TE Vfgh Erkenntnis 1996/9/28 G50/96, G84/96, G101/96, G104/96, G122/96, G123/96, G138/96, G145/96, G

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Veröffentlicht am 28.09.1996
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art97 Abs2
B-VG Art140 Abs3 zweiter Satz
B-VG Art140 Abs4
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
Tir LandesO 1989 Art38 Abs7
Tir GVG-Nov 1991. LGBl 74
Tir GVG 1993 §40

Leitsatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit der (gesamten) Novelle 1991 zum Tir GVG 1983 wegen Widerspruchs zur Tir LandesO 1989 infolge Kundmachung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag trotz Verweigerung der Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung durch die Bundesregierung; Ausdehnung der Anlaßfallwirkung

Spruch

Das Gesetz vom 3. Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol Nr. 74/1991, war verfassungswidrig.

Das Gesetz ist auch in dem beim Verwaltungsgerichtshof zu Z95/02/0183, in den beim Obersten Gerichtshof zu

Zlen. 10 Ob 503/96, 3 Ob 2068/96f und 7 Ob 647/95 sowie in den beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol zu

Zlen. 17/156-1/1995, 1/23-1/1995, 1/24-1/1995, 4/18-3/1995, 3/14-4/1995 und 3/41-1/1995 anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.

Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine auf Art144 B-VG gestützte, zu B266/94 protokollierte Beschwerde gegen einen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft m.b.H & Co KG mit Sitz in Österreich, deren Hafteinlage zu zwei Drittel von einem österreichischen Staatsbürger und zu einem Drittel von einer deutschen Staatsangehörigen gehalten wird; das Stammkapital der Komplementärgesellschaft m.b.H gehört jedoch zur Gänze Ausländern. Geschäftsführung und Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft erfolgen laut ihrem Gesellschaftsvertrag ausschließlich durch die Komplementärgesellschaft. Der Zustimmung der Mehrheit der (derzeit zwei Personen zählenden) Kommanditisten bedarf u.a. die Bestellung von Einzelprokuristen; für einen Auflösungsbeschluß sind "75% der Stimmen, berechnet nach Kapitalanteilen" erforderlich.

Mit Kaufvertrag vom 30. Oktober 1992 erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft um S 13,500.000,-- ein Grundstück in Kitzbühel im Ausmaß von 5.969 m2 samt darauf befindlichem Hotel. Dieses wird seit dem Frühjahr 1993 von einer der beiden deutschen Gesellschafterinnen der Komplementärgesellschaft geführt.

Die Grundverkehrsbehörde Kitzbühel stellte mit Bescheid vom 23. Dezember 1992 gemäß §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), antragsgemäß fest, daß "das Grundstück betreffend den entscheidungsgegenständlichen Rechtserwerb" den Bestimmungen des GVG 1983 nicht unterliege.

Über fristgerechte Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten behob die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung diesen Bescheid wegen Unzuständigkeit und wies den "Antrag auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung" mit Bescheid vom 21. Dezember 1993 gemäß §6 Abs1 AVG iVm. §3 Abs1 GVG 1983 zurück. Dies mit der Begründung, der Rechtserwerb sei als nichtiges Umgehungsgeschäft anzusehen; mit ihm sollte den beiden deutschen Staatsangehörigen, die die Anteile an der Komplementärgesellschaft halten und von denen eine das betreffende Hotel seit dem Frühjahr 1993 führt, in einer Tiroler Gemeinde, in der Überfremdungsgefahr im Sinne des §4 Abs2 GVG 1983 bestehe, eine eigentümerähnliche Stellung verschafft werden. Da ein Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 GVG 1983 nicht vorliege, mangle es der Grundverkehrsbehörde "an der Zuständigkeit zur Fällung jeglicher Entscheidung".

In der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird neben der Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Unversehrtheit des Eigentums die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des Gesetzes vom 3. Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol 74/1991, (im folgenden: GVG-Novelle 1991) geltend gemacht. Denn der Landeshauptmann habe einen Text kundgemacht, der in dieser Form nicht vom Tiroler Landtag beschlossen worden sei. Der vom Landtag beschlossene Text habe die Mitwirkung der Finanzämter, also von Bundesorganen vorgesehen; dem habe die Bundesregierung gemäß Art97 Abs2 B-VG die Zustimmung verweigert; sodann habe der Landeshauptmann - ohne neuerliche Befassung des Landtages - den Gesetzesbeschluß unter Weglassung der Bestimmung, die die Mitwirkung der Finanzämter vorgesehen hatte, kundgemacht.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 4. Dezember 1995 beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der Z28 und 32 bis 34 des ArtI der GVG-Novelle 1991 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.

a) Nach §3 GVG 1983 idF der Novelle ex 1991 bedurfte der Rechtserwerb an Grundstücken durch die in §1 Abs1 Z2 näher bestimmten "ausländischen Rechtserwerber" der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde. Gemäß §2 Abs1 leg.cit. hatte die Grundverkehrsbehörde "im Zweifel" zu entscheiden, ob ein Grundstück, das Gegenstand eines Rechtserwerbes im Sinne des §3 Abs1 ist, den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt.

Über die Organisation der Grundverkehrsbehörde, die gegen ihre Entscheidungen mögliche Berufung und die Organisation der zur Entscheidung über derartige Berufungen zuständigen Landesgrundverkehrsbehörde bestimmt sodann §13 GVG 1983 (idF der Druckfehlerberichtigung LGBl. für Tirol 44/1984 und der Novelle LGBl. für Tirol 74/1991):

"(1) Grundverkehrsbehörde I. Instanz ist

a) ...

b) bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z. 2 eine bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzurichtende Kommission; diese besteht aus einem rechtskundigen Beamten der Bezirksverwaltungsbehörde als Vorsitzendem und vier weiteren Mitgliedern. Die Mitglieder sind von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestellen. Für je ein weiteres Mitglied steht dem Gemeinderat der Gemeinde, in deren Gebiet das Grundstück liegt, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol und der Bezirkslandwirtschaftskammer das Vorschlagsrecht zu. Für jedes Mitglied ist in gleicher Weise ein Ersatzmitglied zu bestellen. Die Mitglieder werden im Falle ihrer Verhinderung durch das betreffende Ersatzmitglied vertreten. Die Ausübung des Vorschlagsrechtes durch den Gemeinderat fällt in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

(2) ...

(3) Gegen die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde können die Parteien, der Landesgrundverkehrsreferent, bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z. 1 auch die Bezirkslandwirtschaftskammer, bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z. 2 auch die Gemeinde die Berufung einbringen.

(4) In zweiter und oberster Instanz entscheidet die Landesgrundverkehrsbehörde. Diese wird beim Amt der Landesregierung eingerichtet. Ihr gehören als stimmberechtigte Mitglieder an:

1. bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z. 1:

a)

eine mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertraute Persönlichkeit als Vorsitzender,

b)

ein Mitglied aus dem Richterstand,

c)

ein in den Angelegenheiten des Grundverkehrs geschulter rechtskundiger Beamter des Amtes der Landesregierung als Berichterstatter,

d)

ein Beamter des höheren technischen Agrardienstes des Amtes der Landesregierung,

e)

ein Beamter des höheren forsttechnischen Dienstes,

f)

ein Rechtsanwalt oder ein Notar,

g)

drei weitere Mitglieder;

              2.              bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z. 2:

a)

das Mitglied nach Z. 1 lita als Vorsitzender,

b)

die Mitglieder nach Z. 1 litb, c, f und g.

