Entscheidungsdatum
05.04.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W221 2215803-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2019, Zl. 18-1181215302-180135873 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. - VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Dabei gab an sie zunächst an, sie stamme aus der Stadt Qamishli im Gouvernement Al Hasaka und gehöre der kurdischen Volksgruppe an. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete die Beschwerdeführerin, dass in Syrien Krieg herrsche und die wirtschaftliche Lage schlecht sei. Aus diesem Grund habe sie ihren Friseursalon verkaufen müssen. Da sie danach keine Arbeit mehr gefunden habe und ihre Familie bereits aus Syrien ausgereist sei, habe sie sich entschlossen, Syrien zu verlassen.
Am 05.02.2019 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte sie zunächst, dass ihre bisher getätigten niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Sie stamme aus Qamishli, wo auch noch ihre Eltern, ein Bruder, ihre Großeltern und mehrere Onkel und Tanten leben würden. Zwei Brüder würden sich in Österreich aufhalten, ein weiterer in Deutschland. Insgesamt habe sie zehn Jahre die Schule besucht. Von XXXX bis XXXX habe sie in Damaskus als Fabriksarbeiterin gearbeitet und sei dann von XXXX bis XXXX als Friseurin in Qamishli angestellt gewesen. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass sie alleine gewohnt und niemanden gehabt habe. Auch sei sie arbeitslos gewesen und habe zu ihren beiden in Österreich lebenden Brüdern ziehen wollen. Außerdem sei die Sicherheitslage in Syrien instabil.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführerin wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin in Syrien von staatlicher Seite nie aufgrund ihrer Nationalität, Rasse oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführerin könne überdies eine Rückkehr nach Qamishli zugemutet werden, da die Sicherheitslage dort als stabil angesehen werde und sich keinesfalls so darstelle, dass jeder einzelne Bürger der Region jederzeit einer unabwendbaren Bedrohung ausgesetzt sei. Der Flughafen Qamishli sei über den Flughafen Damaskus erreichbar.
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 19.02.2019 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 05.03.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Syrien einem erhöhten Risiko einer Verfolgung ausgesetzt sei, einerseits wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen und andererseits wegen der Zugehörigkeit zur Minderheit der Kurden.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 11.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien und Angehörige der Volksgruppe der Kurden. Sie bekennt sich zum muslimischen Glauben.
Die Beschwerdeführerin reiste illegal im Jänner XXXX aus Syrien in die Türkei aus, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
Zwei Brüder der Beschwerdeführerin leben als Asylberechtigte in Österreich.
Die Eltern, ein Bruder, die Großeltern und mehrere Onkel und Tanten der Beschwerdeführerin leben noch in Syrien.
Vor ihrer Ausreise lebte die Beschwerdeführerin in Qamishli im Gouvernement Al Hasaka. Festgestellt wird, dass Qamishli grundsätzlich eine zwischen den Kurden und dem Regime geteilte Stadt ist.
Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin Syrien XXXX wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen hat und um bei ihren Brüdern zu sein.
Festgestellt wird, dass für das Gouvernement Al Hasaka im dritten Quartal des Jahres 2018 122 Konfliktvorfälle mit 224 Todesopfern dokumentiert sind.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Die syrische Regierung unter Präsident Bashar al-Assad hat mit der Unterstützung Russlands seit Jahresbeginn 2018 große Gebiete zurückerobert (Die Zeit 27.7.2018) und kontrolliert nun etwa 60 Prozent des syrischen Staatsgebietes und zwölf von vierzehn Provinzen (TDS 18.8.2018).
Nach der Offensive auf das Damaskus-Umland und insbesondere auf Ost-Ghouta zogen sich Ende Mai 2018 die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter Kontrolle der Regierung stehen (Spiegel Online 21.5.2018, ISW 1.6.2018).
Im Juni 2018 trafen die USA und die Türkei eine Vereinbarung, laut welcher die Milizen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus Manbij abziehen und infolgedessen türkische und US-amerikanische Einheiten in der nordsyrischen Stadt für Sicherheit und Stabilität sorgen sollten (Reuters 18.6.2018). Im folgenden Monat verließen die letzten Einheiten der YPG Manbij (Reuters 15.7.2018).
Mit 19. Juni 2018 startete die syrische Regierung eine Offensive zur Rückeroberung der Provinzen Quneitra und Deraa im Süden Syriens. In der Provinzhauptstadt Deraa waren 2011 die ersten Proteste gegen das Assad-Regime ausgebrochen. Im Juli 2017 wurde dort eine sogenannte Deeskalationszone eingerichtet (Harrer 5.7.2018). Die beiden Provinzen wurden durch die Regierung zurückerobert und Ende Juli 2018 wurden auch die letzten Dörfer, die sich noch unter Kontrolle einer mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) in Verbindung stehenden Gruppierung befanden, erobert. Die meisten dieser Städte und Dörfer kapitulierten unter sogenannten Versöhnungsabkommen, wobei Kämpfern und Zivilisten die Möglichkeit gegeben wurde, in von oppositionellen Gruppen kontrollierte Gebiete im Norden Syriens zu ziehen (Guardian 31.7.2018). Mit der Rückeroberung dieser Gebiete erlangte die syrische Regierung außerdem die Kontrolle über die syrisch-jordanische Grenze zurück (ISW 15.7.2018).
