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung

[Um 10:35 Uhr verlassen die MB und der Zuhörer freiwillig den Verhandlungssaal]

lediglich in nicht ausgefüllter Form beigelegt wurde. Dieser Aktionsplan sieht in den Ausschreibungsunterlagen beigelegten Fassung vor, dass jeweils auszufüllen ist, ob die genannten Kriterien erfüllt, nicht erfüllt oder unklar sind. Aus dem Erstangebot der ASt war daher für die AG nicht zu ersehen, ob oder in welchem Umfang die Kriterien gemäß Aktionsplan überhaupt angeboten sind. Dazu ist auch noch auf Punkt 1.5.1. der Erstangebotsunterlagen zu verweisen, wo ausdrücklich festgehalten ist, dass der Aktionsplan ausgefüllt beizulegen ist. Dem hat die ASt nicht entsprochen, es kam daher im Zuge der Verhandlungsrunde zu den diesbezüglichen Aufklärungen, bei den übrigen Bietern hat eine derartige Unklarheit nicht bestanden. Aus diesen war unmissverständlich zu ersehen, dass der Aktionsplan entsprechend angeboten ist.

AStV: Die Nachreichung des ausgefüllten Aktionsplanes für nachhaltige Beschaffung vom 14.06.2019 war auch auf der Seite 2 unter Punkt 7. enthalten. Dort findet sich der Satz "Verwendung nachhaltiger Baustoffe im Preis enthalten".

AGV: Im Letztangebot ist wiederrum die Anmerkung enthalten "Verwendung nachhaltiger Baustoffe" wird nach tatsächlichen Bedarf verrechnet.

Ausgeschrieben ist ein Mietvertrag. Das AMS will Miete zahlen und nicht die Baukosten zahlen.

AStV: Das war auch unser Verständnis, dass das AMS nur Miete zahlen will, deshalb wurden die Baustoffe in den Mietpreis einkalkuliert, was während der Verhandlungen auch so besprochen und durch das Schreiben vom 14.06.2019 dokumentiert wurde.

Zur Unvollständigkeit der Verhandlungsprotokolle: Die AG schreibt selbst in ihrer Replik vom 07.10.2019, Seite 2, letzter Satz, dass die Frage der Verwendung nachhaltiger Baustoffe thematisiert wurde. Im Protokoll selbst findet sich dies nicht. Auch haben die Bieter in den Protokollen lediglich die Richtigkeit auf Vorlage der AG bestätigt. Nicht aber die Vollständigkeit. Das Verständnis war, dass nur die aus Sicht der AG wichtigen Punkte protokolliert wurden.

Zum Ausfüllen des Aktionsplanes: Die ASt hat mit dem ersten Angebot eine parafierte Checkliste abgegeben und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie alle Anforderungen erfüllt. Die Checkliste selbst war ein PDF, das für eine positionsweise Ausfüllung nicht vorbereitet war, sodass die ASt davon ausgegangen ist, mit der Paraphierung der Anforderung zum "Ausfüllen" des Aktionsplanes zu entsprechen.

Ich verweise auf Beilage. /6 zu meiner Replik.

AGV: Ich bestreite.

Sohin werden die MB und der Zuhörer wieder in den Verhandlungssaal gebeten und wird Herr Mag. R*** als Zeuge(= Z) einvernommen, da im AVG keine Vorschriften über die Parteienvernehmung des Geschäftsführers der GmbH enthalten sind.

Beginn der Zeugeneinvernahmen des Herrn Mag. R***, in Österreich polizeilich gemeldet.

Nun erfolgt die Belehrung gemäß §§ 49 und 50 AVG.

Z verzichtet auf Fahrtkostenersatz und Verdiensteingang.

AStV: Bezogen auf die zwei Verhandlungsgespräche am 04.06.2019 bzw. 17.07.2019, wurde im Rahmen dieser Verhandlungsgespräche über die im Erstangebot enthaltene Position "Verwendung nachhaltiger Baustoffe" wie ich sie in der Beilage. /4 zum Nachprüfungsantrag vorhalte, gesprochen. Wenn ja, was war der Inhalt dieser Gespräche?

