TE OGH 2019/12/16 1Ob194/19i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj J***** W*****, geboren am ***** 2006, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, *****), wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. September 2019, GZ 43 R 402/19i-19, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. Juli 2019, GZ 9 Pu 183/13g-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das 13-jährige Kind wird im Haushalt der Mutter betreut. Der geldunterhaltspflichtige Vater war bisher aufgrund der vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger geschlossenen Vereinbarung vom 1. 10. 2013 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 318 EUR verpflichtet. Er ist darüber hinaus noch für eine 9-jährige Tochter sorgepflichtig. Das durchschnittliche Nettoeinkommen des Vaters beträgt seit Jänner 2019 monatlich 2.299 EUR. Darin sind steuerliche Absetzbeträge nach § 33 Abs 3a (Familienbonus Plus) und § 33 Abs 4 Z 3 EStG (Unterhaltsabsetzbetrag) nicht berücksichtigt.

Das Rechtsmittelverfahren betrifft nur die Unterhaltsbeiträge des Vaters ab 1. 1. 2019. Dazu begehrte das Kind, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab dem genannten Zeitpunkt auf monatlich 470 EUR zu erhöhen. Sein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen betrage 2.299,60 EUR. Dazu seien der halbe Familienbonus Plus in Höhe von 62,50 EUR je Kind, für beide Kinder somit 125 EUR, und auch der Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 EUR hinzuzurechnen, sodass von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von 2.453 EUR auszugehen sei.

Der Vater sprach sich gegen die Erhöhung im begehrten Ausmaß aus. Berechtigt sei – wenn überhaupt – nur ein Unterhaltsbeitrag von monatlich 437 EUR.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, zusätzlich zu der ihm bereits auferlegten Unterhaltsleistung von monatlich 318 EUR ab 1. 1. 2019 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, einen weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrag von 119 EUR, insgesamt daher monatlich 437 EUR, zu zahlen; das Mehrbegehren des Kindes von monatlich 33 EUR wies es ab. Absetzbeträge für weitere Kinder seien nicht zu berücksichtigen. Dem unterhaltspflichtigen Elternteil komme durch die Möglichkeit, ab Jänner 2019 zumindest den halben Familienbonus Plus geltend zu machen, eine ausreichende steuerliche Entlastung seiner Unterhaltspflicht zugute, sodass es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erforderlich sei, noch eine steuerliche Entlastung durch Anrechnung
der Transferleistungen („Familienbeihilfenanrechnung“) vorzunehmen. Der Unterhaltsbemessung sei das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von 2.299 EUR zugrunde zu legen. Davon ausgehend ergebe der Prozentunterhalt von 19 % den Betrag von 437 EUR.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Rechtlich führte es aus, nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Familienbonus Plus seien für das jeweils Unterhalt fordernde Kind „Teil der Bemessungsgrundlage“, für andere Kinder bezogene Unterhaltsabsetzbeträge und Familienboni seien hingegen auszuscheiden. Der Geldunterhaltsschuldner sei auf die laufende monatliche Geltendmachung anzuspannen; er habe zumutbare Schritte zur Maximierung seines Einkommens zu unternehmen. In den meisten Fällen führe bereits der halbe Familienbonus Plus zu einer ausreichenden steuerlichen Entlastung, sodass eine weitere Entlastung durch Anrechnung der Transferleistungen nicht mehr zu erfolgen habe, sondern der ungekürzte Prozentunterhalt zuzusprechen sei. Bis zu einem Unterhalt von ca 600 EUR monatlich für ein Kind ergebe sich bereits eine ausreichende steuerliche Entlastung. Seit Jänner 2019 sei der neu eingeführte Familienbonus Plus „bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen“, jedoch die Familienbeihilfe nicht mehr anzurechnen, sondern der ungekürzte Prozentunterhalt zuzusprechen. 2.299 EUR x 19 % (20 % für das unterhaltsberechtigte Kind abzüglich 1 % für die weitere Tochter des Vaters) ergäbe gerundet 437 EUR monatlich.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Unterhaltsbemessung im Zusammenhang mit dem Familienbonus Plus noch keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes, das für die Zeit ab 1. 1. 2019 eine Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags des Vaters um weitere 33 EUR, insgesamt somit auf monatlich 470 EUR, anstrebt. Nach seiner Ansicht senke der Familienbonus Plus die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen und erhöhe damit das verfügbare Nettoeinkommen. Aus diesem Grund müsse der Unterhaltsschuldner die Unterhaltsberechtigten an diesem Steuervorteil teilhaben lassen. In die Unterhaltsbemessungsgrundlage seien daher die Familienboni und Unterhaltsabsetzbeträge für alle Kinder miteinzurechnen und nicht nur die für das jeweils Unterhalt fordernde Kind.

Der Vater hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst mit ausführlicher Begründung zur Unterhaltsbemessung von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres klargestellt (4 Ob 150/19s), dass es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag handelt. Der Gesetzgeber habe den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die steuergesetzlichen Maßnahmen Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag herbeizuführen. Dadurch finde eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt, weshalb es der (teilweisen) Anrechnung der Transferleistungen (zB Familienbeihilfe) auf Geldunterhaltsverpflichtungen nicht mehr bedürfe. Der Familienbonus Plus sei nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, solle er doch nach der Zielrichtung des Steuergesetzgebers in generalisierender Betrachtungsweise dazu dienen, das Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen, aus dem der Unterhalt geleistet werde, nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs steuerfrei zu stellen, welches Ziel nur erreicht werden könne, wenn der entsprechende Betrag dem Unterhaltspflichtigen verbleibe. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag blieben damit unterhaltsrechtlich neutral.

Dieser Rechtsansicht schließt sich der erkennende Senat an.

2. Nach den dargelegten Grundsätzen hat das Rekursgericht den Familienbonus Plus sowie den Unterhaltsabsetzbetrag (sowohl für das Kind als auch für eine weitere Tochter des Vaters) im Ergebnis bei der Unterhaltsbemessung zu Recht nicht berücksichtigt. Dem Revisionsrekurs des Kindes ist daher der Erfolg zu versagen.

Textnummer

E127336

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00194.19I.1216.000

Im RIS seit

13.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten