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L92106 Behindertenhilfe Rehabilitation SteiermarkNorm
BehindertenG Stmk 2004 §2 Abs2 idF 2014/094Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der T R in H, vertreten durch die Brandstetter, Baurecht, Pritz & Partner Rechtsanwälte KG in 1010 Wien, Herrengasse 5, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 13. Juni 2019, Zl. LVwG 70.36-1341/2019-3, betreffend Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Am 11. Februar 2019 beantragte die Revisionswerberin telefonisch die Weitergewährung des "Persönlichen Budgets" gemäß § 22a Steiermärkisches Behindertengesetz (StBHG), das ihr zuletzt mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 2018 im Gesamtausmaß von 500 Stunden für den Zeitraum 1. Jänner bis 28. Februar 2019 gewährt worden war.
2 Am 25. Februar 2019 erließ die belangte Behörde einen "vorläufigen Bescheid", mit dem der Revisionswerberin ein "Persönliches Budget" im Gesamtausmaß von 600 Stunden für den Zeitraum von 1. März 2019 bis 31. Mai 2019 gewährt wurde. Im Bescheid wurde ausgesprochen, dass es sich um eine vorläufige Entscheidung handle, die von Amts wegen abzuändern sei, wenn das eingeforderte (noch nicht vorliegende) Sachverständigengutachten nicht mit dieser Entscheidung übereinstimme.
3 Am 25. Februar 2019 erstattete der Sachverständige Univ.- Prof. Dr. K N ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sei die Anwesenheit zweier Pflegepersonen 24 Stunden pro Tag zu empfehlen. Bezüglich der 24- Stunden-Anwesenheit einer Pflegeperson sei auszuführen, dass diese im Sinne eines Schichtbetriebes von 8 bis maximal 12 Stunden empfehlenswert erscheine. Zumindest eine der Pflegepersonen solle eine diplomierte Fachkraft aus dem Bereich Kranken- und Gesundheitspflege sein. Darüber hinaus seien 5 Einheiten Physiotherapie und 2 Stunden psychologische Betreuungsgespräche pro Woche zu empfehlen und eine administrative Assistenz im Ausmaß von 15 Stunden pro Woche angezeigt.
4 Nach Einlangen des angeforderten neurologischpsychiatrischen Gutachtens änderte die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. April 2019 den vorläufigen Bescheid vom 25. Februar 2019 dahingehend ab, dass mit Wirksamkeit per 1. März 2019 das "Persönliche Budget" für den Zeitraum von 1. März 2019 bis 29. Februar 2020 ein Gesamtausmaß von 4.095 Stunden betrage. Zur Abdeckung des empfohlenen Betreuungs- und Pflegesettings ziehe die Behörde die vom Unternehmen P berechneten Kosten für die Kategorie E "schwere Betreuung plus" sowie durchgehend für den Gewährungszeitraum des persönlichen Budgets eine Qualitätssicherung durch eine österreichische diplomierte Fachkraft für Gesundheits- und Krankenpflege von einer Stunde täglich heran. Hinzu kämen die empfohlenen 15 Stunden pro Woche administrative Assistenz. Nach Abzug von 50% des gewährten Pflegegeldes (weil dieses auch zur Bezahlung von Selbstbehalten für intensive therapeutische Behandlungen diene) errechne sich ein Stundenkontingent für den Zeitraum von 1. März 2019 bis 29. Februar 2020 im Ausmaß von gerundet 4.095 Jahresstunden. 5 Am 15. Mai 2019 erhob die Revisionswerberin "Einspruch" (gemeint wohl: Beschwerde) gegen diesen Bescheid. Diesem Schriftsatz legte die Revisionswerberin ein vom Unternehmen P für sie persönlich erstelltes Angebot bei.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13. Juni 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde als unzulässig zurück und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
7 Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, die näher ausgeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 3 Abs. 2 StBHG (gültig bis zum Inkrafttreten der Fassung LGBl. Nr. 94/2014 am 1.9.2014) sei weiterhin - trotz zwischenzeitlicher Änderung der Rechtslage - anzuwenden. Demnach bestehe kein Anspruch eines Behinderten auf eine bestimmte Art der Hilfeleistung. Ein Bescheid, mit dem eine bestimmte, konkret beantragte Maßnahme verweigert, der Anspruch auf Hilfeleistung aber nicht generell verneint werde, könne nicht erfolgreich wegen behaupteter Rechtswidrigkeit bekämpft werden. Nunmehr sei zwar ein Rechtsanspruch auf "die dem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung" festgelegt worden, die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung und die Form der Hilfeleistung seien aber entsprechend dem individuellen Hilfebedarf von Amts wegen festzulegen.