Z: Nach meinem Wissen wurde am 04.06.2019 über die Nachhaltigkeit insofern gesprochen, als einerseits mitgeteilt wurde, dass der Aktionsplan auszufüllen ist und auch jedenfalls vollständig zu erfüllen ist. Ich habe daraufhin ausgeführt, dass wir bei den uns angeführten Referenzprojekt FA K*** ebenfalls in punkto Nachhaltigkeit massive Voraussetzungen zu erfüllen hatten und dieses Objekt mit einem Nachhaltigkeitsausweis der Stufe Platin errichtet wurde. Die dem Aktionsplan zugrunde liegenden Mindestanforderungen seien somit im Hauptmietzins enthalten. Aufgrund der Erfahrungen aus der Errichtung des FA F*** und den von Mieterseite abgestimmten tatsächlichen Ausführungen ergaben sich jedoch in diesem Fall Sonderwünsche. In diesem Fall wurden die Sonderwünsche entsprechend bewertet und bei tatsächlicher vom Mieter freigegebener Ausführung mit einem Mietzinszuschlag angeboten. Um eben auch diesen Fall für gegenständliches Projekt (AMS Graz) analog anwenden zu können, wurde das Sternchen in die Anmerkung gesetzt. In der Verhandlungsrunde vom 17.07.2019 wurde ich nicht mehr daraufhin gewiesen, dass eine Änderung zum Anbotsblatt vorzunehmen ist und war für mich auch klar, dass sämtliche dem Aktionsplan zugrunde liegenden Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen sind und im Hauptmietzins beinhaltet sind.

AStV: Wie hat sich das im Zusammenhang mit der Position "Photovoltaik Anlage" unter Verweis auf Beilagen. /4 und 5 dargestellt?

Z: Beim ersten Preisblatt war die Photovoltaik Anlage ebenso mit den Sternchen "wird nach tatsächlichem Bedarf" verrechnet angesetzt. In der Verhandlungsrunde vom 04.06.2019 wurde die Errichtung einer Photovoltaik Anlage thematisiert und diese mit 100 kWp in verschiedensten Varianten gekoppelt mit unterschiedlichen Kühlungsvarianten, Be- und Entlüftungsvarianten angeboten und im Letztanbot aufgrund technischer Optimierung mit 50 kWp an Stelle von 100 kWp angeboten. Dies wurde vorab auch in der Verhandlungsrunde vom 17.07.2019 entsprechend vereinbart. Das Letztanbot hatte verpflichtend sowohl das Angebot einer Photovoltaik in optimierter Größe, sowie einer Raumkühlung, bestehend aus Deckenkühlung samt Be- und Entlüftung zu enthalten. Aus diesem Grunde wurde auch das Sternchen entfernt.

AStV: Zur Art der Protokollierung: Wer hat das Protokoll geführt und wurden all diese von Ihnen jetzt genannten Inhalte so protokolliert? Wenn nein, warum haben Sie das Protokoll trotzdem unterfertigt?

Z: Das Protokoll wurde von Herrn Mag. E*** während dem Verhandlungsgesprächen schlagwortartig in Bezug auf wichtige Themen mitprotokolliert und am Ende der Verhandlungsrunde gemeinsam nochmals durchgegangen. Auf eine Protokollierung in Bezug auf die Auspreisung bzw. Beinhaltung nachhaltiger Stoffe im Hauptmietzins legte ich keinen Wert, da dies meinem Empfinden lediglich einer Klarstellung von Seiten AMS diente.

AGV: Keine Fragen an den Zeugen.

MBV: Keine Fragen an den Zeugen.

AStV: Auf Herrn Mag. O*** als Zeugen wird nunmehr verzichtet.

R: Da kein Vorbringen mehr zur Frage der Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung erstattet wird, wird übergeleitet zu einer kurzen Erörterung, inwieweit auf Basis der Ausschreibungsunterlagen ein Raum und Funktionsprogramm für das AMS Wels beizulegen war bzw. beigelegt wurde.

AStV: Wir haben kein Raum und Funktionsprogramm für das AMS Wels beigelegt und wir vermuten, dass auch unsere Mitbewerber kein Raum und Funktionsprogramm für das AMS Wels beigelegt haben, sodass bei einer formalen Betrachtungsweise alle Angebote auszuscheiden gewesen wären, insbesondere bei einer gleich strengen Betrachtungsweise wie dies die AG nunmehr in unserem Letztangebot anstellt. Wenn man tatsächlich auf den Buchstaben der Ausschreibung bzw. eines Preisblattes abstellen wollte und nicht deren Sinn und die Umstände nicht berücksichtigt, was aus Sicht der ASt geboten wäre, wäre im Sinne der Gleichbehandlung schon alle Erstangebote auszuscheiden.

AGV: Ich spreche mich zunächst gegen die Antragsänderung aus. Eine dahingehende Rechtsverletzung, insbesondere auch ein Recht auf Widerruf, wurde im Nachprüfungsantrag nicht geltend gemacht und ist daher zum jetzigen Zeitpunkt verfristet. Darüber hinaus wird das Vorbringen der ASt auch inhaltlich bestritten. Die Erstangebotsbestimmung insbesondere der genannte Verweis auf das Raum und Funktionsprogramm in Punkt 1.5.1. war seinem objektiven Erklärungswert nach dahingehend zu verstehen, dass damit das den Ausschreibungsunterlagen beiliegende Raum und Funktionsprogramm gemeint ist. Dies wurde auch von allen Bietern tatsächlich so verstanden. Alle Bieter haben sowohl den Erstangebot als auch dem Letztangebot das den Ausschreibungsunterlagen beiliegende Raum und Funktionsprogramm beigelegt. Es war sohin für die Bieter völlig klar, welches Raum und Funktionsprogramm hier gemeint ist und dem Erstangebot beizulegen war. Ausschreibungsunterlagen sind nach ständiger Rechtsprechung im Sinne der §§ 914 und 915 ABGB nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dabei ist nicht rein am Wortlaut zu verhaften, sondern vor allem auf die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden abzustellen. Dies ist gegenständlich dahingehend zu sehen, dass völlig unzweifelhaft das den Ausschreibungsunterlagen beiliegende Raum und Funktionsprogramm gemeint war und wurde von den Bietern auch tatsächlich so verstanden. Soweit hier auf "Wels" verwiesen wird, handelt es sich um eine offenkundige Fehlbezeichnung, die aber für alle Bieter erkennbar war und auch tatsächlich völlig richtig dahingehend verstanden wurde, dass das ausschreibungsgegenständliche Raum und Funktionsprogramm gemeint war. Im Übrigen ist das AMS Wels in rechtlicher Hinsicht nichts anderes als das AMS Graz-West. Beim AMS handelt es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts, den Regionalgeschäftsstellen kommt keine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Es handelt sich insoweit um den selben Rechtsträger der hier bezeichnet wird - § 1 AMS-Gesetz.

MBV: Wir schließen uns dem Vorbringen des AGV an.

AStV ersucht um die Möglichkeit eines Vorbringens, dass es rechtswidrig ist, dass drei Bieter zur Letztangebotslegung eingeladen wurden, wo von die ASt erst durch die Stellungnahme der AG am 30.09.2019 Kenntnis erlangt hat. In der Zuschlagsentscheidung wurde darüber nichts gesagt. Laut Punkt 1.3. der Ausschreibungsunterlage für die erste Angebotslegung werden nur zwei Bieter ausgewählt für die zweite Verhandlungsrunde.

AGV: Ich verweise darauf, dass hier ein Vorbehalt in Punkt 1.3., letzter Absatz der Angebotsunterlage enthalten ist. Die Letztangebotsbestimmungen sind bestandsfest.

AStV: Es kann nicht bestandsfest gewesen sein, da wir keine Kenntnis hatten, dass drei Bieter eingeladen werden und ich würde Sie bitten mir dies zu zitieren.

AGV: Ich habe es zitiert, Punkt 1.3., letzter Absatz.

AStV: Der letzte Absatz des Punkt 1.3. rechtfertigt es nicht, dass der AG mit drei Bietern Verhandlungsgespräche führt (jeweils eine zweite Verhandlungsrunde durchführt) und all diese drei Bieter zur Abgabe eines Last and Best Offers einladet. Wesentlich ist dieses Abweichen von der Ausschreibung vorgegebenen Verhandlungsprozess insoweit als damit nicht auszuschließen ist, dass für die Zuschlagentscheidung vorzusehende Bieterin gar nicht in die zwei Runde hätte eingeladen werden dürfen. Wenn man das Angebot der ASt so formal juristisch behandeln wollte, wie dies die AG in der angefochtenen Zuschlagsentscheidung gemacht hat, dann ist diese Vorgangsweise als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot rechtswidrig und muss die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung und der Zuschlagsentscheidung zur Folge haben.

