TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/1 98/05/0076

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Veröffentlicht am 01.09.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der U. Fischer Gesellschaft m.b.H. in Linz, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, Freistädter Straße 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Jänner 1996, Zl. R/1-V-95233, betreffend Vertretungsbefugnis in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Christine Ewinger in Vösendorf, Wiesengasse 18, 2. Peter Ewinger, Vösendorf, Wiesengasse 18, 3. Marktgemeinde Vösendorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 2. Juni 1995, eingelangt bei der mitbeteiligten Marktgemeinde am 9. Juni 1995, beantragten die Erst- und der Zweitmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Sichtschutzes zur Reihenhausanlage Wiesengasse 16. Der Sichtschutz sei aus Holz, ähnlich wie auf Autobahnen (Steher und dazwischen eingeflochtene dünne Holzlatten). Über dieses Baugesuch wurde mit Ladung vom 12. Juni 1995 eine mündliche Verhandlung für den 29. Juni 1995 anberaumt, zu der die Beschwerdeführerin nachweislich unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG als Anrainerin geladen wurde. Zur Verhandlung am 29. Juni 1995 erschien Architekt Mag. Perotti, der keine Vollmacht vorweisen konnte und in der Niederschrift über diese Verhandlung als "Bauleiter der Reihenhausanlage" bezeichnte wurde. Er wurde vom Verhandlungsleiter zur Verhandlung nicht zugelassen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. Juni 1995 wurde der Erst- und dem Zweitmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Dieser Bescheid wurde auch an die Beschwerdeführerin zugestellt.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rinner, Berufung ein. In dieser wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei zur Bauverhandlung am 12. Juni 1995 (richtig wohl: 29. Juni 1995) durch ihren bei der Baubehörde ausgewiesenen Vertreter, Arch. Mag. Perotti, erschienen, um Einwendungen zu erheben. Trotz der Tatsache, daß Arch. Mag. Perotti als Vertreter der Beschwerdeführerin durch Vollmacht in ihrem eigenen Bauverfahren, AZ: 414/1-93, ausgewiesen sei und er sich auf die ihm erteilte Vollmacht berufen habe, sei er zur Verhandlung nicht zugelassen worden. Die Beschwerdeführerin sei daher übergangene Partei und der angefochtene Bescheid nichtig. Darüber hinaus enthalte der Bauplan unzutreffende Angaben, insbesondere sei der behauptete unterbaute Sichtschutz nicht 220 cm über dem Niveau, sondern, gemessen auf der Seite der Liegenschaft der Beschwerdeführerin, 261 cm hoch. Der Bescheid leide daher insoweit an einem unheilbaren Feststellungsmangel.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 7. November 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 29. Juni 1995 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 42 AVG fänden Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung oder während der Verhandlung vorgebracht würden, keine Berücksichtigung (siehe Hinweis auf der Ladung zur Bauverhandlung). Die Beschwerdeführerin habe vor der Verhandlung keine Stellungnahme abgegeben und sei auch zur Verhandlung nicht erschienen. Der zur Verhandlung erschienene Arch. Mag. Perotti habe die gemäß § 10 AVG notwendige, schriftliche Vollmacht nicht vorweisen können. Mag. Perotti habe sich auch im Bauverfahren der Beschwerdeführerin nicht mit einer Vollmacht ausgewiesen. "Der Berufungswerber" sei bei der Bauverhandlung am 5. August 1993 selbst anwesend gewesen. Mag. Perotti sei nur als Planverfasser bei dieser Verhandlung am 5. August 1993 gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung führte die Beschwerdeführerin aus, es sei unrichtig, daß sie nicht zur Bauverhandlung am 12. Juni 1995 erschienen sei, da

Arch. Mag. Perotti als bei der Baubehörde ausgewiesener Vertreter aufscheine und dieser auch anwesend gewesen sei. Er sei nur rechtswidrig nicht zugelassen worden. Die Vollmacht sei bereits im Bauverfahren der Beschwerdeführerin erteilt worden, was der Baubehörde erster Instanz auch bekannt sei. Gemäß § 10 AVG sei aber die Schriftlichkeit der Vollmacht nicht erforderlich.

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1996 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 7. November 1995 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, nach § 10 Abs. 1 AVG könnten sich vor den Verwaltungsbehörden lediglich ein Rechtsanwalt oder Notar auf die ihm erteilte Vollmacht berufen. Andere Personen hätten sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen oder es werde ihnen vor der Behörde eine Vollmacht mündlich erteilt, wobei ein Aktenvermerk zur Beurkundung genüge. Da Mag. Perotti weder Rechtsanwalt noch Notar sei und auch keine schriftliche Vollmacht habe vorweisen können, sei hier lediglich der Frage nachzugehen, ob die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren die Vollmacht vor der Behörde erteilt habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es unzulässig, eine "Generalvollmacht" für alle künftig anfallenden Verfahren zu erteilen, jedoch könne jemand in einer Vollmacht zur Vertretung in mehreren bestimmten Verfahren bevollmächtigt werden, nur mit Willen der Partei könne der für ein Verfahren Bevollmächtigte auch in einem anderen Verfahren als Bevollmächtigter angesehen werden. Da die Beschwerdeführerin in der gegenständlichen Bauverhandlung Mag. Perotti vor der Baubehörde keine Vollmacht mündlich erteilt habe und auch nicht habe erteilen können, da von dieser Firma in der Bauverhandlung niemand anwesend gewesen sei und die Firma auch sonst in keiner Weise ihren Willen gegenüber der Baubehörde kundgetan habe, sich von Herrn Mag. Perotti in diesem Verfahren vertreten lassen zu wollen, habe die Baubehörde zu Recht davon ausgehen können, daß Mag. Perotti kein Bevollmächtigter der beschwerdeführenden Gesellschaft gewesen sei. Es sei der Baubehörde lediglich die Behauptung des Mag. Perotti, es bestünde eine Vollmacht zwischen ihm und der Beschwerdeführerin, vorgelegen. Es sei auch unerheblich, ob Mag. Perotti im eigenen Bauverfahren der Beschwerdeführerin eine Vollmacht der Beschwerdeführerin besessen habe, da eine solche Vollmacht zum damaligen Zeitpunkt keine Vertretung für das gegenständliche Verfahren habe beinhalten können. Nichtsdestoweniger sei darauf hinzuweisen, daß laut Niederschrift über die Bauverhandlung vom 5. August 1993, Zl. 414/1-93, die Bauwerberin (U. Fischer Gesellschaft m.b.H.) im eigenen Bauverfahren damals von den Herren Kazmaier und Dr. Rinner vertreten gewesen sei und Mag. Perotti lediglich als Planverfasser und als Vertreter der Perotti Architektengesellschaft m.b.H. aufgetreten sei.