Im Juli 2018 wurden die beiden letzten von Rebellen belagerten regierungstreuen Orte in der Provinz Idlib evakuiert. Die Vereinbarung zur Evakuierung der mehrheitlich schiitischen Dörfer Fua und Kafraja wurde laut Oppositionskreisen von iranischen Einheiten und der islamistischen Rebellenallianz Hay'at Tahrir al-Sham getroffen (NZZ 19.7.2018; ISW 31.7.2018).
Ende Juli 2018 führten Vertreter der kurdischen Behörden erstmals seit Ausbruch des Bürgerkriegs Gespräche mit der syrischen Regierung in Damaskus über die Zukunft der von Kurden kontrollierten Gebiete im Land (Zeit 27.7.2018). Die syrischen Kurden kontrollieren etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes im Norden und Osten des Landes (Presse 27.7.2018).
Der IS hat seine Hochburgen in Syrien verloren, trotzdem operieren Schläferzellen des IS weiterhin auf syrischem Staatsgebiet. Die exakte Zahl der im Land verbliebenen IS-Kämpfer ist unbekannt, aber ein Bericht der Vereinten Nationen vom August 2018 geht von 20.000 bis 30.000 IS-Kämpfern in Syrien und im Irak aus (TDS 14.8.2018). Im Juli 2018 führte der IS einen Angriff auf Suwayda im Süden Syriens durch, bei dem über 250 Personen getötet und mehr als 30 Personen entführt wurden (TDS 5.8.2018).
Trotz internationaler Mahnungen gibt es bereits seit einiger Zeit Hinweise, dass sich die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad auf eine Offensive auf die großteils von Rebellen gehaltene Provinz Idlib vorbereiten. Nach Idlib wurden im Zuge der Versöhnungsabkommen zehntausende Rebellen gebracht (Standard 10.8.2018). Es werden bereits Luftangriffe und Artilleriebeschüsse auf die Provinz durchgeführt. Die Offensive wird jedoch durch die Präsenz der türkischen Beobachtungsposten verkompliziert (Presse 16.8.2018). Diese Präsenz ist in einer Vereinbarung zwischen Iran, Russland und der Türkei begründet, welche im Rahmen der Verhandlungen in der kasachischen Hauptstadt Astana im Jahr 2018 zur Etablierung einer sogenannten Deeskalationszone in Idlib getroffen wurde. Die Türkei hat dieser Vereinbarung entsprechend mittlerweile etwa 1.000 Truppen an 12 Beobachtungsstützpunkten in Ostidlib stationiert (TDS 14.8.2018).
Den Vereinten Nationen zufolge könnten bis zu 2,5 Millionen Personen versuchen, in die Türkei zu flüchten; der Nachbar Syriens hält jedoch seine Grenzen bisher geschlossen. Medienberichten zufolge versucht die Türkei bisher vergeblich, die Extremistentruppe Hay'at Tahrir al-Sham aufzulösen, um eine Einigung mit Russland zu erreichen und den Großangriff auf Idlib doch noch zu verhindern (Presse 16.8.2018).
Medienberichte kündigten an, dass Ende Mai 2018 erstmals seit Beginn des Krieges Rekruten vom Wehrdienst entlassen werden sollten. Al-Watan, einer regierungsnahen syrischen Tageszeitung zufolge, sollten die Offiziere und Reservisten der Rekrutierungsklasse 102 von 2010 mit 1. Juni 2018 nach acht Jahren Militärdienst entlassen werden (TDS 26.5.2018; Syria Direct 29.5.2018). Die syrischen Staatsmedien berichteten nicht über diese Entscheidung und lokale Zeitungen gaben auch nicht bekannt, wie viele Soldaten davon betroffen sein sollten (TDS 26.5.2018).
[...]
KI vom 18.5.2018 (relevant für Abschnitte 3. Sicherheitslage und 18. Rückkehr)
Präsident Baschar al-Assad hat mit russischer Unterstützung die Oberhand im syrischen Bürgerkrieg gewonnen. Große Teile des Landes, insbesondere an den Landesgrenzen, sind jedoch weiter in der Hand von Aufständischen (Standard 22.4.2018).
Nach der zwei Monate andauernden "Operation Olivenzweig" eroberten im März 2018 von der Türkei unterstützte syrische Rebellengruppierungen die Stadt Afrin, eine mehrheitlich kurdische Stadt nahe der türkischen Grenze (NYT 18.3.2018, vgl. IFK 3.2018). Zuvor baten die Kurden die syrische Regierung um Unterstützung bei der Verteidigung Afrins, woraufhin regierungstreue Einheiten, nicht jedoch die syrische Armee selbst, nach Afrin zogen (Reuters 20.2.2018). Nach der erfolgreichen Einnahme von Afrin durch türkische Truppen, kündigte die YPG den Beginn des Guerilla-Kampfes gegen die Türkei und pro-türkische Kräfte an. In den letzten Wochen erfolgten zahlreiche Anschläge (IFK 5.2018).