(5) Die Mitglieder der Landesgrundverkehrsbehörde sind von der Landesregierung zu bestellen. Für je ein Mitglied nach Abs4 Z. 1 litg steht der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol und der Landeslandwirtschaftskammer das Vorschlagsrecht zu. Für jedes Mitglied ist in gleicher Weise ein Ersatzmitglied zu bestellen. Die Mitglieder werden im Falle ihrer Verhinderung durch das betreffende Ersatzmitglied vertreten.

(6) ...

(7) Die Amtsdauer der Mitglieder und der Ersatzmitglieder beträgt drei Jahre. Das Amt von Mitgliedern (Ersatzmitgliedern), die innerhalb der allgemeinen dreijährigen Amtsdauer bestellt werden, endet mit deren Ablauf. Eine Wiederbestellung ist zulässig. Die Mitglieder und die Ersatzmitglieder haben ihr Amt auch nach Ablauf der Amtsdauer bis zur Bestellung der neuen Mitglieder (Ersatzmitglieder) auszuüben.

(8) Die Landesgrundverkehrsbehörde ist beschlußfähig, wenn der Vorsitzende, das Mitglied aus dem Richterstand, der Berichterstatter und mindestens zwei weitere Mitglieder, bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z. 1 überdies der Beamte des höheren technischen Agrardienstes und der Beamte des höheren forsttechnischen Dienstes anwesend sind. Beschlüsse sind mit Stimmenmehrheit zu fassen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Stimmenthaltung gilt als Ablehnung.

(9) Die Mitglieder der Landesgrundverkehrsbehörde sind bei Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden; ihre Bescheide unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.

..."

Der wiedergegebene Wortlaut des §13 Abs1 litb geht auf ArtI Z28, der des §13 Abs4 Z2 auf ArtI Z32, der des §13 Abs5 auf ArtI Z33 und der des §13 Abs8 erster Satz auf ArtI Z34 der GVG-Novelle 1991 zurück.

b) Der Verfassungsgerichtshof ging bei Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet worden seien und daß diese auch er bei der Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde anzuwenden habe.

c) Die in Rede stehende GVG-Novelle 1991 hat folgende Entstehungsgeschichte:

Der Tiroler Landtag hat am 3. Juli 1991 einen Gesetzesbeschluß über eine Novelle zum GVG 1983 gefaßt; mit diesem Gesetz sollte das GVG 1983 umfassend novelliert werden. Dabei sollte durch Z37 der Novelle u.a. dem GVG 1983 auch ein §14a eingefügt werden, durch den die Finanzämter verpflichtet werden sollten, den Grundverkehrsbehörden und dem Landesgrundverkehrsreferenten auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, wenn Grund zur Annahme besteht, daß ein Schein- oder Umgehungsgeschäft vorliegt.

Die Bundesregierung beschloß in ihrer Sitzung vom 3. September 1991, "die in ArtI Z37 (§14a) des Gesetzesbeschlusses vorgesehene Mitwirkung der Finanzämter bei der Vollziehung des Gesetzes gemäß Art97 Abs2 B-VG zu verweigern".

Im Gefolge dessen wurde der Gesetzesbeschluß des Tiroler Landtages vom 3. Juli 1991 in dem am 24. September 1991 herausgegebenen 27. Stück des Landesgesetzblattes für Tirol als Nr. 74 in der Weise kundgemacht, daß der Text des Gesetzesbeschlusses mit Ausnahme der Z37 des ArtI kundgemacht wurde; an Stelle der vom Landtag beschlossenen Z37 wurde in Kleindruck folgender Satz in das Landesgesetzblatt aufgenommen:

"(Diese Bestimmung darf nicht kundgemacht werden, weil der Bund die Zustimmung hiezu verweigert hat.)".

d) Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Bestimmungen der GVG-Novelle 1991 das Bedenken, daß sie (wie die Novelle insgesamt) nach der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung der Finanzämter an der Vollziehung ohne neuerliche Befassung des Tiroler Landtages kundgemacht worden sei. Es müsse Sache des Gesetzgebungsorgans sein, auf die Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zu der im Gesetzesbeschluß des Landtages vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung des Landesgesetzes zu reagieren, um zu entscheiden, ob der Gesetzesbeschluß auch ohne die geplante, aber durch die Verweigerung der Zustimmung nicht mögliche Mitwirkung der Bundesorgane Gesetz werden solle oder nicht, oder ob er eine entsprechende Ergänzung des verbleibenden Teiles des Gesetzesbeschlusses für sinnvoll erachte. Ohne neuerliche Beschlußfassung des Landtages scheine dessen Gesetzesprärogative unterlaufen zu werden.

Dem möglichen Einwand, daß eine Kundmachung dann ohne neuerliche Befassung des Landtages zulässig sein müsse, wenn die Vorschriften, denen die Zustimmung versagt wurde, vom übrigen Inhalt des Gesetzesbeschlusses trennbar sind und der Gesetzesbeschluß auch ohne die strittige Bestimmung als Gesetz wirksam und vollziehbar werden kann (so der Sache nach OGH 27.6.1995, Z4 Ob 535/95), hielt der Verfassungsgerichtshof folgendes entgegen: Die Frage, ob ein Gesetzesbeschluß auch ohne eine einzelne Vorschrift Gesetz werden soll oder nicht, scheine eine politische, nicht ausschließlich nach logischen Kriterien eines erkennbaren Sachzusammenhanges (so der OGH in der genannten Entscheidung) lösbare Frage zu sein. Derartige Fragen im Gesetzgebungsverfahren zu entscheiden, dürfte aber dem Landtag vorbehalten sein. Wollte man dem zur Kundmachung befugten Verwaltungsorgan diese Entscheidung übertragen, könnte es seine politische Intention an die Stelle der politischen Willensbildung im Landtag setzen. Das aber dürfte dem Art95 Abs1 erster Satz B-VG und dem Art15 der Tiroler Landesordnung 1989 (im folgenden: TLO 1989) widersprechen. Damit scheine auch Art38 Abs7 der TLO 1989 übereinzustimmen, dessen Formulierung "Bedarf ein Gesetzesbeschluß der Zustimmung der Bundesregierung, so darf er nur kundgemacht werden, wenn die Zustimmung erteilt wurde oder als erteilt gilt" ersichtlich von der Einheit des Gesetzesbeschlusses ausgehe.

Der Verfassungsgerichtshof teilte daher vorläufig die Auffassung von Jabloner (Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung, 1989, S 234 ff.), und hielt dessen Ausführungen auf S 237 für berechtigt:

"Der Umfang der Mitwirkung ergibt sich nicht allein aus jener Vorschrift - bzw. aus jenem Teil einer Vorschrift - in dem die Bundesorgane zur Vollziehung berufen werden, sondern auch aus jenen Vorschriften - bzw. Teilen von Vorschriften - in denen die Sachaufgaben umschrieben sind. Wenn man im Sinne der Praxis die Verweigerung der Zustimmung bloß auf jene Vorschriften(fragmente) bezieht, in denen die Bundesorgane 'vorkommen', so ist die Veränderung des normativen Gehaltes des Gesetzesbeschlusses des Landtags nicht ausgeschlossen. Zumindest werden bestimmte vom Landtag beschlossene Bestimmungen unanwendbar, in vielen Fällen könnte sich aber auch der Gehalt der Vorschriften völlig verändern, indem etwa auf Grund der gegebenen Textierung nunmehr eine andere Behörde für jene Akte zuständig wird, die nach dem Willen des Landtags von Bundesorganen gesetzt werden sollten. Dies ist im Hinblick auf Art95 Abs1 B-VG ('Die Gesetzgebung der Länder wird von den Landtagen ausgeübt') verfassungswidrig."

Auch hielt es der Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht für gerechtfertigt, die Vorgangsweise, die der Landeshauptmann von Tirol gewählt habe, als durch das Erkenntnis VfSlg. 2598/1953 gedeckt anzusehen. Denn die häufig zitierte Formulierung:

"Versagt aber die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung eines Landesgesetzes, so erscheinen alle Bestimmungen des Gesetzes, die die Mitwirkung von Bundesorganen zur Voraussetzung haben - aber auch nur diese Bestimmungen - verfassungswidrig und dürfen nicht kundgemacht werden" spreche nur aus, daß eine Kundmachung dieser Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses unzulässig wäre, beschäftige sich aber überhaupt nicht mit der Frage, ob vor der Kundmachung neuerlich der Landtag zu befassen sei. (Das Problem habe sich im Falle dieses Erkenntnisses auch gar nicht gestellt, da die Bundesregierung überdies auch Einspruch nach Art98 Abs2 B-VG erhoben hatte und der Landtag daher ohnedies neuerlich zu befassen war.)

Angesichts dieser Überlegungen hatte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die Kundmachung der GVG-Novelle 1991 dem Art15 und 38 Abs7 TLO 1989 und dem Art95 Abs1 erster Satz B-VG widersprochen habe. Aus Präjudizialitätsgründen wurden zwar nur die Z28 und 32 bis 34 des ArtI des Gesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 in Prüfung genommen, doch werde - so der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß - im Gesetzesprüfungsverfahren zu erwägen sein, ob im Fall des Zutreffens der Bedenken nach Art140 Abs3 zweiter Satz B-VG vorzugehen wäre.

3. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Präjudizialität der in Prüfung genommenen Bestimmungen ausdrücklich nicht entgegentritt und die Verfassungsmäßigkeit der Kundmachung der GVG-Novelle 1991 verteidigt.

Sie führt dazu eingangs aus, daß das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst in das Begutachtungsverfahren zur betreffenden GVG-Novelle 1991 einbezogen worden sei. Dieses habe zu der im versendeten Entwurf bereits vorgesehenen Auskunftspflicht der Finanzämter nichts vorgebracht, sodaß auch die Regierungsvorlage zur gegenständlichen Novelle die Bestimmung über die Auskunftspflicht der Finanzämter enthalten habe. In den Erläuternden Bemerkungen sei ebenso ausdrücklich auf das Zustimmungserfordernis der Bundesregierung nach Art97 Abs2 B-VG hingewiesen worden wie in der Landtagssitzung vom 3. Juli 1991.

Sodann bemüht sich die Tiroler Landesregierung um eine Darstellung des Gehalts des Art97 Abs2 B-VG und des Art38 TLO 1989: Diese Vorschrift wiederhole zum größten Teil nur die bundesverfassungsgesetzlichen Bedingungen für das Zustandekommen eines Landesgesetzes und ergänze sie lediglich in einem geringen Ausmaße; so werde in diesem Artikel ergänzend bestimmt, daß der Landtagspräsident das verfassungsgemäße Zustandekommen eines Gesetzesbeschlusses zu beurkunden und den Gesetzesbeschluß unverzüglich dem Landeshauptmann zu übersenden und daß der Landeshauptmann die Beurkundung durch den Landtagspräsidenten gegenzuzeichnen habe. Weiters werde der Landeshauptmann verpflichtet, im Falle einer in einem Gesetzesbeschluß vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung die Zustimmung der Bundesregierung zugleich mit der Bekanntgabe des Gesetzesbeschlusses einzuholen. Aus den Materialien gehe "klar hervor, daß den in Art38 wiedergegebenen bundesverfassungsrechtlichen Regelungen für das Zustandekommen von Landesgesetzen nur deklarative Bedeutung zukomme". (Aus dem Zusammenhang geht hervor, daß sich die Landesregierung dabei in der Formulierung vergriffen hat und der Sache nach meint, daß die bundesverfassungsrechtlichen Regelungen normative, die landesverfassungsrechtlichen Regelungen hingegen bloß deklaratorische Bedeutung hätten.) Zur Bestimmung des Art38 Abs7 TLO 1989 werde in den Erläuterungen bemerkt, daß er nur die Regelung des Art97 Abs2 B-VG berücksichtige.

Die maßgeblichen Bestimmungen des B-VG und der TLO 1989 legten klar fest, welche Aufgaben im Verfahren der Landesgesetzgebung welchen Landesorganen zukämen:

"Liegt ein Gesetzesbeschluß des Landtages vor, so hat der Landtagspräsident dessen - bis dahin - verfassungsgemäßes Zustandekommen (insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Art27 TLO 1989) zu beurkunden und den Gesetzesbeschluß dem Landeshauptmann zu übersenden. Alle weiteren Schritte des Gesetzgebungsverfahrens im Landesbereich hat sodann der Landeshauptmann eigenständig vorzunehmen. Nach dem klaren Wortlaut der zitierten bundes- und landesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen ist nur im Falle eines Einspruches der Bundesregierung nach Art98 Abs2 B-VG der Landtag bezüglich der Frage eines Wiederholungsbeschlusses neuerlich zu befassen. Der Landeshauptmann hat also die ihm über den Landtagspräsidenten zugekommenen und von ihm gegengezeichneten Gesetzesbeschlüsse dem Bundeskanzleramt zur Befassung der Bundesregierung im Sinne des Art98 Abs2 B-VG oder allenfalls auch im Sinne des Art97 Abs2 B-VG zuzuleiten. Es liegt dann im freien politischen Ermessen der Bundesregierung, ob sie - bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Art98 Abs2 B-VG - einen Einspruch gegen den Gesetzesbeschluß erhebt oder nicht bzw. ob sie die nach Art97 Abs2 B-VG erforderliche Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung des betreffenden Landesgesetzes erteilt oder nicht.