8 Im konkreten Fall sei unstrittig, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch auf die Hilfeleistung "Persönliches Budget" bestehe. Von der Revisionswerberin werde aber das Ausmaß bestritten, welches von der Behörde, dem individuellen Hilfebedarf entsprechend, festzusetzen sei. Da die Hilfeleistung "Persönliches Budget" nicht zur Gänze verweigert worden sei, sei die Revisionswerberin nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Dem LVwG sei es daher nicht "möglich", die getroffene Entscheidung inhaltlich zu überprüfen.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision vom 31. Juli 2019.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur neuen Rechtslage, da die alte Rechtsprechung infolge der nunmehrigen Einräumung eines Anspruchs auf die dem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung nicht übertragbar sei. Außerdem weiche der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die Behörde der Revisionswerberin nicht die notwendige Stundenanzahl, die zur Abdeckung ihres Grundbedarfs diene, zugesprochen habe und damit im Ergebnis die beantragte Maßnahme verneine.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Gemäß § 2 Abs. 2 StBHG, LGBl. Nr. 26/2004 idF LGBl. Nr. 94/2014 (in Kraft getreten mit 1. September 2014), hat der Mensch mit Behinderung einen Rechtsanspruch auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung (§ 3). Die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung und die Form der Hilfeleistung (§ 4) sind entsprechend dem individuellen Hilfebedarf von Amts wegen festzulegen.
15 Die Vorgängerregelung des § 3 Abs. 2 Stmk. BHG sah vor, dass dem Menschen mit Behinderung ein Anspruch auf eine bestimmte in Abs. 1 lit. a bis q genannte Hilfeleistung nicht zukommt. 16 Im vorliegenden Fall ist dem mit § 2 Abs. 2 StBHG eingeführten Rechtsanspruch eines Menschen mit Behinderung auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung iSd § 3 StBHG durch die Zuerkennung der - von der Revisionswerberin beantragten - Hilfeleistung "Persönliches Budget" (§ 3 Z 13 StBHG) entsprochen worden.
17 Was jedoch die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung betrifft, ist keine Änderung der Rechtslage eingetreten. In den Materialien zur Novelle wird ausgeführt, dass der in § 2 Abs. 2 StBHG allgemein formulierte Rechtsanspruch seine Grenzen dahingehend hat, dass einerseits auf den individuellen Hilfebedarf abzustellen ist und andererseits auch den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen wird. Zur "Klarstellung dieser höchstgerichtlichen Entscheidung" werde nunmehr im Abs. 2 festgehalten, dass ein Mensch mit Behinderung Anspruch auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung habe. Das bedeute, dass zwar ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der Hilfeleistung bestehe, nicht aber auf die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung (im Sinne der Leistungs- und Entgeltverordnung oder aufgrund eines Sonderkonzepts). Ebenso bestehe kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Form der Hilfeleistung. Die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung sowie die Form der Hilfeleistung richteten sich nach dem konkreten individuellen Hilfebedarf, der von Amts wegen festgestellt werde (vgl. ErläutRV EZ 2838/1 16. GPStLT 8). 18 Die Revisionswerberin wendet ausschließlich gegen die Höhe der Hilfeleistung. Das LVwG ist daher nicht von der im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen - und im Hinblick auf Art und Form der Hilfeleistung übertragbaren - Judikatur abgewichen (vgl. insbesondere VwGH 22.4.2015, 2013/10/0098).
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2019
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019100126.L00Im RIS seit
18.02.2020Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020