AGV: Ich bestreite. Ich verweise auf Punkt 1.3. der Erstangebotsbestimmungen, letzter Absatz, wonach sich die AG ausdrücklich vorbehalten hat von dem davor beschriebenen Prozedere eines Shortlistings und Führung einer zweiten Verhandlungsgrunde mit nur zwei Bietern abzusehen und die Bieter bereits nach Durchführung der ersten Verhandlungsrunde zur Letztangebotsabgabe einzuladen. Im Übrigen ändert auch das nunmehrige Vorbringen der ASt nichts daran, dass ihr Letztangebot aus den genannten Gründen jedenfalls auszuscheiden ist.

MBV: Ich schließe mich dem Vorbringen des AGV an.

AStV: Zur Relevanz: Wären nicht rechtswidrig drei Bieter zur Letztangebotsabgabe eingeladen worden, dann hätte es auch nicht die gegenständliche Ausscheidung bzw. Zuschlagsentscheidung gegeben.

AGV: Aus Sicht der AG ist nicht nachvollziehbar, dass die ASt den beanstandeten Zusatz im Preisblatt dann weggelassen hätte, wenn nicht nach dem in Punkt 1.3., letzter Absatz, genannten Vorgehensweise vorgegangen worden wäre.

R teilt mit, dass angedacht ist die Verhandlung für eine kurze Beratung zu unterbrechen. Zuvor soll der AStV noch ersucht werden, die Ausscheidensgründe zu Lasten der MB, wie er sie sieht, nochmals kurz zu konkretisieren. Zuvor aber noch eine Verständnisfrage des R.

R: Zur Zeugenaussage des Herrn Mag. R***. Was heißt kWp?

Z: Kilowattpeak.

R hält mit den Parteien fest, dass mit der Photovoltaik Anlage laut Letztverhandlung mit der ASt damit eine Leistung mit einer Spitze von 50 kW für das Letztangebot konkretisiert wurde.

Daher nunmehr die Frage an den AGV, ob diese 50 kWp irgendwo in der Letztangebotsaufforderung Eingang gefunden haben?

AGV: Die Letztangebotsbestimmungen waren für alle Bieter gleich. Ich verweise nochmals darauf, dass im Rahmen der Verhandlungsgespräche ausdrücklich festgehalten wurde, dass im Rahmen der Verhandlung Seitens der AG keine verbindlichen Zusagen erfolgen und allfällige Änderungen in Folge der Verhandlungen schriftlich vorgenommen werden.

AGV ersucht um Stellungnahmefrist binnen einer Woche zur Frage, ob hier spezifische Vorgaben in Bezug auf die Spitzenleistung der Photovoltaik Anlage als Muss oder Sollanforderung enthalten gewesen sind. Vorweg kann aber darauf verwiesen werden, dass die Ausschreibungsbedingungen für sämtliche Bieter ident waren und jedenfalls keine Ungleichbehandlung vorliegt.

AStV: Zur Photovoltaik Anlage wurde keine Peakleistung vorgegeben.

R ersucht nunmehr AStV um kurz Konkretisierung jener Ausscheidensgründe, die er beim Angebot der MB sieht.

AStV: Unter Verweis auf Punkt 5.2. des Nachprüfungsantrags ist das Angebot der MB wegen nicht angemessener Preise (Betriebskosten, Vorsteuerabzugsberechtigung, Mietfreie Zeit, Energiekosten (Photovoltaik Anlage) und Zusatzleistungen) sowie wegen Verstoß gegen die Ausschreibungsbedingungen (siehe Vorbringen zur Preisangemessenheit) auszuscheiden. Im Hinblick auf die heutigen Erörterungen wäre das Angebot der MB auch auszuscheiden bzw. nicht zu berücksichtigen, weil nicht das Raum und Funktionsprogramm AMS Wels im ersten Angebot angeschlossen war, wenn man der rein formalen Auslegung folgen wollte, wie dies die AG bei ihrer Ausscheidungsentscheidung gegenüber der ASt vornimmt.

Die Verhandlung wird um 12:04 Uhr zur Senatsberatung unterbrochen.

Die Verhandlung wird um 12:54 Uhr fortgesetzt.

Mitgeteilt wird, dass angedacht ist, dass Ermittlungsverfahren betreffend die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung zu schließen. Es ergeht die Umfrage nach weiteren Vorbringen zur Frage der Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung.

