TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/30 L503 2127176-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2019
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Entscheidungsdatum

30.10.2019

Norm

ASVG §4
ASVG §410
AVG §59
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

L503 2127176-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Werner ZAINZINGER, MBA und Mag. Iris WOLTRAN über die Beschwerde des XXXX , nunmehr der Rechtsanwältin Mag. XXXX als Masseverwalterin im Schuldenregulierungsverfahren ohne Eigenverwaltung des BG XXXX zur Zl. XXXX über das Vermögen des XXXX , gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 2.3.2016, GZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A.) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 1 VwGVG aufgehoben.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (im Folgenden kurz: "SGKK") vom 2.3.2016, GZ: XXXX , erging folgender Spruch:

"Die in der Anlage 1 zu diesem Bescheid angeführten Personen unterlagen zu den ebendort angegebenen Beschäftigungszeiten auf Grund der für [Anm.: den Beschwerdeführer, im Folgenden kurz: "BF"; Adresse], in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten Tätigkeit der Pflicht(voll)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs 1 und 2 ASVG iVm § 1 Abs 1 lit a AlVG bzw. der Pflicht(Teil)versicherung in der Unfallversicherung gemäß § 5 Abs 1 Z 2 ASVG.

Rechtsnormen:

§§ 4 Abs 1 und 2, § 5 Abs 1 Z 2, 10 Abs 1, 11, 30, 33, 35 Abs 1, 41a, 43, 44, 49, 410 und 539a ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a und Abs 2 lit d AlVG."

In der Begründung des Bescheides führte die SGKK unter anderem aus, dass im gegenständlichen Fall im Zuge der gemäß § 41a ASVG abgeschlossenen Sozialversicherungsprüfung im Betrieb des BF Melde- und Beitragsdifferenzen, die Beschäftigungsverhältnisse der in der Anlage 1 zu diesem Bescheid angeführten Dienstnehmer betreffend, festgestellt worden seien.

Der Dienstgeber erbringe Dienstleistungen im Bereich der Speise- und Getränkezustellung in den Bundesländern Salzburg, Oberösterreich, Steiermark sowie in der Stadt Wien. Im Zuge einer durch das Finanzamt Wien durchgeführten Prüfung sei festgestellt worden, dass dieser sich zur Erbringung dieser Transportleistungen eigener Beschäftigter bediene, welche sich verpflichtet hätten, für den Dienstgeber auf vermeintlich gewerblich selbständiger Basis Zustellungen durchzuführen und dahingehend nicht zur Pflichtversicherung nach dem ASVG angemeldet gewesen wären.

Weiters enthielt Punkt I. 1. der Bescheidbegründung folgenden Hinweis:

"Angeführte und beigefügte Anlagen zu diesem Bescheid stellen einen integrierten Bestandteil desselben dar."

Es folgten weitere Sachverhaltsfeststellungen zu den vertraglichen Vereinbarungen mit den Dienstnehmern (Punkt I. 2.) sowie zu den Dienstverhältnissen der Dienstnehmer (Punkt I. 3.).

In ihrer Beweiswürdigung (Punkt II.) führte die belangte Behörde aus, die Feststellungen würden auf den Ergebnissen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens im Rahmen der GPLA beruhen. Weiters stütze sich der festgestellte Sachverhalt insbesondere auf den Prüfbericht sowie die Beitragsabrechnung vom 28.5.2015, zehn (mit Namen der Auskunftsperson und Datum näher konkretisierte) niederschriftliche Aussagen, die vorgelegten Werkverträge und Zusteller-Basisvereinbarungen, die vom Dienstgeber übermittelten Dienstpläne, Rechnungen, Honorarnoten und Auszahlungslisten, die Zusammenfassung der Besprechung zwischen der Prüferin, dem Dienstgeber und seiner steuerlichen Vertretung vom 3.5.2012, sämtlichen Schriftverkehr mit dem Dienstgeber und seiner rechtsfreundlichen Vertretung und die Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs 1 BAO vom 20.5.2015.

