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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Zurückweisung wegen entschiedener Sache hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten für eine Familie afghanischer Staatsangehöriger; keine Auseinandersetzung mit den aktuellen UNHCR-Richtlinien zur KabulRechtssatz
Auch wenn die Behörde einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß §68 Abs1 AVG wegen entschiedener Sache zurückweist, hat das über die dagegen erhobene Beschwerde entscheidende Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das Vorbringen des Asylwerbers dahingehend zu prüfen, ob ein erstmals vorgebrachter Fluchtgrund, soweit er sachverhaltsändernde Elemente enthält, einen glaubhaften Kern aufweist und ob er im Lichte des Art3 EMRK einer Rückführung aktuell entgegensteht.
In seiner rechtlichen Beurteilung geht das BVwG zunächst allgemein davon aus, dass den beschwerdeführenden Parteien weiterhin eine Rückkehr in die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif möglich sowie zumutbar ist und führt in diesem Zusammenhang auch - zutreffend - aus, dass die EASO-Richtlinien zu Afghanistan aus Juni 2018 bei Ehepaaren mit Kindern, wie im vorliegenden Fall, die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ua vom Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerkes in dem betreffenden Landesteil abhängig machen.
Hinsichtlich Kabul lässt das BVwG jedoch die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 außer Betracht, worin UNHCR der Auffassung ist, "dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist".
Das BVwG stellt zwar fest, dass die Familienangehörigen der Zweitbeschwerdeführerin in Kabul leben, geht aber in der rechtlichen Beurteilung - weil es den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht mit den genannten aktuellen Länderberichten in Bezug setzt - allgemein davon aus, dass die beschwerdeführende Familie in der Stadt Kabul über eine interne Schutzalternative verfüge, weil der Erstbeschwerdeführer gut ausgebildet, gesund und arbeitsfähig sei und "im Herkunftsstaat [...] noch der Vater, die Mutter und zwei Schwestern der Zweitbeschwerdeführerin in durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie mehrere Onkel des Erstbeschwerdeführers" leben würden. Damit unterlässt es das BVwG, weil es aktuelle Länderberichte außer Acht lässt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche besonderen, außergewöhnlichen Umstände in Anbetracht des grundsätzlichen Befundes, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist, im konkreten Fall einen gegenteiligen Schluss zuließen.
In Bezug auf die Städte Herat und Mazar-e Sharif lässt das BVwG, entgegen der eigenen Prämissen, jegliche auf die betreffenden Landesteile bezogene Prüfung, ob in den genannten Städten ein entsprechendes Unterstützungsnetzwerk besteht, vermissen.
Das BVwG hat somit sein Erkenntnis mit Willkür belastet, indem es den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht mit aktuellen Länderberichten in Bezug gesetzt und damit die erforderliche Prüfung, ob im konkreten Fall für eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Zulässigkeit einer Rückkehr in die Stadt Kabul zu begründen vermögen, ebenso unterlassen hat, wie es die erforderliche Prüfung, ob im konkreten Fall im Hinblick auf die beschwerdeführende Familie in den Städten Herat und Mazar-e Sharif ein entsprechendes Unterstützungsnetzwerk vorhanden ist, nicht durchgeführt hat.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, res iudicata, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E2006.2019Zuletzt aktualisiert am
11.02.2020