TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/5 LVwG-2019/45/1781-8

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Veröffentlicht am 05.12.2019
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Entscheidungsdatum

05.12.2019

Index

L92007 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Tirol
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

MSG Tir 2010 §15
MSG Tir 2010 §20 Abs1 lita
MSG Tir 2010 §22
MSG Tir 2010 §25
ASVG §330a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Stemmer über die Beschwerde des Herrn AA, geboren am **.**.****, vertreten durch den Erwachsenenvertreter RA Dr. BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.07.2019, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Mindestsicherungsgesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„Herr AA, geboren am **.**.****, wohnhaft in Z, Adresse 2, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. BB, wird gemäß § 20 Abs 1 lit a TMSG zur Rückerstattung von zu Unrecht bezogener Geldleistungen in der Höhe von Euro 16.467,02 verpflichtet.“

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.07.2019, Zl ***, wurde spruchgemäß entschieden wie folgt: „Herr AA, geb. am **.**.****, wohnhaft in Z, Adresse 2, vertreten durch Herrn Dr. BB, wird gemäß § 22 Absatz 1 litera b Tiroler Mindestsicherungsgesetz zu einem Kostenrückersatz in Höhe von Euro 26.139,22 verpflichtet.“ Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe im Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.03.2019 Mindestsicherung im Gesamtausmaß von Euro 28.582,90 (brutto Euro 29.876,51) erhalten. Für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.09.2016 sei im Rahmen einer Unterhaltsnachzahlung bereits ein Kostenersatz in Höhe von Euro 2.443,68 geleistet worden. Somit verbleibe ein Nettoaufwand in der Höhe von Euro 26.139,22. Laut Mitteilung des Erwachsenenvertreters des Beschwerdeführers vom 22.03.2019 habe dieser Ersparnisse in der Höhe von Euro 40.000,--. Dieses Vermögen sei nicht durch eine Erwerbstätigkeit, eine Erbschaft, eine Schenkung oder dergleichen erworben worden, sondern durch einen extrem bescheidenen und sparsamen Lebensstil angespart. Weder das TMSG noch die Erläuternden Bemerkungen würden Aufschluss darüber geben, ob Vermögen, das auf Grund eines bescheidenen Lebensstils erworben werde, vom Kostenersatz ausgenommen sei. Der im TMSG vorgesehene Entfall der Ersatzpflicht beschränke sich auf das aus eigener Erwerbstätigkeit erwirtschaftete Vermögen, das nach dem Bezug einer Mindestsicherung erworben werde (§ 22 Absatz 1 litera a TMSG), und einer vollständigen Aufzählung jener Leistungen, die grundsätzlich nicht vom Kostenersatz umfasst seien (Absatz 2). Zudem bestehe ein allgemeines Verbot der Geltendmachung eines Kostenersatzes, wenn der bisherige Erfolg der Mindestsicherung gefährdet sei (Absatz 3). Keine dieser Ausnahmebestimmungen würde im gegenständlichen Fall zutreffen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, er leide an einer geistigen Behinderung, die dazu führe, dass er sehr wenig Geld verbrauche. Durch den angefochtenen Bescheid sei er in seinem subjektiven Recht, insbesondere im Recht, die rechtmäßig zuerkannte und ihm zustehende Mindestsicherung für sich zu verwenden und zu verbrauchen verletzt. Es liege im ausschließlichen Ermessen des Mindestsicherungsbeziehers, weniger als den Standard zu verbrauchen. Eine Sozialhilfeleistung falle in die freie Verfügbarkeit des Beziehers. Zudem widerspreche eine Rückforderung § 1 Abs 7 TMSG, da die Wegnahme der Ersparnisse die soziale Stabilisierung des Beschwerdeführers gefährden würde. Zudem stünden in absehbarer Zeit erhebliche Investitionen an. Der Beschwerdeführer müsse am 31.08.2020 seine aktuelle Wohnung aufgeben, womit Kosten für Neubeschaffung für Wohnraum und Mobiliar verbunden sein würden. Zudem machte er Gleichheitswidrigkeit der gesetzlichen Reglung geltend. Diese sehe vor, dass Vermögen, das aus eigener Erwerbstätigkeit nach dem Bezug einer Mindestsicherung erwirtschaftet werde, keine Rückzahlungspflicht auslöse. Demgegenüber würde das von einem behinderten Menschen aus Zuwendungen der öffentlichen Hand Ersparte immer angerechnet bzw dieses zurückgefordert, was diskriminierend sei, da der Beschwerdeführer nicht erwerbsfähig sei. Zudem wendete er ein, der Kostenrückersatz sei in Hinblick auf das Verbot des Pflegeregresses iSd § 330a ASVG und die in diesem Zusammenhang ergangene Judikatur des Verfassungsgerichtshofes unzulässig. Er beantragte die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides; in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides und nach Ergänzung des Verfahrens die Abänderung dahingehend, dass keine Rückzahlungsverpflichtung ausgesprochen wird; in eventu wurde angeregt „die Aufhebung der allenfalls zu Lasten des Beschwerdeführers herangezogenen Gesetzesstelle beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen“.

