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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien I, Wiesingerstraße 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. Oktober 1996, Zl. MD-VfR - B XII - 6/96, betreffend Parteistellung in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: REALWERT Liegenschaftsvermietungsgesellschaft mbH & Co Projekt Rotenmühlgasse KEG, Linz, Hafferlstraße 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 10. Oktober 1991 wurde dem Bauwerber und Grundeigentümer der Liegenschaft EZ 167 der KG Meidling, Rotenmühlgasse 31, antragsgemäß im Grunde des § 70 der Bauordnung für Wien (BO) die Bewilligung erteilt, "nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen auf der im Betreff genannten Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:
'Auf der Liegenschaft sollen sämtliche Lager- und Kühlgebäude abgetragen werden. Auch die Einfriedungsmauern sollen abgetragen werden.'
Mit Eingabe vom 28. Februar 1996 beantragte der Beschwerdeführer als Eigentümer der Liegenschaft Rotenmühlgasse 28, die Baubehörde möge "mit Bescheid über meine Parteistellung absprechen". Auf der Liegenschaft Rotenmühlgasse 31 würden Bauarbeiten vorgenommen und die errichteten Gebäude abgebrochen. Dem seinerzeitigen "Abbruchsverfahren bzw. Baubewilligungsverfahren" sei er nicht bezogen worden.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 23. Mai 1996 wurde "der Antrag auf Parteistellung im Abbruchverfahren für das Haus in Wien 12., Rotenmühlgasse 31 ... mangels Berührung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte zurückgewiesen".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. Oktober 1996 wurde aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers der Bescheid der Baubehörde erster Instanz "mit der Maßgabe bestätigt", daß sein Spruch wie folgt zu lauten hat:
"Gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung vor der Bauordnungs-Novelle 1992 (LGBl. für Wien Nr. 34/1992) in Verbindung mit § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) wird auf Antrag des Herrn Dr. Theodor Strohal festgestellt, daß diesem in dem beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/12 zur Zl. MA 37/12-Rotenmühlgasse 31/1879/91, anhängig gewesenen Verfahren über die Erteilung der Bewilligung für die Abtragung der Gebäude auf der Liegenschaft in Wien 12, Rotenmühlgasse 31, EZ 167 der KG Meidling, Parteistellung nicht zukommt."
In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, zur Beurteilung der Parteistellung des Beschwerdeführers in dem mit Ansuchen vom 4. Juni 1991 eingeleiteten Abtragungsbewilligungsverfahren sei im Hinblick auf die Übergangsbestimmung im Art. IV der Bauordnungsnovelle 1992, wonach für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieser Bauordnungsnovelle anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen gelten, die Bestimmung des § 134 Abs. 3 in der Fassung vor dieser Novelle heranzuziehen. Auch nach § 134 Abs. 3 BO in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992 käme aber dem Beschwerdeführer in dem hier maßgeblichen Abtragungsbewilligungsverfahren Parteistellung nicht zu. Durch die Abtragung der Gebäude auf dem Grundstück Rotenmühlgasse 31 würde weder der Lichteinfall auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers, wie von diesem behauptet, beeinträchtigt, noch würden Abstandsvorschriften verletzt. Eine Beeinträchtigung des Lichteinfalles auf eine Liegenschaft sowie eine Verletzung von Abstandsvorschriften sei überhaupt nur bei der Errichtung von Gebäuden oder baulichen Anlagen denkbar, hingegen bei der Abtragung von Gebäuden schlechthin ausgeschlossen. Die allfällige Errichtung neuer Gebäude auf dem Grundstück Rotenmühlgasse 31 sei jedoch nicht Gegenstand des Abtragungsverfahrens gewesen. Auch die Frage der Flächenwidmung könne im Verfahren über die Erteilung einer Abbruchbewilligung unter dem Gesichtspunkt der durch die Bauordnung eingeräumten Nachbarrechte nicht von Bedeutung sein, sondern sei erst im Baubewilligungsverfahren hinsichtlich der Errichtung eines Neubaues aufzurollen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1988, Zl. 88/05/0097). Beim Abbruch von Gebäuden könnten somit auch keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte aus dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan entnommen bzw. begründet werden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung der Bauordnung für Wien über die Festsetzung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne sowie das für das verfahrensgegenständliche Grundstück Rotenmühlgasse 31 geltende Plandokument aufgehoben habe, gehe somit, bezogen auf das Abtragungsbewilligungsverfahren, völlig ins Leere. Da auch die Liegenschaft des Beschwerdeführers nicht unmittelbar an das Grundstück Rotenmühlgasse 31 angrenze, vielmehr von diesem durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennt sei, sei auch auszuschließen, daß es durch den Abbruch der Gebäude auf dem Grundstück Rotenmühlgasse 31 zu einer Beeinträchtigung der Liegenschaft des Beschwerdeführers durch Hangrutschungen bzw. zu einer Beeinträchtigung der Standsicherheit des Gebäudes des Beschwerdeführers kommen könne. Es erweise sich somit, daß durch die Abtragung der Gebäude auf dem Grundstück Rotenmühlgasse 31 subjektiv-öffentliche Nachbarrechte des Beschwerdeführers im Sinne des § 134 Abs. 3 BO in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992 gar nicht berührt werden könnten. Aus diesem Grund komme dem Beschwerdeführer in diesem Verfahren Parteistellung nicht zu.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 9. Juni 1997, B 5037/96-6, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß "die belangte Behörde entgegen § 134 BO für Wien meine Parteistellung nicht feststellte". Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Dem Nachbarn käme auch im Abbruchsverfahren Parteistellung zu.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. IV der Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 34/1992, mit welcher die hier maßgebliche Bestimmung des § 134 Abs. 3 BO geändert und § 134a leg. cit. neu eingeführt wurde, gelten für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen. Auf das mit Eingabe vom 4. Juni 1991 eingeleitete und mit dem dem Bauwerber am 21. Oktober 1991 zugestellten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 10. Oktober 1991 abgeschlossene Bewilligungsverfahren, mit welchem gemäß § 70 BO die Abtragung sämtlicher Gebäude und Einfriedungsmauern auf dem Grundstück Rotenmühlgasse 31 bewilligt worden ist, hatten somit bezüglich der Parteistellung der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren die Bestimmungen des § 134 Abs. 3 dritter Satz BO in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992 Anwendung zu finden. Danach sind Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.
In seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0273, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis vom 7. Juli 1988, Zl. 88/05/0097, BauSlg. Nr. 1154, zur hier maßgeblichen Rechtslage ausgeführt, daß eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte in einem Verfahren über die Erteilung einer Abbruchbewilligung dann erfolgen könnte, wenn die Baubehörden bestimmte, zum Schutz der Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Nachbarn der von dem Abbruch betroffenen Liegenschaft erlassene baurechtliche Normen außer acht gelassen hätten.
Gegenstand des der Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens ist die im baubehördlichen Instanzenzug erfolgte bescheidmäßige Feststellung, daß dem Beschwerdeführer im Verfahren über die Erteilung der Bewilligung für die Abtragung der Gebäude auf der Liegenschaft in Wien 12, Rotenmühlgasse 31, Parteistellung nicht zukommt.
Ist die Parteistellung einer Person in einem Verfahren strittig, so ist hierüber förmlich durch Feststellungsbescheid zu entscheiden. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung bestimmt sich hiebei nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Hiefür kommen in der Hauptsache Normen des materiellen Verwaltungsrechtes, aber auch Vorschriften des speziellen Verfahrensrechtes in Betracht (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0003, und vom 25. März 1997, Zl. 96/05/0261).
Nach der vorzitierten, hier anzuwendenden Norm des § 134 Abs. 3 BO sind Nachbarn im Baubewilligungsverfahren und - aufgrund der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von welcher abzugehen auch der Beschwerdefall keinen Anlaß bietet -, im Abbruchsbewilligungsverfahren nach § 70 BO die Eigentümer jener Liegenschaften, die zu der vom Baubewilligungsverfahren betroffenen Liegenschaft in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch den Bestand oder die konsensgemäße Benützung derselben mit Einwirkungen auf diese Liegenschaften zu rechnen ist, zu deren Abwehr die Bauordnung eine Handhabe bietet. Eine gemeinsame Grundgrenze ist für die Qualifikation einer Liegenschaft als benachbart weder ausreichend noch erforderlich. Maßgeblich für die Eigenschaft einer Liegenschaft als benachbart ist auch nicht, ob nachteilige Einwirkungen auf eine andere Liegenschaft tatsächlich eintreten, sondern ob mit ihnen gerechnet werden muß. Bedeutungslos ist die Lage der Baulichkeit auf dieser Liegenschaft, weil auch der Eigentümer einer unbebauten Liegenschaft gegen das Bauvorhaben Einwendungen erheben kann, wenn durch dieselbe seine in der Bauordnung begründeten subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt werden. Wer als Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (hier: Bewilligung des Abbruchs bestehender baulicher Anlagen) genießt, bestimmt sich jeweils nach der Art der Bauführung. § 134 Abs. 3 BO läßt klar erkennen, daß auch die Eigentümer einer Liegenschaft, welche durch eine Verkehrsfläche von dem zu bebauenden Bauplatz getrennt ist, regelmäßig Parteien des Baubewilligungsverfahrens sind. Nur dann, wenn die geplante bauliche Maßnahme gar nicht geeignet ist, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte zu berühren, ist die Parteistellung solcher Nachbarn zu verneinen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1997, Zl. 96/05/0261). Die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Beschwerdeführers hat dieser u.a. mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Hangrutschung und der Beeinträchtigung der Standsicherheit seines Gebäudes (vgl. hiezu die bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften (1992), S. 548 f, wiedergegebene hg. Rechtsprechung) dargetan. Für die Annahme einer Parteistellung eines Nachbarn im Sinne des § 134 Abs. 3 BO kommt es nicht darauf an, ob dieser eine konkrete Möglichkeit der Beeinträchtigung durch das Bauvorhaben aufzeigt, vielmehr hat die Behörde - falls die Parteistellung strittig ist - allenfalls nach entsprechenden fachkundigen Erhebungen festzustellen, ob eine solche Beeinträchtigung des Nachbarn durch das zu beurteilende Bauvorhaben im Sinne der dargestellten hg. Rechtsprechung möglich ist. Hiezu reicht die unbegründete Feststellung im angefochtenen Bescheid, solches sei auszuschließen, weil die Liegenschaft des Beschwerdeführers durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennt sei, jedenfalls nicht aus. Ob eine allenfalls festgestellte Beeinträchtigung im Sinne der baurechtlichen Vorschriften zulässig ist, betrifft wiederum nicht die Frage der Parteistellung des Nachbarn; dies ist vielmehr im Baubewilligungsverfahren zu klären.
Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 1. September 1998
Schlagworte
Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997050297.X00Im RIS seit
03.05.2001