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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
B-VG Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Außerlandesbringung nach Griechenland syrischer Staatsangehöriger denen dort internationaler Schutz zuerkannt wurde; keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Existenzsicherung der schutzbedürftigen schwangeren Mutter und ihrer KinderSpruch
I. Die Beschwerdeführerinnen sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.008,40,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerinnen sind syrische Staatsangehörige und stellten am 21. Dezember 2018 Anträge auf internationalen Schutz. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) legten sie griechische Konventionsreisepässe vor, aus denen hervorgeht, dass sie seit Mai 2018 in Griechenland international schutzberechtigt sind.
2. Mit Bescheiden jeweils vom 24. Jänner 2019 wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Beschwerdeführerinnen nach Griechenland zurückzukehren hätten. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Griechenland zulässig sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit angefochtener Entscheidung vom 26. Februar 2019 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Begründend führt es ua wörtlich aus:
"Wie in den angefochtenen Bescheiden dargelegt wurde, gewährleistet Griechenland grundsätzlich ausreichend Schutz für Flüchtlinge. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben Anspruch auf die gleichen sozialstaatlichen Möglichkeiten wie griechische Staatsangehörige. Sie erhalten eine erneuerbare Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre und haben Zugang zum Arbeitsmarkt, zu medizinischer Behandlung und ihre Kinder können zur Schule gehen. Zwar ist der gleichberechtigte Zugang zu sozialen Rechten wie für griechische Staatsangehörige in der Praxis durch verschiedene Faktoren erschwert, doch ergibt sich aus den Länderberichten auch, dass Schutzberechtigte in Bezug auf ihre Unterbringung und Versorgung etwa auch auf Hilfsangebote von NGOs zurückgreifen können.
Dass in diesem Land möglicherweise weniger Integrationsangebote bestehen, als in anderen europäischen Ländern, verletzt die BF nicht in ihren Grundrechten. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die BF in diesem Staat keinerlei Existenzgrundlage vorfänden. So ist zu bedenken, dass grundsätzlich anerkannte Flüchtlinge beziehungsweise Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung gehalten sind, ihre Existenz – so wie auch alle anderen Staatsbürger eines Landes – selbst zu erwirtschaften.
Die BF1 hat vorgebracht, eineinhalb Jahre in Griechenland in einer Mietwohnung gelebt und eine finanzielle Unterstützung von ihren in Syrien lebenden Eltern erhalten zu haben. Es ist demnach nicht ersichtlich, dass die BF während ihres damaligen Aufenthaltes in Griechenland in eine existenzbedrohende Lage geraten wären. Im Falle einer Rückkehr nach Griechenland besteht nach wie vor die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung der BF vom Ausland aus (etwa durch die Eltern der BF1 wie bisher). Zudem hat die BF1 in der Einvernahme vom 14.01.2019 angeführt, von ihrem in Österreich lebenden Mann nicht finanziell abhängig zu sein […]; sie habe Ersparnisse.
Der bloße Einwand, dass in Griechenland die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte schlecht sind, ist nicht dazu geeignet, eine konkret drohende Verletzung von Art3 EMRK aufzuzeigen. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass es auch unerheblich ist, ob der Standard der griechischen Unterbringungseinrichtungen möglicherweise nicht dem österreichischen Standard entspricht, solange grundlegende Versorgungsgarantien gewährleistet sind. Dass dies in Griechenland der Fall ist, lässt sich aus den in den bekämpften Bescheiden herangezogenen Länderfeststellungen unzweifelhaft entnehmen."
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
4. Die Verwaltungs- und Gerichtsakten hat der Verwaltungsgerichtshof am 31. Oktober 2019 dem Verfassungsgerichtshof übermittelt. Das Bundesverwaltungsgericht sowie das BFA haben von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Beschwerdeführerinnen um besonders schutzbedürftige Personen (schwangere Frau mit zwei Kleinkindern) handelt, hat sich das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall mit der Gewährleistung der grundlegenden Existenzsicherung in Griechenland, insbesondere der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer geeigneten Unterkunft, unzureichend auseinandergesetzt. Der pauschale Verweis darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin in Griechenland eineinhalb Jahre lang in einer Mietwohnung gelebt und eine finanzielle Unterstützung von ihren in Syrien lebenden Eltern erhalten habe, wird der gegenwärtigen Situation der Beschwerdeführerinnen nicht gerecht. Die Annahme, dass die Beschwerdeführerinnen diesbezüglich auch auf Hilfsangebote von Nichtregierungsorganisationen zurückgreifen könnten, ist zudem mit den zitierten Länderberichten so nicht in Einklang zu bringen.
III. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerinnen sind somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 327,– und Umsatzsteuer in Höhe von € 501,40,- enthalten.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, KinderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E1208.2019Zuletzt aktualisiert am
11.02.2020