TE Vwgh Beschluss 2020/1/9 Ra 2019/18/0523

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Veröffentlicht am 09.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S H, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2019, W134 2163937-1/15E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass sein Bruder den Taliban angehöre und die gesamte Familie töten wolle. 2 Mit Bescheid vom 22. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. März 2019 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, es sei nicht glaubhaft, dass der Revisionswerber tatsächlich befürchte, bei einer Rückkehr von seinem Bruder getötet zu werden. Dem Revisionswerber, der im Alter von fünf Jahren nach Pakistan gezogen und im Jahr 2009 mit seiner Familie wieder nach Afghanistan abgeschoben worden sei, sei einerseits eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif möglich, aber auch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Kabul und Herat zumutbar. In seiner Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK erwog das BVwG, dass fallbezogen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden. 5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 23. September 2019, E 1473/2019-9, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG habe auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das BVwG daher verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt zu diesem Zeitpunkt zu erheben und seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 In Zusammenschau mit den Revisionsgründen ergibt sich, dass der Revisionswerber sich mit seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision erkennbar dagegen wendet, dass das BVwG die zwischen Durchführung der mündlichen Verhandlung und dem elf Monate später erlassenen Erkenntnis gesetzten Integrationsschritte des Revisionswerbers nicht berücksichtigt habe. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Revisionswerber das Gewerbe des Botendienstes angemeldet habe, selbsterhaltungsfähig sei und den Deutschkurs B1 absolviert habe.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 4.11.2019, Ra 2019/18/0326, mwN).

13 Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049, mwN).

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).

15 Dem Revisionswerber ist entgegenzuhalten, dass das BVwG neben der Aufenthaltsdauer von vier Jahren in die Interessenabwägung ohnehin einbezogen hat, dass der Revisionswerber Deutschkurse besuche. Da der Revisionswerber nur aufgrund eines letztlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen sei und keine Hinweise für eine ausreichend intensive Beziehung zu allfälligen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen oder ihm sonst besonders nahestehenden Personen hervorgekommen seien, zumal die Kernfamilie des Revisionswerbers in Afghanistan lebe, kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens in den Hintergrund träten.

16 Das BVwG hat bei seiner Beurteilung auf das Fehlen der Selbsterhaltungsfähigkeit nicht abgestellt, vielmehr hat es seinen Feststellungen bereits zugrunde gelegt, dass der Revisionswerber bei einem Botendienst arbeite. Dass der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers vor dem Hintergrund der vom BVwG sonst berücksichtigten Umstände eine solche Bedeutung zukäme, die zu einem anderen Ergebnis führen könnte, ist nicht zu sehen. Es gelingt der Revision daher nicht aufzuzeigen, dass die vorgenommene Interessenabwägung als unvertretbar anzusehen wäre. 17 Auf weiteres Vorbringen, das sich allein in den Revisionsgründen findet, ist schon zufolge § 34 Abs. 1a und § 28 Abs. 3 VwGG bei der Beurteilung, ob sich eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig darstellt, nicht weiter einzugehen (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0391, mwN). 18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180523.L00

Im RIS seit

18.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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