TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/1 W170 2200678-1

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Veröffentlicht am 01.03.2019
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Entscheidungsdatum

01.03.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z17
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2200678-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 29.05.2018, Zl. IFA 1177230003 + VZ 171407050, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

XXXX (in Folge auch: beschwerdeführende Partei) hat am 20.12.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Im Rahmen des Administrativverfahrens gab die Beschwerdeführerin, die nach ihrer Einreise nach Österreich einen asylberechtigten, syrischen Staatsangehörigen traditionell geheiratet hatte, an, sie habe Syrien im Juni 2016 wegen des Krieges verlassen; ihr Herkunftsgebiet sei in der Hand der Rebellen gewesen und habe das Regime dieses belagert. Auch habe man ihren Bruder festgenommen. Weiters fürchte die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr wegen ihrer illegalen Ausreise bestraft zu werden. Im Rahmen des Administrativverfahrens legte die Beschwerdeführerin ihren syrischen Personalausweis vor.

Mit im Spruch bezeichneten Bescheid, erlassen am 13.06.2018, wurde der gegenständliche Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, unter einem wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und dieser eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt.

Hinsichtlich der Abweisung der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten wurde begründend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin sich nur auf die unsichere Lage in Syrien berufen habe und diesbezüglich kein Asylgrund vorliegen würde.

Mit am 10.07.2018 bei der Behörde eingebrachten Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und begründend ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin eine asylrelevante Verfolgung drohe, da man dieser wegen ihrer Herkunft aus Dara'a, wegen der regimekritischen Einstellung von Familienangehörigen, wegen der Wehrdienstverweigerung ihres Mannes in Zusammenhang mit ihrer illegalen Ausreise eine politisch-oppositionelle Gesinnung unterstellen würde.

Nach Vorlage der Beschwerde und des bezugnehmenden Verwaltungsaktes am 11.07.2018 wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes am 24.01.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist eine volljährige syrische Staatsangehörige, die der Volksgruppe der Araber und der Konfession der Sunniten angehört und die in Österreich unbescholten ist.

1.2. XXXX hat im Sommer 2016 ihren bisherigen Aufenthaltsort in Damaskus-Land (bzw. Damaskus Umgebung) verlassen und ist mit einem Bus zu ihrer Schwägerin nach Idlib gefahren; während der Fahrt musste dieser Bus mehrere Checkpoints der syrischen Armee durchqueren und hat XXXX auf Befragen der dortigen Sicherheitsorgane angegeben, ihre Schwester in Idlib besuchen zu wollen. Obwohl XXXX ihren Namen in eine Liste geschrieben hatte, die an den Checkpoints kontrolliert wurde, hatte XXXX keine Probleme, nach Idlib zu gelangen. In weiterer Folge hat XXXX Syrien über Idlib und Kherbet Algoz, das zu diesem Zeitpunkt in der Hand der FSA war - aus syrischer Sicht rechtswidrig und ohne im Besitz eines Reisepasses zu sein - verlassen.

Zum Zeitpunkt der Ausreise aus Syrien war XXXX ledig, nunmehr hat sie in Wien lediglich religiös-islamisch XXXX, - diesem kommt in Österreich wegen einer ihm wegen seiner Wehrdienstverweigerung in Syrien drohenden Verfolgung der Status des Asylberechtigten zu - geheiratet. Weder wurde diese Ehe vor einem österreichischen Standesbeamten geschlossen noch ist diese die syrischen Behörden bekannt geworden.

1.3. XXXX hat vor dem Bundesamt vorgebracht, dass ihr namentlich nicht näher bezeichneter Bruder vom Regime wegen des Vorwurfs, Angehöriger der Rebellen zu sein, festgenommen wurde. Darüber hinaus gab XXXX an, dass ihr Herkunftsgebiet, das in der Hand der Rebellen gewesen sei, vom Regime belagert worden sei, sodass XXXXdort ihre Grundbedürfnisse nicht habe decken können. Außerdem fürchte sie wegen der aus syrischer Sicht rechtswidrigen Ausreise, im Falle einer Rückkehr verhaftet zu werden; man würde ihr vorwerfen, Angehörige der Rebellen zu sein, weil sie an einem Ort gelebt habe, der sich unter der Kontrolle der Rebellen befindet. Weitere Fluchtgründe habe XXXXlaut ihrem Vorbringen vor dem Bundesamt nicht, sie habe zwar Angst, sei aber nie persönlich bedroht worden. Schließlich gab XXXX vor dem Bundesamt noch an, in Syrien alleine leben zu müssen, allerdings befände sich ihre Schwester mit deren Familie in Damaskus und habe XXXX bereits mehrere Wochen bei dieser gelebt.