Erhebt die Bundesregierung einen Einspruch, so hat der Landeshauptmann die an ihn gerichtete Mitteilung darüber an den Landtag weiterzuleiten. Diesem obliegt dann die politische Willensbildung darüber, ob man sich über den Einspruch hinwegsetzt und einen Wiederholungsbeschluß faßt oder ob man dem Einspruch Rechnung trägt, indem man einen entsprechend geänderten Gesetzesbeschluß faßt oder überhaupt auf einen diesbezüglichen Gesetzesbeschluß verzichtet. Faßt der Landtag einen Wiederholungsbeschluß, dann ist dieser ohne neuerliche Befassung der Bundesregierung durch den Landeshauptmann im Landesgesetzblatt kundzumachen. Erhebt die Bundesregierung innerhalb der achtwöchigen Frist keinen Einspruch oder stimmt sie vorher der Kundmachung ausdrücklich zu, so hat der Landeshauptmann den Gesetzesbeschluß im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Bedarf ein Gesetzesbeschluß wegen der darin vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung der Zustimmung der Bundesregierung, so darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses durch den Landeshauptmann nur erfolgen, wenn die Bundesregierung nicht innerhalb der achtwöchigen Frist mitgeteilt hat, daß sie die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert, oder wenn sie vorher der Kundmachung ausdrücklich zugestimmt hat.

Bei allen diesen Szenarien sind die Bedingungen für das Handeln des Landeshauptmannes klar vorgegeben. Der Landeshauptmann hat die betreffenden Handlungen zwingend vorzunehmen."

Diesem für die bisherige Staatspraxis bestimmenden Verständnis setze der Verfassungsgerichtshof seine vorläufige Ansicht entgegen, daß auch im Falle der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung nach Art97 Abs2 B-VG eine Vorgangsweise eingehalten werden müsse, wie sie sowohl in der Bundesverfassung als auch in der Landesverfassung nur im Falle eines Einspruches nach Art98 Abs2 B-VG ausdrücklich vorgeschrieben sei. Die Kundmachung eines Gesetzesbeschlusses nach Mitteilung der Zustimmungsverweigerung ohne die die Mitwirkung normierenden Bestimmungen im Landesgesetzblatt sei nicht das Ergebnis einer politischen Überlegung und Entscheidung des Landeshauptmannes, sondern bloß eine Maßnahme redaktionstechnischer Natur, bei der der Landeshauptmann keinerlei eigenständige politische Gestaltungsmacht habe:

"Wenn der Landtag in einem Gesetzesbeschluß die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, dann kommt die Entscheidung darüber, ob diese Mitwirkung auch wirksam wird, ausschließlich der Bundesregierung zu, die in dieser Frage nach völlig freiem politischen Ermessen entscheiden kann. Nach dem der bisherigen Staatspraxis zugrundeliegenden Verständnis hat der Landeshauptmann die Entscheidung der Bundesregierung, die Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen zu verweigern, einfach nur zu realisieren, indem er bei der Kundmachung des Gesetzesbeschlusses die betreffende Bestimmung wegläßt. ... Der Landeshauptmann hat der Zustimmungsverweigerung der Bundesregierung nur durch eine entsprechende redaktionstechnische Maßnahme Rechnung zu tragen."

Im übrigen bleibe es dem Landtag unbenommen, allenfalls durch eine sofortige Novellierung des betreffenden Gesetzes darauf zu reagieren, daß man bei der Vollziehung des betreffenden Gesetzes ohne die angestrebte Mitwirkung von Bundesorganen auskommen müsse.

Auch müsse dem Landtag stets bewußt sein - so wie es im vorliegenden Fall auch gewesen sei - daß man in der Frage der Mitwirkung von Bundesorganen immer vom politischen Willen der Bundesregierung abhängig sei.

Ferner könne weder im vorliegenden Fall noch "in sonstigen Fällen, in denen üblicherweise eine Mitwirkung von Bundesorganen vorgesehen wird" im Sinne der im Prüfungsbeschluß angesprochenen Lehrmeinung Jabloners davon ausgegangen werden, daß sich der normative Gehalt des Gesetzesbeschlusses durch das Weglassen der die Mitwirkung von Bundesorganen normierenden Bestimmungen verändert habe, etwa daß gewisse verbleibende Bestimmungen unanwendbar geworden seien oder der Gehalt von Bestimmungen völlig verändert worden sei. Bisher habe die Verweigerung der Mitwirkung von Bundesorganen noch in keinem Fall dazu geführt, daß der Landtag die betreffenden Bestimmungen in der Folge aufgehoben, eingeschränkt oder sonst wie geändert hätte.

"Dies bedeutet im Ergebnis, daß der Landtag bei der - nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes erforderlichen - neuerlichen Befassung mit dem Gesetzesbeschluß, zu dem die Bundesregierung die Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen verweigert hat, praktisch nur einen Wiederholungsbeschluß unter Weglassung der die Mitwirkung begründenden Bestimmungen fassen würde. Der neue Gesetzesbeschluß wäre aber wieder dem weiteren Gesetzgebungsverfahren, insbesondere auch wieder dem Verfahren nach Art98 Abs2 B-VG, zu unterziehen. Abgesehen davon, daß dies also nur zu einer doppelten Durchführung eines großen Teiles des Gesetzgebungsverfahrens und damit auch zu einer erheblichen Verzögerung des Wirksamwerdens des (zweimal gefaßten) Gesetzesbeschlusses führen würde, was dem Grundsatz der Verwaltungsökonomie völlig zuwiderlaufen würde, ist darauf hinzuweisen, daß eine solche Vorgangsweise auch in verfassungspolitischer Hinsicht problematisch wäre. Wenn etwa in einer politisch sehr umstrittenen Angelegenheit ein Gesetzesbeschluß nur unter großen Mühen zustandekommt, dann würde die Verweigerung der Zustimmung nach Art97 Abs2 B-VG dazu führen, daß dieser Gesetzesbeschluß hinfällig wird und daß die betreffende Angelegenheit im Landtag wieder gänzlich neu zur Diskussion steht. Unter Umständen könnte es bei einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der politischen Verhältnisse zu keiner neuen Beschlußfassung mehr kommen. Das Erfordernis der neuerlichen Befassung des Landtages im Falle einer Zustimmungsverweigerung nach Art97 Abs2 B-VG würde somit auch unter diesem Aspekt unverhältnismäßige Auswirkungen nach sich ziehen."

Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes würde - zusammengefaßt dargestellt - folgende Nachteile bewirken:

"a) Obwohl die Zustimmungsverweigerung nur einzelne Bestimmungen betrifft, würde das Wirksamwerden des gesamten Gesetzesbeschlusses für längere Zeit aufgeschoben. Diese Auswirkung kann in manchen Fällen dem rechtspolitisch erwünschten ehestmöglichen Inkrafttreten eines Gesetzes entgegenstehen, sie kann aber auch zu schwerwiegenderen (insbesondere finanziellen) Nachteilen für das Land führen, wenn dadurch etwa die rechtzeitige Umsetzung einer EU-Vorschrift vereitelt wird.

b) In verwaltungsökonomischer Hinsicht scheint es unvertretbar, einen großen Teil des Gesetzgebungsverfahrens ohne zureichende sachliche Rechtfertigung zweimal durchzuführen.

c) Die Notwendigkeit der neuerlichen Befassung des Landtages kann unter Umständen auch zu politischen Schwierigkeiten bei der erneuten politischen Willensbildung über die betreffende Angelegenheit führen.