AStV: Es hat zwei Verhandlungsrunden gegeben und es wurden drei Angebote abgefragt und in der zweiten Verhandlungsrunde vom 17.07.2019 hat die AG unter Punkt 2.2. Kühlsystem gegenüber der ASt vorgegeben einerseits die Photovoltaik mit 50 kWp und andererseits eine

Deckenkühlung und Lüftung. Eine diesbezügliche Festlegung sollte auch gegenüber den übrigen Bietern, insbesondere der MB, getroffen worden sein. Wenn das Angebot der übrigen Bieter, insbesondere das der MB, keine Photovoltaik Anlage von zumindest 50 kWp und/oder Deckenkühlung und Lüftung beinhaltet hat, wäre auch deren Angebote auszuscheiden gewesen. Ob dies Angebotsinhalt ist und ob dies geprüft wurde, können wir nicht sagen, wäre aber im Sinne der Gleichbehandlung von der AG und letztlich auch vom Gericht zu prüfen bzw. zu prüfen gewesen.

R: Da kein weiteres Vorbringen zur Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ausscheidensentscheidung erstattet wird, wird insoweit das Ermittlungsverfahren geschlossen, nachdem der AGV das letzte Vorbringen des AStV bestreitet.

Der Senat zieht sich um 13:02 Uhr für eine kurze Beratung zurück.

Fortsetzung der Verhandlung um 13:04 Uhr.

Schluss der Verhandlung betreffend der Ausscheidensentscheidung.

Der VR verkündet nach Durchführung der nichtöffentlichen Beratung des Senates im Namen der Republik das nachfolgende Teilerkenntnis betreffend den Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidungsentscheidung samt wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilt die Rechtsmittelbelehrung:

Der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung wird abgewiesen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Tragende Gründe:

Die Antragstellerin hat mit ihrem Vorbehalt im Preisblatt, dass die Verwendung nachhaltiger Baustoffe nach tatsächlichem Bedarf verrechnet würde, ein auszuscheidendes Letztangebot gelegt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Entscheidung insoweit auf einer gesicherten Rsp des VwGH als Einzelfallentscheidung nicht revisibel ist. [...]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Über den Verfahrensgang hinaus ist festzustellen wie folgt:

1.1. Die angefochtene Ausscheidensentscheidung ist in einem Verhandlungsverfahren nach vorheriger Vergabebekanntmachung iZm einem Letztangebot der ASt ergangen.

1.2. Nach Punkt 1.4.2. der Erstangebotsunterlage war die Verwendung nachhaltiger Baustoffe optional anzubieten.

1.3. In Punkt 1.4.2. der Letztangebotsunterlage war das Wort optional durchgestrichen und war daher die Verwendung nachhaltiger Baustoffe zwingend anzubieten.

1.4. Die jeweiligen Angebotsunterlagen wurden beim BVwG nicht zum Gegenstand einer Nachprüfung von Ausschreibungsunterlagen gemacht.

1.5. Im Preisblatt ihres Letztangebots hat die ASt bei beiden Angebotsvarianten (zehnjähriger oder alternativ fünfzehnjähriger Kündigungsverzicht) iZm abgefragten Ausführungszuschlägen in der Preiszeile für die Verwendung nachhaltiger Baustoffe die Ziffer Null ausgefüllt und in einem diesbezüglichen Verweis auf dem Preisblatt vermerkt, dass die Verwendung nachhaltiger Baustoffe nach tatsächlichem Bedarf verrechnet wird.

1.6. Der AG hat in der angefochtenen Ausscheidensentscheidung dazu maW ausgeführt, dass dadurch die Pauschalmiete als Zuschlagskriterium nicht gewertet und ein Vergleich mit anderen Angeboten nicht hergestellt werden kann.

Aus den auch von der ASt verwendeten und ausschreibungsmäßig vorgegebenen Preisblattformularen und Punkt 1.6.1.1. der Letztangebotsunterlage ergibt sich dabei eindeutig, dass die "Quadratmetermiete netto" und der "Zuschlag für die Verwendung nachhaltiger Baustoffe" jeweils zwei zwingende Summanden (neben anderen Summanden) waren, aus denen sich durch Addition (= das Zusammenzählen mehrerer Summanden mit dem Ergebnis einer Summe) die Pauschalmiete (= "Pauschalmiete netto") als für den Zuschlag bewertungsrelevante Summe ergibt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der Aktenlage der Gerichtsakten und aus den vorgelegten Vergabeunterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gegenständlich war wegen der Vergabeverfahrenseinleitung nach dem 21.08.2018 das BVergG 2018 gemäß BGBl I 2018/65 einschlägig, § 376 Abs 4 BVergG 2018 (= BVergG).

