TE Bvwg Beschluss 2019/11/21 L527 2221493-1

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

ASVG §113
AVG §18
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L527 2221493-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Fabian BÖSCH, B. A., gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 17.05.2019, XXXX

:

A) Infolge der Zurückziehung der Beschwerde wird das Beschwerdeverfahren eingestellt und der von der Beschwerdeführerin gestellte Vorlageantrag wird als gegenstandslos geworden erklärt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 17.05.2019 verpflichtete die Salzburger Gebietskrankenkasse (in der Folge: [belangte] Behörde) die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin zur Zahlung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 ASVG wegen Verletzung der Meldepflicht nach § 33 Abs 1 ASVG.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Fabian BÖSCH, B.A., mit Schriftsatz vom 14.06.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Die belangte Behörde veranlasste die Zustellung eines als "Beschwerdevorentscheidung" bezeichneten Schriftstücks persönlich an die Beschwerdeführerin. Zufolge dieses lediglich mit einer Paraphe versehenen Schriftstücks werde die Beschwerde abgewiesen.

Gegen dieses Schriftstück richtete die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter einen Vorlageantrag. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt unter Anschluss einer Stellungnahme dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Mit Eingabe vom 16.10.2019 erklärte die Beschwerdeführerin, die "Beschwerde vom 18.06.2019 gegen den Bescheid der SGKK vom 17.05.2019 zu XXXX " (Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht) zurückzuziehen. Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht stellte die Beschwerdeführerin klar, dass es sich bei der Datumsangabe in der genannten Eingabe um ein Versehen handle und sie tatsächlich die Beschwerde vom 14.06.2019 gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 17.05.2019, XXXX , zurückziehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid vom 17.05.2019, XXXX , verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin zur Zahlung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 ASVG wegen Verletzung der Meldepflicht nach § 33 Abs 1 ASVG.

1.2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Fabian BÖSCH, B.A., mit Schriftsatz vom 14.06.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.3. Die belangte Behörde veranlasste die Zustellung eines als "Beschwerdevorentscheidung" bezeichneten Schriftstücks persönlich an die Beschwerdeführerin (Zustellschein XXXX ). Zufolge dieses Schriftstücks werde die Beschwerde abgewiesen.

Die im dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akt der belangten Behörde enthaltene, Kopie der mittels Textverarbeitungsprogramms erstellten Urschrift der schriftlichen Erledigung vom 05.07.2019, XXXX , weist keine Unterschrift des Genehmigenden auf und wurde auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters, etwa durch Amtssignatur, genehmigt (vgl. S 9 des genannten Schriftstücks).

Die der Beschwerdeführerin zugestellte (Ausfertigung der) Erledigung wurde ebenso wenig durch Unterschrift des Genehmigenden oder ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters, etwa durch Amtssignatur, genehmigt (OZ 5).

1.4. Gegen dieses Schriftstück vom 05.07.2019 richtete die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter einen Vorlageantrag.

1.5. Die Beschwerdeführerin zog in der Folge die Beschwerde vom 14.06.2019 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17.05.2019, XXXX , zurück.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen waren ohne Weiteres auf Grundlage des von der belangten Behörde vorgelegten Akts sowie des Akts des Bundesverwaltungsgerichts zu treffen. Die jeweiligen Aktenbestandteile sind bei den Feststellungen, soweit möglich, unter Nennung der Schriftstücke, Geschäftszahlen und Ordnungszahlen (OZ) angegeben. Einwände, dass die Akten unvollständig oder unrichtig wären, wurden nicht erhoben. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Hinweise aufgefallen, dass die Akten unvollständig oder bedenklich wären. Der Sachverhalt ist damit aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

2.2. Hervorzuheben ist, dass auf dem Schriftstück vom 05.07.2019, XXXX , oberhalb des - mittels Textverarbeitungsprogramms angegebenen - Namens derjenigen natürlichen Person, die die Erledigung sichtlich genehmigen sollte, lediglich ein Namenskürzel ersichtlich ist. Dies gilt sowohl für das im von der belangten Behörde vorgelegten Akt enthaltene Exemplar als auch für das auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin übermittelte Exemplar (OZ 5). Das Namenskürzel kann nicht als Unterschrift qualifiziert werden, denn als eine solche kann nur ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug angesehen werden, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt, aus der ein Dritter, der den Namen der Person kennt, diesen noch herauslesen kann; vgl. VwGH 28.04.2008, 2007/12/0168. Das auf dem Schriftstück angebrachte Namenskürzel entspricht diesen Erfordernissen nicht; eine Paraphe ist keine Unterschrift; vgl. VwGH 04.09.2000, 98/10/0013, und 20.04.2017, Ra 2017/20/0095.