In den ersten Monaten des Jahres 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe der Hauptstadt Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges (Presse 1.4.2018). Ende Februar 2018 begann nach wochenlangen Bombardements die Bodenoffensive der Regierung auf Ost-Ghouta (IFK 3.2018). Mitte April 2018 wurde die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave von Seiten der russischen Behörden und der syrischen Streitkräfte für beendet erklärt (Standard 15.4.2018, vgl. Syria Direct 12.4.2018). Im April 2018 fand in Douma, in Ost-Ghouta, ein mutmaßlicher Giftgasangriff mit Dutzenden Todesopfern statt, für den die syrische Regierung verantwortlich gemacht wurde. Als Reaktion darauf führten die USA, Frankreich und Großbritannien Vergeltungsschläge auf Ziele in Syrien durch. Dabei handelte es sich um vermutete Chemiewaffenproduktions- und Lagerstätten (BBC News 8.4.2018, Standard 12.4.2018, IFK 5.2018 und Standard 14.4.2018).
Im April 2018 griff die syrische Armee außerdem Yarmouk und Hajar al-Aswad, etwa 8 Kilometer südlich von Damaskus an. Das Gebiet wurde vor allem von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates (IS) und Jabhat al-Nusra kontrolliert (Standard 20.4.2018). Die Rebellen stimmten schon bald einem Evakuierungsabkommen zu, jedoch hielten die Luftschläge weiterhin an und die bewaffneten Gruppen gaben ihr Gebiet zunächst trotz der Vereinbarungen nicht auf (TDS 23.4.2018). Mit Stand Mitte Mai wird das Gebiet noch immer von Kämpfern des IS gehalten und von der syrischen Regierung belagert (TDS 17.5.2018).
Nach dem gegenseitigen Beschuss zwischen Israel und dem Iran an der Grenze zu Syrien wächst die Sorge um eine weitere militärische Eskalation im Nahen Osten (Standard 10.5.2018).
Im Zuge der Militäroperationen zur Wiedereroberung von zentralen Gebieten Syriens versucht die Regierung zudem neue demographische Verhältnisse zu schaffen, indem sie Stadtplanungsgesetze ändert. So auch zuletzt mit Gesetz Nr. 10, das von Präsident Assad am 2. April 2018 verkündet wurde. Das Gesetz erlaubt den Behörden Zonen innerhalb ihrer Verwaltungsgrenzen für Entwicklung und Wiederaufbau vorzusehen und Immobilienentwicklungsgesellschaften zu gründen, die die Planung und Durchführung solcher Projekte überwachen (CMEC 9.5.2018). Im Zuge dessen ermöglicht das Gesetz die Enteignung von Flüchtlingen, denn gemäß dem Gesetz fallen sämtliche Grundstücke, Wohnungen und Häuser dem syrischen Staat zu, wenn deren Besitzer nicht binnen eines Monats (beginnend mit 11.4.2018) Besitzurkunden bei der dementsprechenden, neu installierten Behörde vorlegen können (VB Naher Osten 24.4.2018). Personen, die ihren Besitz beanspruchen können, erhalten Aktien der neu eingerichteten Immobiliengesellschaften, die dem geschätzten Wert ihres Besitzes entsprechen, wobei es aufgrund der aktuellen Konfliktsituation wahrscheinlich ist, dass der geschätzte Wert weit niedriger als der tatsächliche Marktwert ist (CMEC 9.5.2018). Das Gesetz erfüllt für die syrische Regierung mehrere Zwecke, darunter auch die Möglichkeit zuvor oppositionelle Gebiete in strategisch wichtigen Gegenden mit loyalen Personen zu besiedeln und so die Entstehung potentieller zukünftiger Herde des Widerstandes zu verhindern (CMEC 9.5.2018).
[...]
Politische Lage
[...]
Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016). Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016). Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in Deir ez-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes und rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus (USDOS 3.3.2017). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben (Reuters 13.4.2016). Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte (USDOS 3.3.2017). Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht wird auf etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt (DS 23.12.2017; vgl. Standard 29.12.2017).
Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch (FH 27.1.2016; vgl. AI 24.2.2016).
Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden (Spiegel 16.8.2017). 2011 soll der damalige irakische Präsident Jalal Talabani ein Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die PYD gründeten, vermittelt haben: Im September 2011 stellte der iranische Arm der PKK, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), ihren bewaffneten Kampf gegen den Iran ein. Etwa zur selben Zeit wurde die PYD in Syrien neu belebt. Informationen zahlreicher Aktivisten zufolge wurden bis zu zweihundert PKK-Kämpfer aus der Türkei und dem Irak sowie Waffen iranischer Provenienz nach Syrien geschmuggelt. Aus diesem Grundstock entwickelten sich die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel begann die PYD, die kurdische Bevölkerung davon abzuhalten, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden ?Afrin, ?Ain al-?Arab (Kobanî) und die Dschazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (ES BFA 8.2017). Im März 2016 wurde die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Afrin steht zwar unter kurdischer Kontrolle, ist jedoch nicht mit dem Rest des kurdischen Gebietes verbunden (ICC 4.5.2017; vgl. IRIN 15.9.2017). Das von der PYD in den kurdischen Gebieten etablierte System wird von der PYD als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischer Konföderalismus" bezeichnet. "Demokratischer Konföderalismus" strebt danach, die lokale Verwaltung durch Räte zu stärken, von Straßen- und Nachbarschaftsräten über Bezirks- und Dorfräte bis hin zu Stadt- und Regionalräten. "Demokratischer Konföderalismus" muss somit als Form der Selbstverwaltung verstanden werden, in der Autonomie organisiert wird. Die Realität sieht allerdings anders aus. Tatsächlich werden in "Rojava" Entscheidungen weder von den zahlreichen (lokalen) Räten getroffen, noch von Salih Muslim und Asya Abdullah in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende der PYD, stattdessen liegt die Macht bei der militärischen Führung im Kandilgebirge, die regelmäßig hochrangige Parteikader nach Syrien entsendet (ES BFA 8.2017 und ICC 4.5.2017). In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, wobei die Partei unter anderem die Bereitstellung von Leistungen nutzt, um ihre Macht zu legitimieren. Die Erbringung öffentlicher Leistungen variiert jedoch. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten in denen die PYD mehr Kontrolle besitzt, bleibt die Macht in der Hand der PYD zentralisiert, trotz den Behauptungen der PYD die Macht auf die lokale Ebene zu dezentralisieren (CHH 8.12.2016).
Noch sind die beiden größeren von Kurden kontrollierten Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (Spiegel 16.8.2016). Der Ton zwischen Assad und den an der Seite der USA kämpfenden syrischen Kurden hat sich in jüngster Zeit erheblich verschärft. Assad bezeichnete sie zuletzt als "Verräter". Das von kurdischen Kämpfern dominierte Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) konterte, Assads Regierung entlasse "Terroristen" aus dem Gefängnis, damit diese "das Blut von Syrern jeglicher Couleur vergießen" könnten (Standard 29.12.2017).
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Sicherheitslage
Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch (AA 27.12.2017).
Grob gesagt stehen auf der Seite der syrischen Regierung Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah und schiitische Milizen, die vom Iran im Irak, in Afghanistan und im Jemen rekrutiert werden. Auf der Seite der diversen Gruppierungen, die zur bewaffneten Opposition bzw. zu den Rebellen gehören, stehen die Türkei, die Golfstaaten, die USA und Jordanien, wobei diese Akteure die Konfliktparteien auf unterschiedliche Arten unterstützen. Zudem sind auch die Kurden in Nordsyrien und der sogenannte Islamische Staat (IS) am Konflikt beteiligt (BBC 7.4.2017).
Mitte September des Jahres 2016 wurde von den USA und Russland, nach monatelangen Gesprächen, eine Waffenruhe ausgehandelt. Diese sollte ermöglichen, dass humanitäre Hilfe die Kampfgebiete erreichen kann; außerdem sollte den Luftangriffen des syrischen Regimes auf die Opposition Einhalt geboten werden. Die Waffenruhe sollte sieben Tage bestehen und galt für das syrische Regime und die Rebellen, jedoch nicht für die terroristischen Gruppierungen "Islamischer Staat" (IS) und Jabhat Fatah ash-Sham (CNN 12.9.2016). Es soll in verschiedenen Gebieten mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Nach ungefähr einer Woche wurde die Waffenruhe von der syrischen Armee bzw. vom syrischen Regime für beendet erklärt. In dieser Zeit konnten keine humanitären Hilfslieferungen die Kampfgebiete erreichen (Zeit 19.9.2016).
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Rechtsschutz/Justizwesen
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Gebiete unter kurdischer Kontrolle
Im von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) kontrollierten Gebiet wurde die "Verfassung von Rojava" erstellt, welche als "sozialer Vertrag" zwischen den Bürgern der kurdischen Gebiete beschrieben wird und eine parlamentarische Demokratie mit Pluralismus und gleichen Rechten für Männer und Frauen vorsieht (BTI 2016). Es wurden Komitees gegründet, die die Erhaltung des "sozialen Friedens" zum Ziel haben und Straftaten unter diesem Gesichtspunkt regeln (FT 23.12.2015). Die von der PYD geführte Verwaltung umfasst neben einer eigenen Polizei auch Gerichte, Gefängnisse, Ministerien und Gesetze. Für die Militärgerichtsbarkeit sind die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) verantwortlich (AI 12.7.2017). Die Erbringung öffentlicher Dienste variiert in den kurdisch kontrollierten Gebieten. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch Parallelstrukturen geschaffen. Zum Beispiel fordert die PYD die Bevölkerung dazu auf sich bei den Institutionen der PYD zu registrieren, gleichzeitig müssen sich Bürger jedoch auch bei den örtlichen staatlichen Gerichten um offizielle Dokumente bemühen, da Dokumente der PYD vom syrischen Staat nicht anerkannt werden (CHH 8.12.2017).
