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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1962 geborenen R P in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juli 1996, Zl. 101.208/10-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 9. April 1993 die Erteilung eines Sichtvermerkes; dieser Antrag wurde gemäß § 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) an die zuständige Aufenthaltsbehörde erster Instanz weitergeleitet. Im Antrag selbst hatte der Beschwerdeführer angegeben, den Beruf des Masseurs erlernt zu haben und derzeit ohne Beschäftigung zu sein. Aus einer Niederschrift mit dem Beschwerdeführer vom 10. Februar 1994 geht hervor, daß dieser tageweise in der Hofburg als Kellner beschäftigt, jedoch nicht im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung sei. Weiters gab der Beschwerdeführer an, kein regelmäßiges Einkommen zu beziehen und "von meinen Eltern" zu leben.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 13. Februar 1994 den Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darauf hinwies, daß seine Mutter als Hausmeisterin beschäftigt, sein Stiefvater, dessen letztes Einkommen S 12.500,-- netto betragen habe, um Pension bei der Pensionsversicherungsanstalt eingereicht habe.
Der Bundesminister für Inneres wies mit Bescheid vom 16. November 1994 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 2 und 4 FrG ab. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0310, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit wurde darin erblickt, daß die belangte Behörde nicht ausreichend auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht genommen und nicht geprüft habe, ob sein weiterer Aufenthalt das wirtschaftliche Wohl des Landes derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigten.
Im fortgesetzten Verfahren forderte die Berufungsbehörde den Beschwerdeführer auf unter Vorlage von Unterlagen seinen gesicherten Unterhalt in den letzten sechs Monaten nachzuweisen. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 1996 erklärte der Beschwerdeführer, er habe seine Berufsausbildung als Heilmasseur und Kellner in österreich absolviert und sei zusätzlich ein Jahr lang als Kellner tätig gewesen. Außerdem sei er als Trainer und Masseur beschäftigt gewesen. Sein Vater sei Frühpensionist und seine Mutter sei noch berufstätig. Zur Zeit sei er leider ohne eigenes Einkommen, weil er die Entscheidung der Behörde abwarten müsse.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wies diese die Berufung (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG ab. Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht nachgewiesen habe, daß er über eigene Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfüge. So besitze er weder eine Beschäftigungsbewilligung noch sei für ihn eine Verpflichtungserklärung abgegeben worden. Auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers, wonach dieser ohne Einkommen sei, gelange die Behörde zur Ansicht, daß der Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG vorliege. Zu den privaten Verhältnissen sei zu sagen, daß die Mutter und der Stiefvater des Beschwerdeführers in Österreich lebten. Zudem sei der Beschwerdeführer bei seinen Eltern wohnhaft und fühle sich für sie "verantwortlich", da sein Vater krank und seine Mutter bereits in einem fortgeschrittenen Alter sei. Überdies halte er sich bereits seit 1987 in Österreich auf und fühle sich hier "zu Hause". Die Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber der privaten im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK habe im Fall des Beschwerdeführers ergeben, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Priorität einzuräumen gewesen sei, weil der Beschwerdeführer über keine ausreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfüge. Auch wenn der Beschwerdeführer behaupte, gelegentlich als Kellner oder Trainer auf freiberuflicher Basis zu arbeiten, so scheine dies nicht geeignet, um von einem gesicherten Unterhalt ausgehen zu können, da der Beschwerdeführer - wie ausgeführt - über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfüge. Es sei davon auszugehen, daß die Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müßte der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 Z. 2 FrG lauteten:
§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu
versagen, wenn
...
2. der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt; ...
(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 einen Sichtvermerk erteilen,
1.
...
2.
wenn aufgrund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint."
