Entscheidungsdatum
30.10.2019Norm
ASVG §412aSpruch
G308 2206323-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im Beschwerdeverfahren des Finanzamtes XXXXgegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark, vom 26.06.2018, GZ VSNR/Abt. XXXX:
A) Die Beschwerde wird mangels Parteistellung zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: SVA), vom 26.06.2018 GZ VSNR/Abt. XXXX, wurde von Amts wegen festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: mitbeteiligte Partei oder kurz mP), XXXX, aufgrund seines undatierten, am 05.02.2018 bei der SVA eingelangten, Antrages gemäß § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) iVm. den §§ 409 und 410 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) im Zeitraum von 20.12.2017 bis 31.05.2018 vorläufig aus der Pflichtversicherung in der Kranken-und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs.1 Z 1 GSVG idgF ausgenommen gewesen sei. Als weitere Rechtsgrundlagen der Entscheidung werden §§ 2, 4, 194, 194b GSVG genannt.
Begründend wird ausgeführt, dass der Antragsteller von 20.12.2017 bis 30.05.2018 Inhaber einer Gewerbeberechtigung lautend auf Botendienst sowie Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft gewesen sei. Mit undatiertem, am 05.02.2018 bei der SVA eingelangten Schreiben habe er die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG beantragt. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei vom Vorliegen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auszugehen gewesen. Diese Rechtsansicht werde sowohl von der SVA als auch der zuständigen Gebietskrankenkasse vertreten (§ 194b GSVG iVm § 412d ASVG).
2. Mit Schreiben vom 19.07.2018 erhob das Finanzamt XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF), Beschwerde gegen die Feststellung der sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung der Tätigkeit der mP. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bescheid nicht hinreichend begründet sei und dem Akteninhalt kein tatsächlich verifizierter Sachverhalt entnommen werden könne.
Zur Parteistellung des Finanzamtes im Beschwerdeverfahren des Bundesverwaltungsgerichtes wird ausgeführt, dass dieses gemäß § 8 AVG als Partei anzusehen sei, da es sich beim Beschwerdeführer um eine Person handle, auf die sich die Tätigkeit der belangten Behörde beziehe (Bindungswirkung). In diesem Zusammenhang wäre dem Beschwerdeführer auch gemäß § 37 AVG Parteiengehör zu gewähren gewesen, was jedoch nicht erfolgt sei.
Weiters wurde die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides moniert und begründend auf die näher dargelegte VwGH-Judikatur verwiesen.
3. Mit Schreiben vom 24.09.2018 legte die SVA die Beschwerde mitsamt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo sie am 24.09.2018 eingelangt sind.
Im Vorlagebericht wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht beschwerdelegitimiert sei. Die Bindungswirkung nach § 412d und § 412c ASVG begründe keine Parteistellung der Finanzämter im Vorabprüfungsverfahren. Sie seien daher nicht zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde legimitiert. Die Bescheidbeschwerde sei daher mangels Parteistellung des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Dem Beschwerdeführer komme kein subjektiv-öffentliches Recht im Vorabprüfungsverfahren zu, insbesondere nicht durch die Zustellung des gegenständlichen Bescheides. Diese erfolge im öffentlichen Interesse, um die Bindung der Finanzämter an die Bescheide im späteren Prüfverfahren gewährleisten zu können. Faktische und wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers würden keine Parteistellung begründen. Auch in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage Nr. 1613 der Beilage zur XXV. GP werde nur das Beschwerderecht der SVA und Sozialversicherungsanstalt der Bauern ausdrücklich anerkannt.
Die Beschwerdelegitimation einer Partei gründe sich unmittelbar aus deren Parteistellung. Alleine aus dem Umstand, dass einer Person ein Bescheid zugestellt wurde, ließen sich demnach keine Parteirechte ableiten. Im Wege der Bindungswirkung gemäß § 412c ASVG könnten Bescheide auch für Personen Rechtswirkungen entfalten, denen im betreffenden Verfahren keine Parteistellung zukomme.
Im Übrigen wurden die gesetzlichen Bestimmungen und das von der SVA durchgeführte Ermittlungsverfahren sowie die einzelnen Kriterien zum Vorliegen eines sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnisses dargestellt und auf den konkreten Fall bezogen.
4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.10.2018 wurde der Vorlagebericht der SVA dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt.
