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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
VwGG §28 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des A N in K, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2019, Zl. W209 2168605- 1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 30. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Mit Bescheid vom 2. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3 Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob dagegen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E-920/2019-8, ablehnte. Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 22. Juli 2019, E 920/2019-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 8.7.2019, Ra 2019/20/0163, mwN).
9 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das BVwG verstoße "in negativer Weise" gegen das Überraschungsverbot, indem es ein amtswegig eingeholtes Gutachten über vom Revisionswerber behauptete Geschehnisse in seinem Heimatort, das vom Revisionswerber bestritten worden sei, im Verfahren aus "verwaltungsökonomischen Gründen" nicht berücksichtigt habe. Das BVwG habe sich damit seiner selbst festgestellten weiterführenden Ermittlungspflicht entledigt. 10 Damit macht die Revision einen Verfahrensfehler geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0534, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision, die nicht näher darlegt, welche Auswirkungen die Berücksichtigung des vom BVwG eingebrachten Beweismittels hätte beziehungsweise welche Ermittlungen notwendig gewesen wären, nicht gerecht.
11 Des Weiteren wird in der Revision zu ihrer Zulässigkeit moniert, das BVwG habe eine antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen.
12 Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines dem angefochtenen Erkenntnis anhaftenden Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0188, mwN). Dieser Anforderung wird die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, insoweit sie die Nichtberücksichtigung eines vom BVwG beauftragten Gutachtens moniert und nicht näher konkretisierte Ermittlungen bezüglich des entscheidungswesentlichen Sachverhalts bei Berücksichtigung des Gutachtens behauptet, nicht gerecht.
13 Hinsichtlich des Zulassungsvorbringens, das BVwG habe zu begründen, wenn es über Beweisanträge hinweggehe, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen hat. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0085, mwN).
14 Die Revision hat - um die Relevanz des Verfahrensfehlers aufzuzeigen - konkret darzulegen, was die Vorlage des vom Revisionswerber beauftragten Gutachtens, welches dieser mangels Einräumung einer entsprechenden Vorlagefrist nicht mehr ins Verfahren habe einbringen können, am Verfahrensergebnis hätte ändern können und welche Feststellungen aufgrund dessen zu treffen gewesen wären. Dieser Anforderung wird die vorliegende Revision mit dem alleinigen Vorbringen, das vom Revisionswerber eingeholte Gutachten "bestätige die Angaben des Revisionswerbers", nicht gerecht.
15 Zu den weiteren im Zulassungsvorbringen angeführten Verfahrensmängeln - Begründungs- und Feststellungsmängeln - ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/20/0496, mwN). Diese Vorgaben erfüllt die vorliegende Revision nicht.
16 Soweit der Revisionswerber eine Auseinandersetzung mit den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 im Zusammenhang mit der behaupteten Apostasie vermisst, macht er abermals einen Verfahrensmangel geltend, der schon deshalb nicht relevant ist, weil sich das BVwG mit dem Vorbringen zum Fluchtgrund des Revisionswerbers in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung auseinandergesetzt und dessen Glaubwürdigkeit mit näherer Begründung verneint hat (vgl. VwGH 24.6.2019, Ra 2019/20/0126, mwN).
17 Das BVwG führte - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zusammengefasst beweiswürdigend aus, es sei nicht anzunehmen, dass sich der Revisionswerber als Kind durch den Besuch eines privaten Englischunterrichts und mangelnde Besuche einer Moschee derart exponiert hätte, dass er von den Taliban gezielt in allen Landesteilen verfolgt würde. Es hätten sich in der mündlichen Verhandlung auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Revisionswerber seinen behaupteten Abfall vom Glauben als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal verstehe, sodass dieser nicht in einem Ausmaß zu Tage treten würde, dass der Revisionswerber im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200375.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020