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Am 21.10.2019 fand am Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlungen statt in deren Rahmen der Sachverhalt mit dem Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers sowie der belangten Behörde erörtert wurde.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist am **.**.**** geboren. Beim Beschwerdeführer liegt eine Behinderung iSd THG vor. Er leidet an einer organischen Psychose im Rahmen der Grunderkrankung (Epilepsie). Diese äußert sich primär in Hyperakusis, ausgeprägten Zwangsgedanken sowie kognitiver Beeinträchtigung. Der Beschwerdeführer ist nicht erwerbstätig. Er bezieht erhöhte Familienbeihilfe in der Höhe von Euro 379,40 pro Monat, Pflegegeld in Höhe von Euro 230,-- pro Monat sowie Unterhaltsleistungen des Vaters, zunächst in der Höhe von Euro 100,-- pro Monat, nach Beschluss des BG Y vom 02.08.2016, ***, ab dem 01.06.2016 in Höhe von Euro 371,52 pro Monat – wobei dieser Unterhalt von Seiten des Vaters ab 2018 nicht mehr bezahlt wurde und in der Folge Unterhaltsexekution geführt wurde.

Der Beschwerdeführer wohnte zunächst mit der Mutter im gemeinsamen Haushalt und bezogen beide in diesem Zeitraum Mindestsicherung, die an die Mutter des Beschwerdeführers ausbezahlt wurde und auch für das Wohnen bzw den Lebensunterhalt aufgebraucht wurde.

Mit Juli 2015 bezog der Beschwerdeführer eine eigene Wohnung in Z, Adresse 2. Diese Wohnung war zunächst von der Lebenshilfe angemietet und der Beschwerdeführer wohnte dort in Untermiete befristet bis zum 31.08.2017. Die Lebenshilfe hat in der Folge den Mietvertrag mit dem Vermieter nicht verlängert und hat der Beschwerdeführer selbst für die gleiche Wohnung mit 01.09.2017 einen Mietvertrag bis zum 31.08.2020 mit dem Eigentümer abgeschlossen. Der Eigentümer hat angekündigt, den Mietvertrag nach Ablauf nicht verlängern zu wollen, da er plant das Haus umzubauen. Ab dem Zeitpunkt der selbständigen Wohnungsnahme wurde die Mindestsicherungsleistung für Lebensunterhalt direkt an den Beschwerdeführer angewiesen bzw jene für die Miete direkt an den Vermieter.

Der mit Beschluss des BG Y vom 15.10.2014, ***, bestellte Sachwalter des Beschwerdeführers eröffnete für diesen am 22.12.2014 ein eigenes Bankkonto. Über dieses Konto wurden in der Folge sämtliche Ein- und Auszahlungen des Beschwerdeführers geführt. Das Konto startete mit dem Saldo null. Sämtliche Einzahlungen – insbesondere jene der Familienbeihilfe, Pflegegeld, Unterhalt, Mietzinsbeihilfe und Mindestsicherung – erfolgten auf dieses Konto. Dem Beschwerdeführer war es möglich ein wöchentliches Taschengeld von Euro 30,--, später Euro 50,-- ausbezahlt zu erhalten. Daneben hatte der Beschwerdeführer nur geringfügige monatliche Ausgaben – etwa Euro 19,-- bzw Euro 16,-- für Strom; später einen Selbstbehalt für die Mobile Begleitung in der Höhe von monatlich ca Euro 40,--. Bedingt durch die geringen Ausgaben des Beschwerdeführers erhöhte sich der Kontostand kontinuierlich: der Kontosaldo per 01.11.2015 betrug Euro 3.905,88, per 01.12.2015 Euro 4.160,18 sowie per 31.12.2015 Euro 5.442,70; per 31.12.2016 Euro 20.132,94; per 31.12.2017 Euro 30.661,72; per 31.12.2018 Euro 40.813,44; per 31.03.2019 Euro 44.168,03 und per 04.11.2019 Euro 48.288,41.

Mit Beschluss des BG Y vom 02.08.2016 wurde der Vater des Beschwerdeführers ab dem Zeitpunkt 01.12.2014 zu einem rückwirkenden Unterhalt per 31.05.2016 von Euro 4.639,24 verpflichtet, der in der Folge auch geleistet wurde. Am 29.09.2016 wurden insgesamt Euro 5.725,32 aus diesem Unterhalt an die belangte Behörde aufgrund der geleisteten Mindestsicherung zurückgezahlt.

Vom 01.01.2016 bis 31.07.2018 erhielt der Beschwerdeführer Mobile Begleitung (§ 6 Abs 2 lit c THG) im Ausmaß von 63 Stunden im Monat. Seit 01.08.2018 wurde die Mobile Begleitung auf 52 Stunden im Monat reduziert, da der Beschwerdeführer die 63 Stunden nicht zur Gänze nutzte. Im Rahmen der Mobilen Begleitung wird der Beschwerdeführer fünf- bis sechsmal in der Woche beim Einkauf von Nahrungsmitteln und der Zubereitung der Mahlzeiten, bei der Besorgung von Medikamenten, Begleitung bei Behörden-, Amts- und Arztbesuchen, Reinigung der Wohnung und der Gebrauchsgegenstände unterstützt.