5. Mit Schreiben vom 12.11.2018 nahm der Beschwerdeführer zum Vorlagebericht der SVA Stellung und brachte zusammengefasst vor, dass nach Ansicht des Beschwerdeführers sehr wohl dessen Beschwerdelegitimation bestehe, da gemäß § 86 Abs. 1a EStG 1988 die Versicherungszuordnung aufgrund rechtskräftiger Feststellungsbescheide nach § 412c ASVG oder § 194b GSVG auch für die Qualifikation der Einkünfte durch den Beschwerdeführer nach § 2 Abs. 3 EStG 198 grundsätzlich bindend sei. Die Bekanntgabe und wirksame Zustellung des Bescheides sei mit dem Zweck erfolgt, die Bindungswirkung im Sinne des § 86 EStG 1988 sicherzustellen. Gerade aus dieser lasse sich die Parteistellung des Beschwerdeführers ableiten. Die Zustellung des gegenständlichen Bescheides erfolge, anders als von der SVA ausgeführt, nicht aus rein öffentlichem Interesse, sondern aufgrund des rechtlichen Interesses des Beschwerdeführers. An eine rechtskräftige Versicherungszuordnung sei der Beschwerdeführer gebunden und würden sich hieraus umfassende (steuer-)rechtliche Konsequenzen ergeben. Die Interessen des Beschwerdeführers seien, entgegen den Ausführungen der SVA, weder lediglich faktischer noch wirtschaftlicher Natur. Der Sinn der Bescheidzustellung an den Beschwerdeführer sei vielmehr und unstrittig die Bindungswirkung gemäß § 86 Abs. 1a EStG 1988. Die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung werde in das Einkommenssteuergesetz und damit in den Bereich des Beschwerdeführers übertragen. Eine Änderung der Qualifizierung eines rechtskräftigen Bescheids über die Versicherungszuordnung eines einzelnen Abgabenpflichtigen sei somit für den Beschwerdeführer rechtlich nicht bzw. nur mehr unter gewissen Voraussetzungen, wie falsche Angaben oder Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes, möglich. Daraus resultiere nach Auffassung des Beschwerdeführers jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Versicherungszuordnung und daraus folgend eben auch das Beschwerderecht gemäß § 8 AVG. Weiters wurden die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und des Inhalts als Beschwerdegründe angeführt.
6. Diese Stellungnahme wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018 der SVA zur Stellungnahme übermittelt. Die SVA nahm sodann mit Schreiben vom 07.12.2018 Stellung. Darin führte die SVA unter anderem erneut aus, dass nicht von einer Parteistellung des Beschwerdeführers auszugehen sei. Die Bindungswirkung begründe keine Parteistellung. Die Beschwerdelegitimation einer Partei gründe sich jedoch unmittelbar auf die Parteistellung (VwGH 2000/03/0231). Aus dem Umstand, dass einer Person ein Bescheid zugestellt wurde, ließen sich aber keine Parteirechte ableiten. Als Beispiel wurde die mangelnde Parteistellung der SVA in Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG bezogen auf die Bindung der vom Finanzamt erfolgten Zuordnung von Einkünften zu Einkunftsarten in den Einkommenssteuerbescheiden genannt. Die Versicherungszuordnung könne durch eine andere Behörde, den Beschwerdeführer, durch die Qualifikation der Einkünfte nicht geändert werden. Es sei festzuhalten, dass die Finanzverwaltung nicht automatisch zur Änderung der Einkunftsart verpflichtet sei. Die BAO kenne mehrere Verfahrenstitel, die eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach sich ziehen könnten. Ein von der Versicherungszuordnung abweichender Einkommensteuerbescheid führe aber nicht zu einer Änderung der rechtskräftig festgestellten Versicherungszuordnung und habe somit keine negativen Auswirkungen.
Die Zahl der Steuerpflichtigen sei unabhängig davon, ob sie nach ASVG, BSVG oder GSVG pflichtversichert seien. Dabei würden bloß wirtschaftliche Interessen, zum Beispiel höhere Steuereinnahmen, nicht ausreichen, um eine Parteistellung zu begründen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 7). Es sei daher von keiner Parteistellung des Beschwerdeführers auszugehen.
Im Übrigen wurde auf die Vorhaltungen bezüglich Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften repliziert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang wird als relevanter Sachverhalt festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verfahrensakt der SVA und des Bundesverwaltungsgerichtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130 Absatz 1
B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Gemäß § 28 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Sofern Prozessvoraussetzungen oder Beschwerdelegitimationen fehlen, hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2018, 2.A., Anm. 5 zu § 28 VwGVG).
