TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/2 97/12/0371

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Veröffentlicht am 02.09.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
72/13 Studienförderung;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
StudFG 1992 §17 Abs1 idF 1996/201;
StudFG 1992 §17 Abs2 idF 1996/201;
StudFG 1992 §75 Abs9 idF 1996/201;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des G in P, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 12. September 1997, Zl. 56.049/51-I/D/7a/97, betreffend Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begann im Wintersemester 1994/95 an der Universität Linz sein Studium der Studienrichtung Betriebswirtschaft. Er bezog im Studienjahr 1995/96 Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG 1992).

Am 25. Oktober 1996 exmatrikulierte der Beschwerdeführer an der Universität Linz. Er nahm in der Folge im Wintersemester 1996/97 am Holztechnikum Kuchl/Salzburg den Fachhochschul-Studiengang "Holztechnik und Holzwirtschaft" auf. Sein im Dezember 1996 gestellter Antrag, ihm für dieses Studium Studienbeihilfe zu gewähren, wurde mit dem im Instanzenzug von der belangten Behörde erlassenen Bescheid vom 14. Juli 1997 rechtskräftig abgewiesen.

Am 12. März 1997 erfolgte der Austritt und die Exmatrikulation von diesem Fachhochschul-Studiengang.

Im Sommersemester 1997 inskribierte der Beschwerdeführer neuerlich an der Universität Linz die Studienrichtung Betriebswirtschaft. Seinen Antrag vom 28. März 1997 auf Gewährung einer Studienbeihilfe für dieses Studium wies die Studienbeihilfenbehörde/Stipendienstelle Linz mit Bescheid vom 12. Juni 1997 im wesentlichen mit der Begründung ab, wegen des im Wintersemester 1996/97 nach dem dritten inskribierten Semester erfolgten Studienwechsels von der Universität Linz (Betriebswirtschaft) zur Fachhochschule Kuchl liege gemäß § 17 Abs. 1 StudFG 1992 kein günstiger Studienerfolg vor.

In seiner Vorstellung machte der Beschwerdeführer geltend, sein Studienwechsel sei im Sinne des § 17 Abs. 2 StudFG 1992 durch ein unabwendbares Ereignis (Krankheit) ohne sein Verschulden bedingt gewesen. Wäre er gesund gewesen, hätte er niemals an der Universität Linz exmatrikuliert. Der Beschwerdeführer legte folgende "Fachärztliche Bestätigung" von Primarius Dr. B (Leiter der Station für Jugendpsychiatrie der Landesnervenklinik S) vom 12. Mai 1997 vor:

"Es wird hiemit bestätigt, daß Herr S (Beschwerdeführer) die Entscheidung für den Wechsel zur Fachhochschule in Kuchl während seiner Erkrankung getroffen hat. S. litt unter einem depressiven Syndrom und war zu diesem Zeitpunkt nicht entscheidungsfähig. S. erkannte erst in seiner letzten Depression 96/97, daß eine medikamentöse Behandlung mit Antidrepressiva wirksam ist. In den depressiven Phasen vorher hatte er noch nie einen Facharzt aufgesucht. Demzufolge hatte er die Entscheidung für Kuchl in der Resignation eines Menschen in der Depression getroffen."

Mit Bescheid vom 22. Juli 1997 wies der Senat der Studienbeihilfenbehörde für Studierende an der Universität Linz die Vorstellung mit der Begründung ab, ihr könne nicht entnommen werden, daß der Studienwechsel des Beschwerdeführers durch seine Erkrankung zwingend (im Sinn des § 17 Abs. 2 StudFG 1992) herbeigeführt worden sei. Dem Beschwerdeführer wäre die Fortsetzung seines alten Studiums grundsätzlich möglich gewesen.