Im Zuge des Verlängerungsantrages vom 28.02.2018 teilte der Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers der belangten Behörde mit wie folgt: „[Der Beschwerdeführer] hat zwar derzeit ein nicht unerhebliches Guthaben auf seinem Konto, dieses ist allerdings durch die Familienbeihilfe und eine extensiv spartanische Lebensweise bedingt, die so nicht mehr aufrecht zu halten ist. Erkrankungsbedingt ist [der Beschwerdeführer] extrem schwer zugänglich. Es hat sich ein massiver Investitionsstau gebildet. Seine Betreuer arbeiten daran, [den Beschwerdeführer] zu motivieren, Dinge anzunehmen. Beispielsweise sind seine Kleidungsstücke uralt und vor allem aus Hygienegründen allesamt dringend zu erneuern. [Der Beschwerdeführer] ist technisch interessiert und soll einen Computer mit Internetzugang und einen Fernseher erhalten. Beim Mobiliar in der Wohnung stehen ebenfalls Investitionen an. Auch wird daran gearbeitet, die einseitige (Mangel-)Ernährung des [Beschwerdeführers] auf hochwertige Nahrungsmittel umzustellen, Artikel zu erwerben, die die Bildung fördern und vieles mehr.“ Er stellte den Antrag die Mindestsicherung im gesetzlichen Ausmaß über Februar 2018 hinaus zu gewähren. Sollten behördlicherseits noch irgendwelche Unterlagen erforderlich sein, bat der Erwachsenenvertreter abschließend um Verständigung. Die Leistungen für den Beschwerdeführers aus Mitteln der Mindestsicherung betrugen zu diesem Zeitpunkt Euro 18.889,62 (erfasst der Zeitraum 01.01.2016 bis 28.02.2018). Davon wurden im Rahmen der Unterhaltsnachzahlung für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.09.2016 am 29.09.2016 Euro 2.443,68 zurückbezahlt, sodass der Nettoaufwand Euro 16.445,94 betrug. Das Guthaben auf dem Konto des Beschwerdeführers betrug per 28.02.2018 Euro 31.571,09.

Dem Beschwerdeführer wurden in der Folge weiterhin Leistungen der Mindestsicherung gewährt, bis zum 31.03.2019. Am 22.03.2019 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Erwachsenenvertreter und der belangten Behörde. In diesem Telefonat teilte der Erwachsenenvertreter mit, dass aufgrund der sparsamen Lebensweise des Beschwerdeführers sich Ersparnisse in der Höhe von ca Euro 40.000,-- angesammelt hätten. Unter diesem Gesichtspunkt könne er nicht mehr verantworten, einen weiteren Verlängerungsantrag auf Mindestsicherung zu stellen. In der Folge kam es zu mehreren Telefonaten über die Höhe der Ersparnisse und eine allfällige Rückforderung. Die belangte Behörde informierte den Beschwerdeführer dann mit Schreiben vom 03.05.2019 über die bestehende Verpflichtung zum Kostenersatz in der Höhe von Euro 26.139,22 für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.03.2019. Der Erwachsenenvertreter verlangte daraufhin die Ausstellung eines Bescheides. In der Folge erging der nunmehr verfahrensgegenständliche Bescheid.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich in unzweifelhafter Weise aus dem vorliegenden verwaltungsbehördlichen Akt sowie dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol und wurde in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen von beiden Parteien außer Streit gestellt. Die Vermögensaufstellung ergibt sich aus den vorgelegten detaillierten Auflistungen des Erwachsenenvertreters, in denen sämtliche Einnahmen und Ausgaben aufgelistet sind. Ebenso sind die festgestellten Leistungen der Mindestsicherung im Akt durch Auflistungen bzw die entsprechenden Leistungsbescheide ausgewiesen.

IV.      Rechtslage:

Die verfahrensgegenständlich relevanten Bestimmungen des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes (TMSG), LGBl Nr 99/2010, zuletzt geändert durch LGBl Nr 15/2019, lauten wie folgt:

§ 15

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Vor der Gewährung von Mindestsicherung hat der Hilfesuchende seine eigenen Mittel, zu denen sein gesamtes Einkommen und sein Vermögen gehören, einzusetzen.

(2) Bei der Berechnung der Höhe des Einkommens sind außer Ansatz zu lassen:

a) Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, ausgenommen Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich nach dessen § 38j, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt,

b) Kinderabsetzbeträge nach § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988,

c) Förderungen im Rahmen des Programmes Tiroler Kindergeld Plus oder vergleichbarer Familienförderungen des Landes Tirol,

d) Förderungen im Rahmen der Schulstarthilfe Tirol oder vergleichbarer Förderungen des Landes Tirol,

e) Ausbildungsbeihilfen für Lehrlinge im Rahmen der Lehrlingsförderung des Landes Tirol,

f) Pflegegeld nach bundesrechtlichen oder ausländischen Vorschriften oder andere pflegebezogene Geldleistungen und

g) Zuwendungen, welche der Hilfesuchende für die Pflege eines nahen Angehörigen zu Hause von diesem aus dessen Pflegegeld erhält; als nahe Angehörige gelten der Ehegatte bzw. eingetragene Partner, die Eltern, Großeltern, Kinder, Enkelkinder und Geschwister des Hilfesuchenden.