3.2. Zur Zurückweisung der Beschwerde:
Der mit "Verfahren zur Klärung der Versicherungszuordnung" betitelte § 412a ASVG lautet [Hervorhebungen nicht im Original, Anm.]:
"§ 412a. Zur Klärung der Versicherungszuordnung ist ein Verfahren mit wechselseitigen Verständigungspflichten des Krankenversicherungsträgers und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern durchzuführen. Die Einleitung dieses Verfahrens erfolgt
1. auf Grund einer amtswegigen Sachverhaltsfeststellung (§§ 412b und 412c) oder
2. auf Grund der Anmeldung zur Pflichtversicherung (§ 412d)
a) nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG, soweit es sich um Berechtigte zur Ausübung eines freien Gewerbes handelt, die von den Trägern der Krankenversicherung und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einvernehmlich bestimmt wurden, oder
b) nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG oder
c) nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG in Verbindung mit Punkt 6 oder 7 der Anlage 2 zum BSVG oder
3. auf Antrag der versicherten Person oder ihres Auftraggebers/ihrer Auftraggeberin (§ 412e)."
Der mit "Versicherungszuordnung auf Grund einer amtswegigen Sachverhaltsfeststellung (Neuzuordnung)" betitelte § 412b ASVG lautet [Hervorhebungen nicht im Original, Anm.]:
"§ 412b. (1) Stellt der Krankenversicherungsträger oder das Finanzamt bei der Prüfung nach § 41a dieses Bundesgesetzes oder nach § 86 EStG 1988 für eine im geprüften Zeitraum nach dem GSVG bzw. nach dem BSVG versicherte Person einen Sachverhalt fest, der zu weiteren Erhebungen über eine rückwirkende Feststellung der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz (Neuzuordnung) Anlass gibt, so hat der Krankenversicherungsträger oder das Finanzamt die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. die Sozialversicherungsanstalt der Bauern ohne unnötigen Aufschub von dieser Prüfung zu verständigen. Die Verständigung hat den Namen, die Versicherungsnummer sowie den geprüften Zeitraum und die Art der Tätigkeit zu enthalten.
(2) Erfolgt eine Verständigung nach Abs. 1, so sind die weiteren Ermittlungen vom Krankenversicherungsträger und von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern im Rahmen ihres jeweiligen Wirkungsbereiches durchzuführen."
Der mit "Bindungswirkung, Bescheidzustellung" betitelte § 412c ASVG lautet [Hervorhebungen nicht im Original, Anm.]:
"§ 412c. (1) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b das Vorliegen einer Pflichtversicherung
1. nach dem ASVG vom Krankenversicherungsträger und dem Dienstgeber oder
2. nach dem ASVG oder nach dem GSVG bzw. BSVG vom Krankenversicherungsträger und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern
bejaht, so sind die Krankenversicherungsträger, die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und das Finanzamt bei einer späteren Prüfung an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung).
(2) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b vom Krankenversicherungsträger das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz bejaht, während die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. die Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG ausgeht, so hat der Krankenversicherungsträger die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz mit Bescheid festzustellen. Die Behörden sind an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung), wenn der Bescheid des Krankenversicherungsträgers rechtskräftig wurde.
(3) Im Bescheid hat sich der Krankenversicherungsträger im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern auseinander zu setzen.
(4) Bescheide des Krankenversicherungsträgers sind neben der versicherten Person und ihrem Dienstgeber auch der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern sowie dem sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt zuzustellen.
(5) Die Bindungswirkung nach den Abs. 1 und 2 gilt nicht, wenn eine Änderung des für die Beurteilung der Pflichtversicherung maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist."
Gemäß § 412b Abs. 1 und 2 ASVG trifft den Beschwerdeführer (das Finanzamt) - neben dem zuständigen Krankversicherungsträger, der SVA sowie der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (im Folgenden: SVB) - eine Verständigungspflicht, wenn bei der Prüfung gemäß § 41a ASVG oder § 86 EStG 1988 ein Sachverhalt festgestellt wird, der zu weiteren Erhebungen über eine rückwirkende Feststellung der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz Anlass gibt.
Dies bedeutet mit anderen Worten, sobald beim Krankenversicherungsträger oder beim Finanzamt der Verdacht einer früheren oder noch andauernden Fehlzuordnung entsteht, ist unverzüglich, insbesondere vor der Aufnahme weiterer Ermittlungstätigkeiten, die SVA oder die SVB zu verständigen (vgl Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 412b ASVG Rz 8 (Stand 01.07.2018, rdb.at)).
Durch die Verständigung kommt es (unter anderem) gemäß § 412a Z 1 ASVG iVm § 412b Abs. 1 ASVG zur Einleitung eines Verfahrens zur Versicherungszuordnung. Aus § 412a erster Satz ASVG ergibt sich bereits, dass das weitere Verfahren zur Versicherungszuordnung ein Verfahren des Krankenversicherungsträgers und entweder der SVA oder der SVB ist. Eine Beteiligung des Beschwerdeführers als Behörde in diesem Verfahren ist bereits aus dieser Bestimmung nicht ersichtlich. Auch sind nach Einleitung eines Verfahrens zur amtswegigen Neuzuordnung gemäß § 412b Abs. 2 ASVG die weiteren Ermittlungen vom Krankenversicherungsträger und entweder von der SVA oder SVB im Rahmen ihres eigenen Wirkungsbereiches durchzuführen. Dem Beschwerdeführer kommt somit auch keine Beteiligung am weiteren Ermittlungsverfahren zu.
