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50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §1 Abs6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, in der Revisionssache des M S in G, vertreten durch MMag. Dr. Rainer Beck, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Keesgasse 7/pt., gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts
Steiermark vom 12. April 2019, Zl. LVwG 30.30-3097/2018-10, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 25. September 2018 wurde über den Revisionswerber gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt EUR 300,-
(Ersatzfreiheitsstrafe: zwei Tage) verhängt. Dem Revisionswerber wurde angelastet, er habe es als Obmann des Vereins K zu verantworten, dass dieser im näher bezeichneten Vereinslokal in Graz durch den Ausschank von Getränken das Gastgewerbe ausgeübt habe, ohne die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung zu besitzen. Tatzeit und Tatort sowie die Tathandlungen wurden jeweils näher umschrieben.
2 2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. April 2019 als unbegründet ab. Dem Revisionswerber wurde ein Beitrag zu den Verfahrenskosten auferlegt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 2.2. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass - wie im Zuge einer behördlichen Kontrolle am 29. Dezember 2017 erhoben worden sei - am gegenständlichen Standort entsprechend ausgestattete (verwiesen wird unter anderem auf Sitzgelegenheiten, eine Licht- und Tonanlage, eine Bar ohne Schankanlage, einen Kühlschrank, ein Waschbecken sowie Getränke in Flaschen und Dosen) Räumlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, in denen (Live-) Musik dargeboten und Getränke gegen freiwillige Spenden ("Unverbindliche Preisempfehlung": Bier und Wein EUR 2,00 und Softdrinks EUR 2,00) zur Verfügung gestellt worden seien. Im Eingangsbereich sei als Eintritt ebenfalls eine freiwillige Spende ("Empfehlung": EUR 6,00) entgegengenommen worden. Die Namen der Besucher habe man in eine Liste eingetragen und den Besuchern gleichzeitig eine Jahresmitgliedskarte ausgefolgt. Hinter der Bar seien Vereinsmitglieder mit der Getränkeabgabe beschäftigt gewesen. Die Getränke würden im Supermarkt gekauft. Auch wenn manche Besucher für die Getränke nichts bezahlten, gehe es sich "finanziell für den Verein aus".
Das Lokal sei über eine zweiflügelige Eingangstür zu betreten, über der die Aufschrift "(...)" stünde. Das Gebäude selbst zeichne sich im äußeren Bereich durch graffitiartige Bemalung und Beklebung der vier Fenster aus.
Der Verein, der der Förderung von Kunst und Kultur diene, halte im Jahr zwischen 80 und 120 Veranstaltungen ab. Die Zahl der Vereinsmitglieder schwanke. Sie liege pro Jahr bei rund 700 Mitgliedern. Dabei handle es sich um Jahresmitgliedschaften. Bei Veranstaltungen werde zusätzlich ein Unkostenbeitrag von bis zu EUR 6,00 eingehoben. Das Lokal sei nicht täglich geöffnet, sondern nur dann, wenn Veranstaltungen oder das "Plenum", das der Abstimmung unter den Vereinsmitgliedern über zukünftige Veranstaltungen diene, stattfänden. Den Besuchern werde das Konzept (und auch die freiwillige Spende) erklärt. Der Eintritt in das Lokal sei ausschließlich Vereinsmitgliedern gestattet. Jeder, der eintreten möchte, könne das tun. Die anfallenden Arbeiten würden von Vereinsmitgliedern erbracht. Es werde auch selbst gekocht, in erster Linie allerdings für die Musikgruppen und die mithelfenden Vereinsmitglieder. Auch Besucher könnten etwas zu essen bekommen, eine regelmäßige Bewirtung durch "Auskochen" finde jedoch nicht statt. Es gäbe für das Essen keine spezielle, sondern nur die allgemeine Spendenbox.