(3) Erzielt der Hilfesuchende ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, so sind für die damit verbundenen Aufwendungen darüber hinaus folgende Freibeträge in Abzug zu bringen:

a) 30 v. H. des Ausgangsbetrages nach § 9, wenn er trotz vorgerückten Alters oder starker Beschränkung seiner Erwerbsfähigkeit einem Erwerb nachgeht oder wenn er als Alleinerzieher einem Erwerb nachgeht und zumindest ein Kind im Vor- bzw. Pflichtschulalter betreut,

b) 30 v.H. des Ausgangsbetrages nach § 9, wenn er seit mehr als sechs Monaten Grundleistungen bezieht und erstmalig oder nach mehr als neunmonatiger Arbeitslosigkeit eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von mehr als 50 v.H. einer Vollbeschäftigung oder erstmalig ein Lehrverhältnis aufnimmt; der Freibetrag verringert sich nach sechs Monaten für weitere zwölf Monate auf 22, 5 v.H. des Ausgangsbetrages nach § 9; bei der Bestimmung des Zeitraumes der Arbeitslosigkeit bleiben Zeiten einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Ausmaß von insgesamt höchstens drei Monaten unberücksichtigt,

c) 15 v.H. des Ausgangsbetrages nach § 9, wenn er seit mehr als sechs Monaten Grundleistungen bezieht und erstmalig oder nach mehr als neunmonatiger Arbeitslosigkeit eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von mindestens 25 v.H. und höchstens 50 v.H. einer Vollbeschäftigung aufnimmt; der Freibetrag verringert sich nach sechs Monaten für weitere zwölf Monate auf 11,75 v.H. des Ausgangsbetrages nach § 9; bei der Bestimmung des Zeitraumes der Arbeitslosigkeit bleiben Zeiten einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Ausmaß von insgesamt höchstens drei Monaten unberücksichtigt,

d) ein Freibetrag in der Höhe der zur Erzielung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit tatsächlich nachgewiesenen Ausgaben.

(4) Hätte der Hilfesuchende bzw. Mindestsicherungsbezieher Anspruch auf mehrere Freibeträge nach Abs. 3, so gebührt ihm nur der jeweils höchste Freibetrag.

(5) Von der Verpflichtung zur Verwertung von beweglichem Vermögen ist jedenfalls abzusehen, wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte; dies ist insbesondere anzunehmen bei:

a) Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit oder einer Berufsausbildung erforderlich sind,

b) Gegenständen, die zur Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse erforderlich sind,

c) Gegenständen, die zum angemessenen Hausrat zählen,

d) Kraftfahrzeugen, die berufsbedingt oder aufgrund besonderer Umstände, dazu zählen insbesondere eine Behinderung oder unzureichende Infrastruktur, erforderlich sind, und

e) Ersparnissen bis zu einem Freibetrag in der Höhe des Fünffachen des Ausgangsbetrages nach § 9 im Fall der Gewährung von Grundleistungen und des Zweifachen dieses Ausgangsbetrages im Fall der Gewährung von Zusatzleistungen.

(6) Von der Verpflichtung zur Verwertung von beweglichem Vermögen, das nicht unter Abs. 5 lit. a bis d fällt, ist vorerst abzusehen, wenn dessen Wert den Freibetrag nach Abs. 5 lit. e nicht übersteigt und nicht länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate Mindestsicherung bezogen wird.

(7) Von der Verpflichtung zur Verwertung von unbeweglichem Vermögen ist vorerst abzusehen, wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfes des Mindestsicherungsbeziehers und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen dient. Wird im Fall der Unzulässigkeit der Verwertung von unbeweglichem Vermögen länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate Mindestsicherung bezogen, so hat sich der Mindestsicherungsbezieher zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten nach Beseitigung der Notlage zu verpflichten und dafür eine Sicherstellung anzubieten.

(8) Bei der Berechnung der Sechsmonatsfrist nach den Abs. 6 und 7 sind auch frühere ununterbrochene Bezugszeiten von jeweils mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen, wenn sie nicht länger als zwei Jahre vor dem neuerlichen Bezugsbeginn liegen.

§ 20

Rückerstattung von Leistungen

(1) Wurde die Gewährung von Leistungen der Mindestsicherung vom Mindestsicherungsbezieher durch

a) unwahre Angaben über die Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse,

b) Verschweigen entscheidungswesentlicher Tatsachen oder

c) Verletzung der Anzeigepflicht nach § 32

herbeigeführt oder wurden Grundleistungen ungeachtet ihres Ruhens oder Erlöschens gewährt, so hat dieser zu Unrecht bezogene Geldleistungen bzw. den Aufwand für zu Unrecht bezogene Sachleistungen zurückzuerstatten. Im Fall der Zuweisung einer Wohnung oder sonstigen Unterkunft nach § 6a ist bei der Bemessung der Rückerstattung von den in der Verordnung nach § 6a Abs. 5 dritter Satz festgelegten Pauschalbeträgen auszugehen.

(2) Ist dem Verpflichteten eine andere Art der Rückerstattung nicht zumutbar, so kann diese in angemessenen Teilbeträgen bewilligt werden. Die Rückerstattung kann auch durch Anrechnung auf laufende Leistungen erfolgen. In besonders begründeten Fällen kann die Rückerstattung auch zur Gänze nachgesehen werden, wenn durch sie der Erfolg der Mindestsicherung gefährdet wäre.

§ 22

Kostenersatz durch den Mindestsicherungsbezieher

(1) Der Mindestsicherungsbezieher ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn bzw. soweit

a) er nach dem Bezug der Mindestsicherung zu Vermögen gelangt, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit erwirtschaftet wurde,

b) nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Gewährung der Mindestsicherung Vermögen hatte,

c) er sich aufgrund eines Absehens von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten nach Beseitigung der Notlage verpflichtet hat (§ 15 Abs. 7),

d) ihm eine nach § 31 Abs. 2 vorläufig erbrachte Leistung nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß zuerkannt wird.