In der Beschwerde hat XXXX vorgebracht, dass deren Brüder Syrien bereits verlassen hätten, ihr Bruder Mohammad sei wegen einer zugeschriebenen oppositionell-politischen Einstellung verhaftet worden und seien nunmehr alle Familienangehörigen verdächtig; ebenso seien die Ehemänner der Schwestern der XXXX in den Fokus der Regierung geraten. XXXXdrohe laut ihrer Beschwerde aufgrund einer Kumulation mehrerer Faktoren Verfolgung, nämlich wegen ihrer Herkunft aus Dara'a, der den Verwandten zugeschriebenen regimekritischen Einstellung, der Wehrdienstverweigerung ihres (oben bezeichneten) Ehemanns, der illegalen Ausreise und wegen ihres Aufenthalts in Europa. Auch drohe XXXX Verfolgung als alleinstehende Frau in Syrien und hätten die drei erwachsenen Brüder, die alle im wehrdienstfähigen Alter seien, Syrien verlassen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte XXXX vor, drei Brüder zu haben, diese seien alle zwischen 40 und 45 Jahre alt, sie habe zuletzt in Damaskus-Umgebung gelebt, dieses Herkunftsgebiet sei zu diesem Zeitpunkt in der Hand des Regimes gewesen. Ihr Bruder Assem sei im Sommer 2015 festgenommen worden; man habe ihn eineinhalb oder zwei Monate festgehalten und dann freigelassen, er sei während der Haft gefoltert worden. Auch seien andere Verwandte festgenommen worden. Ansonsten verwies XXXX vor dem Bundesverwaltungsgericht nur auf den in Syrien herrschenden Krieg und dass es zu ethnischen Säuberungen gegen sunnitische Moslems komme. Auch habe XXXX als alleinstehende Frau niemanden gehabt, der sie beschützt habe. Im Falle der Rückkehr nach Syrien werde sie wegen ihrer illegalen Ausreise und da sie als Oppositionelle gelte, festgenommen.

1.4. Das Vorbringen, dass einer der Brüder der XXXX in Syrien festgenommen worden sei, wurde nicht glaubhaft gemacht.

Darüber hinaus hat XXXX nach der behaupteten Festnahme ihres Bruders noch etwa 10 Monate in Syrien gelebt und diese Zeit zum Teil in einem vom Regime beherrschten Gebiet verbracht. Weder zu dieser Zeit, bei der sie an Checkpoints Kontakt zu syrischen Sicherheitskräften hatte, noch im Rahmen der Kontrollen auf dem Weg von Damaskus nach Idlib hatte XXXX Probleme mit syrischen Sicherheitskräften, wenn man von deren - jedermann treffenden - schikanösem Verhalten gegenüber Zivilisten absieht. Daher besteht selbst für den Fall, dass die Festnahme ihres Bruders trotz mangelnder Glaubhaftmachung erfolgt ist, auf Grund der nachfolgenden Kontakte zu syrischen Sicherheitsorganen, bei denen XXXX niemals festgenommen wurde, keine reale Gefahr, dass dieser in Syrien eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird.

Die Behauptung, dass die sunnitischen Moslems in Syrien in Gefahr waren oder sind, alleine wegen dieser Eigenschaft Verfolgung durch das syrische Regime zu erleiden, ist mit der Situation in Syrien nicht in Einklang zu bringen.

1.5. Weder die Asylantragstellung in Österreich noch die Eheschließung mit XXXX ist den syrischen Behörden zum Entscheidungszeitpunkt bekannt.

