Entscheidungsdatum
08.04.2019Norm
AVG §57Spruch
W170 2216227-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Mag. Taner ÖNAL, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zl. 1046796910/171116250, zu Recht:
A) I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, und §§ 92 Abs. 1, 93 Abs. 1 Z 1, 94 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, stattgegeben. Der Spruch des Bescheides lautet:
"Der Vorstellung von XXXX , vom 22.05.2018 wird stattgegeben und der Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018, Zahl: 1046796910/171116250, gemäß § 57 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018 und §§ 92 Abs. 1, 93 Abs. 1 Z 1, 94 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, behoben."
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgegenstand:
Verfahrensgegenständlich ist die Frage, ob die durch den Spruch erfolgte Entziehung des Konventionsreisepasses des XXXX , der seinen im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Italien abgeschobenen Bruder rechtswidrig wieder nach Österreich zurückgeholt hat, rechtmäßig ist oder nicht.
Die Beschwerde wurde am 20.03.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Verfahren:
Mit Mandatsbescheid vom 02.05.2018, Zl. 1046796910/171116250 wurde XXXX sein Konventionsreisepass Nr. K1217173 entzogen. Der Spruch lautete: "Gemäß § 94 Absatz 5 iVm § 93 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) idgF, wird Ihnen der Konventionsreisepass, Nr. K1217173 entzogen. Gemäß § 93 Absatz 2 FPG haben Sie das Dokument unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen."
Der Bescheid wurde XXXX am 11.05.2018 zugestellt.
Mit am 22.05.2018 zur Post gegebenen Schriftsatz wurde vom im Spruch genannten Vertreter des XXXX das Rechtmittel der Vorstellung erhoben.
Das Bundesamt hat mit Schriftsatz vom 24.05.2018, am selben Tag expediert, bei der Staatsanwaltschaft Graz die relevanten Verfahrensakten eingeholt.
Mit Bescheid vom 28.02.20198, Zl. 1046796910/171116250 wurde XXXX sein Konventionsreisepass Nr. K1217173 entzogen. Der Spruch lautete:
"Gemäß § 94 Absatz 5 iVm § 93 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird Ihnen der Konventionsreisepass, Nr. K1217173 entzogen."
Der Bescheid wurde dem Vertreter des XXXX am 04.03.2019 zugestellt.
Mit am 14.03.2019 zur Post gegebenem Schriftsatz wurde vom Vertreter des XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.
1.2. Zu den Entziehungstatbeständen:
XXXX ist in Österreich unbescholten.
Das Bundesamt hat festgestellt, dass XXXX am 28.09.2017 gegen 22.00 Uhr seinen Bruder XXXX , dessen "Asylantrag" (richtig: Antrag auf internationalen Schutz) in Österreich infolge der Zuständigkeit Italiens negativ entschieden wurde, dessen Außerlandesbringung auf dem Luftweg nach Italien am 28.09.2017 erfolgte und der XXXX am 28.09.2017 telefonisch über den negativen Ausgang seines Asylverfahrens sowie seine Außerlandesbringung nach Italien informiert und gleichzeitig ersucht hatte, ihn in Italien abzuholen, mit seinem PKW der Marke VW Passat mit dem österreichischen Kennzeichen XXXX in Bologna/Italien abgeholt und mit diesem gemeinsam über Slowenien nach Österreich gefahren sei. Dort sei XXXX und sein Bruder einer polizeilichen Kontrolle unterzogen und der Bruder nach Slowenien zurückgewiesen worden. In seiner polizeilichen Einvernahme habe XXXX angegeben, nicht gewusst zu haben bzw. sich nichts dabei gedacht zu haben, dass sein Bruder kein Aufenthaltsrecht in Österreich besitze. XXXX sei wegen des Verdachts nach § 114 Abs. 1 FPG an die Staatsanwaltschaft Graz auf freiem Fuß angezeigt worden, das gerichtliche Ermittlungsverfahren sei jedoch in weiterer Folge eingestellt worden, zumal XXXX im Rahmen der gerichtlichen Erhebungen kein Bereicherungsvorsatz mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachzuweisen gewesen sei.
Diesen Sachverhaltsfeststellungen trat die Beschwerde im Wesentlichen nicht entgegen.
Gegen XXXX wird kein wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfahren geführt noch ist gegen diesen eine Strafvollstreckung zu vollziehen.
Es finden sich keine Hinweise, dass XXXX seinen Konventionspass benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten oder um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen.
Es finden sich keine Hinweise, dass XXXX - vom obigen Vorfall abgesehen - seinen Konventionspass benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken.
Es finden sich keine Hinweise, dass durch den Aufenthalt des XXXX im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet werden würde.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I:
3.1.1. Das Bundesamt hat am 11.05.2018 einen mit 02.05.2018 datierten Mandatsbescheid (Zl. 1046796910/171116250) erlassen, gegen den mit am 22.05.2018 zur Post gegebenen Schriftsatz das Rechtmittel der Vorstellung erhoben wurde. Das Bundesamt hat mit Schriftsatz vom 24.05.2018, mit dem bei der Staatsanwaltschaft die relevanten Verfahrensakten eingeholt wurden, Ermittlungen eingeleitet.
Die relevanten Normen im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018 (in Folge: AVG) lauten:
"§ 57. (1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.
(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen."
3.1.2 Unzweifelhaft ist der Bescheid vom 02.05.2018, Zl. 1046796910/171116250, ein Mandatsbescheid, gegen den rechtzeitig mit am 22.05.2018 zur Post gegebenen Schriftsatz das Rechtmittel der Vorstellung erhoben wurde. Da nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Sinne des .§ 57 Abs. 3 AVG eine bestimmte Art von Ermittlungen oder eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist und die Einleitung des Ermittlungsverfahrens demnach auch durch einen rein innerbehördlichen Vorgang, so auch durch eine Anfrage an eine andere Abteilung derselben Behörde, erfolgen kann (VwGH 11.3.2016, Ra 2016/11/0025), ist das am 24.05.2019 an die Staatsanwaltschaft expedierte Schreiben, mit dem der den die Entziehung begründenden Vorfall betreffenden Ermittlungsakt angefordert wurde, jedenfalls als eine hinreichende Einleitung des Ermittlungsverfahrens zu verstehen. Daher ist der Mandatsbescheid nicht außer Kraft getreten.
Nun hat die Behörde mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid zwar nicht ausdrücklich über die Vorstellung abgesprochen, aber den Spruch des Mandatsbescheides wiederholt; hiezu führt der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 10.10.2003, 2002/18/0241; VwGH 17.11.1992, 92/11/0082) ausdrücklich aus, dass - so die Behörde den Spruch bestätigen will - die, abgesehen von der Bezugnahme auf § 57 AVG, wortwörtliche Wiedergabe des Spruches des Mandatsbescheides hinreichend ist. Dies ist im gegenständlichen Fall der Fall, daher ist der im Spruch bezeichnete Bescheid als Entscheidung über die Vorstellung zu sehen.
Das bedeutet aber, dass Gegenstand des im Spruch bezeichneten Bescheides - in Auslegung des Spruches nach der zitierten Rechtsprechung - die Absprache über die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 02.05.2018, Zl. 1046796910/171116250, ist.
3.1.3. Gemäß §§ 92 Abs. 1, 93 Abs. 1 Z 1, 94 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: FPG) ist ein Konventionsreisepass zu entziehen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
(1.) der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen, (2.) der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten, (3.) der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen, (4.) der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken oder (5.) durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
Sowohl im Mandatsbescheid als auch in dem im Spruch bezeichneten Bescheid hat die Behörde die Entziehung des Konventionsreisepasses mit der Begehung von Schlepperei gerechtfertigt.
Als Schlepperei werden in § 114 FPG, Schlepperei die Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, bezeichnet.
3.1.4. Weder aus dem gerichtlichen noch das der Bescheiderlassung vorangegangenen Ermittlungsverfahren ergibt sich ein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer die rechtswidrige Einreise seines Bruders nach Österreich oder die rechtswidrige Durchreise seines Bruders durch Slowenien gefördert hat, um sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern. Daher liegt keine Schlepperei sondern allenfalls eine (gegebenenfalls verwaltungsrechtlich zu ahndende) Beihilfe zur rechtswidrigen Einreise vor; dies stellt aber keinen Entziehungstatbestand im Sinne des FPG dar. Daher kann dieser Vorfall die Entziehung des Konventionsreisepasses des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen.
Da hinsichtlich der anderen Entziehungstatbestände ebenso wenig Hinweise vorzufinden sind, wie dass der Beschwerdeführer in anderen Vorfällen Schlepperei begangen hat oder begehen werde, ist sowohl der Mandatsbescheid als auch der die Vorstellung erledigende Bescheid rechtswidrig und daher aufzuheben bzw. der Spruch entsprechend zu ändern; es braucht daher nicht mehr darauf eingegangen werden, ob bei der Erlassung des Mandatsbescheides Gefahr im Verzug vorlag.
3.2. Zu Spruchpunkt II:
3.2.1. Die Grundsätze der auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten relevanten Rechtsprechung zum Begriff des Rechtsschutzinteresses lauten: Das Rechtsschutzinteresse besteht bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. VwGH 29.09.2010, 2008/10/0029; VwGH 24.01.1995, 93/04/0204 und zuletzt VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0162 ).
3.2.2. Durch die Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren kommt der Frage, ob der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukommt, keinerlei praktische Bedeutung mehr zu, daher ist die Beschwerde gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (nunmehr) unzulässig und zurückzuweisen.
3.3. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Fragen wird auf A) und die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, hinsichtlich der materiell-rechtlichen Fragen liegt ein klarer Gesetzeswortlaut vor, der keine (Rechts-)Fragen offenlässt; daher ist die Revision nicht zulässig.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Einreise, Entziehung, Entziehungsbescheid,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W170.2216227.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020