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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §260 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom 18. September 1996, Zl. GA 16-96/3197/07, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für 1992 des Mitbeteiligten MK in W, vertreten durch Dr. Franz F. Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien I, Habsburgergasse 6-8, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist Werbegraphiker. Er ermittelt den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. In der Verlust- und Gewinn-Rechnung für das Jahr 1992 machte er den Ausfall einer im Jahre 1988 entstandenen Forderung gegen seine Ehefrau Belinda K in Höhe von S 143.000,-- als Aufwand geltend.
Nach einem entsprechenden Vorhalt legte der Mitbeteiligte ein an Belinda K gerichtetes Mahnschreiben vom 26. April 1993 vor, in dem festgestellt wurde, "daß unsere Rechnung Nr. 7/88 noch offen ist". Weiters legte der Mitbeteiligte ein Schreiben der Belinda K an ihn vom 28. April 1993 vor, wonach diese niemals eine Mahnung für die genannte Rechnung erhalten habe und sie die Forderung daher als verjährt betrachte.
Bei der Veranlagung zur Einkommen- und Gewerbesteuer für 1992 wurde der Betrag von S 143.000,-- nicht als Betriebsausgabe anerkannt.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, es habe immer wieder mündliche Mahnungen gegeben, der Betrag sei jedoch niemals entrichtet worden, da die Kundin sich in finanziellen Schwierigkeiten befinde. Der Mitbeteiligte habe aus wirtschaftlichen Erwägungen auf die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes verzichtet.
Gegen die die Berufung als unbegründet abweisende Berufungsvorentscheidung wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eingebracht. Es sei vom Mitbeteiligten geprüft worden, ob die Forderung einbringlich bzw. durch Kompensation oder Pfandrechte gesichert sei. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sei schon deshalb belegt, weil der Betrieb im September 1994 zugesperrt worden sei. Die unternommenen Schritte hielten einem Fremdvergleich stand.
In der mündlichen Berufungsverhandlung wurde vom steuerlichen Vertreter des Mitbeteiligten ausgeführt, dieser habe im Zuge der Bilanzerstellung 1992 erkannt, daß die Forderung "unmöglich sein" werde, weil zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung der Betrieb der Ehefrau bereits gesperrt gewesen sei. Die Ehefrau habe "mit Müh' und Not" einem Konkursverfahren entgehen können. Es sei völlig aussichtslos gewesen, die Forderung einzutreiben. Als die Ehefrau im Jahre 1988 ihre Wäscheboutique eröffnet habe, habe der Mitbeteiligte die Werbung übernommen. Unter anderem sei auch das Briefpapierlogo gestaltet worden. Es habe sich aber herausgestellt, daß der Standort der Boutique für die Qualität der gebotenen Ware nicht geeignet gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe seinerzeit ordnungsgemäß Umsatzsteuer abgeführt; die Ehefrau habe die Schuld bei Schließung des Betriebes als außerordentlichen Ertrag ausgebucht.
Nach der über die mündliche Berufungsverhandlung aufgenommenen Niederschrift wurde die Berufungsentscheidung samt den wesentlichsten Entscheidungsgründen verkündet. Nach der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides wurde der Berufung Folge gegeben. Im Erwägungsteil der Begründung wurde von der belangten Behörde wörtlich ausgeführt:
"Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Einnahmen entstehen bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, ebenso beim Tausch oder bei unentgeltlichen Zuwendungen an den Betrieb und bei der Rückerstattung von Ausgaben. Der Verzicht auf Einnahmen führt zu keinen Einnahmen. Wird aber der Verzicht auf eine zum Betriebsvermögen gehörige Forderung aus privaten Gründen erklärt, dann liegt allerdings eine Entnahme der Forderung vor. Der Verzicht ändert nichts an der Steuerpflicht, die Forderung gilt als entnommen.
Der Berufungswerber hat im Zug der Bilanzerstellung für 1992 erkannt, daß die Einbringung dieser Forderung unmöglich ist, da seine Frau nur knapp einem Konkursverfahren entgangen ist. Eine Eintreibung bzw. Besicherung der Forderung war völlig aussichtslos. Die Forderung war zum Verzichtszeitpunkt überdies bereits verjährt, sodaß zu diesem Zeitpunkt auch kein Rechtsanspruch auf Bezahlung mehr bestanden hat, womit auch gerichtliche Maßnahmen zu keinem Erfolg geführt hätten. Auch einem Fremden gegenüber wäre die Position des Berufungswerbers dieselbe gewesen. Er war also unabhängig von der Person des Schuldners als ordentlicher Kaufmann gezwungen, die Forderung abzuschreiben.
Da auch keine sonstigen privaten Motive in dem Forderungsverzicht gesehen werden können, war der Berufung stattzugeben."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Bescheides muß in einer Weise erfolgen, daß der Denkprozeß, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200). Wird ein Bescheid von einem Berufungssenat (§ 260 Abs. 2 BAO) gefällt, so hat auch eine (allenfalls nur) mehrheitlich getroffene Entscheidung eine Begründung zu enthalten, die diesen Anforderungen entspricht (vgl. das Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, 87/13/0053). Auch im Falle, daß die schriftliche Ausfertigung von einem Mitglied des Berufungssenates, das mit seiner Auffassung bei der Entscheidung in der Minderheit geblieben ist - etwa dem der Gruppe der ernannten Mitglieder der Berufungskommission (vgl. § 270 Abs. 3 BAO) angehörenden Berichterstatter (vgl. § 283 Abs. 1 BAO) -, abgefaßt wird, hat die Begründung die Auffassung der Senatsmehrheit in sachlicher Weise wiederzugeben.
Wird - wie im Beschwerdefall - die Berufungsentscheidung am Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung verkündet (vgl. § 287 Abs. 4 BAO), so ist dieser Bescheid bereits mit der Verkündung ergangen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2779, m.w.N.). Die Übereinstimmung der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides mit dem bereits wirksamen mündlichen Bescheid (vgl. zur Maßgeblichkeit des Inhalts des mündlich verkündeten Bescheides das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1993, 91/13/0149) kann dabei im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof nicht geprüft werden, weil die Niederschrift über die mündliche Verhandlung (vgl. § 285 Abs. 3 BAO) weder Spruch noch Begründung des mündlich verkündeten Bescheides enthält.
Darüber hinaus ist der Begründung der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen, welchen Sachverhalt die Mehrheit des erkennenden Berufungssenates als erwiesen angenommen hat. Die Begründung läßt dabei nicht erkennen, ob die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidungsfindung von einem - vom Mitbeteiligten gar nicht behaupteten - Verzicht auf die in Rede stehende Forderung, von einer auf Grund eines konkreten Ereignisses im Streitjahr eingetretenen Uneinbringlichkeit oder von der Verjährung der Forderung ausgegangen ist. Das mit der schriftlichen Ausarbeitung der Mehrheitsentscheidung beauftragte Mitglied des Berufungssenates war - wie dieser mangelhafte Inhalt der schriftlichen Ausfertigung aufzeigt - nicht in der Lage, die Entscheidungsgründe des Senates in sachlicher Weise zum Ausdruck zu bringen. Mit diesem Begründungsmangel hat die belangte Behörde aber Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Wien, am 27. August 1998
Schlagworte
Sachverhalt BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996130180.X00Im RIS seit
19.11.2001