TE OGH 2020/1/20 12Os158/18d

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Veröffentlicht am 20.01.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2020 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Strafsache gegen Viktor M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB, AZ 352 HR 214/11x des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Dr. Stefan T***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO in Ansehung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom 31. Oktober 2018, AZ 20 Bs 283/18s, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Im Ermittlungsverfahren gegen Viktor M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 703 St 3/11t (nunmehr AZ 713 St 24/18i) der Staatsanwaltschaft Wien, ordnete das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 28. April 2017, GZ 352 HR 214/11x-508, über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 26. April 2017 (ON 1 S 235 ff) unter anderem die Beschlagnahme der auf dem auf „Stefan Bogdan T*****“ lautenden Konto Nr ***** bei der C***** S.A., Zweigniederlassung Österreich, gemäß § 109 Z 1 lit b StPO sichergestellten Guthaben von 1.777.792,75 Euro (Verrechnungskonto) und 46.874 Euro (Wertpapierdepot) gemäß § 115 Abs 1 Z 3 StPO an.

Dagegen richtete sich eine Beschwerde des Beschuldigten Dr. Stefan T*****, der das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 30. August 2017, AZ 20 Bs 164/17i, Folge gab und (lediglich) die Beschlagnahme dieser sichergestellten Kontoguthaben aufhob sowie dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug (ON 538).

Am 12. September 2017 erklärte die Staatsanwaltschaft, den Antrag auf Beschlagnahme aufrecht zu halten, und stützte diesen – verbunden mit dem Hinweis auf eine Anschlusserklärung der Privatbeteiligten F***** GmbH – nun auch auf § 115 Abs 1 Z 2 StPO (ON 1 S 269).

In der Folge richtete die Staatsanwaltschaft am 30. November 2017 ein (bereits länger vorbereitetes) Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung an die rumänischen Justizbehörden (vgl den Abfertigungsvermerk ON 1 S 283), dessen Einlangen dort sich aus dem weiteren Akteninhalt ergibt (vgl den Mailverkehr vom 26./27. April 2018, ON 627).

Mit Note vom 10. September 2018 teilte die Haft- und Rechtsschutzrichterin sowohl der Anklagebehörde als auch dem Beschuldigten Dr. Stefan T***** mit, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß Art 28 des Europäischen Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung, BGBl 1980/250, zur Entscheidung über die Anträge der Staatsanwaltschaft vom 26. April 2017 und 12. September 2017 auf Beschlagnahme der auf dem Konto Nr ***** bei der C***** erliegenden Guthaben nicht mehr zuständig sei (ON 688).

Das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht wies die dagegen erhobene Beschwerde des Beschuldigten Dr. Stefan T***** (ON 695) mit Beschluss vom 31. Oktober 2018, AZ 20 Bs 283/18i, als unzulässig zurück (ON 701). Zur Begründung verwies der Beschwerdesenat darauf, dass kein Fall des § 87 Abs 2 zweiter Satz StPO vorläge. Auch das Rechtsmittelgericht betonte die Zuständigkeit des ersuchten Staates für alle vorläufigen Maßnahmen, sobald er – wie hier (BS 2) – ein Verfolgungsersuchen erhalten hat (BS 5).

Rechtliche Beurteilung

Gegen den zuletzt genannten Beschluss des Oberlandesgerichts Wien richtet sich der – nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gestützte – (rechtzeitige) Antrag des Beschuldigten Dr. Stefan T***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam, mit welchem dieser eine Verletzung von Art 6 MRK und Art 1 1. ZPMRK sowie Art 17, 47 und 48 GRC geltend macht.

Indes zu Unrecht.

Mit Entscheidung des verstärkten Senats vom 30. November 2018, AZ 13 Os 49/16d, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens auch im von der Rechtsprechung (13 Os 135/06m, SSt 2007/53; RIS-Justiz RS0122228) erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden kann.