In seiner Berufung wies der Beschwerdeführer im wesentlichen darauf hin, sein Studienwechsel sei durch ein unabwendbares Ereignis (Krankheit) in der Resignation eines unter einem depressiven Syndrom leidenden Menschens ohne sein Verschulden durchgeführt worden. Aufgrund der von ihm vorgelegten fachärztlichen Bestätigung, die offenbar nicht berücksichtigt worden sei, sei er zwingend entscheidungsunfähig gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. September 1997 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z. 3 und § 17 Abs. 1 Z. 2 StudFG 1992 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete dies damit, es stehe außer Streit, daß der Beschwerdeführer nach vier Semestern sein Studium der Betriebswirtschaft abgebrochen und ein neues Studium an der Fachhochschule Kuchl aufgenommen habe. Damit liege ein Studienwechsel nach dem dritten Semester vor, der nach § 17 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. einen günstigen Studienerfolg ausschließe. Zu prüfen sei aber, ob dieser Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 2 StudF 1992 durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt worden sei und demnach nicht als Studienwechsel zu gelten habe. In seiner Berufung habe sich der Beschwerdeführer darauf gestützt, aufgrund seiner Erkrankung (depressives Syndrom) im Wintersemester 96/97 nicht entscheidungsfähig gewesen zu sein. Seine Entscheidung sei in der Resignation eines Menschen in der Depression getroffen worden. Dies habe er durch ein fachärztliches Gutachten bestätigt. Nach Auffassung der belangten Behörde stehe jedoch eindeutig fest, daß sich der Beschwerdeführer zum fraglichen Zeitpunkt zu einem Studienwechsel entschieden habe, sodaß nicht davon ausgegangen werden könne, daß er überhaupt nicht entscheidungsfähig gewesen sei. In diesem Punkt sei daher sowohl sein Einwand als auch die Bestätigung des Facharztes in sich widersprüchlich. Es werde nicht bezweifelt, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Studienwechsels in einer depressiven Phase befunden habe und diese Krankheit auch seine Entscheidung, das Studium der Betriebswirtschaft aufzugeben und ein neues Studium aufzunehmen, beeinflußt haben könnte. Es sei auch nicht von vornherein auszuschließen, daß eine Krankheit ein unabwendbares Ereignis darstelle, das ohne Verschulden des Studierenden einen Studienwechsel herbeiführen könne. Es bedürfe aber der weiteren Voraussetzung, daß der Studienwechsel zwingend herbeigeführt worden sei. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn das unabwendbare Ereignis keine andere Möglichkeit mehr offen lasse, als das bisherige Studium abzubrechen und ein neues aufzunehmen. Wenn - wie aufgrund der Aktenlage angenommen - tatsächlich zum gegebenen Zeitpunkt eine Krankheit vorgelegen sei, hätte etwa die Möglichkeit darin bestanden, das Studium für eine gewisse Zeit, etwa die Dauer der Krankheit, auszusetzen oder sich vom Studium beurlauben zu lassen. Auch wenn der Beschwerdeführer durch seine Krankheit in seiner Entscheidung, das Studium abzubrechen, durchaus beeinflußt gewesen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, daß seine Erkrankung zwingend zu diesem Studienwechsel habe führen müssen. Sein Studienwechsel sei daher beachtlich und führe in weiterer Folge zum Verlust des Anspruches auf Studienbeihilfe für jedes künftige Studium. Daran ändere auch nichts der Umstand, daß der Beschwerdeführer neuerlich das seinerzeit abgebrochene Studium der Studienrichtung Betriebswirtschaft wieder aufgenommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist aufgrund der zeitlichen Lagerung das StudFG 1992 BGBl. Nr. 305 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, maßgebend. Paragraphenzitate ohne Angabe eines Gesetzes beziehen sich in der Folge auf das StudFG 1992.

Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe ist nach § 6 Z. 3 unter anderem, daß der Studierende einen günstigen Studienerfolg nachweist (§§ 16 bis 25).

§ 17 lautet in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996:

"(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1.

das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2.

das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt oder

3.

nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten in die neue Studienrichtung eingerechnet werden, sowie Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden, gelten nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1."

Die EB zur RV zu dieser Bestimmung (Art. 89 Z. 7 des Strukturanpassungsgesetzes), 72 Blg StenProt NR 20 GP, 309 f, begründen diese im Vergleich zur früheren Rechtslage, die innerhalb des ersten Studienabschnittes den zweimaligen Studienwechsel ohne Verlust des Anspruches auf Studienbeihilfe zuließ, verschärfte Neuregelung damit, diese Einschränkung des Förderungsanspruches, die auf eine raschere Studienwahl abziele, lasse sich mit dem Grundsatz des Studienförderungsgesetzes, nur zügig betriebene Studien zu finanzieren, durchaus in Einklang bringen. Nach der neuen Regelung würden maximal zwei Studienwechsel nach dem zweiten Semester in einer Studienrichtung möglich sein. Es sei sowohl durch eine Ausnahmeregelung, derzufolge etwa durch Erkrankung oder Unfall erzwungene Studienwechsel den Anspruch auf Studienbeihilfe nicht beseitigten, als auch durch eine Übergangsbestimmung dafür vorgesorgt, daß Härtefälle vermieden werden könnten.

