TE Bvwg Beschluss 2019/11/21 W139 2225216-1

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §350
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W139 2225216-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER über die Anträge der XXXX vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte, Zollamtsstraße 7, 4020 Linz, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Sicherheitstechnische Dienstleistungen; internes Geschäftszeichen der BBG: GZ 2707.03344" der Auftraggeberinnen Republik Österreich (Bund), Bundesbeschaffung GmbH (BBG) sowie weiterer Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste, vertreten durch Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19 1011 Wien:

A)

Den Auftraggeberinnen wird für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt, im Vergabeverfahren "Sicherheitstechnische Dienstleistungen; internes Geschäftszeichen der BBG: GZ 2707.03344" die Rahmenvereinbarung hinsichtlich des Loses Nr. 2/K Region: Kärnten und des Loses Nr. 6/ST Region:

Steiermark abzuschließen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 08.11.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, stellte die Antragstellerin die gegenständlichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher die Untersagung des Abschlusses der betreffenden Rahmenvereinbarung hinsichtlich der Lose Nr. 2 und Nr. 6 begehrt wurde, verbunden mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung vom 31.10.2019 betreffend Los Nr. 2/K Region: Kärnten und Los Nr. 6/ST Region: Steiermark, einem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, auf Ausnahme von der Akteneinsicht sowie einem Antrag auf Gebührenersatz.

Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Auftraggeberinnen hätten ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung in 11 Losen betreffend sicherheitstechnische Dienstleistungen in ganz Österreich, jeweils mit einer Laufzeit von 5 Jahren ab 01.01.2020 eingeleitet. Zuschlagskriterien seien neben dem Angebotspreis (maximal erreichbare Gesamtpunkte: 95) auch die angebotene Qualität (maximal erreichbare Gesamtpunkte: 5).

Die Antragstellerin habe sich durch Legung von Angeboten für die Lose 1/B (Burgenland), 2/K (Kärnten) und 6/ST (Steiermark) beteiligt. Nach Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung sei die Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung vom 31.10.2019 in den genannten Losen zugunsten der XXXX mitgeteilt worden. Bei der angefochtenen Auswahlentscheidung handle es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung § 2 Z 15 lit a sublit jj BVergG. Der gegenständliche Antrag sei rechtzeitig eingebracht worden.

Die Antragstellerin habe durch Abgabe ihres Angebotes ihr Interesse am Vertragsabschluss kundgetan. Zudem belege sie ihr fortgesetztes Interesse durch Einbringung dieses Nachprüfungsantrages. Durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung und die nachfolgende Zuschlagserteilung zu Gunsten des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin entginge der Antragstellerin ein Deckungsbeitrag in genannter Höhe. Weiters sei bereits ein Schaden entstanden, der insbesondere im frustrierten Aufwand für die Ausarbeitung des Angebotes bestehe. Darüber hinaus hätte die Antragstellerin als etabliertes Unternehmen im Bereich der Arbeitssicherheit ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Erlangung der Rahmenvereinbarungen als notwendige Referenzen für künftige Aufträge. Die Antragstellerin bezeichnete die Rechte, in denen sie sich als verletzt erachte. Die erforderlichen Pauschalgebühren für den Nachprüfungs- und den Provisorialantrag wurden nach Aufforderung zur Verbesserung in entsprechender Höhe entrichtet.

Zu den Gründen der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führte die Antragstellerin zusammengefasst aus, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ausgeschieden hätte werden müssen, da die angebotenen Stundensätze betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar seien und dies zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises, zu der Ausschreibung widersprechenden Angeboten und zu einem Verstoß gegen arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen führen würde.

