Index
GerichtsgebührenNorm
AVG §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Kadecka, Dr. Raschauer, Hofstätter, Kobzina, Dr. Reichel, DDr. Heller und Dr. Straßmann als Richter im Beisein der Schriftführer Ministerialkommissär Dr. Bily und Bezirksrichter Dr. Gerhard über die Beschwerde der S Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Klaus Galle, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 13, gegen den Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 3. Dezember 1969, Zl. Jv 2084-33/69, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der vorliegende Beschwerdefall nahm seinen Ausgang von der Einverleibung eines Pfandrechtes für eine Darlehensforderung in der Höhe von S 143.500,-- s.A. zugunsten der Beschwerdeführerin auf einer im Eigentum des J und der EÖ stehenden Liegenschaft der Katastralgemeinde X, die das Bezirksgericht Schärding mit Beschluß vom 29. August 1966 bewilligt und am selben Tage vollzogen hatte. Dieses Pfandrecht diente nach einer dem Grundbuchsantrag beigelegten Bestätigung der „Bausparkasse der Österr. Sparkassen“ der Sicherstellung eines Darlehens, welches zur Förderung des Kleinwohnungsbaues im Sinne der „Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 29. Februar 1940, RGBl. I S. 438“ gewährt worden war. Im Grundbuchsantrag hatte die Beschwerdeführerin die Befreiung von den Gerichtsgebühren beantragt. Für diese grundbücherliche Eintragung schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Schärding der Beschwerdeführerin mit Zahlungsauftrag vom 20. Oktober 1969 vom „Wert des Gegenstandes S 165.000,--“ eine Eingabengebühr nach „TP. 11 a 1“ des einen Bestandteil des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes 1962 (GJGebGes), BGBl. 289, bildenden Tarifes von S 40,--, ferner eine Eintragungsgebühr (offenbar nach TP. 11 lit. b Z. 2 GJGebGes) von S 1.815,--, weiters Ausfertigungskosten von S 20,--, die jedoch durch die Beibringung von Gerichtskostenmarken in gleicher Höhe bereits abgestattet waren, und schließlich eine Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG), BGBl. 288, von S 10,--, insgesamt also Gerichtsgebühren in Höhe von S 1.865,--, vor.
Die Beschwerdeführerin verlangte die Berichtigung, weil es sich um einen Kleinwohnungsbau handle und daher die Voraussetzungen für die persönliche und die sachliche Befreiung von den Gerichtsgebühren nach der Verordnung über die Gebührenbefreiung beim Kleinwohnungsbau vom 27. August 1936, RGBl. I, S. 702, in Österreich eingeführt mit Verordnung vom 18. März 1940, GBl. f. Österreich Nr. 47/1940 (im folgenden kurz: „Gebührenbefreiungsverordnung“ genannt), gegeben seien und der finanzierte Bau insbesondere als Kleinwohnungsbau im Sinne der Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 23. Juli 1940, RGBl. I, S. 1012, anzusehen sei.
Die belangte Behörde gab dem Berichtigungsantrag mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. Dezember 1969 nicht Folge. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit dem gewährten Darlehen sei auch der Bau eines Ateliers finanziert worden, sodaß die sachlichen Voraussetzungen für die Gebührenbefreiung nach der Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und der Gebührenbefreiungsverordnung nicht vorlägen.
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht: Den Beschwerdepunkt bildet die behauptete Verletzung des Rechtes auf Gebührenbefreiung. Die Höhe der Gebühr wird von der Beschwerdeführerin nicht bekämpft. Zur Begründung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit beruft sich die Beschwerde sowohl auf die Gebührenbefreiungsverordnung und die Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz als auch auf Erlässe des Bundesministeriums für Justiz. Das Vorhandensein eines als Atelier bezeichneten Raumes im Ausmaße von nur 13,90 m2 sei zu Unrecht zum Anlaß genommen worden, die sachlichen Voraussetzungen für die Gebührenbefreiung als nicht gegeben anzusehen. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften wird darin erblickt, daß die belangte Behörde keine Erhebungen über die tatsächliche Nutzung des in den Bauplänen als Atelier bezeichneten Raumes, der in Wahrheit ein Wohn- und Schlafraum sei, gepflogen habe.
