Index
AbgabenverfahrenNorm
BAO §116 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Mathis, Dr. Kaupp und Dr. Schmid als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des WD in X, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Dezember 1963, Zl. GA VIII - 1216/63, betreffend die Gebühr von einem Gesellschaftsvertrage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat sich im Gesellschaftsvertrage vom 13. Dezember 1961 mit seiner Gattin AD zu einer Kommanditgesellschaft unter einem bestimmten Firmenwortlaute vereinigt. Das zuständige Finanzamt hat von diesem Gesellschaftsvertrage die Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 TP. 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 267/1957, GebG.) mit einem Betrage von S 16.859,-- vorgeschrieben. Dieser Gebührenbescheid wurde vom Beschwerdeführer mit Berufung angefochten, weil die handelsgerichtliche Eintragung bzw. die Gründung der Kommanditgesellschaft nicht habe durchgeführt werden können und der Gesellschaftsvertrag daher von der Vertragspartnerin gerichtlich angefochten worden sei. Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 10. Juni 1963 als unbegründet abgewiesen hatte, wurde im Antrag auf Entscheidung der Finanzlandesdirektion ausgeführt, es habe, weil die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien sich in ihrem Gutachten gegen die in Aussicht genommene Firmenbezeichnung wegen fremdsprachiger Bestandteile ausgesprochen hatte, keine Aussicht bestanden, die Eintragung in das Handelsregister unter dem vorgesehenen Firmenwortlaute zu erreichen. Da der Gesellschaftsvertrag unter der Voraussetzung geschlossen worden sei, daß die Gesellschaft unter dem vereinbarten Firmenwortlaute geführt werden könne, habe AD beim Handelsgerichte Wien die Klage auf Nichtigerklärung des Gesellschaftsvertrages eingebracht. Zur Vermeidung unnötiger Prozeßkosten habe der Beschwerdeführer, da die Klagsangaben richtig gewesen seien, die erste Tagsatzung nicht verrichtet, sodaß gegen ihn vom Handelsgerichte Wien ein Versäumungsurteil erlassen worden sei. Auch bei der Erlassung eines Versäumungsurteiles sei das Gericht verpflichtet, zu prüfen, ob das Urteilsbegehren auf Grund des vorgebrachten Sachverhaltes rechtlich möglich ist. Der Beschwerdeführer hätte auch in einem streitigen Verfahren das Vorbringen der Klägerin als richtig zugeben müssen. Voraussetzung für die Aufhebung der Gebührenpflichtig sei lediglich die Feststellung durch ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil, daß das der Gebührenpflicht zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichtig ist.
Mit der als inhaltlich rechtswidrig angefochtenen Berufungsentscheidung hat auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Gesellschaftsverhältnis sei mit der Unterzeichnung der Vertragsurkunde rechtsgültig begründet worden und die Gesellschaft in diesem Zeitpunkt entstanden, da die Eintragung in das Handelsregister bei einer Personengesellschaft, anders als bei einer Kapitalgesellschaft, nur deklarative Bedeutung habe und bestenfalls die Ausführung des Rechtsgeschäftes betreffe. Daher betreffe auch die Ablehnung des Firmenwortlautes durch die Kammer der gewerblichen Wirtschaft nur die Ausführung, lasse aber den rechtsgültigen Abschluß des Rechtsgeschäftes unberührt. Gemäß § 17 Abs. 5 GebG hebe das Unterbleiben der Ausführung des Rechtsgeschäftes bzw. seine Aufhebung die entstandene Gebührenschuld nicht auf. Daran ändere auch das Versäumungsurteil nichts. Nach § 116 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961, BAO) bestehe eine Bindung der Finanzbehörde an eine Entscheidung der Gerichte nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren bei Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Der Zivilprozeß werde aber von der Parteienmaxime beherrscht. Zudem komme, wenn ein Versäumungsurteil ergangen ist, das Gericht gar nicht in die Lage, bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Die Beschwerde erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde nicht auf die Bestimmung des § 23 Abs. 4 BAO Bedacht genommen habe. Im Beschwerdefall sei durch gerichtliches Urteil die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes festgestellt und es sei belanglos, ob diese Entscheidung des Gerichtes durch ein Versäumungsurteil oder durch ein streitiges Urteil ergangen ist. Auch bei einem Streiturteil hätte ja kein anderes Ergebnis erzielt werden können, weil die in der Klage geltend gemachten Nichtigkeitsgründe vom Beschwerdeführer anerkannt würden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach § 23 Abs. 4 BAO ist die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäftes für die Erhebung von Abgaben insoweit und solange ohne Bedeutung, als nicht die Anfechtung mit Erfolg durchgeführt ist. Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, daß diesem Erfordernisse durch das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien entsprochen worden sei, mit dem der Gesellschaftsvertrag vom 13. Dezember 1961 für nichtig erklärt wurde. Die belangte Behörde ist in eine Prüfung dieses Vorbringens im Verwaltungsverfahren nicht eingegangen, weil sie sich im Hinblick auf die Bestimmung des § 116 Abs. 2 BAO an dieses Versäumungsurteil nicht für gebunden erachtete. Nach dem zweiten Satze dieser Gesetzesstelle besteht eine Bindung an Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfrage als Hauptfragen entschieden wurden, nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Nach § 396 ZPO ist, wenn die erste Tagsatzung vom Kläger oder vom Beklagten versäumt wird, das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche tatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei, soweit es nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten. Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers im Antrag auf Entscheidung der belangten Behörde ist nun die Klage auf Nichtigerklärung des Gesellschaftsvertrages deshalb erhoben worden, weil der Vertrag unter der Voraussetzung abgeschlossen worden war, daß die Gesellschaft unter dem vereinbarten Firmenwortlaute geführt werden könne, die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien sich aber in ihrem Gutachten gegen die Firmenbezeichnung ausgesprochen und daher keine Aussicht bestanden hat, die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister unter diesem Firmenwortlaute zu erreichen, und ist das Versäumungsurteil deshalb ergangen, weil die Angaben der Klägerin den Tatsachen entsprochen haben und der Beschwerdeführer die erste Tagsatzung nicht verrichtet hat, um unnötige Prozeßkosten zu ersparen. Die belangte Behörde konnte sich gemäß dem zweiten Satze des § 116 Abs. 2 BAO an dieses Versäumungsurteil für nicht gebunden halten und nach dem ersten Satze dieses Absatzes den Sachverhalt im Sinne des Absatzes 1 nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung beurteilen. Ihre Beurteilung, daß die Eintragung einer Kommanditgesellschaft in das Handelsregister nur deklarative Bedeutung hat und daß daher auch die Ablehnung des Firmenwortlautes durch die Kammer der gewerblichen Wirtschaft nur die Ausführung des Rechtsgeschäftes betraf, seinen rechtsgültigen Abschluß aber unberührt ließ, ist rechtlich einwandfrei und wird auch von der Beschwerde nicht bekämpft. Gemäß § 17 Abs. 5 GebG hebt aber die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung die entstandene Gebührenschuld nicht auf.
Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.
Wien, am 26. Oktober 1964
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1964:1964000148.X00Im RIS seit
14.02.2020Zuletzt aktualisiert am
14.02.2020