Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 19. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Strauss und Dr. Wippel als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die
Berufungen des Disziplinarbeschuldigten und des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 12. November 2018, AZ D 2/18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Kammeranwalts Dr. Winiwarter, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Dr. Albrecht zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch dieses Disziplinarbeschuldigten enthaltenden Erkenntnis wurde *****, (nunmehr) Rechtsanwalt in *****, der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (a./, c./ und d./) und der Berufspflichtenverletzung (c./ und d./) nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür (der Sache nach nach § 16 Abs 5 DSt iVm § 31 Abs 1 StGB) unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 4. Dezember 2017, AZ D 23/16, (ES 25 f sowie Beilage zu ON 24), zu einer (Zusatz-)Geldbuße von 4.000 Euro verurteilt.
Danach hat er
a./ ein ihm von ***** am 18. Jänner 2016 gewährtes Darlehen von 300.000 Euro bei Fälligkeit am 31. Juli 2017 nicht zurückgezahlt;
c./ eine Zahlung von 70.000 Euro, die er – aufgrund eines Vergleichs – von der ***** GmbH am 27. Februar 2017 für ***** entgegengenommen hat, nicht binnen angemessener Frist abgerechnet, sondern erst am 27. November 2017 an seinen Mandanten weitergeleitet (vgl ES 14);
d./ in der Rechtssache gegen ***** und ***** Beträge von insgesamt 107.312,45 Euro hereingebracht, diese aber nicht binnen angemessener Frist abgerechnet und an seinen Mandanten ***** weitergeleitet (vgl ES 17).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die wegen des Ausspruchs über die Schuld und des Ausspruchs über die Strafe erhobene Berufung des Disziplinarbeschuldigten sowie die Berufung des Kammeranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe, denen keine Berechtigung zukommt.
Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich hat sich zu a./, c./ und d./ mit den vorliegenden Verfahrensergebnissen eingehend auseinandergesetzt und ist jeweils den – mit im Einzelfall vorhandenen Urkunden als im Einklang stehend eingestuften – Aussagen der Geschädigten ***** und ***** gefolgt (ES 11 ff).
Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld gelingt es nicht, Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken.
Dazu reicht insbesondere die schlichte Bestreitung der im Erkenntnis enthaltenen Feststellungen unter teilweiser Wiederholung der bisherigen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, insbesondere zur – angeblich mündlich vereinbarten – Fälligkeit des ihm gewährten Darlehens (a./), und der Hinweis auf ein Zerwürfnis mit den seinerzeit mit ihm freundschaftlich verbundenen Geschädigten sowie die Behauptung der aus diesem Grund überraschend erfolgten Geltendmachung von Forderungen, denen berechtigte Honorarforderungen des Disziplinarbeschuldigten – ua aus der Verteidigung des Sohnes des ***** – gegenüberstünden (c./), nicht hin. Gleiches gilt für den zu d./ erhobenen Einwand der Vereinbarung einer Abrechnung der wechselseitigen Ansprüche erst nach Eingang sämtlicher (Teil-)Zahlungen der Ehegatten *****.
Dem Berufungsstandpunkt (der Sache nach § 468 Abs 1 Z 4 iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO; vgl RIS-Justiz RS0128656) zuwider ist in allen drei Schuldspruchpunkten die erforderliche Publizitätswirkung gegeben. Denn zum einen ist bei einem – wie im gegenständlichen Fall zu c./ und d./ – schwerwiegenden Fehlverhalten des Rechtsanwalts selbst die Kenntniserlangung durch einen beschränkten Personenkreis
– wie im vorliegenden Fall jenen der Familie ***** – ausreichend, um eine Gefährdung der Ehre und des Ansehens des Standes herbeizuführen. Zum anderen gelangen Eingaben an Organe der Rechtspflege, die ihren Inhalten nach auf justizförmige Entscheidungen abzielen, naturgemäß einer Mehrzahl weiterer Personen zur Kenntnis (Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 1 DSt Rz 14 mit weiteren Nachweisen; vgl RIS-Justiz RS0054876 [T2, T3]). Durch die aufgrund des zu a./, c./ und d./ festgestellten disziplinären Verhaltens des Disziplinarbeschuldigten jeweils veranlasste Klagsführung seiner Gläubiger wurde der Sachverhalt in jedem Einzelfall auch qualifiziert publik (ES 23 f).
Die nunmehr im Rahmen der Berufungsschrift erfolgte Vorlage zweier (weiterer), aus dem Jahr 2000 stammender Urkunden, nämlich der Beilagen 1./ und 2./, sowie der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen verstößt gegen das spezifische Neuerungsverbot gemäß § 49 zweiter Satz DSt, zumal der Disziplinarbeschuldigte keine konkreten Angaben zur Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen machte (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 49 DSt Rz 7 mwN).
Die ferner der Rechtsmittelschrift in Kopie angeschlossenen Urkunden Beilage ./3 und Beilage ./4 lagen dem Disziplinarrat bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung vor (Beilagen ./VH18 und ./VH20) und fanden in die Beweiswürdigung Eingang (ES 18 und 19).
Es war daher der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld – in Übereinstimmung mit der Äußerung des Kammeranwalts gemäß § 48 Abs 2 DSt – nicht Folge zu geben.
Auch der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt ebenso wie jener des Kammeranwalts keine Berechtigung zu.
Das angefochtene Erkenntnis wertet insbesondere die Disziplinardelikte zu Punkt c./ und d./ zutreffend deshalb als sehr gewichtig, weil eine in jeder Hinsicht ordnungsgemäße Fremdgeldverwaltung das Ansehen des Rechtsanwalts begründet.
Als mildernd hat der Disziplinarrat angesehen, dass sich der Disziplinarbeschuldigte um eine rasche Einigung mit seinen früheren Mandanten bemüht und diese auch erfüllt hat. Als erschwerend erachtete er neben der Verwirklichung von insgesamt drei Disziplinardelikten auch die bestehende Vorstrafe zu AZ D 23/16, obwohl er auf eben dieses Erkenntnis vom 4. Dezember 2017 der Sache nach Bedacht genommen hat (ES 25 f). Mit diesem wurde über den Disziplinarbeschuldigten eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt, weil er am 9. Juni 2016 beim Finanzamt eine Einheitswertabfrage betreffend eine Liegenschaft ohne jegliche Bevollmächtigung von deren Eigentümerin vorgenommen hatte. Im angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte zu einer (Zusatz-)Geldbuße von 4.000 Euro verurteilt.
Vom Disziplinarbeschuldigten wird seine Strafberufung nicht näher begründet.
Der Kammeranwalt stützt sein Vorbringen im Wesentlichen darauf, dass der Disziplinarbeschuldigte erhebliche Geldbeträge im Rahmen der Fremdgeldverwaltung nicht ordnungsgemäß an seine Klienten weitergeleitet hat, und begehrt eine wesentliche Erhöhung der Geldbuße sowie die Verhängung einer befristeten Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft.
Vorweg ist festzuhalten, dass der vom Disziplinarrat angenommene Erschwerungsgrund einer Vorstrafe nicht vorliegt, weil auf das betreffende Erkenntnis, AZ D 23/16, schon deshalb zu Recht Bedacht genommen wurde, weil Tatzeitpunkte nach dessen Fällung am 4. Dezember 2017 nicht festgestellt wurden. Damit kommt dem Disziplinarbeschuldigten aber der wesentliche Milderungsgrund der Unbescholtenheit zugute. Dazu kommt der vom Disziplinarrat zutreffend angenommene Milderungsgrund der erfolgten Schadensgutmachung. Wenn auch diesen beiden Milderungsgründen als Erschwerungsgründe die Verwirklichung von – infolge der inhaltlich vorgenommenen Bedachtnahme – vier Disziplinardelikten und deren teilweise doppelte Qualifikation sowohl als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes als auch als Berufspflichtenverletzung gegenüberstehen, so manifestiert sich in der zusätzlichen Geldbuße von 4.000 Euro trotz der vom Kammeranwalt zutreffend hervorgehobenen Erheblichkeit der angelasteten Disziplinardelikte doch ein deutliches Signal zur Rechtsbewährung, das sowohl spezial- als auch generalpräventiv ausreichend wirkt, ohne dass es einer Erhöhung der Geldbuße oder der zusätzlichen befristeten Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bedarf.
Andererseits ist – auch aus dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringen der Verteidigung – kein Grund ersichtlich, zugunsten des (dazu keine Ausführungen tätigenden) Disziplinarbeschuldigten die Höhe der verhängten Geldbuße in Frage zu stellen oder gar eine mildere Sanktion in Erwägung zu ziehen.
Sowohl der Berufung des Disziplinarbeschuldigten als auch jener des Kammeranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.
Textnummer
E127291European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0280DS00004.19F.1219.000Im RIS seit
14.02.2020Zuletzt aktualisiert am
14.02.2020