Entscheidungsdatum
08.10.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G314 2223995-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des slowenischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Roland GRILC und andere, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2019, Zl. XXXX, nach der Beschwerdevorentscheidung vom 09.09.2019 aufgrund des Vorlageantrags vom 26.09.2019 betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots beschlossen und zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerdevorentscheidung vom 09.09.2019 wird ersatzlos
behoben.
B) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
C) Die Beschwerde wird, soweit sie auf die Rückerstattung eines Geldbetrags von EUR 2.300 sowie auf die Erlassung eines Bescheids zur Abnahme dieses Betrags gerichtet ist, wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.
D) Im Übrigen wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und der
angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:
"1. Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
2. Gemäß § 70 Abs 3 FPG wird dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt."
E) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX05.2018 verhaftet und in der Folge in der Justizanstalt XXXX angehalten. Mit Schreiben vom 16.05.2018 wurde er vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Laut dem aktenkundigen Rückschein langte dieses Schreiben am 18.05.2019 in der Justizanstalt XXXX ein. Der BF erstattete keine Stellungnahme.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.12.2019, XXXX, wurde der BF wegen Suchtgiftdelikten zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Am XXXX01.2019 wurde er bedingt entlassen.
Am XXXX01.2019 beantragte der BF beim BFA Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr; er habe vor, nach XXXX zurückzukehren.
In einem dem BFA am 07.05.2018 übermittelten Polizeibericht über die Festnahme des BF, in dem vom BFA eingeholten Strafurteil und in der Beschwerde wird seine Adresse jeweils mit XXXX angegeben. Diese Anschrift scheint auch in den dem BFA übermittelten Vollzugsinformationen vom XXXX05.2018 und vom XXXX12.2018 als Aufnahme- und Entlassungsadresse des BF auf.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 8 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid wurde dem BF durch Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 8 Abs 2 iVm § 23 ZustG ab 12.03.2019 zugestellt, weil er an der früheren Zustelladresse nicht mehr aufhältig sei und eine neue Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten habe festgestellt werden können; sein Aufenthalt sei unbekannt. Der Zustellung waren ergebnislose Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR) am 06.03.2019 und am 12.03.2019 vorangegangen; ein Zustellversuch an der aktenkundigen Anschrift des BF in Slowenien wurde nicht unternommen.
Am 01.08.2019 wurde der BF bei einem Besuch in der Justizanstalt XXXX festgenommen. Die Landespolizeidirektion XXXX hob gemäß § 37a Abs 1 Z 2 VStG eine vorläufige Sicherheitsleistung von EUR 2.300 ein. Nach Übergabe des Bescheids vom 06.03.2019 wurde der BF noch am selben Tag in seinen Herkunftsstaat Slowenien abgeschoben.
Gegen den Bescheid richtet sich am 29.08.2019 per E-Mail beim BFA eingebrachte Beschwerde mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, auf ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids, in eventu Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots, sowie auf Rückerstattung des Geldbetrags von EUR 2.300, in eventu Erlassung eines Bescheids zur Abnahme dieses Betrags, damit der BF Rechtsmittel ergreifen könne. Die Festnahme des BF am XXXX08.2019 und die Abnahme des Geldbetrags seien rechtswidrig gewesen; er sei weder über eine Festnahmeanordnung noch über den Grund zur Einhebung des Geldbetrags belehrt worden. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines achtjährigen Aufenthaltsverbots lägen nicht vor, weil der BF erstmals strafgerichtlich verurteilt worden sei, eine untergeordnete Rolle eingenommen habe, in Slowenien ein durchschnittliches Monatsgehalt von EUR 1.000 netto beziehe und für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig sei. Ihm sei in der Justizanstalt XXXX keine Aufforderung des BFA zur Stellungnahme übergeben worden.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 09.09.2019 wies das BFA die Beschwerde als verspätet zurück und vertrat, dass die Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch rechtswirksam gewesen sei, weil der Aufenthalt des BF nicht leicht feststellbar gewesen sei. Der angefochtene Bescheid sei am 10.04.2019 in Rechtskraft erwachsen.
Aufgrund des rechtzeitigen Vorlageantrags des BF legte das BFA die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens unter Anschluss einer Stellungnahme dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 03.10.2019 einlangte.
