TE OGH 2019/12/17 10Ob71/19t

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes L*****, geboren ***** 2009, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Kindes, in Unterhaltssachen vertreten durch das Land Wien als Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirk 21, 1210 Wien, Franz-Jonas-Platz 12), gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 2019, GZ 42 R 180/19k-76, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 19. März 2019, GZ 16 Pu 49/19f-71, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das 10-jährige Kind befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter. Der Vater war bisher aufgrund einer vor dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe geschlossenen Vereinbarung vom 23. 4. 2015 seit 1. 2. 2015 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 260 EUR an das Kind verpflichtet.

Der geldunterhaltspflichtige Vater bezieht ein monatliches Nettodurchschnittseinkommen von 1.698,47 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen. Er hat keine weiteren Sorgepflichten zu erfüllen.

Das Kind beantragte, den Vater ab 1. 2. 2019 zu einer Unterhaltsleistung von monatlich 360 EUR zu verpflichten. Dem genannten monatlichen durchschnittlichen Einkommen des Vaters seien der halbe Familienbonus Plus und der Unterhaltsabsetzbetrag hinzuzurechnen, woraus sich eine Unterhaltsbemessungsgrundlage von 1.790,17 EUR errechne.

Der Vater beteiligte sich weder am erstinstanzlichen Verfahren noch am Rechtsmittelverfahren.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, zusätzlich zu der ihm bisher auferlegten Unterhaltsverpflichtung von monatlich 260 EUR ab 1. 2. 2019 einen monatlichen Betrag von 80 EUR, gesamt daher monatlich 340 EUR zu leisten; das Mehrbegehren von monatlich 20 EUR wies es ab. Beim Familienbonus Plus handle es sich lediglich um eine steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils, er solle aber nicht der „Vermehrung“ des Geldunterhaltsbetrags des Kindes dienen. Der Geldunterhaltsanspruch des Kindes betrage altersbedingt 20 % des Nettoeinkommens des Vaters.

Das Rekursgericht gab dem vom Kind gegen diesen Beschluss im Umfang der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens erhobenen Rekurs nicht Folge. Es billigte mit ausführlicher Begründung die Rechtsansicht des Erstgerichts. Den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Berücksichtigung des Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Vater nicht beantwortete Revisionsrekurs des Kindes, mit dem das Kind die Erhöhung des Unterhalts um weitere 20 EUR monatlich ab 1. 2. 2019 anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Auch im Revisionsrekurs vertritt das Kind den Standpunkt, dass der Familienbonus Plus das Nettoeinkommen des Geldunterhaltspflichtigen und damit auch die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhe. Es wäre ein nicht zu begründender Wertungswiderspruch, wenn alle Gläubiger, also auch familienfremde Gläubiger, durch den Familienbonus Plus in den Genuss von erhöhten pfändbaren Beträgen kommen könnte, dies für geldunterhaltsberechtigte Kinder jedoch nicht möglich wäre.

Dem kommt keine Berechtigung zu.

1.1 Der Oberste Gerichtshof hat sich in der erst nach der Beschlussfassung des Rekursgerichts ergangenen Entscheidung 4 Ob 150/19s ausführlich mit der Frage der Behandlung des Familienbonus Plus im Unterhaltsrecht auseinandergesetzt. Mit dieser Entscheidung erfolgte aus Anlass der neuen gesetzlichen Regelung zum Familienbonus Plus mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 2018/62, eine Neuausrichtung der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung.

1.2 Nach der Entscheidung 4 Ob 150/19s handelt es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die in dieser Entscheidung ausführlich dargestellten steuergesetzlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.

1.3 Diesen ausführlichen Erwägungen schließt sich der Senat an.

1.4 Der Gesetzgeber hat auf die in 4 Ob 150/19s ausführlich dargestellten Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs (vgl die Nachweise in der genannten Entscheidung) reagiert und den Familienbonus Plus mit dem Ziel eingeführt, dass das Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen, aus dem der Unterhalt geleistet wird, durch den Familienbonus Plus – gemeinsam mit dem Unterhaltsabsetzbetrag – steuerlich entlastet wird. Gegenüber dritten Gläubigern ist eine solche steuerliche Entlastung nicht intendiert, sodass das Kind mit dem Argument, es würde diesen gegenüber schlechter behandelt werden, keine offenbare Verfassungswidrigkeit der Neuregelung aufzeigt.

2. Die Vorinstanzen haben demnach zu Recht den Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung nicht berücksichtigt.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Textnummer

E127343

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00071.19T.1217.000

Im RIS seit

13.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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