In rechtlicher Hinsicht (Punkt III. 2.) kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass zusammenfassend festzustellen gewesen sei, dass durch die Einteilung eines wöchentlichen Dienstplanes, der Weisungsgebundenheit und die Kontrolle durch den Auftraggeber, der Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung und Integration in den Betrieb eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit vorliege. Die Mitarbeiter seien im Zuge der GPLA daher als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 2 ASVG beziehungsweise, wenn das Entgelt die monatliche/täglich Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten hat, als Dienstnehmer gemäß § 5 Abs 2 ASVG eingestuft worden.

Dem Bescheid als Anlage 1 angeschlossen war eine Aufstellung von Dienstnehmern, deren Versicherungsnummer und der jeweiligen Beschäftigungszeiträume.

2. Mit Schriftsatz seines (damaligen) rechtsfreundlichen Vertreters vom 30.3.2016 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der SGKK vom 2.3.2016. Darin machte er zusammengefasst geltend, dass keine der in Anlage 1 zum Bescheid genannten Personen in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zum BF beschäftigt gewesen sei. Die belangte Behörde gehe von unrichtigen Sachverhaltsannahmen aus und habe entscheidungswesentliche Feststellungen nicht getroffen, da kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei.

Der BF stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, in Senatsbesetzung entscheiden (§ 414 ASVG), der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.

3. Am 17.6.2016 legte die SGKK die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor. In einer gleichzeitig mit der Beschwerdevorlage erstatteten Stellungnahme vom 30.5.2016 stellte die SGKK nach inhaltlichen Ausführungen die Anträge, die Beschwerde abzuweisen und den Bescheid der SGKK vollinhaltlich zu bestätigen. Weiters vorgelegt wurden der Verwaltungsakt sowie die Unterlagen zur GPLA.

4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 4.1.2017 zur Zl. XXXX wurde über das Vermögen des BF das Schuldenregulierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und die im Spruch bezeichnete Rechtsanwältin als Masseverwalterin bestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im Betrieb des BF fand von 19.1.2012 bis 20.5.2015 eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) mit einem Prüfzeitraum von 1.1.2007 bis 31.12.2010 statt.

In der Folge erließ die SGKK den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2.3.2016 mit folgendem Spruch:

"Die in der Anlage 1 zu diesem Bescheid angeführten Personen unterlagen zu den ebendort angegebenen Beschäftigungszeiten auf Grund der für [Anm.: den BF; Adresse], in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten Tätigkeit der Pflicht(voll)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs 1 und 2 ASVG iVm § 1 Abs 1 lit a AlVG bzw. der Pflicht(Teil)versicherung in der Unfallversicherung gemäß § 5 Abs 1 Z 2 ASVG.

Rechtsnormen:

§§ 4 Abs 1 und 2, § 5 Abs 1 Z 2, 10 Abs 1, 11, 30, 33, 35 Abs 1, 41a, 43, 44, 49, 410 und 539a ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a und Abs 2 lit d AlVG."

In der Bescheidbegründung (Punkt I. "Sachverhalt", Unterpunkt 1. "Allgemein") wurde unter anderem wie folgt ausgeführt:

"Angeführte und beigefügte Anlagen zu diesem Bescheid stellen einen integrierten Bestandteil desselben dar."

Dem angefochtenen Bescheid als Anlage 1 angeschlossen war eine Aufstellung von Dienstnehmern, deren Versicherungsnummer und der jeweiligen Beschäftigungszeiträume. Weitere Angaben enthielt Anlage 1 nicht. Sonstige mit dem Bescheid verbundene Anlagen existieren nicht und wird auch im Bescheid nicht darauf Bezug genommen.

Aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides geht auch in Zusammenhalt mit Anlage 1 nicht hervor, ob ein Dienstnehmer in einem vollversicherungspflichtigen oder lediglich einem teilversicherungspflichtigen (geringfügigen) Dienstverhältnis zum BF gestanden sein soll. Es sind bei den jeweiligen Dienstnehmern auch keine Beitragsgruppen ausgewiesen. Auch Feststellungen zur Ausgestaltung der einzelnen Dienstverhältnisse, aufgrund derer sich die Einstufung eines konkreten Dienstverhältnisses als der Vollversicherungs- oder Teilversicherungspflicht unterliegend nachvollziehen ließe, wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen. Es lässt sich aufgrund des Inhaltes des angefochtenen Bescheides nicht feststellen, ob die belangte Behörde jeweils die Voll- oder Teilversicherung der einzelnen in Anlage 1 zum angefochtenen Bescheid genannten Dienstnehmer festgestellt hat bzw. dies beabsichtigt hat.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 4.1.2017 zur Zl. XXXX wurde über das Vermögen des BF das Schuldenregulierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und die im Spruch genannte Rechtsanwältin als Masseverwalterin bestellt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes samt den angeschlossenen, umfangreichen Unterlagen der GPLA.

Die getroffenen Feststellungen, insbesondere zum Inhalt des angefochtenen Bescheides sowie zur Anlage 1 zum Bescheid, ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt. Die Feststellungen zum Schuldenregulierungsverfahren beruhen auf einer vom erkennenden Gericht durchgeführten Abfrage in der Insolvenzdatei vom 22.10.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten nach § 410 Abs 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Der BF stellte in seiner Beschwerde einen Senatsantrag. Da die vorliegende Rechtssache die Aufnahme von nicht angemeldeten Dienstnehmern in die Versicherung durch den Versicherungsträger iSd § 410 Abs 1 Z 2 ASVG zum Gegenstand hat und der BF fristgerecht einen entsprechenden Antrag gestellt hat, liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Der erkennende Senat besteht gemäß § 414 Abs 2 ASVG aus einem/einer vorsitzenden RichterIn und zwei fachkundigen Laienrichter/inne/n, von denen der/die eine dem Kreis der DienstnehmerInnen und der/die andere dem Kreis der Dienstgeber anzugehören hat.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

3.2. Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

§ 59 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 1991/ 51 idF BGBl. I Nr. 1998/158 hat folgenden Wortlaut:

"§ 59. (1) Der Spruch hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden."

Weist ein Bescheid nicht die gemäß § 59 Abs 1 AVG erforderliche Bestimmtheit auf, so ist er nach der jüngeren Rechtsprechung des VwGH mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet bzw. wurde auch, wenn sich der Gerichtshof auf Grund der Undeutlichkeit bzw. Unverständlichkeit des Spruches außerstande sah, die ihm zukommende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vorzunehmen, wegen dieses wesentlichen Verfahrensmangels aufgehoben (siehe Hengstschläger/Leeb, AVG, § 59, Rz 98, mit Nachweis der entsprechenden höchstgerichtlichen Judikatur).

Zur Auslegung des unklaren Spruchs eines Bescheides ist die Begründung heranzuziehen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 59, Rz 111).