Gemäß § 412c Abs. 1 ASVG ist der Beschwerdeführer an die Beurteilung der Pflichtversicherung nach Abschluss eines Verfahrens nach § 412b ASVG bei einer späteren Prüfung gebunden (Bindungswirkung). Der Krankenversicherungsträger hat gemäß § 412c Abs. 2 ASVG die Pflichtversicherung mit Bescheid festzustellen, wenn der Krankenversicherungsträger das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem ASVG bejaht, während die SVA oder SVB von einer Pflichtversicherung nach dem GSVG/BSVG ausgeht. Bei Bescheiderlassung hat sich der Krankenversicherungsträger im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der SVA oder SVB auseinanderzusetzen (vgl § 412c Abs. 3 ASVG). Das Gesetz sieht auch hier wiederum keinerlei weitere Beteiligung oder Berechtigung des Beschwerdeführers zur Mitwirkung am weiteren Verfahren vor.
Gemäß § 412c Abs. 4 ASVG sind die vom Krankenversicherungsträger über die Versicherungszuordnung erlassenen Bescheide dem Beschwerdeführer lediglich zuzustellen, eine Parteistellung ist nicht ausdrücklich normiert.
Die Stellung des Beschwerdeführers als Beteiligter in den genannten Bestimmungen reduziert sich somit auf das Vorliegen einer Verständigungspflicht bei Verdacht auf Falschzuordnung zu einer Pflichtversicherung im Rahmen einer GPLA, seine Bindung an einen allenfalls vom Krankenversicherungsträger darüber erlassenen Bescheid sowie darauf, dass ihm dieser Bescheid zuzustellen ist.
Wie die SVA bereits ausgeführt hat, ergibt sich aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (ErläutRV 1613 BlgNR XXV. GP) das im Verfahren zur Sozialversicherungszuordnung der SVA und der SVB ein Beschwerderecht zukommt. Ein Hinweis auf ein Beschwerderecht des Beschwerdeführers ist darin nicht enthalten.
Auch Kneihs ist in seinem Kommentar zu § 412c ASVG der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer (dem Finanzamt) mangels Rechtspersönlichkeit und subjektiver Rechte im Verwaltungsverfahren vor dem Krankenversicherungsträger kein Beschwerderecht eingeräumt wurde und die angeordnete Zustellung nur die Sicherstellung der Bindungswirkung bewirken soll (vgl Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 412c Rz 5 und 15 ASVG).
§ 8 AVG legt lediglich fest, in welcher Beziehung Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens zu diesem stehen müssen, damit ihnen die Stellung einer Partei zukommt. § 8 AVG räumt aber weder selbst die Parteistellung begründende subjektive Rechte (Rechtsansprüche oder rechtliche Interessen) ein noch ist eine Regelung darüber enthalten, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit von einem solchen Recht die Rede sein kann (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 3 mit weiteren Nachweisen (Stand 01.01.2014, rdb.at)).
Demnach kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, auf Grund des AVG alleine nicht gelöst werden. Die Frage muss vielmehr regelmäßig anhand der Vorschriften des materiellen Rechts, also des besonderen Verwaltungsrechts, gelöst werden. Parteistellung kommt allen Personen zu, deren subjektive Rechtssphäre im Verfahren unmittelbar berührt wird, deren Rechtsstellung durch den Bescheid eine Änderung erfahren kann (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 4 mit weiteren Nachweisen).
Fallbezogen ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen - weder eine Parteistellung unmittelbar aus § 8 AVG ableiten kann, noch, dass sich eine solche aus den - oben dargestellten - materiellrechtlichen Bestimmungen ergibt.
Mangels Parteistellung kommt dem Beschwerdeführer somit auch keine Beschwerdelegitimation im gegenständlichen Verfahren zu, sodass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war.
3.3. Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005.
Da eine Rechtsfrage zu klären war, waren von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten.
Zu Spruchteil B): Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an entsprechender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Es gibt keine höchstgerichtliche Judikatur, die sich mit der Frage der Parteistellung des Finanzamtes im Zusammenhang der Versicherungszuordnung gemäß §§ 412a ff ASVG bzw. § 194b GSVG befasst.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Schlagworte
Beschwerdelegimitation, Bindungswirkung, Finanzamt, Parteistellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G308.2206323.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020