(2) Vom Mindestsicherungsbezieher nicht zu ersetzen sind:

a) zum Schutz bei einer Erkrankung an einer ansteckenden Krankheit im Sinn des Epidemiegesetzes 1950 gewährte Leistungen,

b) zum Schutz bei Schwangerschaft und Entbindung gewährte Leistungen,

c) im Rahmen der Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung gewährte Leistungen,

d) im Rahmen der Hilfe zur Arbeit gewährte Leistungen und

e) vor dem Erreichen der Volljährigkeit erbrachte Leistungen.

(3) Durch die Erfüllung der Ersatzpflicht darf der Erfolg der Mindestsicherung nicht gefährdet werden. Die Festsetzung von Raten und die Hereinbringung durch Anrechnung auf laufende Geldleistungen sind zulässig.

(4) Die Verbindlichkeit zum Ersatz der Kosten nach Abs. 1 geht gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass des Mindestsicherungsbeziehers über.

§ 25

Geltendmachung von Ersatzansprüchen

(1) Nicht grundbücherlich sichergestellte Ersatzansprüche nach den §§ 22 und 23 verjähren drei Jahre nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die betreffenden Leistungen erbracht wurden.

(2) Für die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Ist der Anspruch im Verwaltungsweg geltend zu machen, so ist die Einleitung des Verwaltungsverfahrens zur Rückforderung einer Klage gleichzuhalten.

Die verfahrensgegenständlich relevante Bestimmung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 125/2017, lautet wie folgt:

Verbot des Pflegeregresses

§ 330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.

V.       Erwägungen:

Gemäß § 15 Abs 1 TMSG hat vor der Gewährung von Mindestsicherung der Hilfesuchende seine eigenen Mittel, zu denen sein gesamtes Einkommen und sein Vermögen gehören, einzusetzen. Definitionsgemäß versteht das Tiroler Mindestsicherungsgesetz dabei unter Einkommen alle Einkünfte, die dem Hilfesuchenden zufließen (§ 2 Abs 22 TMSG) und stellt damit auf das Zuflussprinzip ab. Dabei ist hinsichtlich der Abgrenzung der Begriffe "Einkommen" und "Vermögen" in Zweifelsfällen auf eben diese "Zuflussbetrachtung" abzustellen. Danach ist für die Frage, ob Geld und Geldeswert dem Einkommen oder dem Vermögen zuzurechnen sind, der Zeitpunkt des Zuflusses an den Empfänger entscheidend. Erfolgt der Zufluss im Bedarfszeitraum, so handelt es sich um Einkommen. Der nach Ablauf eines Bedarfsabschnitts nicht verbrauchte Teil der Einkünfte wächst dem Vermögen zu (vgl ua VwGH 25.05.2018, Ra 2017/10/0135). Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Fall der Gewährung von Sozialhilfe - unter Verweis auf Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 1989, S. 402 ff - zwar darauf hingewiesen, dass der Einsatz eigener Mittel (nämlich des Einkommens und des verwertbaren Vermögens) unabhängig davon vorzunehmen ist, von wem und aus welchem Rechtsgrund bzw. Titel der Hilfesuchende dieses Einkommen und/oder Vermögen erhält bzw. erhalten hat. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Arten eigener Mittel besteht unter dem zu behandelnden Gesichtspunkt lediglich darin, dass es sich beim Einkommen um laufende, aber nicht unbedingt regelmäßige Einnahmen in Geld handelt, beim Vermögen hingegen um (im jeweiligen Zeitraum) bereits vorhandene Werte, mögen sie auch aus dem Überschuss nicht verbrauchten Einkommens entstanden sein (vgl. VwGH 30.9.1994, 93/08/0001; VwGH 28.02.2018, Ra 2016/10/0055; VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0199). Gemäß dieser Rechtsprechung dringt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, das ua aus Mitteln der Mindestsicherung ersparte Vermögen, sei nicht zu berücksichtigen, nicht durch. Vorhandene Vermögenswerte sind anzurechnen, unabhängig vom Rechtsgrund dieses Vermögens. Diese Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes steht auch nicht im Widerspruch mit der vom Beschwerdeführer zitierten Judikatur des OGH, wonach Sozialhilfeleistung in die freie Verfügbarkeit des Beziehers falle. Es steht dem Mindestsicherungsbezieher frei, die ihm zustehenden Leistungen der Mindestsicherung nach eigenem Gutdünken zu verbrauchen. Benötigt er allerdings im Bedarfszeitraum nicht alle seine Mittel, so wächst der Überhang nach Ende des Bedarfszeitraumes seinem Vermögen zu. Somit steht für das Landesverwaltungsgericht Tirol fest, dass das beim Beschwerdeführer unstrittig vorhandene Vermögen jedenfalls als „eigene Mittel“ iSd § 15 TMSG heranzuziehen ist. Allerdings ist in dieser Hinsicht auch auf § 15 Abs 5 lit e) TMSG und den dort vorgesehenen Freibetrag von Ersparnissen in der Höhe des Fünffachen des Ausgangsbetrages nach § 9 im Fall der Gewährung von Grundleistungen zu verweisen bzw ein solcher Freibetrag zu berücksichtigen.