Vorauszuschicken sei, dass sich das Vergabeverfahren auf die Erbringung sicherheitstechnischer Dienstleistungen beziehe, welche im speziellen und vorwiegend durch Sicherheitsfachkräfte gemäß ASchG und B-BSG zu erbringen seien. Zur Erlangung der Qualifikation als Sicherheitsfachkraft sei die Absolvierung einer normierten Fachausbildung notwendig. Dementsprechend sei das am Arbeitsmarkt gegebene Lohnniveau derartiger Sicherheitsfachkräfte überdurchschnittlich hoch. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge nicht über die in der Ausschreibung geforderte Mindestpersonalausstattung, was die vollzeitäquivalenten Sicherheitsfachkräfte gemäß ASchG betreffe. Vor diesem Hintergrund sei auch der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotene Stundensatz erklärbar, welcher wiederum nicht mit den einschlägigen kollektivvertraglichen Regelungen und einer kostendeckenden Kalkulation in Einklang gebracht werden könne. Bemerkenswerterweise sei das Angebot der Antragstellerin einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen worden. Es sei nicht bekannt, ob auch die Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vertieft geprüft worden seien. Es entziehe sich der Kenntnisnahme der Antragstellerin, auf Basis welcher kollektivvertraglichen Rahmenbedingungen die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihren Stundensatz kalkuliert habe. Zu beachten sei allerdings, dass Sicherheitsfachkräfte einer besonderen Fachausbildung bedürfen. So sei Voraussetzung für die Fachausbildung gemäß § 7 SFK -Verordnung (BGBl Nr. 277/1995 idgF), dass zumindest eine zweijährige (bei besonders qualifizierten Personen), ansonsten eine mindestens vierjährige betriebliche Tätigkeit bereits absolviert sein müsse, was auch kollektivvertraglich bereits eine Einstufung nach 4 Verwendungsgruppenjahren bedinge. Ausgehend vom für die Antragstellerin gültigen Rahmenkollektivvertrag für Angestellte im Handel und Gewerbe (in der Dienstleistung Information und Consulting) handle es sich bei Sicherheitsfachkräften zumindest um technische Angestellte der Verwendungsgruppe IV. Demnach gebühre im Jahr 2019 für eine Sicherheitsfachkraft ein monatliches Mindestgrundgehalt von brutto EUR 2.676,83. Dies führe bei einer Nachkalkulation zu einem bereits höheren Stundenpreis als von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angeboten. Es sei weiters nicht nachvollziehbar, dass offenbar Fahrtkostenanteil, Weg, Zeit und Organisationskosten bei der Kalkulation überhaupt nicht in Anschlag gebracht worden seien. Auch bei Zugrundelegung anderer kollektivvertraglicher Rahmenbedingungen seitens der präsumtiven Zuschlagsempfängerin habe diese gemäß den Festlegungen der Ausschreibungsunterlage (Pkt. 5.3.1) mindestens über 1,5 (Los 2/K/Kärnten) bzw. 2,0 (Los 6/ST/Steiermark) vollzeitäquivalente Sicherheitsfachkräfte im Zeitpunkt der Angebotsabgabe verfügen müssen. Weiters habe sie pro Los über einen Mitarbeiter mit der Ausbildung zum Brandschutzbeauftragten verfügen müssen. Für Sicherheitsfachkräfte werde (je nach vorgefundener Stellenausschreibung) im 2. Halbjahr 2019 ein Mindestbruttogrundgehalt von € 35.000,00 geboten. Dazu kommen noch die kollektivvertraglichen und sonstigen Zulagen, welche im Rahmen der Angebotskalkulation zu beachten gewesen seien. Zusammengefasst liege somit entweder eine unrichtige Einstufung des angebotenen Personals in kollektivvertraglicher Hinsicht vor oder verfüge die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht über Sicherheitsfachkräfte im Sinne der Ausschreibung. Hinzu komme, dass der angebotene Stundensatz generell gesehen massiv unter allenfalls gegebenen Gestehungskosten gelegen sei.

Die Antragstellerin erklärte das Vorbringen zu den Nachprüfungsanträgen auch zum Vorbringen im Provisorialverfahren. Da dem Nachprüfungsantrag keine aufschiebende Wirkung zukomme, könnte die Auftraggeberin im Verfahren fortfahren und die Rahmenvereinbarung abschließen. Einer vorläufigen Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung stehe weder ein besonderes öffentliches Interesse entgegen noch würden Interessen der sonstigen beteiligten Bieter gegenüber der Antragstellerin überwiegen. Da seitens der Antragsgegner auf Grund der Entscheidung vom 31.10.2019 der Abschluss von Rahmenvereinbarungen zu Gunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin beabsichtigt sei, drohe der Antragstellerin durch die aufgezeigten Rechtswidrigkeiten in Form des Entgehens eines Auftrages und des Verlusts eines Referenzprojektes ein Schaden, der nur durch die Verhinderung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung abgewendet werden könne.

