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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BVergG 2006 §312 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen den am 1. August 2017 mündlich verkündeten und mit Datum vom 18. September 2017 schriftlich ausgefertigten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. W131 2121539-2/111E und weitere, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. Sgesellschaft mbH in W, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17- 19, 2. Ö AG in W, vertreten durch die Schramm-Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die erstmitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) schloss am 3. Februar 2011 mit der zweitmitbeteiligten Partei einen Vertrag betreffend die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im Schienenpersonenverkehr (Verkehrsdienstevertrag) ab. Gegenstand des Vertrages ist die Beauftragung von gemeinwirtschaftlichen Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 für den Bund. Der Verkehrsdienstevertrag trat rückwirkend mit 1. April 2010 in Kraft und ist bis zum 31. Dezember 2019 befristet.
2 Die Auftraggeberin fixiert jährlich in Fahrplänen abgebildete Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen, die von der zweitmitbeteiligten Partei erbracht werden. Am 15. Februar 2016 wurde der Fahrplan 2016 vertraglich zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei festgelegt.
3 Dagegen brachte die Revisionswerberin mit Schriftsätzen vom 16. Februar 2016 und vom 19. Februar 2016 Nachprüfungs- und Feststellungsanträge ein. Diese richteten sich gegen die Entscheidungen der Auftraggeberin vom 10. Februar 2016 (Mitteilung, dass die Zugverzeichnisse "endabgestimmt" seien) und vom 15. Februar 2016 (Mitteilung, dass die Zugverzeichnisse "unterfertigt" seien).
Die Revisionswerberin beantragte jeweils die Nichtigerklärung der Wahl des Vergabeverfahrens und der Wahl des Zuschlagsempfängers sowie die Feststellung, dass das Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde und dass die Durchführung einer Vergabe ohne Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung wegen Verstoß gegen das BVergG 2006, die hiezu ergangenen Verordnungen und das unmittelbar anwendbare Unionsrecht rechtswidrig war. Schließlich begehrte die Revisionswerberin jeweils, den Vertrag, mit dem die Auftraggeberin die gegenständlichen Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen an die zweitmitbeteiligte Partei vergeben hat, für nichtig zu erklären.
4 2.1. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht sowohl die Anträge auf Nichtigerklärung der Wahl des Vergabeverfahrens und des Zuschlagsempfängers (Spruchpunkt A)I.) sowie auf Nichtigerklärung des zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei abgeschlossenen Vertrages (Spruchpunkt A)III.) als auch die Feststellungsanträge (Spruchpunkt A)II.) zurück.
Das Bundesverwaltungsgericht sprach zudem aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen die Spruchpunkte A)I. und A)III. nicht zulässig sei. Gegen Spruchpunkt A)II. erklärte es die Revision hingegen für zulässig. 5 2.2. In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die im Fahrplan 2016 abgebildeten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen am 15. Februar 2016 zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei schriftlich fixiert worden seien und daher unstrittig von einer Zuschlagserteilung spätestens am 15. Februar 2016 auszugehen sei.
6 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Bundesverwaltungsgericht zu Spruchpunkt A)I. aus, dass die Nichtigerklärungsbegehren vom 16. Februar 2016 und vom 19. Februar 2016 - bei Wahrunterstellung der Zuschlagserteilung am 15. Februar 2016 entsprechend den Behauptungen der Revisionswerberin - zurückzuweisen gewesen seien, weil damit der Zuschlag jedenfalls unstrittig spätestens am 15. Februar 2016 erfolgt sei und die Nichtigerklärungsbegehren daher erst nach Zuschlagserteilung und somit gemäß § 312 Abs. 2 BVergG 2006 unzulässig gestellt worden seien.
7 Die Zurückweisung der Anträge auf Nichtigerklärung des zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei abgeschlossenen Vertrags (Spruchpunkt A)III.) begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass dem Antragsteller eines Feststellungsbegehrens gegen eine rechtswidrig erachtete Direktvergabe hier kein Antragsrecht zukomme. Die Revisionswerberin habe kein subjektives Recht, dass die Vergabekontrolle je nach Antrag entweder die Nichtigerklärung des Vertrages oder eine Geldbuße auszusprechen hätte.
8 3. Gegen die Spruchpunkte A)I. und A)III. dieses Beschlusses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Spruchpunkt A)II. wird durch die zu Ro 2017/04/0024 protokollierte ordentliche Revision bekämpft. 9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 5.1. Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, es fehle gesicherte Rechtsprechung zur Frage, ob es bei der mit Schreiben der Auftraggeberin vom 10. Februar 2016 nach außen in Erscheinung getretenen Entscheidung um eine "gesondert anfechtbare Entscheidung" der Auftraggeberin handle, gegen die ein Nachprüfungsantrag zulässig sei. Der Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin vom 16. Februar 2016 richte sich auf die Nichtigerklärung der am 10. Februar 2016 erstmals nach außen in Erscheinung getretenen Entscheidung der Auftraggeberin, die Vergabe der neuen Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen ohne jegliches Verfahren zu vergeben. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen der Revisionswerberin auseinandergesetzt, dass mit dem Schreiben der Auftraggeberin mitgeteilt worden sei, dass bezüglich der Zugverzeichnisse des Fahrplanjahres 2016 und des mit der zweitmitbeteiligten Partei abgeschlossenen Verkehrsdienstevertrags diese zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei mittlerweise "endabgestimmt" seien.
11 Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich mit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-549/14 (Finn Frogne) und den darin genannten Bedingungen, unter denen eine nachträgliche Leistungsänderung ohne Durchführung eines neuerliche Vergabeverfahrens möglich sei, beschäftigen müssen. Die Revisionswerberin habe ausführlich vorgebracht und Beweise dafür angeboten, dass es beim Fahrplan 2016 zu wesentlichen Änderungen gekommen sei, die gemäß der Rechtsprechung des EuGH zwingend eine Neuausschreibung unter Veröffentlichung einer Vorinformation erforderlich gemacht hätten. Es liege daher eine unzulässige Direktvergabe vor. Das Bundesverwaltungsgericht habe es entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Bezug: VwGH 15.3.2017, Ra 2016/04/0064 bis 0065) unterlassen, die erforderlichen Feststellungen zum Umfang und Ausmaß der Leistungsänderungen und zur Änderungsklausel des § 5 Abs. 1 des Verkehrsdienstevertrags zu treffen. Dadurch seien tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe seine Pflicht, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln, grob verletzt.
12 5.2. Mit diesem Vorbringen wendet sich die Revisionswerberin nicht gegen die Begründung, auf die sich die angefochtenen Spruchpunkte jeweils stützen.
Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zurückweisung der Anträge auf Nichtigerklärung (Spruchpunkt A)I.) damit, dass diese erst nach Zuschlagserteilung gestellt worden seien und sich deshalb gemäß § 312 Abs. 2 BVergG 2006 als unzulässig erweisen würden. Dieser zutreffenden Ansicht tritt die Revision ebensowenig entgegen wie der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Anträge auf Nichtigerklärung des Vertrags (Spruchpunkt A)III.) mangels Antragsrecht als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien. 13 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
14 Von der Durchführung der in der Revision beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 16. Oktober 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040123.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020