Entscheidungsdatum
28.10.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G310 2224576-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.09.2019, Zl. XXXX betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene
Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt IV. zu lauten hat:
"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX06.2019 im Bundesgebiet festgenommen. Am XXXX06.2019 wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX08.2019, XXXX, wurde er wegen Suchtgifthandels zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei 12 Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Mit Schreiben vom 29.08.2019 wurde er vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen. Er erstattete keine Stellungnahme.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein achtjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). und gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) Dies wurde im Wesentlichen mit dem nicht rechtmäßigen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet, mit seiner strafgerichtlichen Verurteilung und mit dem Fehlen beruflicher, privater oder familiärer Anknüpfungspunkte begründet.
Gegen Spruchpunkt IV. richtet sich die Beschwerde des BF mit dem Antrag, die Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbotes wegen Unverhältnismäßigkeit herabzusetzen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF nicht bestreite, dass er durch seine Tat schwere Fehler begangen habe und ein Einreiseverbot gerechtfertigt sei, allerdings sei die Dauer von acht Jahren in Anbetracht der verhängten Strafe und der im Urteil angeführten Milderungsgründe unbillig und überzogen.
Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 22.10.2019 einlangten, und erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde.
Feststellungen:
Der BF ist serbischer Staatsbürger. Er spricht Serbisch. Er ist ledig, allfällige Sorgepflichten können nicht festgestellt werden. Erkrankungen oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit können ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt reiste der BF in Österreich ein, wo er sich bis zu seiner Festnahme ohne Wohnsitzmeldung aufhielt. Ihm wurde nie ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt. Er ging in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.
Wesentliche familiäre oder soziale Bindungen des BF in Österreich oder in anderen Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, können nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine sprachliche, berufliche oder gesellschaftliche Integration.
Seiner rechtskräftigen Verurteilung liegt zugrunde, dass er in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich insgesamt 84,4 Gramm brutto Heroin (beinhaltend die Wirkstoffe Acetylcodein mit einem Reinheitsgehalt von 0,7% , Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 10,88% und Monoacetylmorphin mit einem Reinheitsgehalt von 0,4%), in einer die Grenzmenge (§28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen hat, und zwar verschiedenen Abnehmern in mehreren Angriffen insgesamt 42 Gramm brutto des Suchtgiftes bzw. es versucht hat zu überlassen, indem er am 14.06.2019 42,4 Gramm brutto abgepackt in 30 verkaufsfertigen Portionen zum unmittelbaren Weiterverkauf bereithielt und mit sich führte.
Der BF hat dadurch das Verbrechen des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, 15 StGB begangen und wurde (ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei 12 Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Bei der Strafzumessung wurde die einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet. Mildernd wirkten sich das reumütige Geständnis, die teilweise Sicherstellung und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist aus.
Der BF verbüßt die über ihn verhängte Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX. Voraussichtlich wird der BF am XXXX12.2019 aus der Strafhaft entlassen.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.
Die Identität des BF und die Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Konstatierungen im Strafurteil, der Beschwerde und der Vollzugsinformation, welcher auch das Ende der Strafhaft zu entnehmen ist.
Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel. Eine Verständigung mit dem Dolmetscher für diese Sprache war im Strafverfahren offenbar problemlos möglich.
Es sind keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme des BF, der in einem erwerbsfähigen Alter ist.
Weder der Beschwerde noch dem übrigen Akteninhalt lässt sich entnehmen, dass der BF je über eine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich verfügte oder hier legal erwerbstätig war. Im Fremdenregister ist weder ein Aufenthaltstitel noch ein entsprechender Antrag gespeichert.
Da im Zentralen Melderegister (ZMR) nur Wohnsitzmeldungen des BF in Justizanstalten ersichtlich sind, ist davon auszugehen, dass er sich von seiner Einreise bis zu seiner Inhaftierung ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet aufhielt. Wann der BF tatsächlich in das Bundesgebiet eingereist ist, lässt sich anhand des Akteninhaltes nicht feststellen und erfolgten diesbezüglich auch keine Ausführungen in der Beschwerde.
Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Im Strafregister scheinen keine weiteren Verurteilungen des BF auf.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs. 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gemäß § 53 Abs. 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Dies ist (soweit hier relevant) insbesondere dann der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wurde (§ 53 Abs. 3 Z 1 erster Fall FPG). Bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren kann gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG sogar ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen sei eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung und Bestrafung des Betroffenen abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen
(Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
In Anwendung dieser Grundsätze hat das BFA zu Recht die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG bejaht. Der BF handelte in zahlreichen Angriffen mit Heroin. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249 mwN). Das hier vorliegende Verbrechen des Suchtgifthandels gemäß § 28a SMG stellt eine qualifizierte Form von Suchtgiftkriminalität dar (vgl VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155). Der BF wollte sich durch den Handel mit einem der gefährlichsten Suchtgifte finanziell bereichern und nahm dafür die Schädigung der Gesundheit anderer Personen in Kauf.
Dem BFA ist dahin beizupflichten, dass der Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, obwohl er erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde und erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt. Aufgrund der schwerwiegenden Suchtmitteldelinquenz ist in Verbindung mit dem Fehlen eines legalen Einkommens Wiederholungsgefahr anzunehmen. Da sich der BF noch in Haft befindet, kann nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgegangen werden. Dazu bedarf es grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 27.04.2017, Ra 2016/22/0094).
Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft zum Schutz und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Es ist aber zu berücksichtigten, dass das Strafgericht den Strafrahmen bei weitem nicht ausschöpfte. Ein Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren steht außer Relation zu der über den BF verhängten Freiheitsstrafe, dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Taten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe und seiner privaten und familiären Situation, die keinen relevanten Inlandsbezug aufweist. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der BF zum ersten Mal straffällig wurde und ein reumütiges Geständnis ablegte. Demgemäß ist die Dauer des Einreiseverbots auf vier Jahre zu reduzieren. Ein Einreiseverbot in dieser Dauer ist notwendig, aber auch ausreichend, um der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Dadurch bleibt auch die Möglichkeit gewahrt, auf eine neuerliche bzw. noch schwerere Delinquenz mit einem entsprechend längeren Einreiseverbot reagieren zu können. Eine weitere Reduktion scheitert allerdings an der Schwere der vom BF begangenen Straftaten.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).
Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht klärungsbedürftig ist und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung kein Entfall der Rückkehrentscheidung oder eine weitere Herabsetzung oder ein Entfall des Einreiseverbots möglich wäre, konnte hier eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten, glaubhaften Behauptungen des BF ausgegangen wird.
Zu Spruchteil B):
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Einreiseverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2224576.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.02.2020