Da Mag. Perotti aufgrund der obigen Ausführungen im Zeitpunkt der Bauverhandlung kein Bevollmächtigter der Beschwerdeführerin gewesen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. Februar 1998, B 684/96-5, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Behörde sei bekannt gewesen gewesen, daß der einschreitende Architekt bereits in einem anderen Verfahren als bevollmächtigter Vertreter der Beschwerdeführerin eingeschritten sei. Sie hätte daher davon ausgehen dürfen, daß die Berufung auf die erteilte Vollmacht zu Recht bestehe. In konsequenter Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG und in Befolgung der ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zum gegenständlichen Problemkreis hätten die Einwendungen zugelassen und der Beschwerdeführerin eine Frist zur Nachreichung der Bevollmächtigung aufgetragen werden müssen. Der einschreitende Architekt sei Mitglied der Berufungsvereinigung der Ingenieur- und Architektenkammer Österreichs. Dabei handle es sich um eine berufliche oder andere Organisation im Sinne des § 10 Abs.4 AVG.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die drittmitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 Abs. 1 AVG finden dann, wenn eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht wurden, Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung und es wird angenommen, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung erstreckt sich im Falle einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung, die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

§ 10 AVG lautet wie folgt:

"§ 10

(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet ein Rechtsanwalt oder Notar ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt."

Nach der Aktenlage ist unbestritten, daß sich Mag. Perotti anläßlich der Verhandlung am 29. Juni 1995 auf die ihm im eigenen Baubewilligungsverfahren der Beschwerdeführerin erteilte Vollmacht berufen hat und nicht zur Verhandlung zugelassen wurde. Auch in der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 29. Juni 1995 bezieht sich die Beschwerdeführerin auf die Vertretung durch Arch. Mag. Perotti, der durch Vollmacht in ihrem eigenen Bauverfahren, AZ 414/1-93, ausgewiesen sei und der sich auf diese ihm erteilte Vollmacht berufen habe. Daß Mag. Perotti eine andere Vollmacht als jene, die im Bauverfahren AZ 414/1-93, ausgewiesen sei, erteilt worden wäre, wurde während des Verwaltungsverfahrens nicht behauptet. Eine Einsicht in den Bauakt 414/1-93 hat ergeben, daß in diesem keine Vollmacht für Mag. Perotti einliegt. An der Verhandlung über das mit Ansuchen vom 27. Juli 1993 eingeleitete Verfahren Zl. 414/1 betreffend die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung von 15 Reihenhäusern, hat als Bauwerberin die U. Fischer Gesellschaft m.b.H., vertreten durch die Herren Fischer, Kazmair und (RA) Rinner, teilgenommen. Als Planverfasser hat die Perotti Architekten Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Herrn Mag. Perotti, teilgenommen.

Mit Recht hat die Baubehörde zunächst die Teilnahme des einschreitenden Mag. Perotti, der keine Vollmacht der Beschwerdeführerin vorlegen konnte, an der Verhandlung vom 29. Juni 1995 nicht gestattet und im Sinne des § 10 Abs. 1 AVG nicht zugelassen, da dieser weder Rechtsanwalt noch Notar ist. Die Voraussetzungen des Absatzes 4 dieser Gesetzesstelle waren nicht gegeben, weil es sich um keinen amtsbekannten Funktionär handelte.

Es bleibt zu prüfen, ob die Behörde im Sinne des § 10 Abs. 2 AVG gehalten gewesen wäre, die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen. Davon ist nach Ansicht des Gerichtshofes nicht auszugehen, weil sich § 13 Abs. 3 AVG ausschließlich auf schriftliche Anbringen bezieht und somit im Falle der Vertretung bei der Verhandlung zur Erhebung eines mündlichen Vorbringens nicht in Betracht kommt. Daran ändert daher auch die in § 10 Abs. 2 letzter Satz AVG enthaltene Wortfolge "unter sinngemäßer Anwendung" nichts.

Da die Beschwerdeführerin somit zur Verhandlung vom 29. Juni 1995, zu der sie nachweislich unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen war, weder selbst erschienen ist, noch einen im Sinne des § 10 AVG bevollmächtigten Vertreter zur Verhandlung entsendet hat, wurde ihre Berufung zu Recht wegen Vorliegens der Präklusion abgewiesen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da der Sachverhalt durch die Aktenlage hinreichend geklärt ist.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998050076.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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