Kommt im Spruch des Bescheides auch unter Heranziehung der Begründung zur Auslegung des Spruches nicht klar zum Ausdruck, worüber entschieden wurde, so ist der Bescheid schon deswegen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil der Spruch der gebotenen Deutlichkeit entbehrt (vgl VwGH vom 20.12.1996, 95/17/0105 sowie vom 24.9.2015, 2012/07/0083).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf eine Behörde bei Erlassung eines Bescheides auf einen Text verweisen und zu ihrem eigenen machen, wenn er der Partei zugegangen ist (vgl VwGH vom 2.7.2019, Ra 2018/08/0252). So ist es zulässig, im Spruch eines Bescheides auf außerhalb des Bescheides gelegene Schriftstücke oder Pläne Bezug zu nehmen, deren Aussagen und Darstellungen rechtlich in den normativen Bescheid zu integrieren und solcherart zum Inhalt des rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Bescheides zu machen, sofern der Bescheidspruch den Integrationsakt unzweifelhaft klargestellt hat und die im Spruch genannten Unterlagen, Beilagen, Pläne, Befundausführungen oder Erklärungen in Verhandlungsschriften ihrerseits das für den jeweiligen Abspruch nötige Bestimmtheitserfordernis erfüllen (vgl VwGH vom 11.9.2003, 2002/07/0141, mwN). Die erstgenannte Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung nicht erfüllt, wenn einerseits eine sprachliche Verknüpfung des Inhaltes der bezogenen Schriftstücke oder Pläne mit dem Bescheidspruch fehlt, und andererseits mangels hinreichender Verbindung mit dem Bescheid oder entsprechender Bestimmbarkeitskriterien die eindeutige Zuordnung eines bestimmten Schriftstückes oder Planes nicht möglich ist (VwGH vom 27.6.2000, 2000/11/0035, mwN). Entscheidend ist, dass klar erkennbar ist, was durch die mit dem Verweis bewirkte Rezeption Teil des Spruchs wird (VwGH vom 23.6.1994, 92/06/0239).

Die mangelnde Bestimmtheit des Spruchs kann (allein) dadurch, dass die Bescheidanlage zu seinem integrierenden Bestandteil erklärt wird, dann nicht saniert werden, wenn einerseits eine sprachliche Verknüpfung des Inhalts der bezogenen Schriftstücke oder Pläne mit dem Bescheidspruch fehlt und andererseits mangels haltbarer mechanischer Verbindung mit dem Bescheid oder entsprechender Bestimmbarkeitskriterien die eindeutige Zuordnung eines bestimmten Schriftstückes oder Planes nicht möglich ist (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 59, Rz 95, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des VwGH).

Gegenständlich erfüllt der angefochtene Bescheid die angeführten Bestimmtheitserfordernisse des § 59 Abs 1 AVG nicht:

Mit dem angefochtenen Bescheid brachte die belangte Behörde zwar zum Ausdruck, dass sie eine Versicherungspflicht von im Betrieb des BF beschäftigten Dienstnehmern feststellen wollte. Im Spruch des Bescheides selbst werden allerdings keine Dienstnehmer genannt, sondern - wie dies nach der angeführten Rechtsprechung grundsätzlich zulässig ist - auf die "in der Anlage 1 zu diesem Bescheid angeführten Personen" verwiesen. In der dem Bescheid unmittelbar angeschlossenen Anlage 1 sind in tabellarischer Form zahlreiche Dienstnehmer, deren Versicherungsnummer und die jeweiligen Beschäftigungszeiträume genannt. Nicht ersichtlich ist etwa die Einstufung der Dienstnehmer in Beitragsgruppen und geht auch sonst in keiner Weise aus der Anlage 1 hervor, ob die einzelnen Dienstnehmer (ggf. auch nur in einzelnen Beitragszeiträumen) lediglich geringfügig beschäftigt waren. Dem Bescheidspruch kann damit auch in Zusammenhalt mit Anlage 1 nicht entnommen werden, hinsichtlich welcher Dienstnehmer die belangte Behörde eine Vollversicherung nach § 4 Abs 1 und 2 ASVG und hinsichtlich welcher sie eine Teilversicherung gemäß § 5 Abs 1 Z 2 ASVG festgestellt hat bzw. feststellen wollte.

