TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/1 98/05/0064

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.1998
beobachten
merken

Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1994 §47 Abs1;
BauO OÖ 1994 §48 Abs1 Z1;
BauO OÖ 1994 §48 Abs2;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Pletzer Baugesellschaft mbH in Gmunden, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und Dr. Otto Urban, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, Feldgasse 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. Februar 1998, Zl. BauR-012125/1-1998/PE/En, betreffend baupolizeiliche Aufträge (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zufolge eines Berichtes eines amtstechnischen Sachverständigen des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 23. September 1997 hat dieser festgestellt, daß beim Gebäude der Beschwerdeführerin in Linz, Museumstraße 28, die Kellerfenster an der Museumstraße eingeschlagen seien und Absturzgefahr für Kleinkinder bestehe. Die Fenster im Erdgeschoß an der Straßenseite seien teilweise eingeschlagen. Am westseitigen Anbau im ehemaligen Ausstellungsraum seien die großen Glasscheiben durch Sprünge schadhaft geworden. Die Inneneinrichtung im Erdgeschoß im ehemaligen Gasthof sei zerstört und liege in den Räumen. Sämtliche WC und Sanitäranlagen im Erdgeschoß seien zerstört, sodaß diese nicht mehr benützt werden könnten. Weiters seien die Glasscheiben von den Innentüren und auch ganze Innentüren beschädigt und herausgerissen worden. Am Dach seien zwei Rhombuseternitplatten abgerutscht, sodaß es in das Gebäude hineinregne. Das Gebäude sei derzeit nicht versperrt, es stehe leer und werde derzeit nicht benützt.

Dieser Bericht wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25. September 1997 zur Kenntnis gebracht, gleichzeitig wurde ihr mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, Instandsetzungs- bzw. Sicherungsaufträge hinsichtlich der Sanitäranlagen, der zerbrochenen Glasscheiben, der Türen im Gebäudeinneren und der fehlenden Rhombuseternitplatten zu erlassen.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1997 erließ der Magistrat der Landeshauptstadt Linz gemäß §§ 47 und 48 Abs. 2

O.ö. Bauordnung 1994 Instandsetzungsaufträge mit folgendem Wortlaut:

"1. Alle Sanitäranlagen sind wieder instandzusetzen, sodaß sie benützbar sind.

2. Die zerbrochenen Glasscheiben am Gebäude sind durch neue zu ersetzen.

3. Die Türen im Gebäudeinneren sind so instandzusetzen, daß sie wieder benützt werden können.

4. Die fehlenden Rhombuseternitplatten sind durch neue zu ersetzen."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, die Instandsetzungs- und Sanierungsaufträge seien für die Beschwerdeführerin keinesfalls relevant, da sie seit mehr als einem Jahr um Bebauungsplanänderung angesucht habe. Das besichtigte und beschriebene Gebäude sei zum Abbruch vorgesehen. Wie bereits in einem Schreiben vom 14. Oktober 1997 mitgeteilt, würden die gebrochenen Glasscheiben entlang des Gehsteiges repariert, um Verletzungen zu vermeiden. Alle übrigen angeführten Punkte würden aus wirtschaftlichen Gründen unbearbeitet bleiben.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 21. Jänner 1998 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 21. Oktober 1997 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wurde mit der Maßgabe bestätigt, daß als Erfüllungsdatum hinsichtlich der Punkte 1. und 3. der Auflagen statt 30. Dezember 1997 das Datum 30. März 1998 gesetzt wurde.

Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hat die belangte Behörde den Bescheid des Stadtsenates in bezug auf den Auftrag zu Punkt 3. des erstinstanzlichen Bescheides aufgehoben und die Angelegenheit diesbezüglich an die Behörde zweiter Instanz zurückverwiesen. Im übrigen wurde der Vorstellung mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführerin insoweit durch den Bescheid des Stadtsenates in ihren Rechten nicht verletzt würde. Zur Begründung der Abweisung der Vorstellung wurde nach Hinweis auf § 47 Abs. 1 O.ö. BauO 1994 ausgeführt, daß die Sanitäranlagen im verfahrensgegenständlichen Objekt, dies sei selbst in der Vorstellung nicht bestritten worden, zerstört und damit nicht mehr benützbar seien. Somit sei klar, daß dieser Umstand die Erfordernisse der Hygiene (und u.U. sogar der Gesundheit) beeinträchtige und somit in diesem Punkt eine Verletzung der Erhaltungspflicht vorliege. In der Vorstellung werde auch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt, daß die zerbrochenen Glasscheiben beim Gebäude eine Gefahr für die körperliche Sicherheit von Menschen darstellten. Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ermögliche eine schadhafte Dachdeckung einen Wassereintritt in ein Gebäude und könne somit zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit der baulichen Anlage führen. Da die Beschwerdeführerin somit auch hinsichtlich des Zustandes des Daches ihrer aus § 47 Abs. 1 O.ö. BauO 1994 erfließenden Erhaltungspflicht nicht nachgekommen sei, entspreche der diesbezügliche Mängelbehebungsauftrag ebenfalls dem Gesetz. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, die Behebung der festgestellten Mängel sei im Hinblick auf den geplanten Abbruch des Gebäudes vollkommen unwirtschaftlich, habe bereits die Berufungsbehörde zutreffend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1987, Zl. 86/05/0136, entgegengehalten, wonach Fragen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit im Rahmen des baupolizeilichen Auftragsverfahrens ganz allgemein nicht zu prüfen seien. Es stehe der Beschwerdeführerin allerdings frei, den verfahrensgegenständlichen Bau (umgehend) abzubrechen, womit die aufgetragenen Sanierungsmaßnahmen obsolet würden. Nach dem zitierten Judikat vom 14. April 1987 spiele es auch im Zusammenhang mit Sanierungsaufträgen keine Rolle, ob im Zeitpunkt einer behördlichen Erhebung Teile des Objektes bewohnt würden oder nicht, zumal auch zum Erhebungszeitpunkt zufällig leerstehende Wohnungen jederzeit wieder einem Wohnzweck zugeführt werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, daß sich die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde "im besonderen" gegen die Abweisung der Vorstellung hinsichtlich der Punkte 1. und 4. des erstinstanzlichen Bescheides richtet. Hinsichtlich der Aufträge zu den Punkten 2. und 3. des erstinstanzlichen Bescheides enthält die Beschwerde keine Ausführungen. Der zur hg. Zahl 98/05/0106 protokollierten Beschwerde ist zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin davon ausgeht, jedenfalls zu Punkt 3. des erstinstanzlichen Bescheides keine Beschwerde eingebracht zu haben. Da auch der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermag, inwiefern in bezug auf den Auftrag zu Punkt 2., eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin vorliegen könnte, war die Beschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 47 Abs. 1 der O.ö. BauO 1994 hat der Eigentümer einer baulichen Anlage dafür zu sorgen, daß die Anlage in einem den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten wird. Im übrigen sind bauliche Anlagen so zu erhalten, daß die Sicherheit, die Festigkeit, der Brandschutz, die Wärmedämmung und der Wärmeschutz, die Schalldämmung und der Schallschutz der baulichen Anlage und die Erfordernisse der Gesundheit, der Hygiene, des Unfallschutzes und der Bauphysik nicht beeinträchtigt werden und ein nach Art und Zweck der Anlage unnötiger Energieverbrauch sowie schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Hat sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert, daß eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Hygiene oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder für fremde Sachwerte entsteht, gleichgültig worauf die Verschlechterung zurückzuführen ist, liegt gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ein Baugebrechen vor. Erlangt die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens, hat sie zufolge des Abs. 2 der zuletzt zitierten Bestimmung dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, daß sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen. Ein Instandsetzungsauftrag steht der Erteilung einer Abbruchbewilligung nicht entgegen.

Dem Beschwerdevorbringen, das Objekt sei zum Abbruch bestimmt, ist entgegenzuhalten, daß es der Beschwerdeführerin freisteht, eine Abbruchbewilligung zu erwirken und umgehend von der erteilten Bewilligung Gebrauch zu machen. Der so geänderte Sachverhalt würde einer Vollstreckung des Bauauftrages entgegenstehen. Das Argument, die Beschwerdeführerin habe bereits "um die Änderung des Bebauungsplanes" angesucht, verfängt schon deshalb nicht, weil für die Abbruchbewilligung im gegebenen Zusammenhang keine Änderung des Bebauungsplanes erforderlich ist. Zutreffend hat schon die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 14. April 1987, Zl. 86/05/0136, hingewiesen, wonach nicht einmal eine allenfalls erteilte Abbruchbewilligung einen baupolizeilichen Auftrag unwirksam macht und ein Instandsetzungsauftrag auch der Erteilung einer Abbruchbewilligung nicht entgegensteht. Diese Rechtsansicht, die noch auf der O.ö. BauO 1976 beruhte, ist auch aufgrund der O.ö. BauO 1994 weiterhin zu vertreten; die aus § 47 O.ö. BauO 1994 erfließende Erhaltungspflicht endet weder mit dem bloß beabsichtigten Abbruch eines Gebäudes, noch steht ein Instandsetzungsauftrag einer Erteilung einer Abbruchbewilligung entgegen. Daß eine Instandsetzung technisch nicht mehr möglich wäre oder die Aufträge so weitgehend wären, daß deren Erfüllung einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, hat die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet, es ist nach den Umständen des Falles auch auszuschließen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde und der Baubehörden, wonach das Fehlen sanitärer Anlagen in einem Objekt, das grundsätzlich für die Benützung von Personen vorgesehen ist, eine Gefahr für die Hygiene und in der Folge für die Gesundheit von Menschen bedeutet und somit ein Baugebrechen im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 O.ö. BauO 1994 darstellt. Auch die Ansicht der belangten Behörde, wonach wegen zweier fehlender Rhombuseternitplatten auf dem Dach Wasser eindringen kann und in der Folge durch eindringende Niederschlagswässer die Tragfähigkeit der Decke vermindert werden kann und ein derartiger Mangel daher ein Baugebrechen darstellt, trifft zu, weil schadhafte Decken eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen bedeuten. Mit Recht hat daher schon die Behörde erster Instanz Aufträge hinsichtlich der Herstellung der fehlenden Sanitäranlagen und der Einfügung fehlender Dachplatten erteilt. § 48 Abs. 1 Z. 1 O.ö. BauO 1994 ist nämlich nicht darauf abgestellt, daß die Gefahr bereits besteht, sondern daß sie entsteht. Aus öffentlichem Interesse hat die Baubehörde demnach mit der Erlassung eines auf § 48 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gestützten baupolizeilichen Auftrages nicht solange zuzuwarten, bis die Gefahr bereits besteht, der Auftrag ist vielmehr bereits dann zu erlassen, wenn sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert hat, daß nach sachkundigem Wissen bzw. der allgemeinen Erfahrung bei Nichtbehebung des Mangels eine Gefährdung eintreten würde.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998050064.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten