TE Lvwg Beschluss 2019/3/21 VGW-101/079/7301/2018

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Veröffentlicht am 21.03.2019
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Entscheidungsdatum

21.03.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
22/02 Zivilprozeßordnung
50/01 Gewerbeordnung

Norm

VwGVG §8a Abs1
ZPO §63 Abs1
ZPO §64 Abs1 Z1
GewO 1994 §26 Abs1
GewO 1994 §13 Abs1 Z1
GewO 1994 §87 Abs1 Z1

Text

BESCHLUSS

gemäß §§ 31 iVm 8a Abs. 1 und 2 VwGVG

I. Der Antrag des A. B. geb, 1972, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, vom 9.5.2018, …, betreffend die Verweigerung der Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Gewerbes „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ wird abgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wurde ein am 5.12.2017 bei der belangten Behörde eingebrachter Antrag auf Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund der strafgerichtlichen Verurteilung nach § 26 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 in der Sache negativ erledigt. Nach Zustellung dieses Bescheides durch postalische Hinterlegung zur Abholung ab 15.5.2018 brachte der Antragsteller mit E-Mail vom 5.6.2018, sohin innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist (§ 7 VwGVG), zusammen mit einer grundsätzlich begründeten Beschwerde den gegenständlichen Antrag auf Verfahrenshilfe „im vollen Umfang“, insbesondere auch auf unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts zur Verbesserung der Beschwerde durch „Ergänzung und rechtliche Ausführung“ ein. Begründet ist das Begehren im Wesentlichen mit dem bisherigen Misserfolg im Verfahren, der Komplexität der Angelegenheit und einer wirtschaftlichen Lage, die dem Antragsteller die Bezahlung von Anwaltshonoraren bei sonstiger Gefährdung des eigenen Unterhalts nicht erlaube. Ein Vermögensverzeichnis lag dem Antrag nicht bei.

Rechtliche Beurteilung:

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei gemäß § 8a Abs. 1 erster Satz VwGVG Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Gemäß Abs. 2 sind, soweit in § 8a nicht anderes bestimmt ist, die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

Gemäß § 63 Abs. 1 ZPO ist einer Partei Verfahrenshilfe soweit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falles, besonders auch der für die Eintreibung ihres Anspruchs bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde.

Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 ZPO kann die Verfahrenshilfe für eine bestimmten Rechtsstreit die einstweilige Befreiung von der Entrichtung folgender Gebühren bzw. Kosten umfassen:

a) der Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren;

b) der Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes;

c) der Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer;

d) der Kosten der notwendigen Verlautbarungen;

e) der Kosten eines Kurators, die die Partei nach § 10 zu bestreiten hätte;

f) der notwendigen Barauslagen, die von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind; diese umfassen jedenfalls auch notwendige Übersetzungs- und Dolmetschkosten; die unter den Buchstaben b bis f genannten Kosten, Gebühren und Auslagen werden vorläufig aus Amtsgeldern berichtigt.

Die GewO 1994 enthält keine besonderen Vorschriften zur Verfahrenshilfe. Nach dem Wortlaut des § 8a Abs. 1 erster Satz VwGVG ist einem solchen Antrag nur dann zu entsprechen, wenn alle dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der in Art. 6 Abs. 1 EMRK festgelegte Anspruch, dass die in Rede stehende Sache „in billiger Weise“ gehört wird, unterliegt einer Prüfung im Einzelfall. Insbesondere kommt es darauf an, ob die Beistellung eines Verfahrenshelfers „unentbehrlich“ erscheint, um den Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv zu gewährleisten. Bei dieser Beurteilung sind neben den Vermögensverhältnissen der Partei auch ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden, die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Partei zu berücksichtigen (vgl. auch die Erläuterungen zur RV 1255 BlgNR 25. GP, S. 2 zu § 8a VwGVG sowie sg. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0227, zu § 40 VwGVG und dessen Vorgängerbestimmung).