Die belangte Behörde führt in der Gegenschrift im wesentlichen aus, es handle sich nach den Bauplänen nicht um einen Kleinwohnungsbau, weil diese Voraussetzung gemäß § 10 der Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bei Einfamilienhäusern nur dann vorliege, wenn es sich um ein Wohngebäude handle, das aus einer Wohnung für eine Familie bestehe; das Vorhandensein eines Ateliers schließe eine solche Annahme aus. Der Sachverhalt sei durch den Bauplan eindeutig geklärt, es habe daher auch keiner weiteren Erhebungen bedurft. Auch aus der Höhe des Darlehens habe kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden können, daß es sich zur Gänze um einen Kleinwohnungsbau gehandelt habe.
Die von der Beschwerdeführerin bezogenen und von der belangten Behörde angewendeten Gebührenbefreiungsvorschriften kennen sowohl eine persönliche als auch eine sachliche Gebührenbefreiung. Im vorliegenden Falle waren die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde übereinstimmend der Auffassung, daß auf die Beschwerdeführerin die persönlichen Voraussetzungen für eine Gebührenbefreiung zutreffen. Davon ist stillschweigend auch der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 5. Juli 1966, Zl. 82/66, und vom 7. November 1969, Zl. 338/69, ausgegangen, mit welchen auf Grund von Beschwerden der nunmehrigen Beschwerdeführerin Bescheide des Vizepräsidenten des Kreisgerichtes St. Pölten bzw. des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt über Gerichtsgebühren wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb aufgehoben worden waren, weil in den beiden Beschwerdefällen nicht einmal die sachlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gebührenbefreiung nach der Gebührenbefreiungsverordnung ausreichend geklärt waren.
Da Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Rechtsprechung entstanden sind, wurde der Senat gemäß § 13 Z. 1 und 3 VwGG 1965 verstärkt. Der so verstärkte Senat hatte vor Eingehen in die sachliche Behandlung des Beschwerdefalles auch die Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfen.
Mit Beschluß vom 22. Oktober 1958, Zl. 1996/58, wies der Verwaltungsgerichtshof unter Berufung auf den eine Ortsgemeinde betreffenden Beschluß vom 11. Juni 1953, Slg. 3021/A, die Beschwerde eines Vereines, also einer juristischen Person des privaten Rechtes, mit dem Bemerken zurück, daß das zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof berufene Organ einer Körperschaft den entsprechenden Beschluß innerhalb der Beschwerdefrist fassen muß. Daß ein Gemeindeausschuß den Beschluß über die Beschwerdeführung innerhalb der Beschwerdefrist zu tätigen hat, sprach der Verwaltungsgerichtshof im Beschluß vom 25. Jänner 1951, Slg. 1892, aus. In der Folge sagte ein verstärkter Senat des Verwaltungsgerichtshofes im Beschluß vom 27. Juni 1968, Zl. 1252/66, ganz allgemein, daß die Erhebung der Beschwerde durch eine juristische Person die Beschlußfassung des nach dem Gesetz oder der Satzung zu derartigen Rechtshandlungen berufenen Organes voraussetzt und daß diese Beschlußfassung innerhalb der Beschwerdefrist, also weder nach Ablauf von sechs Wochen ab Zustellung des verwaltungsbehördlichen Bescheides, noch auch vor dessen Zustellung erfolgen muß. Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin eine Aktiengesellschaft, also eine juristische Person. Die Beschwerde ist vom bevollmächtigten Rechtsanwalt auf Grund einer Vollmacht eingebracht worden, welche die beiden zusammen vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder am 17. Juli 1969, also vor Zustellung des angefochtenen Bescheides, unterfertigt haben. Ob innerhalb der Beschwerdefrist eine Willensentschließung der zuständigen Organe der Gesellschaft, den Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof anzufechten, zustandegekommen ist, steht nach der Aktenlage nicht fest. Bisher hat der Verwaltungsgerichtshof bei der Beschwerdeführerin einen solchen Nachweis nicht verlangt (vgl. die schon erwähnten Erkenntnisse Zl. 82/66 und Zl. 338/69). Aus folgenden Gründen ist jedoch die vorliegende Beschwerde ohne ergänzenden Nachweis der Willensbildung durch die dazu zuständigen Organe der beschwerdeführenden Gesellschaft innerhalb der Beschwerdefrist nach Auffassung des verstärkten Senates zulässig:
Der § 23 Abs. 1 VwGG 1965 sagt, daß die Parteien, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, ihre Sache vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst führen oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen können. Gemäß § 62 VwGG 1965 gelten im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, soweit dieses Gesetz nicht anderes bestimmt, die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Verwaltungsstrafgesetzes. Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich, falls die Vollmacht nicht mündlich vor der Behörde erteilt wird, durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Die Vollmacht ist eine einseitige Erklärung des Machtgebers. Der Vertreter ist nur dann ausgewiesen, wenn die Vollmacht gesetzmäßig ausgestellt ist. Die gesetzmäßige Ausstellung der Vollmacht hat der Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen. Da die Vollmachtserteilung seitens eines Handlungsunfähigen ungültig ist, ist die Handlungsfähigkeit zu bedenken. Insoweit nun die persönliche Handlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin in Frage kommt, ist sie gemäß § 9 AVG 1950 von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Da in den Verwaltungsvorschriften über die Handlungsfähigkeit der Aktiengesellschaft keine Regelung enthalten ist, muß die Handlungsfähigkeit der beschwerdeführenden Gesellschaft in bezug auf die Beschwerdeerhebung daher aus den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes beurteilt werden. Über die Handlungsfähigkeit bestimmt der § 71 des Aktiengesetzes 1965, BGBl. Nr. 98/1965, daß die Aktiengesellschaft durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird, wobei im Abs. 2 dieser Gesetzesstelle der Grundsatz der Kollektivvertretung festgelegt wird, der Abs. 3 aber vorsieht, daß die Satzung, wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht, auch bestimmen kann, daß einzelne von diesen allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Gemäß § 74 Abs. 2 des Aktiengesetzes 1965 ist Dritten gegenüber eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Vorstandes unwirksam. Eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die von vertretungsberechtigten Organen einer Aktiengesellschaft in der gehörigen Form abgegeben wird, ist daher für die Gesellschaft verbindlich; dies gilt auch für die Ausstellung einer Vollmacht. Die der Beschwerde beigelegte von den zusammen vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern der Beschwerdeführerin unterfertigte Vollmacht ist daher gesetzmäßig ausgestellt.
Insofern nun der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den Machtgeber vorstellt, kann er ihm, sofern nicht besondere gesetzliche Bestimmungen (z. B. der § 867 ABGB, der bestimmt, daß, was zur Gültigkeit eines Vertrages mit einer Gemeinde erfordert wird, aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen ist) gelten, gemäß § 1017 ABGB Rechte erwerben und Verbindlichkeiten auflegen. Dies gilt gemäß § 26 ABGB sowohl für physische also auch für juristische Personen. Innerhalb dieser Grenzen legitimiert eine Vollmacht auch dann zur Abgabe von Willenserklärungen, wenn dazu keine ausdrückliche Willensbildung seitens des Machtgebers vorliegt, wie aus § 1002 ABGB abgeleitet werden kann, demzufolge der Bevollmächtigungsvertrag darin besteht, daß jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Namen des anderen zur Besorgung übernimmt, wobei sich die Geschäftsbesorgung gemäß § 1006 ABGB soweit nicht die Beschränkungen des § 1008 ABGB Anwendung finden, nicht auf ein bestimmtes Geschäft beschränken muß. Für das Anhängigmachen von Prozessen bedarf es zwar gemäß § 1008 ABGB einer besonderen, auf diese Gattung der Geschäfte lautenden Vollmacht, es muß jedoch auch insoweit nicht auf einen bestimmten Prozeß oder auf das allfällige Anhängigwerden eines Prozeses über eine bestimmte Angelegenheit bezug genommen werden. Maßgebend für die Beurteilung einer Beschwerdeberechtigung ist bei einer von einem Bevollmächtigten einer Aktiengesellschaft eingebrachten Beschwerde daher im Gegensatz zu