1.6. Im Falle einer Rückkehr besteht zwar die Möglichkeit, dass man XXXX wegen ihrer illegalen Ausreise belangen würde; dass es zu einer Festnahme und einer mit Folter verbundenen Anhaltung kommt, ist zwar (naturgemäß) nicht gänzlich ausgeschlossen, ein reales Risiko besteht aber nicht; die Brüder derXXXX sind als Wehrdienstleistende für den syrischen Staat auf Grund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit interessant, sodass XXXX nicht unmittelbare Angehörige von Fahnenflüchtigen ist. Es ist auch sonst kein Grund zu sehen, warum der syrische Staat, in dessen Hand das Herkunftsgebiet der XXXX liegt, dieser eine oppositionelle Gesinnung unterstellen sollte.

1.7. Andere Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, als der syrische Staat bzw. die Sicherheitskräfte des Regimes haben im Herkunftsgebiet der XXXX keinen Zugriff auf diese.

Andere Gründe, die für eine reale Gefahr sprechen, von den syrischen Behörden bzw. vom syrischen Regime verfolgt zu werden, wurden weder behauptet noch sind diese amtswegig hervorgekommen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich hinsichtlich der Feststellung der Identität, der Volljährigkeit und der Staatsangehörigkeit aus dem vorgelegten Personalausweis, an dessen Echtheit kein Zweifel zu sehen ist. Die Feststellungen zur Volksgruppe und Konfession der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus deren diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben, die zur Unbescholtenheit in Österreich aus der ins Verfahren eingeführten Strafregisterauskunft.

2.2. Die Feststellung unter 1.2. zum bisherigen Aufenthaltsort ergeben sich aus dem gleichlautenden Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im gesamten Verfahren, die Feststellungen zum Zeitpunkt und zur Route der Ausreise sowie zu den diesbezüglichen Vorkommnissen in Syrien, insbesondere zu den Behördenkontakten bzw. Kontakten zur FSA, ergeben sich aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht, das einerseits im Wesentlichen ihrem bisherigen Vorbringen entspricht und andererseits mit der Situation in Syrien, insbesondere hinsichtlich der Frage, wer wo die Macht in der Hand hatte, in Einklang zu bringen ist.

Die Feststellung zum Familienstand zum Zeitpunkt der Ausreise ergibt sich aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, das der Entscheidung als wahr unterstellt wird. Die Feststellung zur islamisch-religiösen Hochzeit der beschwerdeführenden Partei ergibt sich aus dem vorgelegten, bezugnehmenden Dokument; dass diese Ehe weder vor einem österreichischen Standesbeamten geschlossen noch den syrischen Behörden bekannt geworden ist, ergibt sich aus den Aussagen der beschwerdeführenden Partei sowie aus dem Umstand, dass es keine Hinweise auf einen anderen Sachverhalt gibt.

2.3. Die Feststellungen unter 1.3. zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesamt ergibt sich ebenso aus der Aktenlage wie das Vorbringen in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.4. Dass das Vorbringen, dass einer der Brüder der beschwerdeführenden Partei in Syrien festgenommen worden sei, nicht glaubhaft gemacht wurde, ergibt sich aus der Widersprüchlichkeit des Vorbringens. So gab die beschwerdeführende Partei vor dem Bundesamt zwar an, dass ein - namentlich nicht genannter - Bruder festgenommen wurde, setzte dies aber nicht in Beziehung zu ihren Fluchtgründen. In der Beschwerde gab sie an, dass Mohammad und vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass Assem festgenommen worden sei. Über Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, dass sie in der Beschwerde angegeben hatte, Mohammad und nicht Assem sei festgenommen worden, gab die beschwerdeführende Partei an, dass sie bereits vor der Polizei angegeben habe, dass Assem festgenommen worden sei. Solche Angaben finden sich im Protokoll der Erstbefragung, das der beschwerdeführenden Partei laut Aktenlage und Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht rückübersetzt wurde, nicht. Den Widerspruch zwischen Beschwerde und mündlicher Verhandlung konnte die beschwerdeführende Partei nur mit einem Missverständnis erklären, dies überzeugt aber nicht, da die Beschwerde vom im Spruch bezeichneten Vertreter verfasst wurde, dem die Relevanz von solchen Widersprüchen hinreichend bekannt ist und die dieser daher möglichst ausschließen wird. Jedenfalls ist die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen.