§ 75 Abs. 9 trifft folgende Übergangsbestimmung:

"(9) Studienwechsel vor dem Studienjahr 1996/97, die gemäß § 17 in der bis 31. August 1996 geltenden Fassung nicht den Verlust des Anspruches auf Studienbeihilfe bewirkt haben, bewirken auch nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes keinen Verlust des Anspruches auf Studienbeihilfe."

Die EB zur RV zu dieser Bestimmung (Art. 89 Z. 22 des Strukturanpassungsgesetzes 1996), 72 Blg. Sten. Prot. NR 20. GP, 311, führen dazu aus, die Übergangsbestimmung für die verschärfte Form des Ausschlusses von der Studienbeihilfe wegen Studienwechsel solle Studierenden, die vor Inkrafttreten der Novelle noch unter Berücksichtigung der alten Bestimmungen über den Studienwechsel die Studienrichtung gewechselt hätten, die zügige Weiterführung dieses Studiums ermöglichen.

Die obzitierten Bestimmungen sind am 1. September 1996 in Kraft getreten (§ 78 Abs. 7).

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer unbestritten im Wintersemester 1996/97 am Beginn des fünften Semesters sein Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Linz (vorläufig) abgebrochen und den Studiengang Holztechnik und Holzwirtschaft an der Fachhochschule Kuchl aufgenommen. Am Beginn des Sommersemesters 1997 hat er diesen Lehrgang an der Fachhochschule Kuchl abgebrochen und sein Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Linz wieder aufgenommen. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde einen Antrag auf Gewährung der Studienbeihilfe ab dem Sommersemester 1997 für das wiederaufgenommene Studium der Betriebswirtschaft mangels Vorliegens eines günstigen Studienerfolges wegen des Studienwechsels von Betriebswirtschaft zum Studiengang Holztechnik und Holzwirtschaft im Wintersemester 1996/97 (Ausschlußgrund nach § 17 Abs. 1 Z. 2) abgewiesen und diesen Studienwechsel nicht als für den Anspruch auf Studienbehilfe "unschädlich" im Sinn des § 17 Abs. 2 gewertet.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß jedenfalls der (vorläufige) Abbruch des Studiums der Betriebswirtschaft an der Universität Linz und die Aufnahme der Studien an der Fachhochschule Kuchl im Wintersemester 1996/97 einen Studienwechsel im Sinn des § 17 Abs. 1 darstellen. Diese Auffassung trifft auch zu: Zwar enthält das StudFG 1992 - abgesehen vom § 14 Abs. 1 letzter Satz, der für den Sonderfall von Mehrfachstudien eine spezielle Regelung trifft - keine Definition, was unter einem Studienwechsel zu verstehen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch bereits in seinem Erkenntnis vom 1. Februar 1990, 89/12/0175, zu diesem im § 2 Abs. 3 lit. a des Studienförderungsgesetzes 1983 verwendeten Begriff ausgesprochen hat, liegt ein Studienwechsel dann vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium, nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetz fallendes Studium beginnt. Im Falle der gleichzeitigen Absolvierung mehrerer Studien (Mehrfachstudien) liegt ein Studienwechsel dann vor, wenn der Studierende anstelle des bisher angegebenen Studiums ein anderes von ihm betriebenes Studium benennt.

Dies gilt auch für das Studienförderungsgesetz 1992. Die Voraussetzungen für einen Studienwechsel sind im Beschwerdefall erfüllt, zumal gemäß § 3 Abs. 1 Z. 9 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 343/1993, auch Studierende an Fachhochschul-Studiengängen Förderungen nach diesem Gesetz erhalten können.

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, er falle unter die Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 9, weil sein Studienwechsel von der Universität Linz zur Fachhochschule Kuchl nach der bis 31. August 1996 geltenden Altrechtslage nicht zu einem Ausschluß seines Anspruches auf Studienbeihilfe geführt habe.