Der Beschwerdeführer verfügte seit 1987 über eine - nicht geschlossene - Kette von Wiedereinreisesichtvermerken, zuletzt für die Zeiträume vom 9. April 1990 bis 31. Dezember 1990 sowie vom 24. März 1992 bis 31. März 1993. Ein dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, vergleichbarer Sachverhalt liegt im gegenständlichen Fall deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer über keinen - der dortigen Fallgestaltung vergleichbaren - langandauernden und geschlossenen Zeitraum rechtmäßiger Voraufenthalte im Inland verfügt. Der gegenständliche Antrag war somit nicht als Verlängerungsantrag zu bewerten, auf den Beschwerdefall war daher § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 nicht anwendbar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0310, bereits ausführlich mit dem vorliegenden Antrag des Beschwerdeführers befaßt und angesichts der damaligen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und der entscheidungswesentlichen Feststellungen der belangten Behörde die Auffassung vertreten, daß von einem gesicherten Unterhalt des Beschwerdeführers nach seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren keine Rede sein könne. An dieser Einschätzung hat sich auch nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch die Aufforderung der belangten Behörde zur Vorlage von Unterlagen und die dazu ergangene Stellungnahme des Beschwerdeführers nichts geändert.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer über keine aufrechte Beschäftigungsbewilligung verfügte und im Zeitpunkt der Bescheiderlassung auch keinerlei Einkünfte, weder als Kellner noch als Heilmasseur erzielte, um sich damit seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Die Ausführungen in der Beschwerde, daß der Beschwerdeführer finanzielle Unterstützung von seiner Mutter und seinem Stiefvater erhalten werde, gehen unverändert am Umstand vorbei, daß trotz Hinweises im Bescheid erster Instanz und trotz Aufforderung im ergänzten Berufungsverfahren keinerlei Belege über die Einkommenshöhe der genannten Personen vorgelegt wurden noch - auch nicht in der nunmehr vorliegenden Beschwerde - ausgeführt wurde, warum der volljährige Beschwerdeführer gegenüber seinem Stiefvater einen rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben solle. Darüber hinaus wurde auch im ergänzten Berufungsverfahren seitens des Beschwerdeführers nicht angegeben, in welcher Höhe seine Mutter Einkünfte aus der behaupteten Tätigkeit als Hausmeisterin beziehe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer aufgrund einer ihm bisher nicht erteilten Beschäftigungsbewilligung eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides legal nicht aufnehmen und er deshalb seinen Unterhalt aus einer geregelten Beschäftigung nicht bestreiten konnte, hat zur Folge, daß er über die vom Gesetz geforderten Mittel zur Sicherung seines Unterhaltes nicht verfügte, sodaß gegen die Annahme der belangten Behörde, er könne seinen Unterhalt aus eigenen Mitteln nicht bestreiten, unverändert keine Bedenken bestehen.
In der Beschwerde verweist der Beschwerdeführer nunmehr auf § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG und meint, im vorliegenden Fall seien Verpflichtungserklärungen seiner Mutter und seines Stiefvaters vorgelegt worden, weshalb der genannte Ausnahmetatbestand Platz greife. Dazu ist zu bemerken, daß entgegen diesen Behauptungen weder während des Verfahrens erster Instanz, noch im ergänzten Berufungsverfahren Verpflichtungserklärungen der Mutter oder des Stiefvaters des Beschwerdeführers vorgelegt wurden. Der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG konnte daher schon deshalb nicht zur Anwendung gebracht werden.
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid auch mit Art. 8 MRK auseinandergesetzt und dargestellt, daß im Fall des Beschwerdeführers der Eingriff in die aus Abs. 1 erfließenden Rechte im öffentlichen Interessen zulässig sei. Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde meint, auf seine durch seinen Voraufenthalt begründeten persönlichen und familiären Interessen in Österreich sei nicht ausreichend Rücksicht genommen worden, vermag dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Anwesenheit Fremder, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, im Bundesgebiet führt entweder zu einer Belastung der Sozialhilfeträger und damit zu einer Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wohles des Landes oder aber zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den dann naheliegenden Versuch solche Personen, sich ihren Lebensunterhalt durch eine ausländerbeschäftigungsrechtlich nicht gestattete Erwerbstätigkeit zu verschaffen. Die dadurch tangierten öffentlichen Interessen rechtfertigen im vorliegenden Fall - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK den Eingriff in sein Privat- und Familienleben und das damit verknüpfte Interesse an der Fortsetzung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 1997, Zl. 96/19/2712).
Zwar hielt sich der Beschwerdeführer seit 1987, großteils aufgrund von Sichtvermerken, in Österreich auf. Eine Integration am Arbeitsmarkt ist im Hinblick auf die fehlenden ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bewilligungen des Beschwerdeführers aber nicht gegeben. Die dargelegten persönlichen Bindungen des volljährigen Beschwerdeführers zur Mutter und zum Stiefvater im Bundesgebiet sind nicht derart intensiv, daß ein Eingriff in diese Interessen durch die Versagung der Erteilung einer Bewilligung nicht im öffentlichen Interesse gerechtfertigt wäre.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996192671.X00Im RIS seit
02.05.2001