Diesen gravierenden Nachteilen steht das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegenüber, durch die sofortige Kundmachung des Gesetzesbeschlusses durch den Landeshauptmann (ohne neuerliche Befassung des Landtages) würde die Gesetzesprärogative des Landtages unterlaufen. Diese Befürchtung scheint nach Ansicht der Tiroler Landesregierung jedoch unbegründet, denn die Gesetzgebungshoheit des Landtages bleibt ja unberührt. Es steht ihm frei, das betreffende Gesetz sofort wieder zu novellieren, sofern er dies für notwendig erachtet. Wie die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, ist es dazu aber noch nie gekommen, weil sich das Land in der Regel einfach damit abfinden muß, daß der Bund die erwünschte Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung eines Landesgesetzes ablehnt. Es sei nur am Rande erwähnt, daß dieser Zustand aus föderalistischer Sicht untragbar ist und daß daher im Rahmen der Bundestaatsreform versucht wurde, einen Weg zu finden, der den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen die notwendige Mitwirkung von Bundesorganen (besonders der Exekutivorgane) sichert. Bei diesem Gesamtergebnis scheint es dem Tiroler Landesverfassungsgesetzgeber nicht zusinnbar, daß er durch die Formulierung des Art38 Abs7 TLO 1989 dieser Verfassungsbestimmung die Bedeutung geben wollte, es sei von der Einheit des Gesetzesbeschlusses auszugehen. Wie bereits erwähnt, geben die Erläuternden Bemerkungen des Ausschußantrages zur TLO 1989 keinen Anhaltspunkt hiefür. Sie legen vielmehr die Auslegung nahe, daß hier nur eine Wiederholung der bundesverfassungsgesetzlichen Regelung vorgenommen werden sollte."

Abschließend tritt die Tiroler Landesregierung der Interpretation des Erkenntnisses VfSlg. 2598/1953 durch den Verfassungsgerichtshof entgegen. Dieses Erkenntnis sage an sich klar aus: "Versagt aber die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung eines Landesgesetzes, so erscheinen alle Bestimmungen des Gesetzes, die die Mitwirkung von Bundesorganen zur Voraussetzung haben - aber auch nur diese Bestimmungen -, verfassungswidrig und dürfen nicht kundgemacht werden." Diese Formulierung sage nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nur aus, daß eine Kundmachung dieser Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses unzulässig wäre, beschäftige sich aber überhaupt nicht mit der Frage, ob vor der Kundmachung neuerlich der Landtag zu befassen sei. Dieser Deutung des zitierten Erkenntnisses könne die Tiroler Landesregierung nicht folgen. Wenn der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausspricht, daß nur die die Mitwirkung von Bundesorganen normierende Bestimmung des Gesetzesbeschlusses nicht kundgemacht werden dürfe, dann müsse daraus der Schluß gezogen werden, daß die übrigen Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses sehr wohl kundgemacht werden dürfe. Diese Aussage im zitierten Erkenntnis gäbe nämlich keinen Sinn mehr, wenn man davon ausginge, daß der Landtag mit dem Gesetzesbeschluß neuerlich zu befassen wäre. Auf Grund der neuerlichen Befassung könne der Landtag nämlich - sofern man nicht annimmt, daß er in verfassungswidriger Weise einen völlig identen Wiederholungsbeschluß fasse - nur einen neuen Gesetzesbeschluß fassen. Der neue Gesetzesbeschluß würde wiederum dem Verfahren nach Art98 Abs2 B-VG und allenfalls auch nach Art97 Abs2 B-VG, wenn etwa die Mitwirkung von Bundesorganen in geänderter Weise vorgesehen wird, unterliegen. Es könne also logischerweise gar nicht mehr zur Kundmachung des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses kommen. Gegenstand der Kundmachung wäre nur mehr der neue Gesetzesbeschluß.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat wegen der allgemeinen Bedeutung der Sache auch den übrigen Landesregierungen Gelegenheit zur Stellungnahme geboten. Hievon haben alle Landesregierungen mit Ausnahme jener des Landes Oberösterreich sowie des Landes Salzburg Gebrauch gemacht. Die Landesregierungen von Kärnten, Niederösterreich, Vorarlberg und Wien unterstützen dabei die Argumentation der Tiroler Landesregierung; die Landesregierungen von Burgenland und Steiermark hängen einer "vermittelnden Lösung" an, derzufolge eine neuerliche Befassung des Landtages nur dann erforderlich sei, wenn es durch Weglassung der Bestimmungen zu einer Veränderung bzw. "entscheidenden Veränderung" (so die Steiermärkische Landesregierung) des normativen Gehalts des Gesetzesbeschlusses kommen würde.

Im einzelnen wird folgendes vorgebracht:

a) Die Burgenländische Landesregierung folgt der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß wiedergegebenen Auffassung von Jabloner insoweit, als dann eine neuerliche Befassung des Landtages gemäß Art95 Abs1 B-VG geboten sei, wenn es durch die Weglassung derjenigen Bestimmungen, die Gegenstand der Zustimmungsverweigerung durch die Bundesregierung waren, tatsächlich zu einer Veränderung des normativen Gehalts des Gesetzesbeschlusses kommen würde. Es sei jedoch mit Art95 Abs1 B-VG durchaus vereinbar, einen solchen Gesetzesbeschluß dann nicht neuerlich dem Landtag zuzuleiten, wenn durch die Kundmachung unter Auslassung der Vorschriften, denen die Zustimmung verweigert wurde, keine Änderung des normativen Gehalts dieses Gesetzesbeschlusses bewirkt werde. Die Beantwortung der Frage, ob eine solche Änderung vorliege, sei jedoch nicht anders zu sehen, als die der Frage nach dem Aufhebungsumfang im Rahmen einer Normenprüfung. Der Verfassungsgerichtshof setze hiebei auch nicht sein rechtspolitisches Ermessen an die Stelle jenes des Gesetzgebers.

Abgesehen davon, daß aus dem Prüfungsbeschluß nicht klar hervorgehe, was unter einer neuerlichen "Befassung" des Landtages zu verstehen sei, obliege die Regelung der Art und Weise, wie der Landtag im Falle einer gemäß Art97 Abs2 B-VG erfolgten Verweigerung der Zustimmung vom Landeshauptmann zu befassen sei, dem Landes(verfassungs)gesetzgeber. Im Burgenland regle dies §20 Abs1 Z12 der Geschäftsordnung des Burgenländischen Landtages, LGBl. für das Burgenland 47/1981 idgF, wonach der Landeshauptmann sämtliche Mitteilungen der Bundesregierung dem Landtag - im Wege seines Präsidenten - zur Kenntnis zu bringen habe.

b) Die Kärntner Landesregierung pflichtet hingegen im Ergebnis der Auffassung der Tiroler Landesregierung bei:

Die Kernaussage des Erkenntnisses VfSlg. 2598/1953 besage nach Ansicht der Kärntner Landesregierung, daß "jene Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses, 'die die Mitwirkung von Bundesorganen zur Voraussetzung haben - aber auch nur diese Bestimmungen -' im Falle der Verweigerung der Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung durch die Bundesregierung nicht kundgemacht werden dürfen". Die dagegen vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß vertretene Ansicht, wonach bei Verweigerung der Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung durch die Bundesregierung gemäß Art97 Abs2 B-VG der Landtag vor Kundmachung des Gesetzesbeschlusses in jedem Fall neuerlich "zu befassen" sei, würde bewirken, daß das Inkrafttreten des gesamten Gesetzesbeschlusses vereitelt würde und das konkrete Gesetzgebungsverfahren mit Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung im Sinne des Art97 Abs2 B-VG beendet sei.