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Folter und unmenschliche Behandlung
Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit (HRW 12.1.2017). Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016). Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 3.3.2017). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter (UNHRC 11.8.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. AI 22.2.2017). Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert. Die Toten werden häufig in Massengräbern begraben oder verbrannt und nur selten ihren Verwandten überstellt (Economist 20.12.2017). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 3.3.2017).
Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (als solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen (FH 1.2017). Manche oppositionelle Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 3.3.2017). Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 3.3.2017).
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Frauen
Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des IS, zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind (FH 1.2017).
Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation und vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte. Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den andauernden Konflikt dramatisch, weil Frauen Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden. Aufgrund der Kampfhandlungen (orig. shelling) zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017).
In oppositionellen Gebieten, welche von radikalislamistischen Gruppen kontrolliert werden (z.B. in Idlib oder umkämpften Gebieten östlich von Damaskus), sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Außerdem ist es schwierig für sie zu arbeiten, weil sie unter Druck stehen, zu heiraten. Dies hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).
Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Jabhat Fatah ash-Sham setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. In Gebieten, die der IS kontrolliert(e), wurde ein Dokument veröffentlicht, welches Frauen unter Androhung der Todesstrafe die Befolgung von 16 Punkten vorschreibt. Die Punkte waren unter anderem, das Haus nicht ohne einen männlichen nahen Verwandten (mahram) zu verlassen, weite Kleidung, ein Kopftuch und einen Gesichtsschleier zu tragen, Friseursalons zu schließen, in der Öffentlichkeit nicht auf Stühlen zu sitzen und keine männlichen Ärzte aufzusuchen (USDOS 3.3.2017; vgl. BFA 8.2017). In Raqqa gründete der IS die "al-Khansaa"-Brigade, welche hauptsächlich aus nicht-syrischen Frauen besteht und die Regeln des IS bei anderen Frauen durchsetzten soll (USDOS 3.3.2017). Familien werden auch gezwungen ihre Töchter an IS-Kämpfer zu verheiraten. Jabhat Fatah ash-Sham [Anm.: vormals Jabhat al-Nusra] ist Frauen gegenüber etwas weniger restriktiv, die Situation ist jedoch ähnlich. Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikalislamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).
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Bewegungsfreiheit
Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generelle unsichere Lage im Land schränken stark die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport von lebensnotwendigen Gütern ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, welche von den Rebellen kontrolliert werden, und die Rebellen und der sogenannte Islamische Staat (IS) wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung kontrollierte Gebiete an (FH 1.2017). In Gebieten unter ihrer Kontrolle beschränken der IS und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung (USDOS 3.3.2017). Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen, oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern (USDOS 3.3.2017). Im Juni 2017 lebten in Syrien 540.000 Menschen unter Belagerung (UNOCHA 30.6.2017).
Die vorherrschende Gewalt und der starke kulturelle Druck schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen in vielen Gebieten erheblich ein. Zusätzlich gibt es ein Gesetz, das bestimmten männlichen Verwandten erlaubt, Frauen das Reisen zu verbieten (USDOS 3.3.2017). Frauen haben eine etwas größere Bewegungsfreiheit an Checkpoints - allerdings bei erhöhter Gefahr, Opfer von sexueller und physischer Gewalt durch die Kriegsparteien oder individuelle kriminelle Elemente zu werden. In Gebieten, welche vom IS kontrolliert werden, sind Frauen zahlreichen Beschränkungen ausgesetzt. Ihr Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt und ihre Bewegungsfreiheit sind sehr stark eingeschränkt oder komplett untersagt (UNHRC 11.2.2016). Der IS erlaubt Frauen nicht, ohne einen nahen männlichen Verwandten durch das von ihnen kontrollierte Gebiet zu reisen (USDOS 3.3.2017).
Die syrische Regierung verweigert die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schloss regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge. Über Menschenrechtsaktivisten oder andere Aktivisten der Zivilgesellschaft, deren Familien oder Bekannte werden häufig Ausreiseverbote verhängt. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt (USDOS 3.3.2017).
Aufgrund des Bürgerkrieges haben in Gebieten, welche von der Opposition kontrolliert werden, Institutionen, die Identitätsdokumente ausstellten, aufgehört zu funktionieren. In Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, gibt es diese Institutionen noch, für manche Syrer ist es jedoch unmöglich geworden sie zu erreichen. So können manche Personen Geburten, Eheschließungen oder Todesfälle nicht mehr eintragen lassen, oder sich neue Identitätsdokumente ausstellen lassen. Durch den Bürgerkrieg sind auch die Kontrollmaßnahmen schwächer geworden. So werden "echte" Dokumente mit falschen Namen oder geänderten Informationen ausgestellt. Außerdem werden vermehrt gefälschte Dokumente benutzt (Landinfo 11.11.2016).