Wie unstrittig feststeht verfügt der Beschwerdeführer über ein Sparbuch, auf dem sich über die Jahre ein größerer Betrag angesammelt hat und das als Vermögen des Beschwerdeführers iSd § 15 TMSG anzusehen ist. Außer Streit steht auch, dass der Beschwerdeführer dieses ihm bekannte Guthaben auf dem verfahrensgegenständlichen Sparbuch zunächst in mehreren Mindestsicherungsanträgen nicht angegeben hat. Der Erwachsenenvertreter hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er der Meinung gewesen sei, dass es niemanden etwas angehe, wie der Beschwerdeführer diese Mittel verwende, weil ihm Mindestsicherungsleistungen eben zugestanden seien. Diese Rechtsauffassung trifft wie oben ausgeführt nicht zu. Somit hat der Beschwerdeführer in seinen Mindestsicherungsanträgen eine entscheidungswesentliche Angabe bzw deren Änderung (iSd Vermögensvermehrung) nicht angegeben. Wurde die Gewährung von Leistungen der Mindestsicherung vom Mindestsicherungsbezieher durch unwahre Angaben über die Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, herbeigeführt, so hat dieser zu Unrecht bezogene Geldleistungen gemäß § 20 Abs 1 lit a TMSG zurückzuerstatten. Unwahre Angaben über Einkommens- und Vermögensverhältnisse entstehen in diesem Zusammenhang in aller Regel aus dem Verschweigen entsprechend vorhandener Einkommens- bzw Vermögenswerte. Dass die Nichtbekanntgabe des Vermögens des Beschwerdeführers dabei kausal für die Gewährung von Mindestsicherung war (vgl VwGH vom 29.03.2017, Ro 2016/10/0041), steht für das Landesverwaltungsgericht außer Zweifel. Hätte der Beschwerdeführer sein Vermögen angegeben, wäre es – zumindest ab dem Zeitpunkt, zu dem das Vermögen den Freibetrag in entsprechender Höhe überstieg – infolge mangelnder Anspruchsvoraussetzungen zu keiner bzw jedenfalls geringerer Leistung der Mindestsicherung gekommen. In diesem Sinne hat auch die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung bzw in ihrem Aktenvermerk vom 03.09.2019 ausgeführt. Durch die Nichtbekanntgabe des vorhandenen und bekannten Guthabens am Konto des Beschwerdeführers liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs 1 lit a TMSG vor und ist der Beschwerdeführer aufgrund dieser Bestimmung zu einer Rückerstattung von Leistungen verpflichtet.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ihre Rückforderung auf § 22 Abs 1 lit b TMSG (Kostenersatz) gestützt. Unter Heranziehung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war im gegenständlichen Fall nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts die spezifischere Norm des § 20 Abs 1 lit a TMSG heranzuziehen. In einem vergleichbaren Fall hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich ausgeführt, dass anstelle eines Kostenersatzes eine Rückerstattungspflicht auszusprechen ist: „Ändern sich allerdings - wie im gegenständlichen Fall - die für die Leistungsgewährung maßgeblichen Umstände, insbesondere etwa die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Hilfesuchenden, und sind diese Änderungen dem Hilfesuchenden bekannt, normiert § 27 Sbg. MSG eine Verpflichtung des Hilfesuchenden, dies "unverzüglich bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen". Schließlich dürfen die Leistungen nach dem Sbg. MSG fortlaufend nur soweit gewährt werden, wie es den jeweils aktuellen Umständen entspricht (vgl. ErlRV 687 BlgLT, XIV. GP, S. 55). Wenn ein Hilfesuchender (u.a.) wegen Verschweigung von wesentlichen Tatsachen oder einer Verletzung seiner Anzeigepflicht nach § 27 Sbg. MSG Leistungen der Mindestsicherung zu Unrecht erhält, hat er gemäß § 28 Abs. 1 erster Satz Sbg. MSG diese Leistungen zurückzuerstatten. Ausgehend von ihren (oben unter I.2. wiedergegebenen) Tatsachenannahmen hätte die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung § 28 Sbg. MSG zugrunde legen müssen.“ (VwGH 17.12.2014, 2013/10/0020) Nachdem die der Entscheidung zugrundeliegenden Bestimmungen des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes mit den anzuwendenden Bestimmungen des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes vergleichbar sind, und im konkreten Fall auch dem Antragsteller im Leistungszeitraum bekanntes Vermögen vorhanden war, das nicht angegeben wurde, war von einem Fall des § 20 Abs 1 lit a TMSG (der mit dem angeführten § 28 Sbg MSG vergleichbar ist) auszugehen.