2. Am 15.11.2019 erteilten die Auftraggeberinnen allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zur beantragten Erlassung der einstweiligen Verfügung führten sie aus, dass das besondere Interesse der Auftraggeberin an der Fortführung des Verfahrens darin bestehe, dass ein dringender Beschaffungsbedarf bestehe, da die gegenständliche Beschaffung zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der Auftraggeberin benötigt werde. Es könne nicht beurteilt werden, ob Interessen sonstiger Bieter durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung beeinträchtigt werden. Aufgrund des dringenden Beschaffungsbedarfs der Auftraggeberin werde im Falle der Erlassung der Einstweiligen Verfügung um Beschränkung dieser auf die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer eines Nachprüfungsverfahrens, sohin auf sechs Wochen ab Erlass der einstweiligen Verfügung, ersucht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen sowie der Bezug nehmenden Beilagen und Unterlagen des Vergabeverfahrens wird vorerst im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Die Auftraggeberinnen schrieben im Juni 2019 die gegenständliche Leistung "Sicherheitstechnische Dienstleistungen; internes Geschäftszeichen der BBG: GZ 2702.03344" in 11 Losen in einem offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer je Los für eine Laufzeit von fünf Jahren aus (CPV-Code: 71317200-5). Der geschätzte Auftragswert beträgt gesamt EUR 23.945.500,00 ohne USt; der geschätzte Auftragswert des Loses 2/K (Kärnten) beträgt EUR 904.300,00, jener des Loses 6/ ST (Steiermark) beträgt EUR 2.495.400,00.

Die Ausschreibung blieb unangefochten. Die Antragstellerin beteiligte sich an diesem Vergabeverfahren durch Angebotslegung für die Lose 1/B (Burgenland), 2/K (Kärnten) und 6/ST (Steiermark). Die Angebote der Antragstellerin wurden nicht ausgeschieden.

Mit als "Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung" bezeichneter Mitteilung wurde der Antragstellerin über das Vergabeportal am 31.10.2019 bekannt gegeben, dass die Auftraggeberin beabsichtige, die Rahmenvereinbarung in den Losen 1/B (Burgenland), 2/K (Kärnten) und 6/ST (Steiermark) mit der XXXX abzuschließen.

Mit Schriftsatz vom 08.11.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, brachte die Antragstellerin die gegenständlichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit Nachprüfungsanträgen gegen die Entscheidung über die Auswahl des Rahmenvereinbarungspartners ein. Die Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren in entsprechender Höhe.

Es wurde weder eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen bzw ein Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über die oben wiedergegebenen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 sind die Republik Österreich, die Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste.

Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 7 BVergG 2018 um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 350 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Anträge auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig sind, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe bezahlt (§ 318 Abs 1 Z 1 und 4 BVergG 2018 iVm §§ 1 und 2 Abs 1 Z 1 BVwG-PauschGebV Vergabe). Die Nachprüfungsanträge richten sich gegen die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll. Dabei handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit jj BVergG 2018.

2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der am 31.10.2019 bekannt gegebenen Entscheidung über die Auswahl des beabsichtigten Rahmenvereinbarungspartners. Diese Behauptung erscheint im Hinblick auf das oben wiedergegebene Vorbringen zumindest nicht denkunmöglich. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren nicht abzusprechen. Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.