5,3 Millionen Menschen sind seit Beginn des Konfliktes aus Syrien geflohen (UNOCHA 10.2017). Seit Beginn des Jahres 2016 wurden erhöhte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit implementiert, sowohl innerhalb Syriens als auch in den Nachbarländern. Die Landgrenzen werden durch die Nachbarstaaten streng überwacht, und es gibt strikte Bedingungen für Einreisevisa, um in den Libanon oder die Türkei einreisen zu können (MMP 4.2017). Grundsätzlich ist die türkische Grenze geschlossen, verletzte Flüchtlinge werden zur Behandlung jedoch in die Türkei gebracht. Im April 2017 stellte die Türkei den Bau einer Grenzmauer zwischen Syrien und der Türkei fertig. Die Mauer erstreckt sich über mehr als die Hälfte der 911 Kilometer langen syrisch-türkischen Grenze (Spiegel 12.4.2017).
Die Grenze zu Jordanien ist ebenfalls geschlossen (MMP 4.2017). Im Juni 2016 hat die jordanische Regierung den Grenzübergang zu Syrien wegen Sicherheitsbedenken für syrische Flüchtlinge geschlossen und auch die Durchfahrt für Hilfsleistungen gestoppt, nachdem bei einem Selbstmordanschlag in dem Gebiet sieben jordanische Soldaten getötet worden waren. Der IS bekannte sich zu diesem Anschlag und soll auch eines der beiden informellen Zeltlager von Rukban und Haladat/Hadalat auf der syrischen Seite der Grenze infiltriert haben. Wie viele Menschen tatsächlich in den Lagern leben, wissen internationale Hilfsorganisationen nur von Satellitenbildern (Standard 5.10.2016 und C. Kozak 28.12.2017). Im September 2017 verließen die geschätzten 5.000 Bewohner des Lagers in Hadalat aufgrund des Näherrückens der Regimeeinheiten und vermehrter Luftangriffe dieses und zogen in das viel größere, jedoch ähnlich verarmte, Rukban-Lager, das ungefähr 100 Kilometer nordöstlich davon liegt. Zwei Rebellen-Fraktionen der Freien Syrischen Armee (FSA) evakuierten die Bewohner des Lagers (Syria Direct 6.9.2017; vgl. CRS 13.10.2017). Am Ende des Jahres 2016 wurde die Anzahl der zwischen der jordanischen und der syrischen Grenze lebenden Personen auf 85.000 Menschen geschätzt, im August 2017 soll die Zahl zwischen 45.000 und 50.000 gelegen sein (IDMC 4.10.2017). In Rukban herrscht ein Mangel an Wasser und Medikamenten. Rechtsstaatlichkeit ist nicht gegeben, und Verbrechen sind häufig (Syria Direct 6.11.2017). Die letzte der sporadischen Hilfslieferungen in das Lager in Rukban fand laut UNHCR zwischen Mai und Juni 2017 statt, seither sind jedoch hunderte Personen vor den Kämpfen in Deir ez-Zour nach Rukban geflohen (RD 30.10.2017). Inoffizielle Schmuggelrouten existieren wahrscheinlich, die Grenze kann jedoch für Syrer und Palästinenser aus Syrien als geschlossen angesehen werden (C. Kozak 28.12.2017).
Die Situation an der syrisch-irakischen Grenze ist komplizierter. Bis vor kurzem war der Zugang zur Grenze durch die Präsenz des IS entlang der syrisch-irakischen Grenze seit 2014 eingeschränkt. Der einzige aktive Grenzübergang war und bleibt der Peshkhabour-Grenzübergang zwischen Irakisch-Kurdistan und Nordsyrien. Flüchtlinge nutzten diesen Grenzübergang in beide Richtungen, um von Syrien nach Irakisch-Kurdistan und vom Nordirak in von der YPG kontrollierte Teile Nordsyriens zu fliehen. Die Situation am Grenzübergang wurde jedoch auch von politischen Auseinandersetzungen zwischen der syrisch-kurdischen YPG und der Regionalregierung Kurdistan-Iraks (KRG) beeinflusst, was zu regelmäßigen Schließungen und Zugangsbeschränkungen für Syrer und Palästinenser aus Syrien führte. Die Zusammenstöße zwischen der KRG und den irakischen Sicherheitskräften im Nordirak drohten ebenfalls den Zugang zu verhindern. Der übrige Teil der syrisch-irakischen Grenze bleibt als Militärzone in der Anti-IS-Kampagne geschlossen, wobei inoffizielle Wege nach Irakisch-Kurdistan existieren können (C. Kozak 28.12.2017).
Minderjährige Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen, selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden (BFA 8.2017).
Einige in Syrien aufhältige Palästinenser brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt jedoch wieder von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab. Palästinenser sind in ihren Reisebewegungen in der Region eingeschränkt, z.B. können Syrer Aufenthaltsgenehmigungen für den Libanon erhalten, die sechs Monate gültig sind. Palästinenser hingegen können nur ein Visum für eine Woche bekommen, das nur einmal erneuerbar ist. Theoretisch haben Palästinenser die Möglichkeit in Nachbarländer zu reisen, um in dort ansässigen Konsulaten Visa abzuholen. Im Libanon etwa ist es ihnen grundsätzlich erlaubt einzureisen, wenn sie einen Nachweis für einen Termin bei einer Botschaft und die notwendigen Dokumente besitzen. Weiters wird der libanesische Geheimdienst von der Botschaft im Vorhinein über den beabsichtigten Grenzübertritt von Syrien in den Libanon informiert und gebeten, den Grenzübertritt zu ermöglichen. In der Praxis wird Palästinensern jedoch die Einreise in den Libanon willkürlich verweigert. Für Personen mit entsprechenden Verbindungen und für wohlhabende Personen ist es einfacher, willkürliche Hindernisse bei der Einreise in den Libanon zur Erlangung von Visa zu umgehen (BFA 8.2017).
