TE Vwgh Erkenntnis 1973/11/13 0765/72

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Veröffentlicht am 13.11.1973
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Index

Baurecht - NÖ

Norm

BauO NÖ 1969 §118 Abs9
BauO NÖ 1969 §97 Abs1 Z1 lita
BauO NÖ 1969 §97 Abs1 Z1 litf
BauO NÖ 1969 §97 Abs2 Z1
BauO NÖ 1969 §98 Abs1
BauRallg
B-VG Art119a Abs5
GdO NÖ 1965

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Leibrecht, Dr. Hrdlicka und Dr. Straßmann als Richter, im Beisein des. Schriftführers Ministerialoberkommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde 1) des Dr. ES, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 27 sowie 2) des AG und des JB, beide in N, beide vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. März 1972, Zl. II/2- 223/2-1972, betreffend die Erteilung einer Baubewilligung, Abweisung der dagegen gerichteten Vorstellung (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister, 2. FF in P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 2.240,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Soweit sich dies aus den Verwaltungsakten feststellen läßt, ist der Erstbeschwerdeführer Eigentümer des Grundstückes Nr. 563/3, Katastralgemeinde P, der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer hingegen sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 563/1 derselben Katastralgemeinde. Beide einander benachbarten Grundstücke liegen im Gemeindegebiet von P an der von Nordwesten nach Südosten führenden K-Straße. Die Straßenfront des Grundstückes Nr. 563/3 verlief schon zu Beginn des in Rede stehenden Baubewilligungsverfahrens in ihrer gesamten Länge auf der dem Bauplatz des Mitbeteiligten gegenüberliegenden Straßenseite. Das Grundstück Nr. 563/1 hingegen kam erst durch eine Vergrößerung des Bauplatzes in nordwestlicher Richtung, die im Verlaufe dieses Verfahrens durch Zuschreibung einer 183 m2 großen Teilflache des Nachbargrundstückes Nr. 562/3 zum Bauplatz bewirkt wurde, in den auf der anderen Straßenseite gelegenen Nachbarschaftsbereich dieses Bauplatzes. Der Mitbeteiligte war vom Zeitpunkt der Einleitung des Baubewilligungsverfahrens an bis zu dessen Abschluß in der Verwaltungsebene durch den nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid Eigentümer des ursprünglich aus mehreren Grundstücken zusammengesetzten, späterhin jedoch zum Grundstück Nr. 562/6 der Katastralgemeinde P vereinigten Bauplatzes. Am 20. Oktober 1970 suchte er beim Bürgermeister der Gemeinde P um die baubehördliche Bewilligung an, auf diesem Bauplatz - in dessen ursprünglicher Gestalt - entsprechend den vorgelegten Plänen sowie der Baubeschreibung zwei Wohnhäuser mit je 12 Wohneinheiten errichten zu dürfen. Die Bauverhandlung über diesen Antrag fand am 20. November 1970 statt. (Des besseren Verständnisses halber sei hier angemerkt, daß Gegenstand dieser Verhandlung auch ein - laut Angabe des Beschwerdeführers später zurückgezogenes - weiteres Bauansuchen wäre, das die Errichtung eines Wohnhauses auf dem schon erwähnten, dem Bauplatz benachbarten Grundstück Nr. 562/3 betraf). Zu dieser Verhandlung wurden der Erstbeschwerdeführer sowie der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Nachbar, die beiden letzteren in einem gemeinsamen, dem Zweitbeschwerdeführer zugestellten Ladungsbescheid unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen. Die Verständigung von der Verlegung der Verhandlung auf den vorgenannten Termin erfolgte auf die gleiche Weise. In der über den Verhandlungsablauf errichteten Niederschrift ist beurkundet, daß der Erstbeschwerdeführer gegen das Bauvorhaben des Mitbeteiligten (und auch gegen jenes auf dem Nachbargrundstück) die nachstehenden Einwendungen erhob:

1. Das Bauvorhaben (das laut eingereichten und später genehmigten Plänen zwei dreigeschossige Gebäude mit einer Gesimshöhe von 10 m umfaßt) verstoße gegen die Ortsbausatzung der Gemeinde P, die für Gebäude außerhalb des Ortskerns, um die es sich hier handle, die Bauklasse I mit einer Gesimshöhe von 3,5 bis 7,5 m vorschreibe.