Sodann wird ausgeführt:

"Der Verfassungsgerichtshof legt im Einleitungsbeschluß zwar nicht näher dar, was unter der von ihm geforderten 'neuerlichen Befassung des Landtages' vor Kundmachung des Gesetzesbeschlusses zu verstehen ist. Dies wohl im Hinblick darauf, daß die Regelung der Art und Weise der 'Befassung' eines Landtages mit Verhandlungsgegenständen oder sonstigen Anbringen im Rahmen der durch Art99 Abs1 B-VG bundesverfassungsgesetzlich garantierten Verfassungsautonomie der Bundesländer durch den Landes(verfassungs)gesetzgeber zu erfolgen hat. Dennoch schließt der Verfassungsgerichtshof aus der 'Gesetzesprärogative des Landtages', daß dieser aufgrund der 'neuerlichen Befassung' - in Reaktion auf die Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zu der in seinem bereits gefaßten Gesetzesbeschluß vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung - eine 'Entscheidung' dahingehend zu treffen hätte, ob dieser Gesetzesbeschluß ohne die geplante Mitwirkung der Bundesorgane Gesetz werden soll, ob er überhaupt nicht Gesetz werden soll, oder ob 'eine entsprechende Ergänzung des verbleibenden Teiles' des Gesetzesbeschlusses stattfinden soll. Daß eine unveränderte Wiederholung des Gesetzesbeschlusses im Sinne eines 'Beharrungsbeschlusses' durch den Landtag ausgeschlossen ist, ergibt sich zum einen aus dem eindeutigen Wortlaut der Bundesverfassung und wurde auch in VfSlg. 2598/1953 durch den Verfassungsgerichtshof bereits klargestellt.

Aus den wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Unterbrechungsbeschluß ist nach Ansicht der Kärntner Landesregierung zu schließen, daß eine 'neuerliche Befassung' des Landtages etwa in Form eines bloßen 'Zurkenntnisbringens' der Mitteilung der Bundesregierung an den Landeshauptmann, daß die Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung des Landesgesetzes verweigert wird, im Sinne einer Berichterstattung vor Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nicht hinreichend wäre. Vielmehr hätte der Landtag aufgrund seiner 'Gesetzesprärogative' eine Entscheidung über das Schicksal des Gesetzesbeschlusses zu treffen. Jede derartige Entscheidung läuft aber nach Ansicht der Kärntner Landesregierung auf die Alternative: Ende des Gesetzgebungsverfahrens oder Fassung eines anderen und damit neuen Gesetzesbeschlusses (zumindest unter Weglassung der Bestimmungen, die im ursprünglichen Gesetzesbeschluß die Mitwirkung von Bundesorganen zur Voraussetzung haben, oder etwa unter Einfügung einer entsprechenden Ergänzung des verbleibenden Teiles des Gesetzesbeschlusses) hinaus. Dieser neue Gesetzesbeschluß wäre nach dem klaren Wortlaut der Verfassung gemäß Art98 Abs1 B-VG neuerlich dem Verfahren gemäß Art97 und 98 B-VG zu unterziehen. Eine 'Aufhebung' des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses, der in dieser Form schon von Bundesverfassungs wegen nicht kundgemacht werden darf, ist weder vorgesehen noch erforderlich (vgl. auch Jabloner, Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung (1989), 110, Anm. 74, und 140, Anm. 171; Widder, Volksabstimmung und parlamentarische Gesetzgebung (1987), 23).

Eine 'neuerliche Befassung' des Landtages kann somit nach Ansicht der Kärntner Landesregierung nur entweder zur Beendigung des konkreten Gesetzgebungsverfahrens oder zur Fassung eines neuen Gesetzesbeschlusses führen, der neuerlich dem Verfahren der Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung (Art97 und 98 B-VG) unterliegt. Eine 'modifizierte Kundmachung' des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses durch den Landeshauptmann aufgrund einer 'Zustimmung' des Landtages hiezu ist in den streng nach ihrem Wortlaut auszulegenden Regeln des B-VG und der Landesverfassung für das Land Kärnten über das Gesetzgebungsverfahren (vgl. zB Widder, Volksabstimmung und parlamentarische Gesetzgebung (1987), 21ff) nicht vorgesehen und daher auch nicht zulässig.

Aus den dargelegten Gründen teilt die Kärntner Landesregierung die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, daß im Falle der Verweigerung der Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung durch die Bundesregierung gemäß Art97 Abs2 B-VG vor Kundmachung des Gesetzesbeschlusses in jeden Fall eine neuerliche Befassung des Landtages im Sinne einer Beschlußfassung über das weitere Schicksal des Gesetzesbeschlusses zu erfolgen hat, nicht. Vielmehr enthält nach Ansicht der Kärntner Landesregierung Art97 Abs2 B-VG eine Ermächtigung des Bundesverfassungsgesetzgebers an den Landeshauptmnann zur (verfassungskonformen) textlich veränderten Kundmachung von Gesetzesbeschlüssen des Landtages, soweit es sich um die Eliminierung von Bestimmungen handelt, die eine zustimmungspflichtige, jedoch nicht konsentierte Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung des Landesgesetzes zur Voraussetzung haben. Diese Ermächtigung kann nur durch Weglassung von Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses des Landtages, nicht auch durch Hinzufügen von Text (vgl. VfSlg. 5996/1969) genützt werden. Ist es nicht möglich, durch bloßes Weglassen eine Textfassung herzustellen, bei der alle zustimmungspflichtigen, jedoch nicht konsentierten Mitwirkungsfälle eliminiert werden, darf der Gesetzesbeschluß überhaupt nicht kundgemacht werden (vgl. zB VfSlg. 1312/1930). In diesem Fall müßte ein geänderter Text neuerlich parlamentarisch beschlossen werden.

Die Kärntner Landesregierung verkennt nicht, daß die von ihr vertretene Rechtsansicht auf eine Änderung des parlamentarisch beschlossenen Gesetzestextes durch ein Organ der Vollziehung hinausläuft, weil die kundgemachte Fassung des Gesetzes im Falle der Zustimmungsverweigerung nach Art97 Abs2 B-VG keinesfalls mit der durch den Landtag beschlossenen Textfassung völlig übereinstimmen kann. (Daß jede Eliminierung von Textbestandteilen - abgesehen von bloßen 'Druckfehlern' im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 3719/1960 - zu einer mehr oder weniger weitreichenden Veränderung des normativen Gehaltes des Gesetzesbeschlusses führt, belegt auch die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Abgrenzung des Umfages der aufzuhebenden Bestimmungen im Gesetzesprüfungsverfahren nach Art140 B-VG - vlg. statt vieler VfSlg. 13140/1992.) Nach Ansicht der Kärntner Landesregierung ist dieses spezielle Verhältnis von Legislative und Exekutive im Verfahren der Landesgesetzgebung aber schon durch Art97 Abs2 B-VG bundesverfassungsgesetzlich vorgegeben."