Im Verlängerungsantrag vom 28.02.2018 hat der Beschwerdeführer angegeben, dass er über „nicht unerhebliches Guthaben auf seinem Konto“ verfüge und abschließend die Behörde ersucht, ihn zu verständigen, sollten weitere Unterlagen erforderlich sein. Mit dieser Bekanntgabe von „nicht unerheblichem Gutachten“ ist nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes ab diesem Zeitpunkt nicht mehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unwahre Angaben iSd § 20 Abs 1 lit a TMSG gemacht hat. Die Angaben waren allenfalls nicht in entsprechender Weise konkretisiert, jedoch wurde der Behörde im selben Schreiben dezidiert angeboten, bei Bedarf Unterlagen nachzureichen. Die Behörde hat in der Folge keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt – insbesondere hat sie auf die Bekanntgabe von „nicht unerheblichem Guthaben“ keine Nachfragen angestellt. Der Vertreter der belangten Behörde hat dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung damit erklärt, dass er seit nunmehr 10 Jahren in der Sozialhilfe tätig sei und es für ihn schier unvorstellbar gewesen sei, dass man sich mit den Mitteln der Sozialhilfe so ein Vermögen anspare. Zudem habe der Erwachsenenvertreter im selben Schreiben auf zeitnah anstehende Investitionen hingewiesen. Auch wenn dem Vertreter der belangten Behörde zuzustimmen ist, dass es sich verfahrensgegenständlich sicherlich um einen Sonderfall handelt, so hätte die Bekanntgabe von „nicht unerheblichem Guthaben“ doch die Ermittlungspflicht der Behörde ausgelöst. Jedenfalls kann ab diesem Zeitpunkt dem Beschwerdeführer nicht mehr vorgehalten werden, er hätte unwahre Angaben gemacht. Ab diesem Zeitpunkt ist somit eine Pflicht zur Rückerstattung iSd § 20 TMSG nicht mehr gegeben.

Aufgrund der Tatsache, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung auf § 22 TMSG gestützt hat, ist sie hinsichtlich der Frage der Geltendmachung von Ersatzansprüchen in den Anwendungsbereich des § 25 TMSG gefallen. Aufgrund dessen Abs 1 verjähren nicht grundbücherlich sichergestellte Ersatzansprüche nach den §§ 22 und 23 drei Jahre nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die betreffenden Leistungen erbracht wurden. Aus diesem Grund wurden die Ersatzansprüche auch mit dem 01.01.2016 begrenzt. Das Landesverwaltungsgericht geht wie ausgeführt davon aus, dass ein Fall des § 20 Abs 1 lit a TMSG vorliegt. Für diesen gilt die Regelung des § 25 Abs 1 TMSG nicht, da dieser auf Ansprüche nach den §§ 22 und 23 begrenzt ist. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Einrede der Verjährung liegt gegenständlich nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes nicht vor, da von beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts in ständiger Rechtsprechung eine analoge Anwendung der Verjährungsbestimmungen des ABGB auf öffentlich-rechtliche Ansprüche, hinsichtlich derer eine Verjährung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, abgelehnt wird (Hinweis E 10.3.1972, 1747/70, E 25.11.1987, 86/09/0067; VwGH 23.02.1993, 93/11/0006). Im öffentlichen Recht gibt es somit keine Verjährung, sofern ein Gesetz nichts anderes ausdrücklich bestimmt (Hinweis E vom 22. Jänner 1974, 0899/73; VwGH 20.01.2010, 2006/06/0048). Für den gegenständlich relevanten § 20 TMSG ist eine solche explizite Regelung nicht vorgesehen.

Für die konkrete Berechnung der Rückerstattung folgt daraus: Der Beschwerdeführer hat laut dem im Akt einliegenden rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 09.12.2015, ***, im Monat Dezember 2015 insgesamt Euro 965,87 an Leistungen der Mindestsicherung erhalten (Unterstützung für Miete Euro 370,50, Unterstützung für Lebensunterhalt Euro 520,87 sowie Sonderzahlung in der Höhe von Euro 74,50). Der Kontostand des Beschwerdeführers wies per 01.12.2015 einen Betrag von Euro 4.160,18 aus. Der im entsprechenden Zeitraum anzuwendende Freibetrag für das Jahr 2015 von Euro 4.139,10 (bei einem Ausgangsbetrag von Euro 827,82, vgl LGBl Nr 160/2014) wurde im Dezember somit um Euro 21,08 überschritten. Dieser Betrag ist unter Rückgriff auf die Judikatur heranzuziehen: „Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass "Vermögen" im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 4 Sbg MSG den Anspruch auf Mindestsicherung nur soweit mindert, als es den Freibetrag in der Höhe des Fünffachen des Mindeststandards für Alleinstehende oder -erziehende gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Sbg MSG übersteigt (vgl. VwGH 20.9.2012, 2011/10/0138; vgl. auch VwGH 25.5.2018, Ra 2017/10/0135; VwGH 27.03.2019, Ra 2018/10/0161). Somit ist bei der Berücksichtigung der eigenen Mittel iSd § 15 TMSG nur jener Betrag heranzuziehen, der den Freibetrag übersteigt und wird der Mindestsicherungsanspruch in diesem Ausmaß geschmälert. Durch die Nichtbekanntgabe dieses anrechenbaren Guthabens entstand ein Übergenuss für Dezember 2015 in der Höhe von Euro 21,08.