2. Das Bauvorhaben stehe mit § 100 Abs. 4 Z. 5 der Niederösterreichischen Bauordnung in Widerspruch, weil durch die Errichtung dreigeschossiger Wohnhäuser in einem sonst nur mit Einfamilienhäusern und Kleinwohnhäusern besiedelten Gebiet das Ortsbild beeinträchtigt werde.

3. Aus den gleichen Gründen stehe das Vorhaben mit § 120 Abs. 7 Z. 2 des vorangeführten Gesetzes nicht in Einklang: Die beiden Wohnhäuser stünden in auffallendem Widerspruch zu der bestehenden Bebauung.

Eine vierte, die Abstandsvorschriften betreffende Einwendung wurde später fallengelassen und braucht daher hier nicht dargestellt zu werden.

Aus dem vom bautechnischen Sachverständigen erstellten Befund samt Gutachten sei hier festgehalten, daß der Sachverständige die Auffassung vertrat, der Bauplatz sei "im engeren Ortsbereich" gelegen; in der unmittelbaren Umgebung befänden sich eingeschossige und zweigeschossige Wohnhäuser, während in einer Entfernung von etwa 60 m ein dreigeschossiges Wohnhaus vorhanden sei. Durch die vorgesehenen drei Wohnhäuser (diese Umschreibung bezieht das schon oben erwähnte, auf dem Nachbargrundstück geplante dritte Wohnhaus mit ein) werde im Sinn einer zentralen Verbauung und besseren Ausnutzung öffentlicher Einrichtungen eine ausreichende Lösung gefunden, weshalb im Sinn einer organischen modernen Verbauung vom Standpunkt des Sachverständigen keine Bedenken gegen die Erteilung der Baubewilligung bestünden.

Der im Instanzenzug ergangene und auf einem Beschluß vom 11. Februar 1971 beruhende Bescheid des Gemeinderates vom 12. Februar desselben Jahres, mit dem dem Mitbeteiligten die angestrebte Baubewilligung (sowie unter einem auch die Baubewilligung für das Vorhaben auf dem vorerwähnten Nachbargrundstück Nr. 562/3) erteilt worden war, wurde in Erledigung der dagegen vom Erstbeschwerdeführer hinsichtlich beider Baubewilligungen sowie vom Zweitbeschwerdeführer und vom Drittbeschwerdeführer in Ansehung des - hier nicht zur Debatte stehenden - Vorhabens auf dem Grundstück Nr. 562/3 erhobenen Vorstellung mit dem Bescheid der Niederösterreichischen Landesregie rung vom 12. Mai 1971 in Handhabung des § 61 Abs. 3 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung "wegen Rechtswidrigkeit" behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Behandlung und Entscheidung an den Gemeinderat als Baubehörde zweiter Instanz verwiesen. Dieser Bescheid blieb unangefochten. Der dem Bescheid beigegebenen Begründung ist zu entnehmen, daß die Landesregierung die oben unter den Punkten 2 und 3 wiedergegebenen Einwendungen für nicht gerechtfertigt ansah. Hinsichtlich des Ortsbildes wurde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesagt, es handle sich hier nicht um ein Nachbarrecht; zur Frage der Gebäudehöhe gab die belangte Behörde der Meinung Ausdruck, die Ortsbausatzung, auf die diese Einwendung gestützt worden war, gehöre wegen ihrer Unvereinbarkeit mit § 5 Abs. 3 der geltenden Niederösterreichischen Bauordnung in ihren die Gebäudehöhe betreffenden Bestimmungen nicht mehr dem Rechtsbestand an. Als jene Rechte der Vorstellungswerber, die die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates nach sich zu ziehen hätten, sah die belangte Behörde deren Recht auf Beachtung der in der erwähnten Ortsbausatzung festgelegten Bebauungsdichte an. Nach § 2 dieser Satzung, so heißt es in der Bescheidbegründung, dürfe die bebaute Fläche 20 % des Bauplatzes nicht überschreiten. Das Grundstück 562/6 sei 2627 m2 groß; die von den beiden geplanten Wohnhäusern in Anspruch genommene Bodenfläche betrage demgegenüber weit mehr als die demnach zulässigen 525,4 m2 (die beiden Gebäude nehmen zusammen eine Fläche von 560,5 m2 ein).