Feststellungen:
Der BF, ein slowenischer Staatsangehöriger, wurde am XXXX geboren. Er stammt aus Slowenien, wo er acht Jahre lang die Grundschule und fünf Jahre lang die Mittelschule besuchte, die er mit der Matura und einer Ausbildung zum XXXX abschloss. Er spricht Slowenisch. Sein Hauptwohnsitz befindet sich in Slowenien an der Adresse XXXX. Er ist für zwei minderjährige Kinder und seine Ex-Ehefrau sorgepflichtig. Er bezog zuletzt als selbständiger Unternehmer im Bereich XXXX ein monatliches Nettoeinkommen von ca. EUR 1.000. Er ist Eigentümer eines PKW und hat unternehmerische Schulden von ca. EUR 30.000, die mit den Einkünften des Unternehmens und einer Garantie bedient werden.
In Österreich war der BF nie niedergelassen oder legal erwerbstätig; er hat keine relevanten privaten oder familiären Anbindungen.
Der strafgerichtlichen Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX lag zugrunde, dass drei slowenische Staatsangehörige am XXXX05.2018 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich über 16 kg Cannabiskraut (Reinsubstanz 1.794 g THCA und 136,84 g Delta-9-THC) aus Slowenien nach Österreich einführten und versuchten, es in XXXX einer Vertrauensperson und einem verdeckten Ermittler zu überlassen. Der BF trug zu diesen Taten dadurch bei, dass er einen der unmittelbaren Täter von Slowenien nach XXXX chauffierte und ihn zum vereinbarten Treffpunkt zur Kontrolle des Gelds für den Suchtgiftkauf begleitete. Als daraufhin die Lieferung des Suchtgifts aus Slowenien freigegeben wurde, fand sich der BF mit den unmittelbaren Tätern am vereinbarten Übergabeort zur Übergabe des Suchtgifts und Übernahme des Gelds ein, wo alle vier verhaftet wurden. Der BF wusste, dass er durch seine Chauffeur- und Begleitdienste zum grenzüberschreitenden Transport und Verkauf einer großen Suchtgiftmenge beitrug und die unmittelbaren Täter so bei der Tatbegehung bestärkte und unterstützte, was er jedoch billigend in Kauf nahm. Der BF beging dadurch die Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und nach §§ 15 StGB, 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB und wurde (ausgehend von einer Strafdrohung von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe) zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ein Strafteil von zwei Jahren wurde für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen. Bei der Strafzumessung wurde das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, das deutliche Überschreiten der Grenzmenge (nämlich das 44,85-fache der Grenzmenge THCA und das 6,84-fache der Grenzmenge Delta-9-THC) sowie das arbeitsteilige Vorgehen als erschwerend gewertet. Der Umstand, dass es beim Überlassen des Suchtgifts beim Versuch blieb, der bisher ordentliche Lebenswandel des BF und seine vergleichsweise untergeordnete Tatbeteiligung wirkten sich mildernd aus.
Es handelt sich um die erste und bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung des BF. Er verbüßte die Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX. Eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte des unbedingten Strafteils wurde aufgrund der organisierten Vorgehensweise der Tätergruppe, an der er sich beteiligt hatte, und der Suchtgiftmenge abgelehnt. Aufgrund seines ungetrübten Vollzugsverhaltens und seiner Absicht, zu seiner Familie nach Slowenien zurückzukehren und dort das Unternehmen seines Vaters zu übernehmen, wurde die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln des unbedingten Strafteils am XXXX01.2019 bewilligt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Die slowenische Wohnanschrift des BF ist mehrfach in den vorgelegten Akten ersichtlich (siehe Aktenseiten 11, 17, 33, 63, 185).
Die Feststellungen zur Identität des BF sowie zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Angaben im Polizeibericht, im Hauptverhandlungsprotokoll und im Strafurteil, ebenso seine Sorgepflichten, seine Erwerbstätigkeit und seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Seine Ausbildung geht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll und aus dem Personalblatt hervor.
Slowenischkenntnisse sind aufgrund der Herkunft des BF plausibel, zumal dem Strafverfahren ein Dolmetsch für diese Sprache beigezogen wurde.
Es gibt keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF. Seine Arbeitsfähigkeit folgt daraus, aus seinem erwerbsfähigen Alter, der bis zur Inhaftierung ausgeübten Erwerbstätigkeit und seiner Absicht, nach der Entlassung das Unternehmen seines Vaters zu übernehmen.
Abgesehen von einer Meldung in der Justizanstalt XXXX bestehen laut ZMR keine Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich. Es sind keine Anhaltspunkte für maßgebliche private oder familiäre Bindungen des BF im Inland hervorgekommen; solche werden weder in der Beschwerde behauptet noch lassen sie sich den vorgelegten Akten entnehmen.
Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Urteil des Landesgerichts XXXX, das im Einklang mit dem vorliegenden Polizeibericht steht. Die Verurteilung wird auch durch die entsprechende Eintragung im Strafregister belegt. Dort scheinen keine weiteren Verurteilungen des BF auf. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten, zumal seine Unbescholtenheit als Milderungsgrund berücksichtigt wurde.
Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation und der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt laut ZMR. Das Vollzugsverhalten des BF wird anhand der Stellungnahme der Justizanstalt zur bedingten Entlassung festgestellt. Die bedingte Entlassung des BF geht aus dem entsprechenden Beschluss des Landesgerichts XXXX und aus dem Strafregister hervor.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Die Zustellung des angefochtenen Bescheids durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch setzt gemäß § 8 ZustG voraus, dass eine Partei ihre bisherige Abgabestelle ändert, ohne dies der Behörde mitzuteilen, und eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Hier hat der BF seine Abgabestelle aufgrund seiner Entlassung aus der Justizanstalt geändert. Da seine Entlassungsadresse aktenkundig war und die Behörde aufgrund des Antrags auf freiwillige Rückkehr wusste, dass er nach der Enthaftung nach XXXX zurückkehren wollte, durfte sie nicht nach den §§ 8 Abs 2, 23 Abs 1 ZustG vorgehen, ohne vorher zu versuchen, den Bescheid an der slowenischen Anschrift des BF zuzustellen.
Da eine Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte, wurde der Bescheid dem BF durch die Hinterlegung ohne Zustellversuch per 12.03.2019 nicht wirksam zugestellt. Dieser Zustellmangel wurde gemäß § 7 ZustG dadurch saniert, dass der Bescheid dem BF am 01.08.2019 übergeben wurde. Die am 29.08.2019 beim BFA eingebrachte Beschwerde ist daher nicht verspätet, sodass die Beschwerdevorentscheidung, mit der sie als verspätet zurückgewiesen wurde, zu beheben ist.
Zu Spruchteil B):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil C):
Für die (in der Beschwerde erstmals geforderte) Rückerstattung der vom BF eingehobenen Sicherheitsleistung gemäß § 37a Abs 1 Z 2 VStG sowie für die Erlassung eines Bescheids darüber besteht keine Entscheidungsbefugnis des BVwG. Die darauf gerichteten Beschwerdeanträge sind daher mangels sachlicher Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zurückzuweisen.
Zu Spruchteil D):
Der Grundsatz, dass die Beschwerdevorentscheidung an die Stelle des Ausgangsbescheids tritt, gilt in den Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung nicht (VwGH 25.04.2018, Ra 2017/09/0033). Ist die Beschwerde zulässig, wurde sie aber - wie hier - mit der Beschwerdevorentscheidung zurückgewiesen, hat das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde zu entscheiden und den Ausgangsbescheid zu bestätigen, zu beheben oder abzuändern (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026; siehe auch Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 15 VwGVG Anm 9).
Die Beschwerde begründet die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids unter anderem damit, dass das BFA den BF keine Gelegenheit geboten habe, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, weil ihm das Schreiben vom 16.05.2018 nicht übergeben worden sei. Selbst wenn er dieses Schreiben tatsächlich nicht erhalten haben sollte, ist eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs als saniert anzusehen, weil er Gelegenheit hatte, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens in der Beschwerde gegen den (eine ausreichende Darstellung der Beweisergebnisse enthaltenden) erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen (siehe VwGH 12.08.2019, Ra 2019/20/0192).
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:
Als Staatsangehöriger von Slowenien ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren) kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe zuletzt VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0131). Außerdem hat der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung voranzugehen.
Da sich der BF nie längerfristig im Bundesgebiet aufhielt, ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.