Per 01.01.2016 betrug der Saldo des Kontos des Beschwerdeführers Euro 5.442,70. Der Freibetrag für das Jahr 2016 belief sich auf Euro 4.188,8 (bei einem Ausgangsbetrag von Euro 837,76, vgl LGBl Nr 137/2015). Somit überstieg das zu Beginn des Monates Jänner 2016 vorhandene Vermögen des Beschwerdeführers den Freibetrag für das Jahr 2016 um Euro 1.253,90. Dieser Betrag ist wie ausgeführt unter Rückgriff auf die Judikatur heranzuziehen. Für den Jänner 2016 wurden dem Beschwerdeführer mit dem oben angeführten rechtskräftigen Bescheid vom 09.12.2015 Euro 370,50 Unterstützung für Miete und Euro 520,87 Unterstützung für Lebensunterhalt rechtskräftig zugesprochen. Im Jänner 2016 hätte der Beschwerdeführer aber über ausreichend verwertbares Vermögen verfügt, sodass kein Anspruch auf Mindestsicherung bestand. Die belangte Behörde hat über Aufforderung des Landesverwaltungsgerichtes angeführt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 01.01.2016 bis 28.02.2018 Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von insgesamt Euro 18.889,62 erhalten hat. Zu diesem Betrag ist noch der angeführte Übergenuss der Mindestsicherungsleistung für Dezember 2015 in der Höhe von Euro 21,08 zu addieren, sodass insgesamt von einer zu Unrecht erhaltenen Leistung von 18.910,70 im Zeitraum 01.12.2015 bis 28.02.2018 auszugehen ist. Im Zuge der Unterhaltsnachzahlung hat der Beschwerdeführer für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.09.2016 einen Kostenersatz von Euro 2.443,68 geleistet. Dieser bereits geleistete Betrag ist von der zu Unrecht erhaltenen Leistung in der Höhe von Euro 18.910,70 in Abzug zu bringen, sodass ein Saldo von Euro 16.467,02 verbleibt. Dieser Betrag war dem Beschwerdeführer daher insgesamt als Rückerstattung spruchgemäß vorzuschreiben.

Die Anwendung der vom Beschwerdeführer angeführten „Härteklausel“, die § 20 TMSG in seinem Abs 2 ebenso wie § 22 Abs 3 TMSG vorsieht, scheidet nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Fall aus. Auch nach der vorgeschriebenen Rückerstattung verbleiben dem Beschwerdeführer noch ausreichend Mittel um auch die von ihm angeführten in absehbarer Zeit anfallenden Investitionen tätigen zu können. Der Saldo des Kontos per 04.11.2019 wies Euro 48.288,41 aus; auch unter Abzug der vorgeschriebenen Rückerstattung verbleiben dem Beschwerdeführer über Euro 30.000,--. In diesem Fall ist – auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer angeführten zeitnahen Investitionen – nicht davon auszugehen, dass die Rückerstattung den Erfolg der Mindestsicherung iSd § 20 Abs 2 TMSG gefährden könnte.

Die vom Beschwerdeführer geltende gemachte Gleichheitswidrigkeit der gesetzlichen Regelung wird vom Landesverwaltungsgericht in der vorgebrachten Weise nicht geteilt. Eine Ungleichbehandlung zwischen Menschen mit Behinderung und solchen ohne Behinderung bei der Rückerstattung von zu Unrecht erhaltener Leistungen liegt nicht vor und besteht dafür nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes auch keine sachliche Notwendigkeit.

Soweit der Beschwerdeführer auf § 330a ASVG verweist ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sich das darin normierte „Verbot des Pflegeregresses“ unter seinen übrigen Voraussetzungen auch auf stationäre Pflegeleistungen, die Menschen mit Behinderung erbracht werden, bezieht. Beim Beschwerdeführer ist allerdings nicht davon auszugehen, dass er in einer „stationären Pflegeeinrichtung“ iSd § 330a ASVG aufgenommen wurde. Er bewohnte zunächst eine von der Lebenshilfe angemietete Privatwohnung, in die er dann selbst als Mieter eingetreten ist und wird im Ausmaß von 52 Stunden (vormals 63 Stunden) mobil begleitet. Allein schon die Zuerkennung der Mobilen Begleitung schließt nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes eine stationäre Betreuung aus. Zudem kann bei einer von der Lebenshilfe angemieteten und zur Verfügung gestellten Wohnung bzw später der selbständigen privaten Anmietung von Wohnraum keinesfalls von einer Pflegeeinrichtung ausgegangen werden; dafür fehlt alleine schon der dafür notwendige institutionelle Charakter. Vor allem aber wird mit der Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG untersagt, auf das Vermögen zuzugreifen „zur Abdeckung der Pflegekosten“. Im gegenständlichen Verfahren geht es aber nicht um die Frage, ob der Beschwerdeführer aus seinem Vermögen einen Beitrag für seine Pflege leisten muss, vielmehr ist gegenständlich ein Rückersatz von Leistungen, dh die Frage, ob der Beschwerdeführer zu Unrecht vormals Leistungen der Mindestsicherung bezogen hat und dies nunmehr rückerstatten muss. Aus diesem Grund scheidet eine Anwendung des § 330a ASVG in der konkreten Fallkonstellation aus.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, konkret die Frage, ob die alleinige Mitteilung des Beschwerdeführers über „nicht unerhebliches Guthaben“ auf dem Konto die Ermittlungspflicht der Mindestsicherungsbehörde in der Weise auslöst, dass bei Nichtwahrnehmung derselben die Rückerstattungspflicht iSd § 20 TMSG auszuschließen ist. Diesbezüglich liegt soweit ersichtlich keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedenken, dass aus Mitteln der Mindestsicherung erspartes Vermögen nicht als eigene Mittel zu berücksichtigen ist, wird auf die vorstehend zitierte Judikatur verwiesen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Stemmer

(Richterin)

Schlagworte

Abgrenzung Einkommen Vermögen; Verschweigung wesentlicher Tatsachen; Verletzung der Anzeigepflicht; Rückerstattung; keine Verjährung öffentlich-rechtlicher Leistungen

Anmerkung

Mit Beschluss vom 25.02.2020, Z E 278/2020-5 , lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 05.12.2019, Z LVwG-2019/45/1781-8, erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.45.1781.8

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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