Der Erneuerungsantrag ist daher in Ansehung der Relevierung einer Verletzung von Art 17, 47 und 48 GRC schon aus diesem Grund unzulässig.

Zum Vorbringen des Erneuerungswerbers im Übrigen:

Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS-Justiz RS0122228), bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737, RS0128394).

Demnach hat – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 13 Rz 16) – auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359, RS0128393) und – soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).

Diesen Erfordernissen wird das weitgehend keinen konkreten Bezug zur angefochtenen Entscheidung herstellende, sich vielmehr in allgemeiner Kritik am Verfahrensfortgang verlierende Antragsvorbringen nicht gerecht.

Soweit der Erneuerungswerber die Verfahrensführung bis zur Abfertigung des Ersuchens um Übernahme der Strafverfolgung durch die rumänischen Justizbehörden releviert, lässt er außer Acht, dass dieses Vorbringen bereits Gegenstand des zu 12 Os 72/18g zurückgewiesenen Erneuerungsbegehrens war und dass dem Betroffenen in ein und derselben Sache nur ein Erneuerungsantrag zusteht (vgl RIS-Justiz RS0123231, RS0122736 [T11]).

Weshalb bereits die „Übermittlung des Ersuchens um Übernahme der Strafverfolgung ohne die vorherige gerichtliche Beschlagnahme durch ein österreichisches Gericht“ dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art 6 Abs 1 MRK widersprechen sollte, leitet der Erneuerungswerber nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0128393 [T2]). Mit dem pauschalen Vorwurf, die „Vorgangsweise der österreichischen Strafverfolgungsbehörden“ stelle „zweifelsohne eine Rechtsverletzung der subjektiven Rechte des Beschuldigten dar“ und stehe in „krassem Widerspruch zu einem fairen Verfahren im Sinne des Art 6 Abs 1 MRK“, vermag er eine darauf bezogene Grundrechtsverletzung durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts nicht deutlich und bestimmt aufzuzeigen.

Mit dem – im Übrigen inhaltlich nicht nachvollziehbaren – Vorbringen, die Staatsanwaltschaft Wien „habe es nunmehr seit über einem Jahr unterlassen, einen Antrag auf Beschlagnahme bei den rumänischen Behörden einzubringen“, verkennt der Antragsteller, dass § 363a Abs 1 StPO an eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts anknüpft (RIS-Justiz RS0128957).

Durch den in der vorliegenden Verfahrenskonstellation nicht nachvollziehbaren Einwand, „eine Beschlagnahme iSd § 115 StPO im Rechtshilfeweg sei … zwingend gemäß § 58 ARHG zu befristen“, wird eine Konventionsverletzung jedenfalls nicht zur Darstellung gebracht.

Wenn der Erneuerungswerber – offenbar unter dem Aspekt von Art 13 MRK – vermeint, bei der vom Landesgericht für Strafsachen Wien als auch vom Oberlandesgericht Wien vertretenen Rechtsansicht gäbe es für den Betroffenen schlicht keinen Rechtsbehelf, die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung überprüfen zu lassen bzw eine solche einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen, negiert er die Kompetenzverschiebung durch Art 28 des Europäischen Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung, BGBl 1980/250, an den ersuchten Staat, sobald dieser ein Verfolgungsersuchen erhalten hat (vgl BS 5).

Da ein Verstoß gegen Art 1 1. ZPMRK – auch der Sache nach – erstmals im Erneuerungsverfahren behauptet wurde, fehlt es insofern schon an der gebotenen horizontalen Rechtswegerschöpfung. Der Einwand, dieses Vorbringen sei bereits in der früheren (sich nicht auf die hier angefochtene Entscheidung beziehenden) Beschwerde vom 11. Mai 2017 (ON 512) thematisiert worden, ist unerheblich und trifft im Übrigen nicht zu.

Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

Textnummer

E127301

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00158.18D.0120.000

Im RIS seit

10.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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