Das persönliche Verhalten des BF stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft an Ruhe und Ordnung, an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer berührt, weil er sich an einem der Schwerkriminalität zuzurechnenden, arbeitsteilig organisierten, grenzüberschreitenden Suchtgifthandel beteiligte. Da Suchtgiftkriminalität nach der Rechtsprechung des VwGH ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (siehe z.B. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249), ist auf eine beträchtliche vom BF ausgehende Gefahr zu schließen, zumal die Straftat noch nicht lange zurückliegt und er erst vor kurzem aus der Strafhaft entlassen wurde. Die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität fällt nach der Rechtsprechung des EuGH (23.11.2010, Rs C-145/09 Panagiotis Tsakouridis) sogar unter den Ausdruck "schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" iSd Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; siehe § 2 Abs 4 Z 18 FPG).
Da der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233), kann derzeit noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung des BF indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden.
Mangels in Österreich aufhältiger Mitglieder der Kernfamilie des BF greift das Aufenthaltsverbot nicht in sein Familienleben ein. Der mit der Unmöglichkeit des Aufenthalts in Österreich allenfalls verbundene Eingriff in sein Privatleben ist jedenfalls verhältnismäßig, zumal keine signifikanten Anknüpfungen im Inland bestehen und aufgrund der grenzüberschreitenden, arbeitsteiligen Suchtgiftdelinquenz ein besonders großes Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besteht. Das Aufenthaltsverbot wurde somit dem Grunde nach zu Recht erlassen.
Allerdings ist die vom BFA mit acht Jahren bemessene Dauer des Aufenthaltsverbots überschießend, weil der BF erstmals straffällig wurde, nur Beitragstäter war und dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirksamkeit zukommt. Dazu kommt, dass ein Teil der Strafe bedingt nachgesehen werden konnte und er aus dem Vollzug des unbedingten Strafteils aufgrund positiven Vollzugsverhaltens vorzeitig bedingt entlassen werden konnte. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist daher - dem entsprechenden Eventualantrag in der Beschwerde folgend - auf fünf Jahre zu reduzieren, zumal der BF nach seiner Enthaftung ohnehin nach Slowenien zurückkehren wollte, wo er offenbar in geordneten sozialen Verhältnissen lebt.
Eine weitere Reduktion scheitert daran, dass der BF sich an qualifizierten Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden), konkret an der Einfuhr und der versuchten Überlassung einer großen Suchtgiftmenge, beteiligte. Das BVwG geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftaten unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe und seiner persönlichen, familiären und finanziellen Verhältnisse ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot notwendig, aber auch ausreichend ist, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher entsprechend abzuändern.
Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der Betroffenen oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, hat das BVwG diese gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG vom Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des oder der Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 oder Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn oder sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Vor diesem gesetzlichen Hintergrund sind die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids dahingehend abzuändern, dass dem BF ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub erteilt und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung behoben wird. Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot und für ein Absehen von einem Durchsetzungsaufschub erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (siehe VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).
Solche besonderen Umstände wurden hier nicht dargelegt, zumal der BF sich kooperativ verhielt und es keine Hinweise dafür gibt, dass er nach seiner bedingten Entlassung im Inland verbleiben wollte. Da ihm der angefochtene Bescheid erst am 01.08.2019 wirksam zugestellt wurde, konnte er bei der neuerlichen Einreise nach Österreich nach der Haftentlassung das Aufenthaltsverbot, das mangels Zustellung noch gar nicht erlassen worden war, nicht missachten. Da er nicht über einen längeren Zeitraum, sondern nur bei einer Gelegenheit delinquierte, nicht vorhatte, im Bundesgebiet zu bleiben, und in Slowenien in geordneten Verhältnissen lebt, war seine sofortige Ausreise nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist daher entsprechend als Spruchpunkt 2. des neu gefassten Spruchs abzuändern, Spruchpunkt III. ist ersatzlos zu beheben.
Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich wäre, kann eine Beschwerdeverhandlung, die gar nicht beantragt wurde, gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten, zumal das BVwG ohnedies den Tatsachenbehauptungen des BF in der Beschwerde folgt, sodass kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vorliegt.
Zu Spruchteil E):
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2223995.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.02.2020