Abschließend heißt es in der Äußerung der Kärntner Landesregierung:

"Angesichts der Ermächtigung des Landeshauptmannes zur Eliminierung zustimmungspflichtiger, jedoch nicht konsentierter Bestimmungen eines Gesetzesbeschlusses des Landtages durch Art97 Abs2 B-VG anläßlich der Kundmachung bedient sich der Landtag von Kärnten bei der Formulierung von Gesetzestexten von vornherein einer Rechtstechnik, die auch im Falle der Eliminierung all jener Bestimmungen, die die Mitwirkung von Bundesorganen zur Voraussetzung haben, ein Inkrafttreten des verbleibenden Teiles des Gesetzesbeschlusses ermöglicht. Diese Vorgangsweise läßt im Sinne der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Einleitungsbeschluß zum gegenständlichen Gesetzesprüfungsverfahren die 'Gesetzesprärogative des Landtages' insoferne unberührt, als die nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes jedenfalls 'politische' Entscheidung, ob das Gesetz auch ohne die zustimmungspflichtigen Bestimmungen in Kraft treten soll, bereits bei Fassung des Gesetzesbeschlusses durch den Landtag vorweggenommen wird. Hierauf wird auch regelmäßig sowohl in den Erläuterungen zur jeweiligen Regierungsvorlage als auch in den Beratungen der Ausschüsse und des Plenums des Kärntner Landtages hingewiesen. Sofern aber für einen Gesetzesbeschluß in seiner Gesamtheit die Zustimmung der Bundesregierung gemäß Art97 Abs2 B-VG erforderlich ist, darf dieser im Falle der Zustimmungsverweigerung ohnedies überhaupt nicht kundgemacht werden, woran auch eine 'neuerliche Befassung' des Landtages nichts ändern könnte."

c) Auch nach Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung beziehe sich die Zustimmung der Bundesregierung im Verfahren nach Art97 Abs2 B-VG (arg.: "insoweit" in Verbindung mit dem Wort "hiezu") nur auf jene Bestimmung(en) eines Gesetzesbeschlusses, die die Mitwirkung von Bundesorganen vorsehe(n). Ansätze für eine weitere Vorgangsweise im Falle einer Verweigerung dieser Zustimmung enthalte das B-VG nicht, sodaß aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Art97 Abs2 B-VG keine Verpflichtung zur neuerlichen Befassung des jeweiligen Landtages erfließe. Bei Interpretation dieser Bestimmung müsse auch das bundesstaatliche Baugesetz beachtet werden. Die im vorliegenden Prüfungsbeschluß enthaltene Annahme des Verfassungsgerichtshofes eröffne jedoch eine mit diesem Prinzip nicht mehr im Einklang stehende Einflußnahme der Bundesregierung auf die Landesgesetzgebung, indem über das nach Art98 B-VG der Bundesregierung zukommende aufschiebende Vetorecht hinaus im Falle einer vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen die Bundesregierung die Kundmachung eines gesamten Landesgesetzes durch die Verweigerung der Zustimmung zu einer einzigen darin enthaltenen Bestimmung verhindern könne. Eine Wiederholung des Gesetzesbeschlusses durch den Landtag komme nicht in Frage, es müßte ein neuer Gesetzesbeschluß gefaßt und dem Verfahren nach Art98 Abs2 B-VG unterzogen werden. Ebensowenig wäre ein Beharrungsbeschluß bei Verweigerung der Zustimmung nach Art97 Abs2 B-VG und gleichzeitiger Erhebung eines Einspruches nach Art98 Abs2 B-VG möglich. Gleiches gelte für die nur teilweise Versagung der Zustimmung der Bundesregierung.

Jedenfalls sei davon auszugehen, daß dem Landtag das Erfordernis der Zustimmung nach Art97 Abs2 B-VG bekannt sei und daß der Landtag dieses Erfordernis bei der inhaltlichen Fassung des betreffenden Gesetzesbeschlusses auch zu berücksichtigen habe. Dazu wird ausgeführt:

"Die Entscheidung, ob ein Gesetzesbeschluß eventuell auch in der reduzierten Form ohne die einer Zustimmung nach Art97 Abs2 B-VG unterliegenden einzelnen Bestimmungen Gesetz werden soll, wird daher bereits mit dem Gesetzesbeschluß vom Landtag getroffen, sodaß es keiner weiteren Befassung des Gesetzgebers mehr bedarf.

Eine derartige Entscheidung wird daher nicht vom Landeshauptmann als Kundmachungsorgan, sondern immer nur vom Gesetzgeber selbst mit seinem, in diesem Fall bedingten, Gesetzesbeschluß getroffen."

Abschließend verweist die Niederösterreichische Landesregierung auf Art23 Abs2 NÖ LV 1979, der eine bloße Mitteilungspflicht zur Information des Landtages über den Ausgang des Verfahrens nach Art97 Abs2 B-VG vorsehe.

d) Die Steiermärkische Landesregierung meint ähnlich wie die des Burgenlandes, eine Kundmachung eines Gesetzesbeschlusses nach Verweigerung der Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen dürfe nur dann nicht erfolgen, wenn durch das Weglassen der Teile, in denen eine Zustimmung von Bundesorganen vorgesehen war, der Sinn des Gesetzesbeschlusses entscheidend verändert werde. Dies sei in der Steiermark etwa bei Erlassung des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes vom 4. Juli 1995 berücksichtigt worden, von dessen Kundmachung abgesehen worden sei.

Nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung sei es zulässig, einen Gesetzesbeschluß allenfalls auch als ein Gefüge aus Bausteinen zu verstehen, die zwar jeweils von der politischen Intention des Landtages umfaßt seien, aber nicht notwendigerweise insgesamt von einer einheitlichen, auf alle Bestandteile dieses Gesetzesbeschlusses als unlösbare Einheit bezogenen politischen Intention umfaßt sein müßten. Dies werde in der Praxis auch seitens der Bundesregierung in dieser Weise gehandhabt. Dazu heißt es weiter:

"Es kann davon ausgegangen werden, daß dieser Umstand allen an einem Gesetzgebungsverfahren maßgeblich Beteiligten bekannt ist und in Rechnung gestellt wird. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß die Landtage eine Verlautbarungspraxis, die darin besteht, im Falle einer Zustimmungsverweigerung Gesetzesbeschlüsse unter Weglassung der Stellen, hinsichtlich derer die Zustimmung verweigert worden ist, dann kundzumachen, wenn dadurch der rechtliche und politische Sinngehalt des Gesetzesbeschlusses nicht verfälscht wird, kennen und billigen. Ein Landtag hätte die Möglichkeit, in dem Fall, daß die kundgemachte Fassung eines Gesetzesbeschlusses nicht seine Zustimmung findet, alle Instrumente der politischen Kontrolle zu nutzen und den Gesetzesbeschluß aufzuheben. Dies ist nie geschehen."