Das Verfahren betreffend die Nachsichtserteilung vom Gewerbeausschlussgrund der strafgerichtlichen Verurteilung stellt entgegen dem Vorbringen des Antragstellers aus der Perspektive des Nachsichtswerbers keine „komplizierte Angelegenheit“ dar, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eine anwaltliche Vertretung erfordert. Vielmehr genügt hier eine Antragstellung in einfachster Form und obliegt auch die Beischaffung der entscheidenden Beweismittel (insbesondere der Strafakten) schon aus faktischen und organisatorischen Gründen der Gewerbebehörde bzw. dem VG, welche dieses Material in der Folge auszuwerten und darauf aufbauend eine umfassende amtswegige Würdigung und Prognose vorzunehmen haben. Relevant ist hier insbesondere auch der Umstand, dass Gewerbebehörde und VG nach ständiger Rechtsprechung des VwGH bei ihrer Entscheidung an die den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Tatumstände sowie an die Entscheidung über die Schuldfrage gebunden sind; diese Umstände sind daher im Nachsichtsverfahren nicht mehr neu aufzurollen oder in Frage zu stellen. Für eine Berücksichtigung wirtschaftlicher oder existenzieller Aspekte bietet die GewO 1994 von vornherein keine Rechtsgrundlage (vgl. jeweils zum spiegelbildlichen Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 VwGH 12.6.2013, 2013/04/0064, mwV; 28.9.2011, 2010/04/0134, mwV; 8.5.2002, 2001/04/0043). Der Antragsteller selbst kann daher in einem solchen Nachsichtsverfahren zur Entscheidungsfindung der Gewerbebehörde bzw. des VG nur in untergeordnetem Ausmaß beitragen, und zwar insbesondere nicht durch rechtliche oder taktische Ausführungen, sondern hauptsächlich durch Mitwirkung bei der Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von seiner Person und Gesinnung. Im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht besteht auch kein Anwaltszwang, sondern gegenüber nicht rechtskundig vertretenen Beschwerdeführern vielmehr (jedenfalls in verfahrensrechtlicher Hinsicht) richterliche Manuduktionspflicht.

Das bisherige Verfahren lässt auch keinerlei Anhaltspunkte erkennen, dass der Antragsteller die in Verhandlung stehende Angelegenheit nicht hinreichend verstanden hätte oder nicht in der Lage wäre, diesbezüglich mit Behörden (bzw dem Verwaltungsgericht) zu kommunizieren. Vielmehr hat er seinen Standpunkt bereits im Rahmen des Parteiengehörs mit Stellungnahme vom 5.3.2018 deutlich und schlüssig zum Ausdruck gebracht. Der Umstand, dass sein Ansuchen bzw. seine Ausführungen wegen Verneinung der Erteilungsvoraussetzungen durch die belangte Behörde bislang erfolglos geblieben sind, spricht als solcher jedenfalls nicht für das Erfordernis der Beigebung eines Rechtsanwalts. Die Ausführungen in der Stellungnahme vom 5.3.2018 („Fehlurteile“) und zum Verfahrenshilfeantrag lassen vielmehr erkennen, dass dem Antragsteller noch immer daran gelegen ist, hinsichtlich der rechtskräftigen Vorstrafen „seine Unschuld zu beweisen“, was - wie bereits festgehalten - im gewerbebehördlichen Nachsichtsverfahren nicht zur Debatte steht. Insofern gebieten im vorliegenden Fall Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC keine Verfahrenshilfe.

 

Die pauschale Eingabegebühr für die Beschwerden beträgt gemäß § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV einschließlich allfälliger Beilagen (nur) 30 Euro. Da der Antragsteller nicht mit einer echten finanziellen Notlage, sondern lediglich mit nicht tragbaren Anwaltshonoraren argumentiert, ist nicht zu erwarten, dass die einmalige Entrichtung dieser Gebühr seinen Unterhalt für eine einfache Lebensführung beeinträchtigt.

 

Bereits aus den vorerörterten Gründen war trotz fehlenden Vermögensverzeichnisses von einem Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG abzusehen und der Antrag auf Verfahrenshilfe zur Gänze abzuweisen.

Zu II (§ 25 a Abs. 1 VwGG):

Die Unzulässigkeit der Revision war auszusprechen, da sich bei der Entscheidung keine materiellen oder verfahrensrechtlichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG stellten: Bei der Beurteilung einer nach § 8a VwGVG gebotenen Bewilligung von Verfahrenshilfe handelt es sich um eine Entscheidung im Einzelfall, die grundsätzlich nicht der Nachprüfung im Revisionsweg unterliegt. Die Beurteilung der Voraussetzungen unterliegt nur dann der Korrektur im Revisionsweg, wenn sie in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigen unvertretbaren Weise erfolgt (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0227, mwV).

Schlagworte

Verfahrenshilfe; Nachsichtsverfahren; Manuduktionspflicht; Gewerbeausschlussgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.101.079.7301.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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