Da der Antragstellerin bei Fortführung des Vergabeverfahrens die Vereitelung des Abschlusses der entsprechenden Rahmenvereinbarung in den Losen Nr. 2/K Region: Kärnten und Nr.6/ST Region: Steiermark und sohin auch eines allfälligen Abrufes der darauf basierenden Einzelaufträge mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ins Leere laufen lässt und der die grundsätzliche Möglichkeit eines Rahmenvereinbarungsabschlusses mit der Antragstellerin im Rahmen eines vergaberechtskonformen Verfahrens wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 69 BlgNr XXVI. GP 203).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ua auf finanzielle Einbußen, nämlich den frustrierten Aufwand der Angebotslegung sowie auf den Verlust eines wertvollen Referenzprojektes verweist. Am Vorliegen dieses drohenden Schadens besteht dem Grunde nach kein Zweifel. Die entsprechende Behauptung ist plausibel. Ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten (siehe VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; VwGH 24.02.2006, 2004/04/0127). Beim Verlust eines Referenzprojektes handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden (Vermögens)Nachteil (VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVA 21.02.2007, N/0012-BVA/07/2007-13; BVA 09.06.2010, N/0008-BVA/02/2010-7 uva).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Vorrangs des primären - durch Nichtigerklärung rechtswidriger Auftraggeberentscheidungen zu gewährleistenden - Rechtsschutzes (EuGH 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua; 18.06.2002, Rs C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft mbH) sowie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs Bedacht zu nehmen, wonach in der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ein öffentliches Interesse liegt (VfGH 25.10.2002, B1369/01; siehe insb. bereits BVA 25.01.2002, N-128/01-45 uvm).

Die Auftraggeberinnen führen aus, dass ein besonderes Interesse der Auftraggeberin an der Fortführung des Verfahrens darin bestehe, dass ein dringender Beschaffungsbedarf vorliege, da die gegenständliche Beschaffung zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben benötigt werde. Die Auftraggeberin habe die Dauer eines möglichen Nachprüfungsverfahrens im Rahmen des Vergabeverfahrens im Ausmaß der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist von sechs Wochen in der Planung des Vergabeverfahrens berücksichtigt. Aufgrund des dringenden Beschaffungsbedarfs der Auftraggeberin werde im Falle der Erlassung der Einstweiligen Verfügung um Beschränkung dieser auf die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer eines Nachprüfungsverfahrens, sohin auf sechs Wochen ab Erlass der einstweiligen Verfügung, ersucht.

Mit ihrem Vorbringen beschränken sich die Auftraggeberinnen auf einen allgemeinen Verweis auf die Dringlichkeit der gegenständlichen Beschaffung, ohne substantiierte Angaben zu der drohenden Beeinträchtigung ihrer Interessen durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu machen. Das Vorbringen kann damit nicht Grundlage einer Interessenabwägung sein (ua BVwG 01.03.2019, W131 2214957-1/3E; BVwG 13.12.2018, W131 2210854-1/2E; 16.11.2018, W139 2209121-1/9E; Kahl in Gast (Hrsg.), BVergG-Leitsatzkommentar, E 1, 37 zu § 351).