Auch die Formulierung des Bescheidspruchs selbst lässt keine weiteren Rückschlüsse auf die Art der festgestellten Pflichtversicherung zu, da darin lediglich zum Ausdruck kommt, dass die in Anlage 1 genannten Personen der Pflicht(voll)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung bzw. der Pflicht(Teil)versicherung in der Unfallversicherung unterlegen seien, aber nicht weiter danach differenziert wurde, welche Dienstnehmer welcher Versichertengruppe angehören sollen. Auch unter Zuhilfenahme der übrigen Bescheidteile (insb. der Begründung) lässt sich kein weiterer Aufschluss über die Bedeutung des Spruchs gewinnen. In der Sachverhaltsfeststellung führte die belangte Behörde zwar aus "Angeführte und beigefügte Anlagen zu diesem Bescheid stellen einen integrierten Bestandteil desselben dar"; mangels - abgesehen von Anlage 1 - sonstiger im Bescheid angeführter Anlagen bzw. dem Bescheid angefügter Anlagen war auch dieser Hinweis nicht dazu geeignet, den Spruch des Bescheids näher zu präzisieren. Bezugnahmen der Bescheidbegründung auf andere Aktenstücke, wie dies in Form einer Aufzählung der im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogenen Beweismittel der Fall ist - so etwa auf den Prüfbericht oder die Beitragsabrechnung vom 28.5.2015 - lassen nicht erkennen, dass die belangte Behörde diese damit zum integrierten Bestandteil des Spruchs des angefochtenen Bescheides erheben wollte, da es sich dabei weder um "Anlagen" zum Bescheid handelt noch erkennbare Hinweise für die Absicht bestehen, die zahlreichen angeführten Beweismittel in den Bescheidspruch zu integrieren. Ein von der Rechtsprechung geforderter unzweifelhafter Akt der Integrierung als Teil des Spruchs ist darin jedenfalls nicht zu erblicken. Auch die Ausführungen der belangten Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung, wonach die Mitarbeiter des BF im Zuge der GPLA als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 2 ASVG beziehungsweise, wenn das Entgelt die monatliche/tägliche Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten hat, als Dienstnehmer gemäß § 5 Abs 2 ASVG eingestuft worden seien, tragen mangels konkreter Angaben darüber, auf welche Dienstnehmer welche dieser Alternativen nun zugetroffen hat, zur Bestimmbarkeit des Spruchs nichts bei.

Im Spruch des angefochtenen Bescheides kommt damit - selbst unter Heranziehung der Begründung zur Auslegung des Spruchs - nicht klar zum Ausdruck, worüber (Vollversicherung oder Teilversicherung) die belangte Behörde entschieden hat. Der angefochtene Bescheid entbehrt somit der von § 59 Abs 1 AVG geforderten Deutlichkeit, weshalb er schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist.

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet das Folgendes:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Prüf- und Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes bereits wiederholt ausgeführt, dass Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht jedenfalls nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl VwGH vom 9.9.2015, Ro 2015/03/0032 mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem schon wiederholt ausgesprochen, dass die Teilversicherungspflicht im Verhältnis zur Vollversicherungspflicht nicht ein Minus, sondern ein Aliud ist; die Teilversicherung ist nicht etwa nur eine eingeschränkte Vollversicherung, sondern stellt ein eigenes Rechtsinstitut dar. Es wäre daher rechtswidrig, im Instanzenzug gegen die Feststellung der Vollversicherungspflicht eine Teilversicherung (und umgekehrt nach Feststellung der Teilversicherung im Instanzenzug die Vollversicherung) festzustellen und damit den Gegenstand des Verfahrens auszuwechseln (VwGH vom 9.9.2019, Ro 2016/08/0009, mit Hinweis auf VwGH vom 22.12.2010, 2007/08/0243, sowie vom 24.1.2006, 2004/08/0101).