Mit dem Bescheid vom 11. Februar 1972 (Beschluß vom 10. Februar desselben Jahres) entschied der Gemeinderat neuerlich über die ihm vorliegenden Berufungen und sprach (diesmal beschränkt auf das hier in Rede stehende Bauvorhaben des Mitbeteiligten) aus, daß der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 4. Dezember 1970 bestätigt werde. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, das Ansuchen um Bewilligung des Bauvorhabens auf dem Nachbargrundstück Nr. 562/3 zurückgezogen worden sei und daher dem am selben Tage gestellten Antrag auf Grenzänderung und damit Einhaltung der Bebauungsdichte habe stattgegeben werden können. Die bewilligte Grenzänderung (hier handelt es sich um die zu Eingang erwähnte Zuschreibung einer Teilfläche des Nachbargrundstückes zum Bauplatz) sei mit 18. Jänner 1972 im Grundbuch durchgeführt worden. Die vorgeschriebene Bebauungsdichte im Sinne der Entscheidung der Aufsichtsbehörde (vom 12. Mai 1971) sei somit gegeben.

Über die gegen diesen Bescheid durch alle drei Beschwerdeführer erhobene Vorstellung erging der nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. März 1972, mit welchem diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen wurde. In der Bescheidbegründung heißt es, mit dem Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 12. Mai 1971 sei an der früheren Entscheidung (des Gemeinderates) einzig und allein der Widerspruch mit der in den Bebauungsvorschriften festgelegten maximalen Bebauungsdichte von 20 % bemängelt und aus diesem Grunde dem Gemeinderat eine neuerliche Entscheidung aufgetragen worden. Mit dem (mittels Vorstellung) angefochtenen Bescheid sei dasselbe Bauvorhaben, nämlich die Errichtung zweier dreigeschossiger Wohnhäuser auf dem Grundstück Nr. 562/6, in derselben Situierung bewilligt worden. Es sei daher unverständlich, wie die Beschwerdeführer (die sich in ihrem Recht auf Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit sowie auf Parteiengehör verletzt erachtet hatten) zur "Behauptung eines anderen Projektes" gelangten. Die Einhaltung der Bebauungsdichte sei dadurch erzielt worden, daß zwischenzeitig der Bauplatz durch Anschluß einer Teilfläche im Westen vergrößert worden sei, sodaß die bebaute Fläche nunmehr 1/5 des Bauplatzausmaßes betrage. Da es sich hiebei um eine von Amts wegen anhand der Unterlagen zu prüfende Relation und nicht um die Einholung eines zusätzlichen Beweismittels handle, liege keine Verletzung des Parteiengehörs vor. Stellungnahmen der Parteien seien aber nur nach Beweiserhebungen vor Bescheiderlassung einzuholen. Die Vergrößerung des Bauplatzes sei deshalb möglich geworden, weil das Bauansuchen hinsichtlich eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 562/3 zurückgezogen worden sei, sodaß sich auch eine weitere Berufungsentscheidung in dieser Hinsicht erübrigt habe. Der Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer seien schon zur Bauverhandlung vom 20. November 1970 geladen gewesen und der Zweitbeschwerdeführer habe auch an dieser Verhandlung teilgenommen. Abschließend gab die belangte Behörde der Auffassung Ausdruck, die Rechtmäßigkeit des Ersatzbescheides des Gemeinderates sei von der objektiven Rechtslage unabhängig gewesen, wenn dieser Bescheid nur der im aufsichtsbehördlichen Bescheid vom 12. Mai 1971 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht entspreche und seither keine Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Zur Stützung dieser Auffassung bezog sich die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1970, Slg. N. F. Nr. 7912/A.