Dem ist entgegenzuhalten, daß § 75 Abs. 9 unter Berücksichtigung der obzitierten EB zur RV des Strukturanpassungsgesetzes zu dieser Bestimmung nur dann Anwendung findet, wenn der Studienwechsel vor dem Inkrafttreten der neuen Rechtslage (1. September 1996), das heißt also spätestens im Sommersemester 1996 stattgefunden hat. Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer jedoch seinen Studienwechsel von der Universität Linz (Betriebswirtschaft) zu einem Lehrgang der Fachhochschule Kuchl erst im Wintersemester 1996/97 und damit bereits unter der Geltung der neuen Rechtslage durchgeführt, sodaß die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der genannten Übergangsbestimmung nicht gegeben sind.

Der Beschwerdeführer macht ferner (dies auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) geltend, es liege ein Ausnahmetatbestand nach § 17 Abs. 2 vor. Trotz eines von ihm vorgelegten fachärztlichen Gutachtens, mit dem er seine Erkrankung nachgewiesen habe, habe die belangte Behörde diesen Nachweis nicht entsprechend berücksichtigt, sondern sei ihm nur mit laienhaften Ausführungen, nicht aber auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Unter Außerachtlassung des vorgelegten Gutachtens habe die belangte Behörde angenommen, der Beschwerdeführer habe sich im fraglichen Zeitpunkt zu einem Studienwechsel entschieden und sei daher nicht entscheidungsunfähig gewesen. Er habe trotz seiner Krankheit die Möglichkeit gehabt, sein Studium für deren Dauer auszusetzen oder sich beurlauben zu lassen. Nur bei Vorliegen eines zu einem anderen Ergebnis gelangenden Gutachtens von Sachverständigen der Psychiatrie hätte die belangte Behörde dazu gelangen können, daß das Gutachten Dris. B unrichtig bzw. unschlüssig sei und die depressive Phase die Entscheidung für Kuchl nicht herbeigeführt habe. Die belangte Behörde habe es unter Mißachtung ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sacherhaltes unterlassen, dazu ein amtsärztliches Gutachten einzuholen. Die vom Beschwerdeführer nachgewiesene Erkrankung rechtfertige die Annahme, daß die Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 zweiter Tatbestand gegeben seien.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis berechtigt.

Der im Beschwerdefall in Betracht kommende zweite Tatbestand nach § 17 Abs. 2 ist - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausgeführt hat - nur erfüllt, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind:

1.

Es muß ein unabwendbares Ereignis vorliegen;

2.

es darf den Studierenden daran kein Verschulden treffen und

3.

das Ereignis muß zwingend den Studienwechsel herbeigeführt haben.

Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich die Frage, ob die dritte Voraussetzung erfüllt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die in der Gegenschrift von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß

a)

der Gesetzgeber im § 17 Abs. 2 mit der Wendung "zwingend herbeigeführt wurde" einen qualifizierten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung verlangt, die über die "bloße Kausalität" wie sie etwa im § 19 Abs. 1 (danach ist die Anspruchsdauer zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, daß die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde) hinausgeht und

b)

trotz zwingender Aufgabe des bisherigen Studiums die Durchführung eines anderen Studiums möglich sein muß.

Als Beispiele führt die belangte Behörde Erkrankungen oder Unfälle an, die eine notwendige Eignung für das bisherige, nicht aber für ein anderes Studium ausschließen wie etwa eine gravierende Handverletzung für das Studium eines Musikinstrumentes, die zu einem Studienwechsel zu einem geisteswissenschaftlichen Studium führe oder die Beeinträchtigung des Bewegungsapparates, die die Weiterführung eines sportwissenschaftlichen Studiums unmöglich mache, dem aber etwa für ein rechtswissenschaftliches Studium keine Bedeutung zukomme.

