Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Strafsache gegen Thomas M***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 5. Februar 2019, GZ 201 Hv 12/18z-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas M***** mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im August 2018 in G***** mit der am ***** 2006 geborenen, somit unmündigen Lena Mr*****, den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er mit ihr zweimal den vaginalen und dreimal den oralen Verkehr vollzog.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitbeschwerde des Angeklagten.
Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801, RS0116823). Diesen Bezugspunkt verfehlt die Beschwerde, indem sie die Behauptung nicht schwerer Schuld (§ 7 Abs 2 Z 1 JGG; vgl dazu eingehend Schroll/Kert, WK-StPO § 198 Rz 13 ff) aus eigenen Überlegungen ableitet, aber die Feststellungen übergeht, denen zu Folge die insgesamt fünf gravierenden Eingriffe in die geschlechtliche Sphäre des 11-jährigen Opfers binnen ein paar Wochen stattfanden und dafür mitursächlich waren, dass das Opfer begann, sich selbst physischen Schaden durch Ritzen der Arme zuzufügen (US 12 f).
Zudem ist in Anbetracht der Strafdrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe die Schuld nur bei – hier nicht gegebenem – Vorliegen zusätzlicher unrechts- oder schuldmindernder Umstände als durchschnittlich anzusehen (Schroll in WK² JGG § 7 Rz 15 mwN; vgl auch Schroll/Kert, WK-StPO § 198 Rz 6/14), sodass diversionelles Vorgehen nach § 7 JGG fallbezogen nicht in Betracht kommt.
Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) haben die Tatrichter das Alter des Opfers von 11 Jahren nicht im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt (siehe US 10 f), sondern vielmehr ausschließlich im Zusammenhang mit der Ablehnung diversionellen Vorgehens (US 11 ff).
Im Übrigen verstieße die aggravierende Wertung des Lebensalters von 11 Jahren nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil insoweit bereits die Unmündigkeit, also die Nichtvollendung des 14. Lebensjahres (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB), an sich die Strafdrohung (§ 206 Abs 1 StGB) bestimmt und jedes (noch) weitere Zurückbleiben des Lebensalters des Opfers unter dieser Altersgrenze gemäß § 32 Abs 3 StGB strafschärfend wirkt (vgl RIS-Justiz RS0090958 [insbesondere T3, T4]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E127335European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00149.19G.0120.000Im RIS seit
12.02.2020Zuletzt aktualisiert am
12.02.2020