Weiters lassen sich die zeitlichen Angaben der beschwerdeführenden Partei, ihr Bruder sei im Sommer 2015 festgenommen und zwei Monate später entlassen worden und sie sei sechs Monate nach der Entlassung des Bruders ausgereist, nicht mit dem angegeben Ausreisezeitpunkt Sommer 2016 in Einklang bringen.

Die Feststellungen, dass die beschwerdeführende Partei nach der behaupteten Festnahme ihres Bruders noch etwa 10 Monate in Syrien gelebt und diese Zeit zum Teil in einem vom Regime beherrschten Gebiet verbracht sowie weder zu dieser Zeit, bei der sie an Checkpoints Kontakt zu syrischen Sicherheitskräften hatte, noch im Rahmen der Kontrollen auf dem Weg von Damaskus nach Idlib - abgesehen von deren schikanösem Verhalten - Probleme mit syrischen Sicherheitskräften hatte, ergeben sich aus ihren Aussage vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht; in einer Gesamtbetrachtung ist daher zu schließen, dass - selbst für den Fall, dass die Festnahme ihres Bruders erfolgt wäre - keine reale Gefahr besteht, dass diese Sicherheitskräfte der beschwerdeführenden Partei eine oppositionelle Gesinnung unterstellen werden.

Die Feststellung, die Behauptung, dass die sunnitischen Moslems in Syrien in Gefahr waren oder sind, alleine wegen dieser Eigenschaft Verfolgung durch das syrische Regime zu erleiden, ist mit der Situation in Syrien nicht in Einklang zu bringen, ergibt sich daraus, dass sich ein entsprechender Hinweis in den Länderberichten, der auf eine Verfolgung alleine auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Konfession, der 90 % der Syrer angehören, nicht findet.

2.5. Dass weder die Asylantragstellung noch die Eheschließung der beschwerdeführenden Partei den syrischen Behörden zum Entscheidungszeitpunkt bekannt ist, ergibt sich einerseits aus deren Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Umstand, dass es österreichischen Behörden verboten ist, Daten von Asylwerber/innen an deren Herkunftsstaaten weiterzugeben.

2.6. Dass im Falle einer Rückkehr zwar die Möglichkeit aber kein reales Risiko besteht, dass man die beschwerdeführende Partei wegen ihrer illegalen Ausreise festnehmen und einer mit Folter verbundenen Anhaltung zuführen würde, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Grundsätzlich genießen syrische Staatsbürger Reisefreiheit; sie können Syrien frei verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang - etwa auch am Flughafen von Damaskus - ausreisen. Die Ausreise ist mit einer Gebühr verbunden (UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, Februar 2017, S. 3).

Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte (iSv Angestellte des Staates), Berufssoldaten und wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 42 Jahren (UNHCR, ebendort, S. 3 f).

Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können; Berufssoldaten, die ohne entsprechende Genehmigung ausreisen, werden als Deserteure behandelt (UNHCR, ebendort, S. 3).

Insbesondere am Flughafen von Damaskus werden zurückkehrende Syrer auch hinsichtlich ihrer Ausreise (UNHCR, ebendort, S. 4) und hinsichtlich allfälliger Fahndungen (etwa wegen Verbrechen, regimekritischen Aktivitäten oder Ansichten, Einberufungsbefehlen - UNHCR, ebendort, S. 4 f) überprüft.

Personen, die unter ein unten dargestelltes Risikoprofil fallen, können mit realer Wahrscheinlichkeit mit Isolationshaft und Folter rechnen (UNHCR, ebendort, S. 5), ebenso werden Rückkehrende inhaftiert, weil ein Familienmitglied, etwa wegen Nichtbeachtens eines Einberufungsbefehls, gesucht wird (UNHCR, ebendort, S. 5).