den gesetzlich besonders geregelten Fällen, wie z. B. bei den Gemeinden, nur die offene Vollmacht, wobei es darauf ankommt, ob sie von den vertretungsberechtigten Organen ausgestellt ist. Durch eine solche Vollmacht, mag sie auch dem Innenverhältnis des Bevollmächtigungsvertrages zuwiderlaufen, wird das Außenverhältnis zwischen der vertretenen Gesellschaft und dem Dritten, demgegenüber der Bevollmächtigte handelnd auftrat, hergestellt. Daraus folgt aber, daß ein Rechtsanwalt, dem von den vertretungsberechtigten Organen einer Aktiengesellschaft in der gehörigen Form eine Vollmacht erteilt wurde, die eine Beschwerdeerhebung an den Verwaltungsgerichtshof einschließt, dazu legitimiert ist, für die Gesellschaft die Beschwerde einzubringen, ohne daß es eines Nachweises der Willensbildung über die Erhebung der Beschwerde durch den Vorstand bedürfte, die Vollmacht mag innerhalb der Beschwerdefrist oder aber auch vor Zustellung des angefochtenen Bescheides ausgestellt worden sein.
Die vorliegende, auf Grund einer von den vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern der Beschwerdeführerin, wenngleich vor Zustellung des angefochtenen Bescheides, ausgestellten Vollmacht durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt innerhalb der Beschwerdefrist erhobene Beschwerde ist daher zulässig.
In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 der Gebührenbefreiungsverordnung sind nur Gemeinden, Gemeindeverbände und ähnliche Körperschaften des öffentlichen Rechts in Angelegenheiten, die der Schaffung von Kleinwohnungen oder der Förderung des Kleinwohnungsbaues dienen, von der Zahlung der Gerichtsgebühren befreit. Die Beschwerdeführerin gehörte auf Grund des Erlasses des Reichswirtschaftsministers vom 29. Dezember 1939 (RWMBl. 1940 S. 20) als „Girozentrale der ostmärkischen Sparkassen in Wien“ zu den Körperschaften des öffentlichen Rechtes. Solange sie diese Rechtsstellung hatte, konnte sie hinsichtlich der Finanzierung des Kleinwohnungsbaues als eine in der Zielsetzung einem Gemeindeverband ähnliche Körperschaft des öffentlichen Rechts und somit als nach § 2 Abs. 1 der Gebührenbefreiungsverordnung insoweit von der Entrichtung der Gerichtsgebühren befreite Einrichtung angesehen werden. Sie hat diese Rechtsstellung jedoch durch ihre Errichtung als Aktiengesellschaft auf Grund des Bundesgesetzes vom 9. Juli 1958, BGBl. Nr. 146, unter der Bezeichnung „Girozentrale der österreichischen S-Aktiengesellschaft“ verloren. Die für ihre Bildung maßgebende Rechtsvorschrift ist das Aktiengesetz. Die nach dem Aktiengesetz gebildeten Aktiengesellschaften sind keine Körperschaften des öffentlichen Rechtes, sondern als juristische Personen dem Privatrecht zuzurechnen. Daran ändert nichts, daß die Sparkassen einer staatlichen Aufsicht unterworfen sind und als Anstalten angesehen werden können. Juristische Personen des öffentlichen Rechtes sind nach herrschender Auffassung (siehe Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, Manz 1951, S. 136 f.) diejenigen, die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen und Zwangsbestand haben. Diese Auffassung herrschte im wesentlichen auch bereits zur Zeit der Einführung der Gebührenbefreiungsverordnung in der „Ostmark“. So bezeichnete Weber in seiner Monographie „Die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes“, C. H. Beck‘sche Verlagsbuchhandlung München und Berlin 1940, S. 10, als juristische Personen des öffentlichen Rechtes diejenigen selbständigen Träger öffentlicher Verwaltung, die nicht einen integrierenden Bestandteil des staatsunmittelbaren Behördensystems bilden. Schon vorher hatte Otto Mayer (Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Auflage, 1924, Band II, S. 329) als juristische Personen des öffentlichen Rechtes „rechtsfähige Verwaltungen“ bezeichnet. Die deutsche Gesetzgebung und Verwaltung hatten zwar einzelnen juristischen Personen, auf welche die vorgenannten Kriterien nicht zutrafen, ausdrücklich die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes zuerkannt (siehe hiezu die Aufstellung bei Weber 1. c.), doch gehörten Sparkassen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben wurden, nicht dazu.
Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß die Bestimmungen über Gebührenbefreiungen in den vor der Wiedererrichtung der Republik erlassenen Gesetzen, Verordnungen und Erlässen heute nur deshalb weiter gelten, weil sie der § 43 Abs. 4 GJGebGes ausdrücklich als unberührt bleibend erklärt hat, „sofern dieses Bundesgesetz keine andere Regelung trifft“. Hätte der Bundesgesetzgeber bei Erlassung des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes die bisher geltenden Befreiungsvorschriften als unbefriedigend erkannt, wäre es ihm oblegen, sie entsprechend neu zu regeln. Soweit er dies nicht getan hat, muß davon ausgegangen werden, daß die bisherigen Gebührenbefreiungen ohne Veränderung ihres Umfanges, also ohne Erweiterung und ohne Einschränkung, weitergelten sollen. Der Kreis der gebührenbefreiten Einrichtungen kann daher nicht im Weg einer extensiven teleologischen Interpretation erweitert werden, zumal Ausnahmebestimmungen nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen streng auszulegen sind. Für den Standpunkt der Beschwerde läßt sich auch nichts aus der Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz, Z. 223-K/62, JABl. 1963, S. 35 ff. (im folgenden kurz: „Gebührenbefreiungserlaß“ genannt), gewinnen, da dieser Erlaß, ebenso wie vorangegangene, auf die Gebührenbefreiung Bezug habende Erlässe, nicht in einem allgemeinen Verkündungsblatt kundgemacht wurde und daher nicht als Rechtsverordnung angesehen werden kann (vgl. auch die einschlägigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 25. Mai 1970, Zl. 1370/69). Daß der Gebührenbefreiungserlaß die Sparkassen wegen der bestehenden staatlichen Aufsicht den Körperschaften des öffentlichen Rechtes gleichgesetzt und sie somit der persönlichen Befreiung von den Gerichtsgebühren teilhaftig erklärt, vermag daher die Rechtslage nicht zu ändern.
Auch die allgemeine Verfügung vom 27. Oktober 1936, Deutsche Justiz, S. 1646, die im Gebührenbefreiungserlaß erwähnt ist, kann unabhängig davon, ob sie überhaupt als Rechtsnorm (Gesetz oder Verordnung) anzusehen ist, nicht zum Tragen kommen, weil sie sich einerseits auf individuell bezeichnete Kreditinstitute bezieht, zu denen die Beschwerdeführerin nicht gehört, anderseits aber lediglich solche Spar- und Girokassen betrifft, die Anstalten des öffentlichen Rechtes mit eigener Rechtspersönlichkeit sind, was für die Beschwerdeführerin nicht mehr zutrifft.
Da demnach im vorliegenden Fall schon die persönlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Gebührenbefreiung mangeln, ist es für das Schicksal der Beschwerde nicht mehr entscheidend, ob die belangte Behörde allenfalls bei der Beurteilung der sachlichen Voraussetzungen von einer unrichtigen Rechtsanschauung ausgegangen ist oder bei Prüfung der letzteren Frage Verfahrensvorschriften verletzt hat, weil sie im Ergebnis bezüglich der Gebührenbefreiung an sich zu keinem anderen Ergebnis hätte gelangen können.
Da sohin die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in keinem Rechte verletzt ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.
Wien, am 14. September 1970
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erlässe Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION nachträgliche Vollmachtserteilung Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1970:1970000137.X00Im RIS seit
03.08.2020Zuletzt aktualisiert am
03.08.2020