e) Die Vorarlberger Landesregierung äußerte sich nach eingehender Darstellung der in Vorarlberg gehandhabten Praxis in Fällen der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung von Landesgesetzen dahingehend, daß das Verhältnis Gesetzgebung - Vollziehung nicht ausschließlich nach dem demokratischen Prinzip, sondern auch im Zusammenhang mit dem bundesstaatlichen Prinzip und den Bestimmungen der Bundesverfassung über die Gesetzgebung der Länder zu sehen sei. Nach dem bundesstaatlichen Prinzip seien die - massiven - Eingriffsrechte der Bundesregierung in Gesetzesbeschlüsse der Landtage einschränkend auszulegen. Der vom Art98 B-VG unterschiedliche Art97 Abs2 B-VG dürfe nur so verstanden werden (arg.: "insoweit"), daß der Bundesregierung nur hinsichtlich jener Teile eines Gesetzesbeschlusses des Landtages, die die Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung vorsehen, ein Zustimmungsrecht zustehe, hinsichtlich der übrigen Teile jedoch der Landeshauptmann gemäß Art97 Abs1 B-VG zur Kundmachung verpflichtet sei.

Eine "neuerliche Befassung" des Landtages nach Mitteilung der Zustimmungsverweigerung der Bundesregierung gemäß Art97 Abs2 B-VG könne nur dazu führen, daß der Landtag "einen identen Beschluß unter Weglassung der die Mitwirkung begründenden Bestimmungen" fasse, der einem neuerlichen Verfahren nach Art98 Abs2 B-VG zu unterziehen wäre. Dies führe zu einer erheblichen Verzögerung des Wirksamwerdens des Gesetzesbeschlusses, die im Hinblick darauf, daß der Landtag auch Gesetze erlassen müsse, die in zeitlicher Hinsicht dringend seien, eine stärkere Einschränkung der Gesetzgebungshoheit des Landtages bewirkte als die Auslegung, der Landeshauptmann sei zur Kundmachung der von der Zustimmungsverweigerung nicht erfaßten Teile eines Gesetzesbeschlusses verpflichtet.

f) Die Wiener Landesregierung vertritt die Ansicht, aus Art97 Abs1 B-VG ergebe sich zunächst einmal die Verpflichtung des Landeshauptmannes, jeden Gesetzesbeschluß des Landtages nach seiner Beurkundung und Gegenzeichnung im Landesgesetzblatt kundzumachen. Würde er dieser Verpflichtung nicht nachkommen, läge ein Fall des Art142 Abs2 litd B-VG vor. Auch würde die Nichtkundmachung von Gesetzesbeschlüssen des Landtages im Landesgesetzblatt das Gesetzgebungsmonopol des Landtages - dessen Tätigkeit mit Fassung des Gesetzesbeschlusses, von der einzigen im B-VG ausdrücklich vorgesehenen Ausnahme eines Wiederholungsbeschlusses nach Art98 Abs2 B-VG abgesehen, beendet sei - praktisch zu Fall bringen. Nur in jenen Fällen, in denen nach den Bestimmungen des B-VG eine Kundmachung im Landesgesetzblatt nicht erfolgen dürfe, sei der Landeshauptmann von dieser Verpflichtung befreit.

Jedenfalls sei Art97 Abs2 B-VG im Wege der Wortinterpretation (arg.: vor allem "insoweit" und "hiezu"), nach der "föderalistischen Interpretationsmaxime und dem aus Art97 Abs2 und 98 Abs2 B-VG ableitbaren, dem Bundesverfassungsrecht inhärenten Gebot einer geringstmöglichen Behinderung der (autonomen) Gesetzgebung der Länder durch den Bund" auszulegen, woraus sich ergebe, daß nur "in dem Umfang, in dem ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden" müsse. Vom Kundmachungsverbot könnten sohin nur jene Bestimmungen betroffen sein, welche im Zusammenhang mit der Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung eines Landesgesetzes stünden. Dies werde auch durch die Gegenüberstellung der ausdrücklich im B-VG angeordneten Rechtsfolgen von Art97 und 98 B-VG erhärtet und werde im vorliegenden Anlaßfall augenscheinlich, in dem neben der Versagung der Zustimmung gemäß Art97 Abs2 B-VG die Zustimmung der Bundesregierung gemäß Art98 Abs2 B-VG (stillschweigend) erteilt worden sei, sodaß der Gesetzesbeschluß der letztgenannten Bestimmung zufolge an sich kundgemacht werden dürfte.

Das Erkenntnis VfSlg. 2598/1953 untermauere dieses Ergebnis; noch deutlicher werde dies, wenn man bedenke, daß im Falle des Zusammentreffens eines Einspruches nach Art98 Abs2 B-VG und der Verweigerung einer Zustimmung nach Art97 Abs2 B-VG der Landtag nicht seiner Möglichkeit beraubt sei, einen Wiederholungsbeschluß zu fassen, bei dem es allerdings zu dem angesprochenen Kundmachungshindernis für jene Bestimmungen komme, welche die Mitwirkung von Bundesorganen vorsehen. Dies sei aber nach der vorläufig vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß geäußerten Ansicht nicht mehr möglich.

Jedem Landtag müßten die für das Gesetzgebungsverfahren einschlägigen Bestimmungen des B-VG bekannt sein, so auch jene, die normieren, daß die Teile eines von ihm gefaßten Gesetzesbeschlusses, welche die Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung vorsehen, der Zustimmung der Bundesregierung bedürften, und daß diese Zustimmung von Verfassungs wegen erst nach Fassung des Gesetzesbeschlusses durch den Landtag erteilt werden könne, und ebenso, daß im Verweigerungsfall ein Kundmachungshindernis bestehe, das jedoch bei Fassung des Gesetzesbeschlusses von den Landtagen in Kauf genommen werde. Vermeine nun der Landtag, daß der von ihm gefaßte Gesetzesbeschluß ohne die Bestimmungen betreffend die Mitwirkung von Bundesorganen seinen politischen Intentionen doch nicht entspreche, so stehe es ihm jederzeit frei, das ohne die Bestimmungen durch die Mitwirkung von Bundesorganen zustandegekommene Landesgesetz einer Abänderung zuzuführen. Abschließend erwähnt die Wiener Landesregierung, daß die vom Landeshauptmann von Tirol nicht kundgemachte Bestimmung der GVG-Novelle 1991 gar nicht der Zustimmung der Bundesregierung bedurft hätte, hätte es sich doch bei der darin vorgesehenen Pflicht zur Auskunftserteilung bloß um einen Akt der Amtshilfe im Sinne des Art22 B-VG gehandelt.

5. Der Verfassungsgerichtshof hat auch dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Verfassungsdienst teilt die im Prüfungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes zum Ausdruck kommende Auffassung und meint unter Berufung auf VfSlg.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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