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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 29. Oktober 2018, Zl. LVwG-602671/2/Bi, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: Dr. F in F, vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, P.LL.M., Rechtsanwalt in 4040 Linz, Gerstnerstraße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft vom 26. Juli 2018 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, einen näher bezeichneten Pkw am 12. Oktober 2017 im Ortsgebiet von O, Marktplatz (H2), in einer Begegnungszone außerhalb der dafür gekennzeichneten Stelle geparkt zu haben und ihm wurde deshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a iVm § 23 Abs. 2a StVO eine Geldstrafe von EUR 40,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 19 Stunden) auferlegt.
2 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gab der dagegen erhobenen Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, hob das bekämpfte Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der auf den Revisionswerber zugelassene Pkw sei am 12. Oktober 2017 im Bereich des Vorschriftszeichens "Parken verboten" in O, Marktplatz (H2) gestanden. Laut dem von der Marktgemeinde O vorgelegten Aktenvermerk vom 24. Februar 2014 seien die der Verordnung des Gemeinderates vom 16. Dezember 2013, Verk-251/2013, Verk-502 Jr, samt blauschraffiertem Lageplan entsprechenden Verkehrszeichen am 14. Februar 2014 montiert worden. Im Aktenvermerk seien auch im Einzelnen die Fotos der Verkehrszeichen (Anfang und Ende) an den in der Verordnung genannten Straßenzügen wiedergegeben. 4 Rechtlich erwog das Verwaltungsgericht, die in Rede stehende Verordnung sei mit Anbringung der Verkehrszeichen vor dem Vorfallstag in Kraft getreten. Nach Wiedergabe des Verordnungstextes über die Erklärung eines bestimmten Gebietes zur Begegnungszone hielt das Verwaltungsgericht fest, dass bei einem Ortsaugenschein am 23. Oktober 2018 die blauschraffierten Flächen - der Geltungsbereich der genannten Zone - mit den Standorten der Verkehrszeichen nach § 53 Abs. 1 Z. 9e und 9f StVO in der Realität verglichen und drei Abweichungen im Ausmaß von 4 und 13 m festgestellt worden seien. Damit könne "nicht mehr von einer ordnungsgemäßen Kundmachung der Begegnungszone ausgegangen werden, sodass unter Entfall einer Vorschreibung von Verfahrenskosten gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 2. Alt. VStG spruchgemäß zu entscheiden" gewesen sei.
5 Die Begründung für den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiedergabe der verba legalia.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragt, die Revision nicht zuzulassen und in jedem Fall der Revision nicht Folge zu geben sowie ihm Aufwandersatz zuzusprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle seit dem von seiner bisherigen Judikatur abgehenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 2017, V 4/2017, VfSlg. 20.182/2017, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob nicht gehörig kundgemachte Verordnungen von den Gerichten auch ohne Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein nicht anzuwenden seien.
9 Die Revision ist - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes, der zudem nur formelhaft, im Wesentlichen mit dem Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG, und damit nicht gesetzmäßig im Sinne des § 25a Abs. 1 VwGG begründet ist - zulässig und begründet:
10 Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2017, V 4/2017, VfSlg. 20.182/2017, von seiner bisherigen Rechtsprechung zu Art. 89 B-VG und Art. 139 Abs. 3 bzw. Art. 140 Abs. 3 B-VG, wonach nicht gehörig kundgemachte Verordnungen von den Gerichten auch ohne Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein nicht anzuwenden seien, ab. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen, die ein Mindestmaß an Publizität erlangen, anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten; bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich. Dieser Auffassung schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an (vgl. schon VwGH 31.1.2018, Ra 2017/15/0038, und VwGH 27.3.2019, Ro 2017/10/0004).
11 Davon wich das Verwaltungsgericht ab, indem es ohne Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof davon ausging, dass die seiner Auffassung nach rechtswidrig kundgemachte Verordnung nicht anzuwenden sei.
12 Das angefochtene Erkenntnis ist sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 16. Oktober 2019
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020341.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020