3.1.1. Das BVwG hatte gegenständlich in der im Entscheidungskopf ersichtlichen Senatsbesetzung zu entscheiden - § 328 BVergG 2018 iVm § 6 VwGVG.

Als Verfahrensrecht waren dabei abseits der Sonderverfahrensvorschriften des BVergG 2018 das VwGVG und die in § 333 BVergG 2018 verwiesenen Teile des AVG anzuwenden.

3.1.2. Nach der stRsp des VwGH, wie zB zu Zl 2013/04/0029 ersichtlich, ist eine Ausschreibung als präkludiert und bestandfest auch dann anzuwenden, wenn die Ausschreibung vergaberechtswidrig sein könnte, aber deren allfällige Rechtswidrigkeiten nicht innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Anfechtungsfrist bei der zuständigen Vergabekontrollinstanz angefochten wurden.

Siehe insoweit den RS aus der VwGH - Rsp zu VwGH Ra 2016/04/0132, der lautet:

Allfällige Rechtswidrigkeiten einer bestandfesten Entscheidung dürfen vom VwG im Rahmen der Nachprüfung einer späteren Auftraggeberentscheidung nicht mehr aufgegriffen werden (Hinweis E vom 17. Juni 2014, 2013/04/0029, mwN).

3.1.3. Aus VwGH Zl 2006/04/0024 ist iZm der gebotenen Ausschreibungsauslegung entsprechend der stRsp des VwGH festzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt bei der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen, somit hinsichtlich der Willenserklärungen des Auftraggebers, den objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt für maßgebend erachtet (Hinweis E vom 19. November 2008, 2007/04/0018, mit Verweis auf die Vorjudikatur). Dass der objektive Erklärungswert maßgeblich ist, gilt auch für die Auslegung der Willenserklärung des Bieters.

3.1.4. IZm der Pflicht zur gesetzeskonformen Auslegung von Ausschreibungsunterlagen bzw iZm der Irrelevanz eines nur zu vermutenden Zwecks der Ausschreibungsbestimmungen hat der VwGH weiters zB zu Ra 2018/04/0137 rechtssatzmäßig dokumentiert ausgeführt wie folgt:

Ausschreibungsbestimmungen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen (Hinweis E vom 27. Oktober 2014, 2012/04/0066, mwN).

Zu A) Zur Abweisung

3.2. Zur Abweisung des Nachprüfungsantrags gegen die Ausscheidensentscheidung:

Die Antragstellerin hat mit ihrem Letztangebot mit der dortigen Nullpreisangabe im Abfragefeld für den Ausführungszuschlag für die Verwendung nachhaltiger Baustoffe samt dem dazu angemerkten Vorbehalt, dass insoweit nach dem tatsächlichen Bedarf verrechnet würde, ein ausschreibungswidriges Angebot gelegt. Dieses Angebot wurde im Ergebnis zu Recht gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 ausgeschieden, zumal eine derartige bewertungsrelevante Nullpreisangabe nicht nachträglich nach Ablauf der Letztangebotsfrist geändert werden kann und insoweit wegen Wettbewerbsrelevanz jedenfalls kein behebbarer Angebotsmangel vorliegt. Dass die ASt insoweit etwas zu verrechnen vorbehalten hat, ergibt sich iSd gebotenen Angebotsauslegung objektiv aus dem Wortlaut des Vorbehalts, dass insoweit nach dem tatsächlichen Bedarf verrechnet würde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision war gegenständlich nicht zuzulassen, weil sie auf einer eindeutigen Rsp des VwGH beruht, siehe dazu nur Zlen Ra 2015/04/0058 und Ra 2016/04/0015, die gegenständlich wiederum im Einzelfall angewendet wurde.

Schlagworte

Angebot ausschreibungswidrig, Auslegung der Ausschreibung,
Ausscheiden eines Angebotes, Ausscheidensentscheidung,
Ausscheidensgründe, Behebbarkeit von Mängeln, Berechnung,
bestandfeste Ausschreibung, Kalkulation, Mängelbehebung,
Mangelhaftigkeit, mündliche Verhandlung, Nachprüfungsantrag,
Nachprüfungsverfahren, Nichtigerklärung, objektiver Erklärungswert,
Verbesserung der Wettbewerbsstellung, Vergabeverfahren,
Vergleichbarkeit der Angebote, Wettbewerbsrelevanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W131.2223461.2.00

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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