Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Abdullah K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 8. Juli 2019, GZ 41 Hv 18/18i-55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Abdullah K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1), mehrerer Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 Z 1 erster Fall und 4 vierter Fall StGB idF vor BGBl I 2019/105 (2/b und 2/c), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3) und der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (2/a) sowie der Vergehen, der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (4) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (5) schuldig erkannt.
Danach hat er in L***** und an anderen Orten
1) am 15. Februar 2014 Asli D***** mit Gewalt zur Duldung des Analverkehrs genötigt, indem er sie auf ein Bett stieß, im Nacken festhielt und gegen ihren Willen seinen Penis in ihren After einführte,
2) durch im Urteil bezeichnete Handlungen und Äußerungen längere Zeit hindurch gegen andere Personen fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar
a) ab dem 1. Juni 2009 bis zum Februar 2010 und vom Juli 2011 bis zum 19. November 2014 gegen Asli D*****,
b) ab dem Jahr 2012 bis zum 19. November 2014, also länger als ein Jahr, gegen seine am 25. April 2008 geborene, somit unmündige, Tochter Berfin K*****, sowie
c) ab dem Jahr 2009 bis zum Februar 2010 und vom Juli 2011 bis zum 19. November 2014, also länger als ein Jahr, gegen seinen am 18. Juni 2003 geborenen, somit unmündigen, Sohn Ilhan K*****,
3) Asli D***** durch im Urteil bezeichnete Handlungen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
a) im September 2008, wodurch die Genannte Schwellungen und Hämatome erlitt, und
b) zwischen September und November 2008, wodurch die Genannte das Bewusstsein verlor und eine Schwellung am Hinterkopf und Rötungen im Kniebereich erlitt, weiters
Asli D***** durch im Urteil bezeichnete Äußerungen
4) zwischen September und November 2008 zu einer Unterlassung genötigt und
5) am 9. Februar 2017 zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Aussage der Zeugin Asli D***** wurde vom Erstgericht erörtert und für glaubwürdig befunden (US 11 f, 14 f). Angaben der Genannten zur „Sexsucht“ und zum generell groben Beischlafverhalten des Angeklagten stehen den Feststellungen zum Schuldspruch 1 nicht entgegen. Aus dem Blickwinkel der Unvollständigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO war ein Eingehen auf die angesprochenen Details der Aussage somit nicht erforderlich, es hätte vielmehr gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS-Justiz RS0106642).
Bei der
Glaubwürdigkeitsbeurteilung ließ das Erstgericht weder die Divergenzen in den Angaben der Asli D***** (vgl US 14) noch ihre Verurteilung durch das Landesgericht Feldkirch unberücksichtigt (vgl US 16).
Indem die Mängelrüge den Angaben der Belastungszeugin Asli D***** Glaubwürdigkeit abspricht und die Erwägungen des Erstgerichts substratlos als „argumentativ nicht nachvollziehbar“ bezeichnet, bekämpft sie die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zum Schuldspruch 2 begegnet deren Ableitung aus dem objektiven Tatgeschehen (US 16 f iVm US 7 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS-Justiz RS0098671).
Der auf eine Aussage der Zeugin Zeynep G***** bezogene Einwand der Unvollständigkeit zeigt mangels Konnexes zu entscheidenden Tatsachen keinen dem Erstgericht im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO (vgl dazu RIS-Justiz RS0118316) unterlaufenen Begründungsfehler auf.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) behauptet mögliche Verdrängung des Verbrechens nach § 201 Abs 1 StGB durch das Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB infolge Spezialität. Da sie dabei nicht aus dem Gesetz ableitet, weshalb – wie beim angesprochenen Scheinkonkurrenztypus vorausgesetzt (RIS-Justiz RS0091146) – § 107b Abs 1 StGB entgegen dem Wortlaut der in Rede stehenden Normen sämtliche Tatbestandselemente des § 201 Abs 1 StGB in sich schließen soll, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0116565).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E127346European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00103.19Z.0129.000Im RIS seit
13.02.2020Zuletzt aktualisiert am
13.02.2020