Zu betonen ist weiters: Wenngleich man nach der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 16.10.2019, wonach sie die "Beschwerde vom 18.06.2019 gegen den Bescheid der SGKK vom 17.05.2019 zu XXXX " (Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht) zurückziehe, womöglich noch Zweifel haben konnte, ist angesichts der nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht (OZ 3) erfolgten Klarstellung (OZ 4) gänzlich unzweifelhaft, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich die Beschwerde vom 14.06.2019 gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 17.05.2019, XXXX , zurückgezogen hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Einstellung des Verfahrens und Erklärung des Vorlageantrags als gegenstandslos geworden:

3.1.

3.1.1. Gemäß § 7 Abs 2 VwGVG ist eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheids ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Die Zurückziehung der Beschwerde ist - als nachträglicher Beschwerdeverzicht - (ebenfalls) zulässig. Es handelt sich um unwiderrufliche Prozesshandlungen, die keiner bestimmten Form bedürfen und in jeder Lage des Verfahrens ab Zustellung des Bescheids bzw. ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zulässig sind. Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichts ist - namentlich im Hinblick auf den Inhalt der Prozesserklärung, die Freiheit von Willensmängeln und von Druck sowie auf die Kenntnis der Rechtsfolgen - streng zu prüfen. Vgl. jeweils mwN VwGH 29.04.2015, VwGH Fr 2014/20/0047, Götzl § 7 VwGVG Rz 20, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017), Larcher in Raschauer/Wessely (Hg), VwGVG § 7 Rz 13 (Stand 31.3.2018, rdb.at) und Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 VwGVG Rz 41 f (Stand 15.2.2017, rdb.at).

Die Rechtsfolge einer rechtswirksamen Zurückziehung der (einzigen) Beschwerde bzw. aller Beschwerden ist, dass das Beschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 2 VwGVG mit Beschluss einzustellen ist; vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 6, 20 ff (Stand 15.2.2017, rdb.at) und Winkler § 28 VwGVG Rz 7, in:

Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017). Der ursprünglich angefochtene Bescheid wird dadurch formell rechtskräftig; vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 VwGVG Rz 41 (Stand 15.2.2017, rdb.at).

3.1.2. Gesetzlich nicht geregelt ist, ob auch auf das Rechtsmittel gegen eine allfällige Beschwerdevorentscheidung durch die Verwaltungsbehörde (§ 14 VwGVG), den Vorlageantrag (§ 15 VwGVG), verzichtet werden kann. Ein Verzicht im Vorfeld, also nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, aber vor Stellung eines Vorlageantrags, wird - den grundsätzlichen Erwägungen von Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a Rz 37 (Stand 1.7.2007, rdb.at) folgend, wonach auf öffentlich-rechtliche Verfahrensrechte, im Speziellen auf das Recht, ein Rechtsmittel zu erheben, von der Partei im Interesse beschleunigter Erlangung der Rechtskraft wirksam verzichtet werden kann, - grundsätzlich zulässig sein.

Auch zur Zulässigkeit eines nachträglichen Verzichts auf den Vorlageantrag, also einer Zurückziehung des Vorlageantrags, enthält das VwGVG keine Regelung. Zum Vorlageantrag gemäß § 64a AVG, dem Rechtsmittel gegen die Berufungsvorentscheidung, wird vertreten, dass ein solcher nicht zurückgezogen werden kann, denn mit dem Einlangen eines Vorlageantrags gemäß § 64a AVG tritt die Berufungsvorentscheidung nach Abs 3 leg cit außer Kraft, verliert also ihre rechtliche Existenz. Für ein erneutes Inkrafttreten der Berufungsvorentscheidung infolge einer Zurückziehung des Vorlageantrags bedürfte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a Rz 37 (Stand 1.7.2007, rdb.at). Von der dargestellten Rechtslage nach dem AVG unterscheidet sich die Rechtslage nach dem VwGVG (jedenfalls) insofern wesentlich, als die Beschwerdevorentscheidung durch einen rechtzeitigen und zulässigen Vorlageantrag nicht außer Kraft tritt; vgl. z. B. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026. Dieser bedeutsame Unterschied begründet und rechtfertigt die Rechtsauffassung, dass ein Vorlageantrag nach § 15 VwGVG wirksam zurückgezogen werden kann. Da die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid derogiert (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, 14.09.2016, Ra 2015/08/0145), muss die Zurückziehung des Vorlageantrags zur Folge haben, dass die Beschwerdevorentscheidung formell rechtskräftig wird; in diesem Sinne auch mwN Gruber § 15 VwGVG Rz 7, in:

Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) sowie Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hg), VwGVG § 15 Rz 4 (Stand 31.3.2018, rdb.at).

3.1.3. Ob eine Beschwerde auch nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung noch zurückgezogen werden kann, ist dem VwGVG nicht zu entnehmen. Ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach das Rechtsmittel, über das das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, auch im Fall eines Vorlageantrags die Beschwerde bleibe, schließt sich das Bundesverwaltungsgericht der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung an, dass die Beschwerde auch nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zurückgezogen werden kann; vgl. Gruber § 15 VwGVG Rz 7, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) sowie Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hg), VwGVG § 15 Rz 4 (Stand 31.3.2018, rdb.at). Wenn man die Zurückziehung einerseits des Vorlageantrags und andererseits der Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung für zulässig erachtet und es in der Disposition der Partei(en) liegt, zu entscheiden, welches Rechtsmittel zurückgezogen wird, wäre es gewiss nicht sachgerecht, nähme man an, die Rechtsfolgen wären stets dieselben. Sachgerechterweise ist davon auszugehen, dass die Zurückziehung der Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung darauf gerichtet ist, dass der ursprüngliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen soll. Diese Konstellation ähnelt jenen Fällen, in denen die Partei den verfahrenseinleitenden Antrag - zulässigerweise - nach Erlassung des Bescheids im Beschwerdestadium zurückzieht. Das Verwaltungsgericht hat in diesen Fällen den Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen; vgl. VwGH 06.07.2016, Ra 2016/08/0041, Götzl § 8 VwGVG Rz 3, in:

Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) und Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 42 (Stand 1.1.2014, rdb.at). Wenn also der das (antragsbedürftige) Beschwerdeverfahren einleitende Antrag, also die Beschwerde, zulässigerweise nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zurückgezogen wird, hat das Verwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos aufzuheben und das (Beschwerde-)Verfahren einzustellen; in diesem Sinne Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hg), VwGVG § 15 Rz 4 (Stand 31.3.2018, rdb.at). Klärungsbedürftig ist, ob darüber hinaus der Vorlageantrag, wenn dieser nicht auch zurückgezogen wird, als gegenstandslos geworden zu erklären wäre. Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit, freilich keine Identität, mit jenen Fällen, in denen eine Revision vom Verwaltungsgerichtshof in Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG (etwa) wegen Behebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung als gegenstandslos geworden zu erklären ist. Vgl. zu Fällen der formellen Klaglosstellung nach § 33 VwGG Gruber § 33 VwGG Rz 2, in:

Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017). Vor diesem Hintergrund geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass in jenen Fällen, in denen (nur) die Beschwerde nach (Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und) Stellung eines Vorlageantrags wirksam zurückgezogen wird, die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos aufzuheben, das (Beschwerde-)Verfahren einzustellen und der Vorlageantrag als gegenstandslos geworden zu erklären ist.

3.2. Angewandt auf den gegenständlichen Fall erweist sich die Zurückziehung der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin als zulässig und wirksam. Das Bundesverwaltungsgericht hätte folglich die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos aufzuheben, das (Beschwerde-)Verfahren einzustellen und den Vorlageantrag als gegenstandslos geworden zu erklären. Tatsächlich hat die belangte Behörde jedoch - augenscheinlich entgegen ihrer eigenen Auffassung und der Auffassung der Beschwerdeführerin - gar keine Beschwerdevorentscheidung erlassen:

3.2.1. Beschwerdevorentscheidungen ergehen in der Rechtssatzform eines Bescheids; vgl. statt vieler Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hg), VwGVG § 14 Rz 2 (Stand 31.3.2018, rdb.at).

Voraussetzung für die schriftliche Erlassung eines Bescheids ist eine Genehmigung der schriftlichen Erledigung iSd § 18 Abs 3 AVG. Demnach sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

Gemäß § 18 Abs 4 AVG hat zudem jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß § 18 Abs 3 AVG genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt kann ein Namenskürzel nicht als Unterschrift qualifiziert werden, denn als eine solche kann nur ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug angesehen werden, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt, aus der ein Dritter, der den Namen der Person kennt, diesen noch herauslesen kann; vgl. VwGH 28.04.2008, 2007/12/0168. Eine Paraphe ist keine Unterschrift; vgl. VwGH 04.09.2000, 98/10/0013, und 20.04.2017, Ra 2017/20/0095.