Gegen diesen Bescheid ist die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde gerichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides bringen die Beschwerdeführer vor, als - hinsichtlich der Bebauungsdichte - obsiegenden Vorstellungswerbern sei es ihnen seinerzeit nicht möglich gewesen, die ihrem Standpunkt zuwiderlaufenden, im aufsichtsbehördlichen Bescheid vom 12. Mai 1971 zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinungen zu bekämpfen. Wohl aber müsse es ihnen unbenommen sein, dies nun vor dem Verwaltungsgerichtshof nachzuholen: Seien doch diese Rechtsmeinungen im angefochtenen Bescheid neuerdings zum Gegenstand der Begründung gemacht worden.

In diesem Zusammenhang ist zunächst darzulegen, wie es sich mit der gegenüber den Organen der Gemeinde und gegenüber den Parteien des Verwaltungsverfahrens eintretenden bindenden Wirkung von Rechtsmeinungen der Aufsichtsbehörde, wie sie in deren Vorstellungsbescheiden zum Ausdruck kommen sowie mit dem in diesem Bereich gewährleisteten Rechtsschutz verhält. In dem auf dem Beschluß eines verstärkten Senates beruhenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1971, Slg. N. F. Nr. 8091/A, ist klargestellt worden, daß (nur) solche Rechtsmeinungen der Aufsichtsbehörde bindende Wirkung zu erzeugen vermögen, die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ausgedrückt sind und den aufhebenden Spruch dieses Bescheides tragen. In diesem Umfang allerdings erstreckt sich, wie gleichfalls im angeführten Erkenntnis sowie in einer Reihe weiterer Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes dargetan worden ist, die Bindung auf alle beteiligten Parteien und Behörden einschließlich der Aufsichtsbehörde selbst; wird der betreffende Bescheid nicht mittels Beschwerde bekämpft, so binden die den aufhebenden Spruch tragenden Rechtsmeinungen auch den Verwaltungsgerichtshof. Darauf fußt das Recht der Parteien, im fortgesetzten Verfahren die Beachtung der Bindung in diesem Umfang und die ihnen daraus erfließenden Rechte auch mittels Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof durchzusetzen. (Auch das hg. Erkenntnis vom 16. November 1970, Slg. N. F. Nr. 7912/A, auf das sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides berufen hat, besagt übrigens, liest man seine Entscheidungsgründe unter Berücksichtigung des damals gegeben gewesenen Sachverhaltes, nichts Gegenteiliges). Ergänzend ist dem hinzuzufügen, daß jener Teil der Begründung eines aufhebenden Vorstellungsbescheides, der darlegt, in welchen Punkten nach Auffassung der Aufsichtsbehörde Rechte des Vorstellungswerbers nicht verletzt worden sind, der also aufzeigt, welche der in der Vorstellung geltend gemachten oder sonst in Betracht kommenden Rechtsverletzungsmöglichkeiten mangels tatsächlicher Rechtsverletzung keine Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides nach sich zu ziehen hatten, deshalb keinerlei bindende Wirkung auslöst, weil er den aufhebenden Spruch nicht trägt. Daraus, und nicht aus dem Umstand, daß der Vorstellung Folge gegeben worden war, folgt unter dem Blickwinkel des vorerwähnten Beschwerdevorbringens, daß die Beschwerdeführer weder Anlaß noch auch die Möglichkeit hatten, den Vorstellungsbescheid vom 12. Mai 1971 mittels Beschwerde zu bekämpfen. Im Zusammenhang mit der in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretenen Auffassung der belangten Behörde hinwiederum ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, daß die Rechtmäßigkeit des Ersatzbescheides des Gemeinderates nur insoweit "von der objektiven Rechtslage unabhängig" war, als es sich um die Frage der Bebauungsdichte gehandelt hatte; die übrigen Fragen hingegen (Gebäudehöhe, bzw. Nichtübereinstimmung des Bauvorhabens des Mitbeteiligten mit der Ortsbausatzung, behaupteter auffallender Widerspruch des Projektes zu der bestehenden Bebauung) hatte die belangte Behörde ohne Bindung an ihre erste Entscheidung zu lösen und daher den Bescheid des Gemeinderates am Gesetz und nicht am Inhalt der Begründung dieser ihrer ersten Entscheidung zu messen. Die diesbezüglichen Ausführungen in dem in Beschwerde gezogenen Bescheid sind daher verfehlt und belasten diesen mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; die Beschwerdeführer wurden durch diesen Bescheid in ihrem subjektiven Recht darauf verletzt, daß sich die belangte Behörde mit der Vorstellung im Umfange der nicht die Bebauungsdichte betreffenden Einwendungen sachlich auseinandersetze.

