TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/10 G310 2224132-1

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Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G310 2224132-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, ungarische Staatsangehörige, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX04.2019, XXXX wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 07.08.2019 wurde die BF davon in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund ihrer Verstöße gegen Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, die Erlassung eines Aufenthaltsverbots beabsichtigt sei, und aufgefordert, sich hierzu zu äußern. Die BF erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit den Verstößen gegen Vorschriften mit denen die Prostitution geregelt ist, und dem Fehlen familiärer, sozialer und beruflicher Bindungen in Österreich begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, das Aufenthaltsverbot zu beheben, in eventu, das Aufenthaltsverbot zu verkürzen, in eventu, den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die in Österreich wohnhafte BF über eine Anmeldebescheinigung verfüge und als Selbstständige gemeldet und versichert sei. Sie lebe seit drei Jahren in einer aufrechten Partnerschaft, besuche einen Deutschkurs und erhalte beim Psychosozialen Dienst Depotspritzen. Bemängelt wird zudem, dass sich das BFA bei seiner Begründung lapidar auf 19 Verwaltungsstrafverfügen gestützt habe, ohne diese jedoch konkret zu benennen. Es gebe keine aktuelle oder akute Gefährdung der Volksgesundheit aufgrund des Verhaltens der BF. Untermauert wird das Beschwerdevorbringen von beigelegten Unterlagen.

Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 09.10.2019 einlangten.

Feststellungen:

Die BF ist ungarische Staatsbürgerin. Sie ist geschieden, hat acht Jahre die Grundschule besucht und ist für zwei Kinder sorgepflichtig. Sie spricht ungarisch und besucht sie einen Deutschkurs. Ihr wurde am XXXX09.2017 eine Anmeldebescheinigung als Selbstständige ausgestellt.

Ab XXXX05.2012 weist die BF, abgesehen von den Zeiträumen von XXXX01.2015 bis XXXX09.2016, von XXXX11.2016 bis XXXX03.2017, von XXXX10.2017 bis XXXX08.2018 und von XXXX08.2019 bis XXXX09.2019, Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf, darunter fallen sieben Aufenthalte im Polizeianhaltezentrum XXXX.

In Österreich ging die BF von April 2017 bis Mai 2017 und für einige Tage im August sowie September 2018 einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nach. Seit XXXX10.2018 ist sie als Selbstständige bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.

Die BF erhält regelmäßig Depotspritzen. Von 22.05.2018 bis 29.06.2018 unterzog sich die BF einer stationären psychiatrischen Behandlung im Therapiezentrum XXXX.

Am XXXX08.2016 erfolgte die Erstausstellung des nach § 2 BGBl 198/2015 (Prostitutionsverordnung) für die Ausweisung der Prostitution erforderlichen Ausweises. Ein weiterer mit der Zahl:

XXXX wurde ihr am XXXX08.2017 ausgestellt, wobei darin für den Zeitraum von XXXX08.2018 bis XXXX10.2019 die erforderlichen Kontrolluntersuchungen ersichtlich sind.

Die BF hat einen Lebensgefährten in Österreich, weitere familiären oder privaten Bindungen sind nicht feststellbar.

Die BF weist in Österreich eine strafgerichtliche Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX auf. Der Verurteilung lag zugrunde, dass sich die BF am XXXX08.2018 in XXXX, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol, nämlich von zwei Flaschen Wodka, in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt hat und weiters in diesem Zustand, indem sie einen Polizeibeamten während einer Amtshandlung, nämlich bei einer Identitätsfeststellung einer männlichen Person, durch einen heftigen Stoß tätlich angegriffen hat, eine Handlung begangen hat, die ihr außer diesem Zustand als Vergehen, nämlich als tätlichen Angriff auf einen Beamten nach § 270 Abs. 1 StGB zugerechnet worden wäre. Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, wurde die BF zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung wurden das reumütige Geständnis und der bisher ordentliche Lebenswandel mildernd gewertet, erschwerende Umstände konnten nicht festgestellt werden.