Fehlt es an einer Genehmigung iSd § 18 Abs 3 AVG, kommt eine schriftliche Erledigung, konkret ein Bescheid, selbst dann nicht zustande, wenn die Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs 4 AVG genügt hätte; vgl. mwN VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079.

Wie Hengstschläger/Leeb, AVG § 18 Rz 7 (Stand 1.1.2014, rdb.at) unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ausführen, bestehen keine Bedenken dagegen, der Partei das - den Anforderungen sowohl des § 18 Abs 3 als auch Abs 4 AVG entsprechende - Original (die Urschrift) zuzustellen und lediglich eine nicht unterschriebene Durchschrift davon im Akt zu belassen.

3.2.2. Wendet man die maßgeblichen Rechtsvorschriften auf den vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt an, ergibt sich, dass die als "Beschwerdevorentscheidung" betitelte Erledigung vom 05.07.2019, gegen die die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag erhoben hat, nicht (iSd § 18 Abs 3 AVG) genehmigt wurde. Weder enthält der von der belangten Behörde vorgelegte Akt eine genehmigte Urschrift noch wurde die genehmigte Urschrift der Beschwerdeführerin bzw. ihrem Vertreter zugestellt. Die Erledigung kann folglich nicht als Bescheid qualifiziert werden. Die "Beschwerdevorentscheidung" der belangten Behörde ist daher ein "Nichtbescheid"; vgl. auch Götzl § 7 VwGVG Rz 6b, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017), demnach hat eine angefochtene Erledigung u. a. dann keine Bescheidqualität wenn die ordnungsmäße Genehmigung fehlt.

3.2.3. Der Vollständigkeit halber weist das Bundesverwaltungsgericht (die belangte Behörde) noch auf § 10 AVG und § 9 Zustellgesetz hin. Die Beschwerdevorentscheidung wäre gegenständlich in jedem Fall dem Vertreter der Beschwerdeführerin zuzustellen gewesen (§ 9 Abs 1 1. Satz Zustellgesetz; "Zustellungsbevollmächtigter"), mag ein diesbezüglicher Mangel auch nach § 9 Abs 3 Satz 2 Zustellgesetz heilbar sein.

3.3. Da die belangte Behörde keine Beschwerdevorentscheidung erlassen, die Beschwerdeführerin dennoch einen Vorlageantrag erhoben hat, sind - infolge der zulässigen und wirksamen Zurückziehung der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin - (nur) das (Beschwerde-)Verfahren einzustellen und der Vorlageantrag als gegenstandslos geworden zu erklären (§ 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 2 VwGVG). Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Zurückziehung der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin bewirkt notwendigerweise, dass sie auch den im Beschwerdeschriftsatz gestellten Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zurückgezogen hat. Ob es in dieser Konstellation für die Zurückziehung des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Zustimmung der belangten Behörde bedürfen konnte (§ 24 Abs 3 letzter Satz VwGVG), ist zu bezweifeln. Zudem ließen die Akten, bedenkt man, worüber das Bundesverwaltungsgericht nach Zurückziehung der Beschwerde noch zu entscheiden hatte, ohnedies erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der - sozusagen verbliebenen - Rechtssache nicht erwarten. Eine mündliche Verhandlung war, berücksichtigt man das Telos des § 24 VwGVG und der grundrechtlichen Vorgaben (Art 6 EMRK, Art 47 GRC), auch sonst nicht erforderlich; vgl. etwa Reisner § 24 VwGVG Rz 2a, in:

Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017). Die mündliche Verhandlung konnte somit entfallen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil es hinsichtlich der unter 3.1. behandelten Rechtsfragen an Judikatur fehlt und die Rechtslage - auch unter Bedachtnahme auf die Literatur - zumindest nicht in jeglicher entscheidungsrelevanten Hinsicht von Vornherein klar ist. Der Frage, in welchen (verfahrensrechtlichen) Fallkonstellationen mit welchen Rechtsfolgen Rechtsmittel zurückgezogen werden können, kommt über den gegenständlichen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Daher liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt B)) zu entscheiden.

Schlagworte

Bescheidqualität, Gegenstandslosigkeit, Revision zulässig,
Verfahrenseinstellung, Vorlageantrag, Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2221493.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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