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Rückkehr
Laut der International Organization for Migration (IOM) sind zwischen Januar und Juli 2017 602.759 vertriebene Syrer in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. 93 Prozent davon sind Binnenvertriebene gewesen und 7 Prozent kehrten aus der Türkei, dem Libanon, Jordanien und dem Irak nach Syrien zurück. Rückkehrer aus der Türkei und Jordanien kehrten hauptsächlich in die Provinzen Aleppo und Hassakah zurück (IOM 11.8.2017). Am Beginn des Jahres kam es zur Rückkehr von etwa 150.000 Personen (Zeitraum Januar-April 2017) nach Ost-Aleppo, wobei die Dauerhaftigkeit dieser Rückkehr fragwürdig ist, da die Zahl der beschädigten Unterkünfte in Ost-Aleppo sehr hoch ist (IDMC 2017).
Die Hauptfaktoren, die die Entscheidung zurückzukehren, beeinflussen, sind primär die Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern, den Zustand des eigenen Besitzes/Grundstücks zu prüfen und in manchen Fällen auch die tatsächliche oder wahrgenommene Verbesserung der Sicherheitslage in Teilen des Landes (UNHCR 30.6.2017 und IOM 11.8.2017). Andere Rückkehrgründe können eine Verschlechterung der ökonomischen Situation am Zufluchtsort oder soziokulturelle Probleme sein (Die Presse 14.8.2017, vgl. IOM 11.8.2017).
Das Konzept von Binnenvertriebenen ist jedoch viel weiter gefasst, als jenes von Flüchtlingen. Binnenvertriebene sind all jene, die ihr Zuhause verlassen haben und dabei sehr kurze oder auch weite Entfernungen zurückgelegt haben. Kürzere Distanzen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr. Beispielsweise kehren viele IDPs aus West-Aleppo nach Ost-Aleppo zurück, oder viele IDPs aus den Vorstädten von Damaskus kehrten in die Vororte Qabun oder Qudsaya zurück, nachdem diese von der syrischen Armee wieder erobert wurden. Das hauptsächliche Hindernis bei der Rückkehr bleibt das Fehlen von Sicherheit, wobei diese Einschätzung von der geographischen Herkunft, sozioökonomischen Lage und einer potentiellen Beteiligung im Widerstand gegen das syrische Regime beeinflusst wird (WI 7.7.2017).
Geschätzte 67 Prozent der Rückkehrer (405.420 Personen) kehrten in die Provinz Aleppo zurück, 27.620 nach Idlib, 75.209 nach Hama,
45.300 nach Raqqa, 21,346 nach Damaskus-Umland und 27.861 in andere Provinzen. Berichten zufolge kehrten 97 Prozent der Vertriebenen zu ihrem eigenen Haus zurück, 1,8 Prozent leben bei Gastgebern, 1,4 Prozent in verlassenen Häusern, 0,14 Prozent in informellen Siedlungen und 0,03 Prozent in gemieteten Unterkünften. Der Zugang zu Nahrung und Haushaltsgegenständen der Rückkehrer liegt dieser Studie zufolge bei 80 und 83 Prozent, der Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung nur bei 41 und 39 Prozent, weil die Infrastruktur des Landes durch den Konflikt extrem beschädigt wurde. Im Jahr 2016 lag die Zahl der Rückkehrer bei 685,662. Von diesen Rückkehrern wurden jedoch geschätzte 20.752 im selben Jahr und 21.045 im Jahr 2017 erneut vertrieben. Während die Zahl der Rückkehrer in Syrien steigt, ist die Zahl der Vertreibungen weiterhin hoch. So wurden von Januar bis Juli 2017 geschätzte
808.661 Personen aufgrund des Konfliktes vertrieben, viele davon zum zweiten oder dritten Mal. Laut IOM war die Rückkehr von IDPs hauptsächlich spontan, aber nicht notwendigerweise freiwillig, sicher oder nachhaltig (IOM 11.8.2017).
Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 17.8.2017). Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage des Gesetzes Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt sind (UNHCR 2.2017).
Personen werden bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017). Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Assad-Regimes angesehen wird (UK HOME 8.2016).
Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 3.3.2017).
In den von oppositionellen Gruppierungen wie Jabhat Fatah ash-Sham oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierten Gebieten verfügen die bewaffneten Gruppen ebenfalls über Listen von "Dissidenten". Ihnen drohen Misshandlung und Verschwindenlassen. Auch oppositionelle Gruppen kontrollieren Rückkehrende, wobei die Bekanntgabe des Wohn- und Geburtsortes wichtig ist. SyrerInnen, die aus der Türkei in oppositionelle Gebiete zurückkehren, werden befragt. Es kommt außerdem zu Entführungen und Lösegelderpressungen durch bewaffnete Gruppen (SFH 21.3.2017).
Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien (UNHCR 2.2017). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017).
Im September 2017 sprach der damalige Generalmajor der syrischen Republikanischen Garden Issam Zahreddine eine Drohung gegen syrische Flüchtlinge aus. In einem Live-Interview mit dem syrischen Staatsfernsehen sagte er "Kehrt nicht zurück! Selbst wenn der Staat euch vergibt, wir werden niemals vergessen und verzeihen. Ein Rat von diesem Bart: Kommt nicht zurück!", umstehende Offiziere hätten dazu gelacht. Zum Berichtszeitpunkt befehligte er mehrere tausend Soldaten und leitete die Eroberung von Deir ez-Zour. Offiziell gibt das Assad-Regime vor, eine "nationale Versöhnung" in Syrien anzustreben. Syrer, die nicht gegen die Regierung kämpften, hätten demnach nichts zu befürchten (Spiegel 11.9.2017). Zahreddine, der im Oktober 2017 durch eine Landmine getötet wurde, entschuldigte sich später für die Aussage und sagte, dass sie missinterpretiert worden sei und er sich lediglich auf IS und Rebellenkämpfer bezog, die syrische Truppen getötet haben (Telegraph 18.10.2017). Im Dezember 2017 besuchte Ali Haidar, der syrische Minister für nationale Versöhnung (Minister of State for National Reconciliation), den Südlibanon und rief syrische Flüchtlinge aus den Provinzen Hama und Aleppo dazu auf, nach Hause zurück zu kehren, unter der Behauptung, dass die Situation in den Provinzen stabil sei (DS 2.1.2018).
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2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche der Beschwerdeführerin im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgehalten und denen im Zuge dessen nicht entgegengetreten wurde, stammen aus dem Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.2. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin, ihrer Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin sowie auf die vorgelegten Dokumente (syrischer Reisepass, syrischer Personalausweis). Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.
Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin.
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
Die Feststellung, dass sich der Wohnort der Beschwerdeführerin unter Kontrolle des Regimes und kurdischer Milizen befindet und auch zur Ausreise befand, ergibt sich aus den oben angeführten Länderberichten und durch Einsichtnahme in die Karte https://syria.liveuamap.com/.
2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Im vorliegenden Verfahren hat die Beschwerdeführerin nach ihrer Erstbefragung in einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Gelegenheit gehabt, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat das Bundesverwaltungsgericht auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat keine gezielte konkrete Verfolgung droht:
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31).
Die Beschwerdeführerin gab zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates im Rahmen ihrer Erstbefragung und ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gleichbleibend an, dass sie Syrien 2018, wegen der schlechten Sicherheitslage und um bei ihren Brüdern zu sein, verlassen hat. Dieses Vorbringen ist glaubhaft und wird den Feststellungen zugrunde gelegt.
Das gesamte weitere - erst in der Beschwerde erhobene - Vorbringen der Beschwerdeführerin blieb hingegen äußerst oberflächlich und vage. So brachte die Beschwerdeführerin in der Beschwerde vor, ihre Brüder und ihr Vater würden zwar noch in Syrien leben, sich jedoch beruflich oft längere Zeit in Saudi-Arabien aufhalten, wobei nicht sicher sei, dass diese in Syrien bleiben würden. Die Beschwerdeführerin sei daher als alleinstehende Frau anzusehen. Weiters wurde auf das Risiko einer Verfolgung wegen der Zugehörigkeit der Kurden hingewiesen. Das syrische Regime unterstelle eine oppositionelle politische Gesinnung alleine aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit.
Dieses Vorbringen steht diametral zu dem bisherigen Vorbringen im Verfahren.
Die Beschwerdeführerin muss sich damit eine Steigerung ihres Vorbringens vorwerfen lassen, die das Vorbringen der Beschwerdeführerin insgesamt in Zweifel zieht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwH). Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 27.06.2012, U 98/12), doch hat die Beschwerdeführerin nicht nur in der Erstbefragung keine konkrete gegen sich gerichtete individuelle Verfolgungshandlung vorgebracht, sondern auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben, nie von staatlicher Seite aufgrund ihrer Volksgruppe verfolgt worden zu sein (AS 82) und auch sonst aktuell nichts im Falle einer Rückkehr nach Syrien zu befürchten (AS 83). Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin aus dem Kurdengebiet stammt, sodass sie mit dem Regime gar nicht in Kontakt kommt.
Auch ist darauf hinzuweisen, dass auch wenn der Vater und der Bruder der Beschwerdeführerin sich regelmäßig in Saudi-Arabien arbeitsbedingt aufhalten würden, noch die Mutter, die Großeltern und mehrere Onkel und Tanten der Beschwerdeführerin in Syrien leben und sie von keinen Repressalien gegen diese berichtete. Die Beschwerdeführerin ist somit nicht als alleinstehend anzusehen.
Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kann dementsprechend nicht darin entgegengetreten werden, dass die Beschwerdeführerin im Laufe ihres Verfahrens mit ihrem Vorbringen eine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, nicht hat glaubhaft machen können.
2.4. Zur Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin: