TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/2 98/12/0156

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.1998
beobachten
merken

Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §14 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch Dr. Josef Thaler und Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, Dorfplatz 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 20. April 1998, Zl. 1260/2-III 7/98, betreffend Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund des angefochtenen Bescheides, der Beschwerde und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der 1947 geborene Beschwerdeführer steht aufgrund des angefochtenen Bescheides als Amtsdirektor in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund. Seine letzten Dienststellen waren das Bezirksgericht Bad Ischl und das Bezirksgericht Mondsee, wo er als Rechtspfleger beschäftigt war.

Nach einer Amtsnachschau im November 1997 beauftragte der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz den Facharzt für forensische Psychiatrie Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers als Rechtspfleger. Dem Sachverständigen lagen dabei vom Oberlandesgericht Linz übersandte Aktenkopien sowie eine Sachverhaltsdarstellung des Oberlandesgerichtes vor, wonach sowohl der Vorsteher des Bezirksgerichtes Bad Ischl als auch der Vorsteher des Bezirksgerichtes Mondsee mehrere Eingaben über das Verhalten des Beschwerdeführers gemacht hatten: Dieser erbringe unzulängliche und gesetzwidrige Arbeitsleistungen, sein Verhalten im Umgang mit den Mitarbeitern, Parteien, Anwälten und Sachverständigen sei katastrophal; die Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer gestalte sich aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur für sämtliche Mitarbeiter der Gerichte sehr schwierig. Die Amtsnachschau durch den Präsidenten des Landesgerichtes Wels im November 1997 habe, so das im Gutachten wiedergegebene Schreiben des Oberlandesgerichtes, dieses Bild bestätigt. Der Beschwerdeführer sei für einen Rat oder eine Belehrung absolut unzugänglich; den Kanzleibeamten gegenüber beharre er strikt darauf, daß er das Entscheidungsorgan sei und sie sich daran zu halten hätten, Anordnungen der Richter nehme er andererseits nicht zur Kenntnis. Auch in dem vom Präsidenten des Landesgerichtes Wels am 27. November 1997 in normalem Ton geführten Gespräch über dienstliche Obliegenheiten sei der Beschwerdeführer immer lauter und ausfälliger geworden.

Nach einer persönlichen neuropsychiatrischen Untersuchung am 11. Februar 1998 erstellte der Sachverständige ein ausführliches Gutachten, wobei er folgende Krankheitszustände diagnostizierte:

1. rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome,

2. Zustand nach Alkoholmißbrauch, berichteterweise seit etwa acht bis neun Jahren abstinent,

3. biologische Voralterung.

Etwa seit 1994 habe sich der Beschwerdeführer beruflich übergangen gefühlt, dies insbesondere nach einem "Chefwechsel". Er habe zunehmend den Eindruck gewonnen, daß sein Mitarbeiter mit dem Chef besser zusammen arbeite als mit ihm und er deshalb übergangen werde. Er habe sich dadurch benachteiligt, gekränkt und verletzt gefühlt. Es sei zum Auftreten einer Affektinkontinenz gekommen, welche sich auch zum Untersuchungszeitpunkt sehr deutlich gezeigt habe. Die psychophysische Belastbarkeit sei aufgrund des psychosewertigen psychiatrischen Krankheitsbildes hochgradig reduziert. Unter Berücksichtigung des neuropsychiatrischen Gutachtens sei der Beschwerdeführer selbst für körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten über einen längeren Zeitraum nicht belastbar. Vielmehr bestehe die Gefahr, daß bei beruflichen Belastungen eine Verschlechterung des bereits deutlich gestörten emotionalen Verhaltens eintrete. Nicht auszuschließen sei auch eine Zunahme der ohnehin bestehenden latenten Suizidialität (Selbstmordgefährdung). In therapeutische Bemühungen dürften aufgrund der multifaktoriellen Entstehungsbedingungen der Depression nicht allzu große Hoffnungen gesetzt werden.

Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt; von der Möglichkeit zur Stellungnahme machte er keinen Gebrauch.

Mit Bescheid vom 20. April 1998 versetzte der Bundesminister für Justiz den Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 von Amts wegen in den Ruhestand. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach einer zusammenfassenden Wiedergabe des neuropsychiatrischen Gutachtens aus, daß der Beschwerdeführer als Rechtspfleger in Zivilprozeß-, Exekutions- und Insolvenzssachen selbständig und eigenverantwortlich Aufgaben wie z.B. die Durchführung von Mahn- und Kraftloserklärungsverfahren, von Exekutions- und Konkursverfahren, soweit sie in den Wirkungskreis eines Rechtspflegers fallen, und den damit anfallenden Parteienverkehr zu bewältigen habe. Die Tätigkeit eines Rechtspflegers erfordere ein hohes Maß an Belastbarkeit, Präzision, Konzentration, fachlichem Wissen, Lernbereitschaft, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Entschluß- und Tatkraft, welches beim Beschwerdeführer aufgrund seiner Gesundheitsstörungen nicht mehr gegeben sei. Eine andere, zumindest gleichwertige und dem Beamten auch aus ärztlicher Sicht noch zumutbare Tätigkeit im gehobenen Dienst könne ihm nicht zugewiesen werden. Nach sorgfältiger Berücksichtigung aller Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei der Beschwerdeführer, der im Ermittlungsverfahren von der Äußerungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der dessen kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 1 des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. Nr. 820/1995, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Gemäß § 14 Abs. 3 BDG 1979 ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 14 BDG 1979 ist unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der ihm übertragenen Geschäfte ausschließen. Dabei ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern es sind vielmehr auch die Auswirkungen solcher Störungen oder Eigenschaften auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen dieser Störungen und Eigenschaften auf den Amtsbetrieb entscheidend. Eine zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bestehende Dienstunfähigkeit ist dann als dauernd zu werten, wenn nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgeblichen Zeitraum die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist; die bloße Möglichkeit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit genügt nicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1998, Zl. 93/12/0136 m.w.N.).

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit auf ein medizinisches Gutachten gestützt, das allen Voraussetzungen gerecht wird, die nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1992, Zl. 90/12/0140 m.w.N.) an Sachverständigengutachten zu stellen sind.

Der Beschwerdeführer rügt allerdings als Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß ihm nicht die Möglichkeit gegeben worden sei, zu den Aktenunterlagen, auf die sich das Gutachten beziehe - insbesondere das Schreiben des OLG Linz an den Sachverständigen vom 15. Jänner 1998, Beschwerden der Vorsteher der Bezirksgerichte Mondsee und Bad Ischl und Protokolle über Vernehmungen des Beschwerdeführers durch den Vizepräsidenten des OLG Linz -, Stellung zu nehmen.

Dem ist zu entgegnen, daß dem Beschwerdeführer, wie dieser selbst einräumt, das Gutachten zur Stellungnahme vorgelegt wurde. Damit ist die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs nachgekommen. Dem Beschwerdeführer wäre es offengestanden, sich einerseits zum Gutachten selbst zu äußern, anderseits Einsichtnahme in die dort erwähnten Aktenunterlagen zu verlangen und dazu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer vermag auch nicht darzutun, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Unterlassung der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften hätte kommen können.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Da dies bereits aufgrund der vorliegenden Unterlagen erkennbar war, konnte die Beschwerde

gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weitere Kosten für den Beschwerdeführer abgewiesen werden.

Wien, am 2. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998120156.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten