Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dauerkleingartenverein *, vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Wolfgang A. Orsini und Rosenberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.523,71 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2019, GZ 13 R 115/19f-18, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. Mai 2019, GZ 9 Cg 64/18z-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Beklagte ist Mitglied des klagenden (Kleingarten-)Vereins und Unterpächterin einer in der Kleingartenanlage dieses Vereins gelegenen Parzelle. Sie errichtete 2002 auf ihrem Pachtgrund ein Haus mit Keller.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadenersatz, weil es durch die im Zuge der Errichtung des Hauses vorgenommenen Aushubarbeiten zur Beschädigung eines – im Auftrag des Klägers von der Nebenintervenientin errichteten – Gemeinschaftskanals gekommen sei. Er habe dessen Sanierung veranlasst und dafür die nunmehr geltend gemachten Kosten aufgewendet. Die Berechtigung der Beklagten zum Anschluss ihrer Parzelle an den Kanal beruhe auf ihrer Mitgliedschaft im klagenden Verein und daher auf einem Vertragsverhältnis, aus dem sich besondere Schutzpflichten hinsichtlich des Kanals ergäben. Da diese Pflichten von der Beklagten auch im Fall der Beauftragung eines Dritten mit Aushubarbeiten im Bereich des Kanals einzuhalten gewesen wären, hafte sie für das Fehlverhalten eines solchen (Erfüllungs-)Gehilfen. Der Kläger habe erstmals durch den Bescheid des Magistrats vom 24. 11. 2015, mit dem ihm der Auftrag zur Kanalsanierung erteilt worden sei, Kenntnis vom Schaden erlangt, sodass der Ersatzanspruch nicht verjährt sei. Da die Sanierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen seien, bestehe auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden.
Die Beklagte bestritt und wandte ein, dass der Schaden am Kanal nicht durch die von ihr beauftragten Erdarbeiten, sondern durch dessen bereits ursprünglich mangelhafte Errichtung (durch die Nebenintervenientin) verursacht worden sei. Ein allfälliges Verschulden des mit dem Kelleraushub beauftragten Bauunternehmens an einer Beschädigung des Kanals sei ihr nicht zuzurechnen, weil durch die Bauarbeiten (Aushubarbeiten) keine Verpflichtung gegenüber dem Kläger erfüllt worden sei. Allenfalls diesem gegenüber (hinsichtlich des Kanals) bestehenden – aus dem Vereinsverhältnis resultierenden – Schutz- und Sorgfaltspflichten sei sie durch Beauftragung eines dazu befugten Unternehmers nachgekommen. Der Schadenersatzanspruch sei auch verjährt. Jedenfalls treffe den Kläger aufgrund der bereits ursprünglich nicht fachgerechten Errichtung des Kanals ein Mitverschulden.
Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren mit Teilurteil ab, weil die Errichtung des Hauses durch die Beklagte nicht im Interesse des Klägers und in Erfüllung einer ihm gegenüber bestehenden Verpflichtung erfolgt sei, sodass die Beklagte nicht für ein allfälliges Fehlverhalten des mit den Bauarbeiten beauftragten Unternehmers hafte; über das Feststellungsbegehren wurde nicht entschieden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ging ebenso wie das Erstgericht davon aus, dass die Erdarbeiten im Bereich des Kanals nicht aufgrund einer gegenüber dem Kläger bestehenden Verpflichtung durchgeführt worden seien und das ausführende Bauunternehmen der Beklagten daher nicht als Erfüllungsgehilfe iSd § 1313a ABGB (auf § 1315 ABGB hat sich der Kläger schon in zweiter Instanz nicht mehr gestützt) zugerechnet werden könne. Eine allfällige – im Vereinsverhältnis gründende – Schutz- und Sorgfaltspflicht hinsichtlich der vom klagenden Verein zur Verfügung gestellten Infrastruktur „habe mit der Frage einer Haftung nach § 1313a ABGB nichts zu tun“. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Beklagten ein (allfälliges) Fehlverhalten der mit den Aushubarbeiten beauftragten Baufirma nicht nach § 1313a ABGB zuzurechnen sei, der höchstgerichtlichen Rechtsprechung widerspricht; sie ist mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
1. Nach § 1313a ABGB haftet derjenige, der sich zur Erfüllung einer Leistungsverpflichtung anderer Personen bedient, für deren Verschulden wie für eigenes. Das schuldhafte Verhalten des Erfüllungsgehilfen muss aber innerhalb des vom Geschäftsherrn übernommenen Pflichtenkreises liegen (RS0028582 [T1, T3]). Besteht ein Vertragsverhältnis, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln, welche konkreten Pflichten der Geschäftsherr gegenüber dem Geschädigten übernommen hat, und es ist zu prüfen, ob der Gehilfe (auch) zu deren Erfüllung eingesetzt wurde. Dabei ist grundsätzlich anerkannt, dass aus einer Rechtsbeziehung nicht nur (Haupt-)Leistungspflichten resultieren können, sondern auch Schutz- und Sorgfaltspflichten (vgl RS0017049). § 1313a ABGB ist nicht nur dann anzuwenden, wenn eine „Hilfsperson“ zur Erfüllung der Hauptleistungspflicht herangezogen wird, sondern auch wenn der Gehilfe (in der Regel mit einem Schuldverhältnis verknüpfte) den Geschäftsherrn treffende Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt (vgl RS0017185 [T7]; RS0028470; RS0028435).
2. Damit kann – entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen – für die Frage der Gehilfenzurechnung nicht bloß auf die primäre Hauptleistungspflicht der Beklagten aus dem Vereinsverhältnis abgestellt werden (dass die Errichtung des Hauses nicht in Erfüllung einer solchen Hauptleistungspflicht erfolgte, ist evident), sondern es ist zu fragen, ob und welche (neben-)vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten die Beklagte gegenüber dem Kläger hinsichtlich des Gemeinschaftskanals getroffen haben. Bereits aus der im Vereinsverhältnis wurzelnden Berechtigung der Beklagten zur (Mit-)Benutzung des im Grenzbereich ihres Pachtgrundstücks verlaufenden Gemeinschaftskanals lässt sich dazu zwanglos ableiten, dass sie verpflichtet war, Beschädigungen dieses Kanals zu unterlassen.
3. Die Beklagte haftet somit aufgrund einer Verletzung ihrer zugunsten des Klägers bestehenden vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten für im Zuge von Aushubarbeiten verursachte schuldhafte Beschädigungen des Kanals, auch wenn sie diese Arbeiten nicht selbst ausgeführt, sondern damit einen Dritten beauftragt hat; auch ein solches Vertragsverhältnis bringt mit sich, dass der Werkunternehmer für den Besteller die von diesem dem Dritten (hier: dem klagenden Verein) geschuldete Sorgfalt wahrzunehmen hat. Dass ihr dessen Verhalten – und das seiner Gehilfen (RS0123055) – gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen ist, entspricht auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Bestandnehmer dem Bestandgeber – als Folge der Verletzung von sich aus dem Bestandvertrag ergebenden Obhutspflichten – für bei Umbau- oder Sanierungsarbeiten schuldhaft herbeigeführte Substanzschäden haftet und dabei für das Verschulden eines von ihm beauftragten Bauunternehmens einzustehen hat (RS0125678).
4. Da zur Frage, ob die Beschädigung des Kanals durch die von der Beklagten beauftragten Aushubarbeiten überhaupt (zumindest mit-)verursacht wurde, keine Feststellungen getroffen wurden, ist die Rechtssache bereits aus diesem Grund noch nicht entscheidungsreif. Eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist daher unvermeidlich. Im fortgesetzten Verfahren wird auch auf den Verjährungseinwand einzugehen sein.
5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E127365European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:E127365Im RIS seit
14.02.2020Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022