Den Verfahrensunterlagen ist im Übrigen zu entnehmen, dass der Leistungszeitraum frühestens mit 01.01.2020 beginnt (Punkt 13.1.1 der Kommerziellen Ausschreibungsbedingungen - Rahmenvereinbarung - RV). Des Weiteren war der Abschluss der Rahmenvereinbarung für den Oktober 2019 vorgesehen, wobei sich dieser Termin allerdings im Laufe des Verfahrens auch noch ändern kann (Punkt 2.2 der Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen - AAB). Die Frist zur Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung geschlossen werden soll, endet 5 Monate nach Ende der Angebotsfrist (09.07.2019). Die Bieter sind an ihr Angebot bis zum Ende dieser Frist gebunden, wobei sich der Zeitraum der Bindung an das Angebot aufgrund eines allfälligen Nachprüfungsverfahrens, während dessen die Entscheidungsfrist gehemmt ist, verlängern kann (Punkt 6.5 der AAB). Für die Auftraggeberinnen stellt demnach der 01.01.2020 das frühest mögliche Datum des Leistungsbeginns dar. Sie haben einen Abschluss der Rahmenvereinbarung zwar bereits für Oktober 2019 geplant, ihre diesbezügliche Entscheidungsfrist allerdings mit 5 Monaten nach Ende der Angebotsfrist, und damit mit 09.12.2019, festgelegt und selbst deren Hemmung und die Verlängerung der Angebotsbindefrist aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens berücksichtigt. Hieraus ist folglich für das Bundesverwaltungsgericht eine besondere Dringlichkeit der gegenständlichen Beschaffung gerade nicht erkennbar, zumal die Auftraggeberinnen vielmehr, und insofern ist dem Vorbringen zu folgen, einen relativ großzügigen Spielraum einkalkuliert und einen Rahmenvereinbarungsabschluss nicht einmal bis 09.12.2019 als zwingend notwendig angesehen haben. Damit sind sie im Sinne ständiger Rechtsprechung ihrer Verpflichtung nachgekommen, die durch die Einleitung von Vergabekontrollverfahren allenfalls eintretenden zeitlichen Verzögerungen schon bei ihrer Ablaufplanung einzukalkulieren und zu berücksichtigen (ua BVwG 16.11.2018, W139 2209121-1/9E; BVwG 30.05.2014, W139 2008219-1/10E; bereits BVA 09.01.2004, 10N-3/04-4; BVA 14.06.2010, N/0047-BVA/09/2010-14 uva). Dies gilt umso mehr bei Auftragsvergaben wie der gegenständlichen, nämlich bei Auftragsvergaben mit hohen Auftragswerten, da die Wahrscheinlichkeit möglicher Nachprüfungsverfahren mit der Komplexität bzw der Größenordnung des Auftrages, insbesondere des Auftragswertes, zunimmt (siehe VfGH 01.08.2002, B1194/02; weiters ua BVwG 09.10.2014, W139 2012408-1/3E uva; R. Madl in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 2222).

Dem Bundesverwaltungsgericht sind im Übrigen auch keine möglicherweise geschädigten Interessen der in Aussicht genommenen Rahmenvereinbarungspartnerin bzw sonstiger Bieter sowie sonstige besondere öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen würden, bekannt.

Unter Zugrundelegung obiger Überlegungen ist somit mangels substantiiert vorgebrachter und mangels sonst erkennbarer gegenteiliger Interessen ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 nicht anzunehmen, sondern vielmehr das Interesse der Antragstellerin an der Prüfung der angefochtenen Entscheidung der Auftraggeberinnen als überwiegend anzusehen, weswegen die im Spruch ersichtliche Sicherungsmaßnahme als gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme iSd § 351 Abs 1 BVergG 2018 auszusprechen war.

Wenn die Auftraggeberinnen um Beschränkung der einstweiligen Verfügung auf sechs Wochen ab deren Erlassung ersuchen und hierfür wiederum den dringenden Beschaffungsbedarf ins Treffen führen, so ist erneut festzuhalten, dass es an einer näheren Begründung hierfür mangelt und die besondere Dringlichkeit der Fortführung des Vergabeverfahrens auch sonst nicht ersichtlich ist. Zur Dauer der Provisorialmaßnahme ist daher auszuführen, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 als hinreichend befristet zu bewerten ist (ua BVwG 10. 01. 2014, W187 2000170-1/11; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVwG 23.10.2014, W114 2013254-1/6E; BVA 10.02.2011, N/0011-BVA/10/2011-9, BVA 10.05.2011, N/0035-BVA/08/2011-12 mwN; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054). Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.

§ 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, nämlich der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138;

30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 24.02.2006, 2004/04/0127; 01.03.2007, 2005/04/0239;

27.06.2007, 2005/04/0254; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 22.06.2011, 2009/04/0128;

29.09.2011, 2011/04/0153; 10.12.2007, AW 2007/04/0054) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschlussverbot, Ausbildung, Dauer der Maßnahme, Dienstleistungen,
Dienstleistungsauftrag, einstweilige Verfügung, Entscheidungsfrist,
Frist, Interessenabwägung, Kalkulation, Nachprüfungsantrag,
Nachprüfungsverfahren, öffentliche Interessen, öffentlicher
Auftraggeber, Provisorialverfahren, Rahmenvereinbarung, Schaden,
Untersagung, Vergabeverfahren, vertiefte Angebotsprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W139.2225216.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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