Berechtigt ist aber auch der weitere Vorwurf der Beschwerdeführer, sie seien durch den (Ersatz-)bescheid des Gemeinderates vom 11. Februar 1972 in ihren verfahrensgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden, weshalb der ihre Vorstellung abweisende bekämpfte Bescheid inhaltlich rechtswidrig sei. Dies aus nachstehenden Erwägungen: Ein Bauvorhaben ist nicht nur durch die - planliche oder wörtliche - Beschreibung der eigentlichen Bauwerke sondern auch durch die Situierung der Bauwerke sowie durch Gestalt und Größe des Bauplatzes, also der Grundfläche, determiniert, auf der gebaut werden soll (vgl. § 97 Abs. 1 Z. 1 lit. a und f sowie Abs. 2 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung). Daß diese ein Bauvorhaben bestimmenden Sachverhaltselemente nicht etwa nur in öffentlichrechtlicher Sicht von Bedeutung sind, sondern auch von erheblichem Einfluß auf die Nachbarrechte sein können, ergibt sich schon aus der einfachen Überlegung, daß die für die Nachbarn stets relevante Frage der Einhaltung der Seitenabstände ohne Kenntnis der hiefür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen, das sind die vorgesehene Situierung der Bauwerke sowie die Gestalt und Größe des Bauplatzes, nicht beantwortet werden kann.

Eine wirksame Verfolgung der den Nachbarn gewährleisteten materiellen Rechte ist ferner nur möglich, wenn die Nachbarn im Verfahren Gelegenheit erhalten, ihre Einwendungen gegen jenes Bauvorhaben vorzubringen, das in weiterer Folge auch tatsächlich den Gegenstand der baubehördlichen Entscheidung bildet. Wird daher im Verlauf eines Baubewilligungsverfahrens das Bauvorhaben in einem für die Nachbarn wesentlichen Punkt abgeändert, so ist eine neuerliche Anhörung der Nachbarn zum Zwecke der allfälligen Erhebung von Einwendungen auch dann unerläßlich, wenn die Änderung, wie dies im Beschwerdefalle zutraf, zum Zwecke der Anpassung des Vorhabens an die als maßgeblich angesehenen und auch den Nachbarn schützenden generellen Normen stattgefunden hat. Ähnliches ist übrigens schon in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, so etwa im Erkenntnis vom 8. Juni 1970, Zl. 1841/69, zum Ausdruck gekommen. Daß die Anfang 1972 vorgenommene Bauplatzvergrößerung eine solche Abänderung des gesamten Bauvorhabens war, die eine neuerliche Befassung der Nachbarn mit dem geänderten Vorhaben im dargelegten Sinne bedingt hätte, ist schon dargetan worden. Es kann daher die in der Beschwerde aufgerollte Frage auf sich beruhen, welche Folgerungen die Gemeindebehörden, bzw. auch die belangte Behörde selbst aus dem bisherigen Ablauf des Baubewilligungsverfahrens, insbesondere in Ansehung der neu entstandenen Nachbareigenschaft des Zweitbeschwerdeführers, zu ziehen gehabt hätte: Jedenfalls nämlich war es nach dem bisher Gesagten verfehlt, im Unterbleiben der - sei es erstmaligen, sei es neuerlichen - Anhörung beider Beschwerdeführer vor Erlassung des Ersatzbescheides des Gemeinderates vom 11. Februar 1972 keine Verletzung von Rechten der beiden Beschwerdeführer zu sehen und demgemäß deren Vorstellung mangels Verletzung von Rechten abzuweisen.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427, im besonderen auch deren Art. IV Abs. 2.

Wien, am 13. November 1973

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6Behörden eigener Wirkungsbereich der Gemeinde örtliche Baupolizei und örtliche Raumplanung B-VG Art15 Abs5 BauRallg2/2Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidInhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1973:1972000765.X00

Im RIS seit

13.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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