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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A N, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das am 29. Mai 2019 mündlich verkündete und am 11. Juli 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W122 2198386-1/15E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, beantragte am 5. Februar 2016 internationalen Schutz. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass er beim afghanischen Militär als Unteroffizier tätig gewesen sei. Der Revisionswerber habe deshalb einen Drohbrief erhalten, und auch sein Vater sei von den Taliban bedroht worden.
2 Mit Bescheid vom 15. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. 4 Begründend führte das BVwG aus, dass der Revisionswerber zwar beim afghanischen Militär gearbeitet habe, jedoch habe er seinen Dienst in bloß untergeordneter Tätigkeit - er sei hauptsächlich als Schreibkraft tätig gewesen - ausgeführt. Das Vorbringen, der Revisionswerber sei persönlicher Sekretär eines Kommandanten gewesen, wertete das BVwG als Steigerung, auch seien die Angaben dazu vage und oberflächlich gewesen. Das Vorbringen zur Bedrohung durch die Taliban sei ebenso nicht glaubhaft, der Revisionswerber habe es im Laufe des Verfahrens gesteigert. Es sei auffallend, dass der Revisionswerber zwar zu seinen Tätigkeiten im Militär Angaben habe machen können, hinsichtlich des Fluchtvorbringens der Bedrohung durch die Taliban aber keine genauen Angaben machen habe können und nur detailarm geantwortet habe. Auch die Bedrohung der Taliban gegenüber dem Vater des Revisionswerbers sei nicht glaubhaft, da nicht nachvollziehbar sei, warum die Taliban, die über ein Netzwerk verfügen würden, nicht den Revisionswerber selbst angesprochen hätten. Entweder sei dieses Netzwerk nicht so gut organisiert, wie vom Revisionswerber behauptet, oder das Vorbringen nicht glaubhaft. Es sei auch nicht glaubwürdig, dass der Revisionswerber nicht nach dem Erhalt des Drohbriefes sofort geflohen, sondern vier weitere Wochen vor Ort verblieben sei, um Bestätigungen und Urkunden sowie eine geordnete Übergabe zu organisieren:
Der Revisionswerber sei gesund und im erwerbsfähigen Alter, spreche Dari, seine Familie lebe im Heimatdorf. Er könne - aufgrund der volatilen Sicherheitslage - zwar nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren, jedoch stehe ihm die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif sowie Herat zur Verfügung, wobei das BVwG zur Situation in diesen beiden Städten aktuelle Feststellungen trifft und diese in die Prüfung der Zumutbarkeit einbezieht. Ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK liege in Österreich nicht vor, die Abwägung des Privatlebens, der privaten Interessen gegen die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden- und Asylwesens würde zugunsten der öffentlichen Interessen ausgehen. Die Rückkehrentscheidung sei zulässig, ebenso die Abschiebung nach Afghanistan.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG habe die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise vorgenommen, weil es trotz der Aussagen sowie der vorgelegten Originaldokumente fälschlicherweise von der Tätigkeit des Revisionswerbers in der Poststelle und nicht als Unteroffizier ausgegangen sei. Zudem habe sich das BVwG nicht mit den vom Revisionswerber erfüllten Risikoprofilen der UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 auseinandergesetzt. Weiters gehe aus den UNHCR-Richtlinien hervor, dass die Städte Mazar-e Sharif und Herat mit innerstaatlichen Flüchtlingen überlastet seien, weshalb das BVwG nicht von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative ausgehen hätte dürfen. Die Stadt Mazar-e Sharif hätte bereits wegen der "Jahrhundertdürre" als mögliche innerstaatliche Fluchtalternative ausgeschlossen werden müssen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Im vorliegenden Fall wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG. Die Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründen, wenn sie in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. dazu etwa VwGH 11.1.2019, Ra 2019/18/0001, Rn. 11, mwN). In den beweiswürdigenden Überlegungen legte das BVwG vertretbar und nachvollziehbar dar, dass es die höherrangige Tätigkeit des Revisionswerbers aufgrund vager und oberflächlicher Angaben sowie seiner ausweichenden Antworten für nicht glaubhaft erachtete und daher nicht davon ausgehe, dass der Revisionswerber eine exponierte Stellung beim afghanischen Militär innegehabt habe. Weiters beurteilte das BVwG den Umstand, dass die Taliban immer nur den Vater des Revisionswerbers und nicht ihn selbst aufgesucht hätten, als nicht nachvollziehbar, denn nach dem Vorbringen des Revisionswerbers hätten die Taliban aufgrund ihres gut organisierten Netzwerkes ihn persönlich leicht ausfindig machen können. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das BVwG die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 1.3.2019, Ra 2018/18/0552, mwN).
11 Hinsichtlich des Vorbringens des Revisionswerbers, wonach das BVwG die Tätigkeit des Revisionswerbers als Unteroffizier beim afghanischen Militär zwar festgestellt habe, aber in diesem Zusammenhang verkannt habe, dass Soldaten laut den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 ein Hauptrisikoprofil darstellen würden, ist auf Folgendes zu verweisen: Auch wenn den UNHCR-Richtlinien nach der ständigen hg. Rechtsprechung besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung") ist, bedeutet dies nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR jedenfalls internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben sich das BFA und im Beschwerdeverfahren das BVwG mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind. Dies gilt auch für die Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mwN).
12 Wenn der Revisionswerber vermeint, das BVwG hätte sich angesichts seiner festgestellten Tätigkeit als Unteroffizier mit den UNHCR-Richtlinien auseinandersetzen müssen, verkennt er, dass das BVwG zwar festgestellt hat, er habe beim Militär gearbeitet, aber - wenngleich disloziert im Rahmen der beweiswürdigenden Überlegungen - auch feststellt hat, er habe seinen Dienst in bloß "untergeordneter Tätigkeit versehen, zumal er hauptsächlich als Schreibkraft tätig gewesen sei und seine Tätigkeiten im Bereich des Personalmanagements und der Logistik gelegen seien". Eine Feststellung der Tätigkeit als Unteroffizier traf das BVwG nicht, weil es diesen Umstand für nicht glaubhaft befand. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht darzulegen, inwieweit durch eine nähere Auseinandersetzung mit den UNHCR-Richtlinien ein anderes - für den Revisionswerber günstigeres - Ergebnis zu erwarten gewesen wäre.
13 Die Einschätzung des BVwG, wonach der Revisionswerber auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative verwiesen werden könne, begegnet vor dem Hintergrund der hg. Rechtsprechung keinen Bedenken (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/01/0400; 25.9.2019, Ra 2018/19/0583; jeweils mwN). Insbesondere hat das BVwG sich sowohl mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers auseinandergesetzt als auch die Situation in Mazar-e Sharif und Herat anhand aktueller Länderberichte festgestellt und in die Prüfung der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative miteinbezogen. 14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. Jänner 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180351.L00Im RIS seit
18.02.2020Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020