4 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Verein durch den Obmann und die Vereinsmitglieder Getränke ausschenken lasse und diverse Veranstaltungen anbiete. Es werde für den Zutritt zum Vereinslokal als Eintritt sowohl ein Beitrag für eine Jahresmitgliedschaft in der Höhe von EUR 1,00 als auch eine "freiwillige Spende" in einer vorgeschlagenen Höhe, die sich an den Unkosten für die jeweilige Veranstaltung orientiere, verlangt. Der Verein treffe unternehmerische Entscheidungen und trage ein Unternehmerrisiko, was für das Selbständigkeitskriterium wesentlich sei. Der Verein habe das Vereinslokal angemietet, renoviert und betrieben, die vorgeschlagenen Preise für die Getränke und den Unkostenbeitrag festgesetzt sowie Veranstaltungen geplant und abgehalten. Da das Vereinslokal zumindest einmal wöchentlich geöffnet sei und daneben 80 bis 120 Veranstaltungen jährlich angeboten würden, liege auch eine regelmäßige Tätigkeit vor. Die Getränkepreise orientierten sich an den Einkaufspreisen mit Aufschlag und lägen weit unter jenen in der Gastronomie. Dadurch werde den Vereinsmitgliedern die Möglichkeit eröffnet, vom Verein angebotene Leistungen billiger als bei Inanspruchnahme einschlägiger Gewerbebetriebe zu erhalten. Dies indiziere einen den Vereinsmitgliedern zufließenden vermögenswerten Vorteil. Wenn der Verein Veranstaltungen durchführe, bei denen Getränke und gegebenenfalls eine einfache Speise abgegeben würden, werde dies per Internet angekündigt. Unter Berücksichtigung des Aussehens an der Außenseite und der Ausstattung im Inneren (Bar, Musik- und Tonanlage, Sitzgelegenheiten, Raucherbereich etc.) weise das Vereinslokal das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes auf.
5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 5.1. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Das Verwaltungsgericht habe rechtsirrig erkannt, dass die Tätigkeit des Vereins unter den Anwendungsbereich der gewerberechtlichen Vorschriften falle. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Es fehle die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, und zwar auch dann, wenn der Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteile Mitgliedern einer Personenvereinigung zufließen sollten. Ebenso weise die Vereinstätigkeit nicht das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes auf und sei die Vereinstätigkeit nicht auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet. Das Verwaltungsgericht habe sich in seiner rechtlichen Würdigung nicht oder nur unzureichend mit der hg. Rechtsprechung auseinandergesetzt. Das angefochtene Erkenntnis stehe daher im Widerspruch zu näher genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
8 5.2. Nach § 1 Abs. 6 erster Satz GewO 1994 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, bei Vereinen auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Das Merkmal der Ertragsabsicht wird damit gegenüber der allgemeinen Grundregel des § 1 Abs. 2 GewO 1994 weiter gefasst, wobei die allgemeine Bestimmung des § 1 Abs. 2 GewO 1994 daneben weiterhin anwendbar ist (vgl. zuletzt VwGH 30.4.2019, Ra 2017/04/0128, mwN).
9 Ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Einrichtung und Ausstattung der betreffenden Räumlichkeiten sowie zur Außenseite des Gebäudes ist die Ansicht, die Tätigkeiten wiesen das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes auf, nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Annahme des Verwaltungsgerichts, die den Vereinsmitgliedern eingeräumte Möglichkeit, Getränke zu günstigeren Preisen als bei befugten Gewerbetreibenden zu konsumieren, indiziere einen den Vereinsmitgliedern zufließenden vermögenswerten Vorteil (vgl. dazu VwGH 18.8.2017, Ra 2017/04/0081, mwN).
10 Die Revision führt unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse VwGH 23.10.1995, 93/04/0110, und VwGH 20.12.2010, 2009/03/0028, ins Treffen, dass eine Gewinnerzielungsabsicht nur dann vorliege, wenn die für die Leistungen des Vereins eingehobenen Entgelte auch einen Kostenbeitrag für sonstige Tätigkeiten des Vereins und die damit verbundenen Auslagen umfassten. Daraus lässt sich für den vorliegenden Fall, in dem die Ertragsabsicht im Weg der besonderen Vorschrift des § 1 Abs. 6 GewO 1994 aus dem den Vereinsmitgliedern zukommenden vermögenswerten Vorteil abgeleitet wurde, nichts gewinnen (vgl. dazu erneut VwGH Ra 2017/04/0081).
Das gilt auch für das in der Revision angeführte Erkenntnis VwGH 24.6.2015, 2013/04/0113, das die Frage behandelte, ob in einem Fall, in dem die Beherbergung und Verköstigung von Seminar- und Kursteilnehmern mit Bildungsveranstaltungen verbunden sind, für die zu beurteilende Ertragsabsicht als maßgebliche Tätigkeit, die mit den Erlösen finanziert werden soll, bloß die Beherbergung und Verköstigung der Seminarteilnehmer oder der Betrieb des Bildungshauses durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts in seiner Gesamtheit anzusehen ist.
11 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 16. Oktober 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019040080.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020