Gegenständlich ist es dem erkennenden Gericht - unter Berücksichtigung der angeführten Rechtsprechung - aufgrund der Unbestimmtheit des Spruchs des angefochtenen Bescheides nicht möglich, eine auf § 28 Abs 1 und 2 VwGVG gestützte Entscheidung in der Sache über die Versicherungspflicht der Dienstnehmer des BF zu treffen, da nicht feststellbar ist, ob die belangte Behörde im dem Beschwerdeverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahren über die Voll- oder Teilversicherung der in Anlage 1 zum angefochtenen Bescheid genannten Personen entschieden hat. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid, wie bereits ausgeführt, die Art der Versicherungspflicht der jeweiligen Dienstnehmer nicht bestimmt und es damit unterlassen, die Sache des Verfahrens hinreichend festzulegen. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Vollversicherung und Teilversicherung um eigenständige Rechtsinstitute handelt, über deren Bestehen hinsichtlich der jeweiligen Dienstnehmer im angefochtenen Bescheid nicht (ausreichend deutlich) abgesprochen wurde und die auch nicht - und insbesondere nicht im Rechtsmittelverfahren - untereinander austauschbar sind, ist es dem Gericht verwehrt, von sich aus - erstmals - eine Teil- oder Vollversicherungspflicht der in Anlage 1 zum angefochtenen Bescheid genannten Dienstnehmer festzustellen.

Der angefochtene Bescheid, dem aufgrund des erkennbaren Willens der belangten Behörde zur Feststellung von individuellen Rechtsverhältnissen zwar normativer Charakter zukommt, der aber aufgrund seines unbestimmten Inhaltes im Ergebnis weder die Feststellung einer Vollversicherung noch einer Teilversicherung zum Gegenstand hat, hätte nicht ergehen dürfen und war infolgedessen aufzuheben. Eine anderslautende Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Sache musste aus den dargelegten Gründen unterbleiben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Anzumerken ist, dass das gegenständliche Erkenntnis einer neuerlichen Entscheidung der SGKK über eine allenfalls bestehende Voll- oder Teilversicherung von Dienstnehmern des BF nicht entgegensteht.

Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Machtgebers beendet gemäß § 1024 ABGB das schon vor Konkurseröffnung begründete Vollmachtsverhältnis (VwGH vom 24.3.2011, 2009/07/0017). Auch ein Schuldenregulierungsverfahren ist ein Konkursverfahren (VwGH vom 9.10.2013, 2011/08/0334). Die Prozessfähigkeit des Gemeinschuldners endet auch für bereits anhängige Verwaltungsverfahren mit der Eröffnung des Konkurses, soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen. Partei in solchen Verfahren ist der Masseverwalter. Nur der Masseverwalter ist insofern auch zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt (vgl das Erk. eines verstärkten Senates des VwGH vom 22.10.2013, 2012/10/0002). Die Frage der Versicherungspflicht ist eine für die Beitragspflicht entscheidende Vorfrage und betrifft daher einen Anspruch, der wirtschaftlich auf die Masse und ihre Erträgnisse Auswirkungen hat und daher zur Konkursmasse zu zählen ist (VwGH vom 2.5.2012, 2009/08/0122, mwN).

Da über das Vermögen des BF mit Beschluss des BG XXXX vom 4.1.2017 das Schuldenregulierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet wurde, ist das davor begründete Vollmachtsverhältnis zum (damaligen) rechtsfreundlichen Vertreter des BF erloschen. Als Partei im Beschwerdeverfahren ist nunmehr die vom Insolvenzgericht bestellte Masseverwalterin anzusehen und war das vorliegende Erkenntnis auch an diese zu richten.

3.3. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl VfGH 14.03.2012, U466/11; 27.06.2013, B823/2012; 21.02.2014, B1446/2012; VwGH 23.01.2013, 2010/15/0196; 24.01.2013, 2012/21/0224).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten ist. Es steht bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da zur Frage, nach welchen Kriterien die Bestimmtheit eines Bescheides iSd § 59 Abs 1 AVG zu beurteilen ist sowie zum Verhältnis von Voll- und Teilversicherungspflicht zueinander, bereits eine umfassende und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, von der die gegenständliche Entscheidung auch nicht abweicht. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bescheidspruch, Bestimmtheitsgebot, Rechtswidrigkeit,
Versicherungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L503.2127176.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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