Die genannten Risikogruppen sind (UNHCR, ebendort, S. 13 ff):

• Personen mit einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung;

• Personen, die aus einem Gebiet stammen, das von der Opposition beherrscht wird oder wurde, vor allem wehrfähige Männer;

• Wehrdienstflüchtige;

• Deserteure und

• Exiloppositionelle, insbesondere Teilnehmer an regimekritischen Demonstrationen

All diese Eigenschaften treffen auf die beschwerdeführende Partei aus Sicht des syrischen Staates nicht zu.

Zwar kommt es vor, dass Personen ohne Grund bei der Einreise verhaftet werden (UNHCR, ebendort, S. 6), aber ein reales Risiko ist diesbezüglich nicht zu erkennen; dies ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass diese Berichte nur vereinzelt sind und zum Teil anekdotenhaft, d.h. unüberprüfbar, erzählt werden; hierbei verkennt das Bundesverwaltungsgericht aber nicht, dass die Möglichkeit einer grundlosen Inhaftierung besteht und es diesbezüglich auch nachvollziehbare (wenn auch regelmäßig mit einer dem Opfer unterstellten politischen Gesinnung verbundene) Berichte gibt (siehe etwa UNHCR, ebendort, S. 6, FNen 32, 33).

Dass die Brüder der XXXXals Wehrdienstleistende für den syrischen Staat auf Grund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit interessant sind, ergibt sich aus dem Umstand, dass nicht einmal behauptet wurde, dass diese eine besondere Ausbildung erhalten hätten sowie aus der Tatsache, dass Männer im (aus militärischer Sicht) fortgeschrittenen Alter ohne besondere Ausbildung bzw. dauerndes Training praktisch keinen militärischen Wert haben, sondern eher ein Hindernis für deren Einheit darstellen.

Daraus ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei nicht unmittelbare Angehörige von Fahnenflüchtigen ist. Daher und mangels hervorstechender Eigenschaften oder Aktivitäten der beschwerdeführenden Partei ist auch sonst kein Grund zu sehen, warum der syrische Staat der beschwerdeführenden Partei eine oppositionelle Gesinnung unterstellen sollte.

2.7. Dass andere Akteure als der syrische Staat bzw. die Sicherheitskräfte des Regimes im Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei keinen Zugriff auf diese haben, ergibt sich aus den Länderberichten und aus dem in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgehaltenen Amtswissen, wonach Damaskus und Damaskus-Umgebung derzeit und wohl auf Dauer in der Hand des syrischen Regimes sind.

Dass andere Gründe, die für eine reale Gefahr sprechen, von den syrischen Behörden bzw. vom syrischen Regime verfolgt zu werden, nicht behauptet wurden, ergibt sich aus der Aktenlage; dass diese amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage und den Länderberichten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien, da die beschwerdeführende Partei syrische Staatsangehörige ist.

Es ist daher zu prüfen, ob der beschwerdeführenden Partei in Syrien vor deren Ausreise Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde, wobei auf Grund der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten davon auszugehen ist, dass der beschwerdeführenden Partei mangels hinreichender Sachverhaltsänderung eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, hat die beschwerdeführende Partei eine erfolgte oder im Falle ihrer Rückkehr drohende Verfolgung durch den syrischen Staat nicht glaubhaft gemacht, andere Akteure haben in ihrem Herkunftsgebiet, wo etwa auch ihre Schwester mit deren Familie lebt, sodass die beschwerdeführende Partei dort keine alleinstehende Frau wäre, keinen Zugriff auf die beschwerdeführende Partei. Daher ist nicht zu erkennen, dass der beschwerdeführenden Partei in Syrien asylrelevante Verfolgung droht und ist die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

Schlagworte

alleinstehende Frau, Asylantragstellung, asylrechtlich relevante
Verfolgung, Asylverfahren, begründete Furcht vor Verfolgung,
Bürgerkrieg, Fluchtgründe, Flüchtlingsbegriff, Glaubhaftmachung,
Glaubwürdigkeit, mündliche Verhandlung, soziale Gruppe,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W170.2200678.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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