Die in den Erläuternden Bemerkungen als Beispiel für ein Ereignis im Sinn des § 17 Abs. 2 genannten Erkrankungen umfassen mangels Einschränkung auch psychische Krankheiten. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes schließen es weder Wortlaut, Zweck noch die Erläuterungen zu § 17 Abs. 2 aus, daß ein durch eine psychische Krankheit im Sinn des § 17 Abs. 2 erzwungener Studienwechsel eines Studierenden auch dann vorliegt, wenn er diese Entscheidung deshalb trifft, weil er sich aufgrund seiner Krankheit für das bisher von ihm betriebene, nicht aber für ein anderes Studium als ungeeignet ansieht, den Studienwechsel für unbedingt erforderlich hält und im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Erkrankung seine Erkenntnisfähigkeit so hochgradig einschränkt, daß er nicht imstande ist, die Unrichtigkeit seiner Fehleinschätzung oder andere Handlungsalternativen (z.B. den vorläufigen Abbruch des Studiums oder eine Beurlaubung) hinreichend zu erkennen. Anders gewendet muß die krankheitsbedingte Beeinträchtigung so beschaffen sein, daß die in diesem Zustand getroffene Entscheidung für den Studienwechsel dem Studierenden gleichsam als einzig möglicher Ausweg aus seiner Situation erscheint und von ihm aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht erwartet werden kann, daß er deren Fehlerhaftigkeit erkennt oder andere Handlungsalternativen ernsthaft in Betracht zieht.

Aus § 6 Z. 3, dessen Verweis auch § 17 umfaßt, ist abzuleiten, daß den Studierenden, der sich auf einen Ausnahmetatbestand nach § 17 Abs. 2 beruft, abweichend vom § 39 AVG die Beweislast trifft. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Unterlassung eines "Nachweises" ohne weiteres die Annahme des Nichtvorliegens des zu Erweisenden rechtfertigt. Eine formelle Beweislast mit diesem Inhalt besteht wegen des im § 39 Abs. 2 AVG normierten Grundsatzes der amtswegigen Beischaffung des entscheidungsrelevanten Prozeßstoffes nicht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, 94/12/0298, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch die Vorlage der fachärztlichen Bestätigung Dris. B vom 12. Mai 1997 seiner Behauptungs- und Beweislast in bezug auf das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes im Sinne des § 17 Abs. 2 jedenfalls in diesem Verfahrensstadium ausreichend nachgekommen ist und er mit seinem Vorbringen auch nicht einen Grund geltend gemacht hat, der von vornherein nicht als Tatbestand nach § 17 Abs. 2 zweiter Fall in Frage kommt. Die von der belangten Behörde aufgrund der Aktenlage getroffene Annahme, es hätten für den Beschwerdeführer im Zeitpunkt seines Studienwechsel von der Universität Linz zur Fachhochschule Kuchl andere Handlungsmöglichkeiten bestanden, entbehrt aber ihrer Nachvollziehbarkeit und ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfbar. Die belangte Behörde wäre vielmehr verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer - allenfalls nach vorherige Befassung eines (Amts)Sachverständigen - mitzuteilen, daß ihrer Auffassung nach die vorgelegte Bestätigung nicht ausreichend das Vorliegen des geltend gemachten Ausnahmetatbestandes nachweist und ihm Gelegenheit zu geben, allfällige Ergänzungen vorzunehmen.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf eine weitere fachärztliche Bestätigung Dris. B vom 2. September 1997 hinweist, die der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. September 1996 der Studienbeihilfebehörde erster Instanz vorgelegt hat (dort am 9. September 1997 eingelangt) und in der sich die Aussage findet, die Depression des Beschwerdeführers habe dessen Studienwechsel nicht zwingend herbeigeführt, hat sie diese Bestätigung (von der aufgrund der Aktenlage nicht festgestellt werden kann, ob sie der belangten Behörde überhaupt vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zugegangen ist) im angefochtenen Bescheid nicht verwertet, sodaß schon deshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen ist. Im übrigen wird bemerkt, daß diese "Feststellung" nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit den sonstigen Ausführungen des Facharztes zu beurteilen ist. So hat Dr. B in dieser Bestätigung vom 2. September 1997 auch ausgeführt, daß "mit Sicherheit" angenommen werden könne, daß der Beschwerdeführer nur aufgrund seiner Depression, in der er sich für sein Studium (der Betriebswirtschaft) krankheitsbedingt nicht geeignet gefühlt habe, die Entscheidung für die Exmatrikulation getroffen habe, und vorgeschlagen, wenn nötig, einen Gutachter des Wagner-Jauregg-Krankenhauses in Linz beizuziehen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der oben aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigeren) Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997120371.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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