Mit Strafverfügung der LPD XXXX vom XXXX05.2015, XXXX, wurde über die BF wegen der Anbahnung der Prostitution nach § 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 2 XXXX Landessicherheitsgesetz sowie wegen des nicht erbachten Nachweises der amtsärztlichen Untersuchungen nach § 1 Prostitutionsverordnung eine Geldstrafe verhängt. Es folgten weitere

Strafverfügungen der LPD XXXX und zwar am XXXX02.2017, GZ: XXXX2017,

GZ: XXXX, am 29.03.2017, GZ: XXXX, am 03.04.2017, GZ: XXXX, am 13.04.2017, GZ: XXXX, am 05.05.2017, GZ: XXXX, am 10.05.2017, GZ: XXXX, am 29.05.2017, GZ: XXXX, am 02.06.2017, GZ: XXXX, am 12.06.2017, GZ: XXXX, am 31.01.2018, GZ: XXXX, am 15.01.2018, GZ: XXXX, am 22.01.2018, GZ: XXXX, am 21.02.2018, GZ: XXXX, am 20.03.2018, GZ: XXXX, am 29.03.2018, GZ: XXXX, am 03.04.2018, GZ: XXXX, am 03.04.2018, GZ: XXXX, am 10.04.2018, GZ: XXXX, am 23.04.2018, GZ: XXXX und zuletzt am 27.04.2018, GZ: VXXXX. In allen Strafverfügungen wird der BF die Anbahnung der Prostitution in Wohngebieten in XXXX nach § 9 Abs. 2 lit. a XXXXProstitutionsgesetz zur Last gelegt. Bei den diesen Strafverfügungen zugrundeliegenden Betretungen wies sich die BF mit ihrer vom Magistrat XXXX ausgestelltem Ausweis nach der Prostitutionsverordnung aus. Eine Abnahme des Ausweises mangels nicht erfolgter Kontrolluntersuchung fand anlässlich dieser Betretungen nie statt.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität der BF, zu ihren persönlichen Verhältnissen und ihrem Lebensgefährten beruhen auf den entsprechenden Angaben im Strafurteil sowie in der Beschwerde. Der Ausweis nach der Prostitutionsverordnung und der Therapiepass der BF, als Nachweis für die erhaltenen Depotspritzen, liegen dem BVwG in Kopie vor. Der stationäre Aufenthalt im Therapiezentrum XXXX lässt sich dem der Beschwerde beigelegtem Patientenbrief entnehmen. Die Anmeldebescheinigung ist im Fremdenregister dokumentiert.

Die Feststellungen zu den von der BF begangenen Straftaten, zur Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Verurteilung der BF wird auch durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen. Die Strafverfügungen der LPD XXXX und der LPD XXXX liegen im Akt auf.

Die Wohnsitzmeldungen und Anhaltungen im Polizeianhaltezentrum XXXXergeben sich aus dem Zentralen Melderegister (ZMR).

Anhand des Sozialversicherungsdatenauszuges konnten die bisherigen Erwerbstätigkeiten und die bestehende Pflichtversicherung nach dem GSVG festgestellt werden.

Anhaltspunkte für familiäre oder andere private Bindungen der BF oder für eine relevante Integration oder Anbindung in Österreich bestehen nicht.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu der in der Beschwerde monierten Verletzung der Ermittlungspflichten des BFA ist auszuführen, dass die BF mit Schreiben vom 07.08.2019 über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbots informiert wurde. Gleichzeitig wurde sie mit konkreten Fragen zu ihrer privaten und familiären Situation und zu den Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zur Stellungnahme aufgefordert. Die BF hatte somit Gelegenheit, sich entsprechend zu äußern und konkrete Angaben zu machen.

Aufgrund der der BF im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheids zu äußern, ist von der Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen (vgl VwGH 28.10.2009, 2008/15/0302). Die BF hat in der Beschwerde konkrete zusätzliche Angaben zu ihren Lebensumständen in Österreich gemacht und wurden diese nunmehr berücksichtigt.

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Als Staatsangehörige Ungarns ist die BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8

FPG.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Mangels eines längeren durchgehenden Aufenthalts der BF in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Obwohl die BF einmal strafgerichtlich verurteilt wurde und zahlreiche Strafverfügungen wegen Anbahnung der Prostitution in Wohngebieten vorliegen, erfüllt ihr Gesamtverhalten den Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 erster bis vierter Satz FPG nicht. Vom Gericht wurde bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe mit einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten das Auslangen gefunden. Die dieser Verurteilung zugrundeliegenden Tat sowie auch die Ausstellung der letzten Strafverfügung erfolgte im April 2018. Seitdem ist die BF weder strafgerichtlich noch verwaltungsrechtlich relevant in Erscheinung getreten und scheint um einen ordentlichen Lebenswandel bemüht zu sein.

Die Behörde stützte die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch auf die Unterlassung der amtsärztlichen Untersuchungen, wobei außer Acht gelassen wurde, dass die BF diesbezüglich einmal im Jahr 2015 angezeigt wurde. Die Erstausstellung sowie die weitere Ausstellung des Ausweises nach der Prostitutionsverordnung BGBL. 198/2015 zeigen jedoch, dass die BF seitdem den entsprechenden Kontrolluntersuchungen nachkommt, wobei bereits anlässlich der Eingangsuntersuchung eine entsprechende Prüfung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten erfolgt, da ansonsten kein Ausweis ausgestellt werden würde. Eine Anzeige der BF nach dem Geschlechtskrankheitengesetz oder eine Abnahme des Ausweises aufgrund nicht erfolgter Kontrolluntersuchungen sind dem Akt nicht entnehmbar.

Das Gericht übersieht nicht, dass in der Anbahnung der Prostitution in Wohngebieten ein hoher Störwert inne ruht. Zur Wertung dieses Fehlverhaltens ist zu beachten, dass eine rechtskräftige Bestrafung wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, den Tatbestand nach § 53 Abs. 2 Z 5 FPG für die Erlassung eines Einreiseverbotes erfüllt. Allgemeine Voraussetzung eines solchen ist, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 3 FPG sieht Einreiseverbote für die Dauer von höchstens zehn Jahren bzw. unbefristet vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. In § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 leg. cit. sind bestimmte Tatsachen genannt, die insbesondere eine solche schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen können. Bei diesen Tatbeständen sind Verstöße gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, nicht genannt. Nun enthält der im vorliegenden Fall anzuwendende § 67 Abs. 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") einen höheren Gefährdungsmaßstab als § 53 Abs. 3 leg. cit. ("schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit"). Stellen Verstöße der genannten Art gegen das XXXX Prostitutionsgesetzt nicht einmal einen Tatbestand für das Vorliegen der Gefährdung nach § 53 Abs. 3 FPG dar, so gilt dies nach dem dargelegten Stufenbau der Gefährdungsmaßstäbe umso mehr für die hier vorzunehmende Beurteilung nach § 67 Abs. 1 leg. cit. Erst wenn aus dem Verhalten der Fremden abzuleiten ist, dass sie weiterhin die Prostitution ausüben wird, ohne zugleich ihrer Verpflichtung zur regelmäßigen amtsärztlichen Untersuchungen fristgerecht nachzukommen, liegt eine für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes relevante erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und eine Verletzung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender Krankheiten vor. (vgl. VwGH 07.05.2014, 2013/22/0233).

Da aufgrund der obigen Ausführungen aus dem Verhalten der BF keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in maßgeblicher Intensität abgeleitet werden kann, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen sie unzulässig. Eine Prüfung, ob der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in ihr Privat- und Familienleben verhältnismäßig wäre, muss daher mehr nicht vorgenommen werden. Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen die BF im Ergebnis nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde aufzuheben. Dies bedingt auch die Aufhebung der darauf aufbauenden Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids (Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung).

Sollte die BF in Zukunft wieder strafgerichtlich verurteilt werden, wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen sie neuerlich zu prüfen sein.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil C): Unzulässigkeit der Revision:

Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0022; 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2224132.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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