TE Vwgh Erkenntnis 2019/10/22 Ro 2019/10/0027

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Veröffentlicht am 22.10.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
72/01 Hochschulorganisation

Norm

UniversitätsG 2002 §68 Abs1 Z3
UniversitätsG 2002 §73 Abs2
VwGG §42 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des Rektorats der Wirtschaftsuniversität Wien in 1020 Wien, Welthandelsplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. März 2019, Zl. W227 2139686- 1/6E, betreffend Erlöschen der Zulassung zu einem Studium (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Rektorat der Wirtschaftsuniversität Wien; mitbeteiligte Partei: V M in W, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/11), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Wirtschaftsuniversität Wien hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. März 2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht - in Abänderung eines Bescheides der belangten Behörde vom 30. Juni 2016 - gemäß § 68 Abs. 1 Z 3 iVm § 68 Abs. 3 Universitätsgesetz 2002 - UG fest, dass die Zulassung der Mitbeteiligten zum Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" nicht erloschen sei; die Revision gegen diese Entscheidung ließ das Verwaltungsgericht zu.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht die - unstrittigen - Feststellungen zugrunde, die Mitbeteiligte sei vom 8. September 2010 bis 10. April 2013 zum Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" in der Fassung des Studienplanes 2006 und ab 11. April 2013 zum Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" in der Fassung des Studienplanes 2012 an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) zugelassen gewesen; sie habe im Studienzweig "Internationale Betriebswirtschaft" studiert.

3 Der Studienplan des Bachelorstudiums "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" des Studienzweigs "Internationale Betriebswirtschaft" sehe nach seinem § 16 Abs. 1 "wahlweise drei der folgenden Lehrveranstaltungen und Prüfungen" vor: "Marketing", "Personal, Führung, Organisation", "Finanzierung" und "Beschaffung, Logistik, Produktion".

4 Die Mitbeteiligte habe die Lehrveranstaltungsprüfung (LVP) "Marketing" am 5. März 2012 mit "genügend" und die LVP "Personal, Führung, Organisation" am 1. Oktober 2012 ebenfalls mit "genügend" abgeschlossen. Im Sommersemester 2012 sei die Mitbeteiligte zwei Mal (und zwar am 9. Mai 2012 und am 25. Juni 2012) in der Lehrveranstaltung "Finanzierung" mit "nicht genügend" beurteilt worden.

5 Zur LVP "Beschaffung, Logistik, Produktion" sei die Mitbeteiligte fünf Mal angetreten und sei davon vier Mal (und zwar am 22. November 2012, am 30. April 2014, am 27. November 2015 und am 27. Jänner 2016) mit "nicht genügend" beurteilt worden; die Prüfungsleistung ihres fünften und - mit Blick auf § 77 Abs. 2 UG iVm § 32 Abs. 1 des studienrechtlichen Teils der Satzung der WU - letzten zulässigen Prüfungsantritts am 29. Februar 2016 sei als "nichtig" gewertet worden, weil von der Prüfungsaufsicht ein Erschleichungsversuch der Mitbeteiligten mit Hilfe ihres Mobiltelefons wahrgenommen worden sei.

6 Rechtlich vertrat das Verwaltungsgericht - anders als die belangte Behörde (und revisionswerbende Partei) in ihrem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid - die Auffassung, die Voraussetzungen für die Feststellung des Erlöschens der Zulassung zum Studium gemäß § 68 Abs. 1 Z 3 UG lägen nicht vor, weil es sich bei der erwähnten LVP "Beschaffung, Logistik, Produktion" nicht um eine für das Studium "vorgeschriebene Prüfung" im Sinn des § 68 Abs. 1 Z 3 UG handle:

7 Schließlich wäre es der Mitbeteiligten vor Absolvierung der vierten Wiederholung der Prüfung aus "Beschaffung, Logistik, Produktion" offen gestanden, die Prüfung in "Finanzierung", bei der ihr noch drei Antritte zur Verfügung gestanden wären, zu wählen. Mangels gegenteiliger Bestimmungen bestehe im vorliegenden Fall eine Wahlmöglichkeit auch noch nach Ausschöpfung aller Prüfungsantritte in einem der Wahlfächer.

8 Aus diesem Grund sei der Beschwerde der Mitbeteiligten stattzugeben und der bekämpfte Bescheid der belangten Behörde dahin abzuändern, dass festgestellt werde, dass die Zulassung der Mitbeteiligten zum Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" gemäß § 68 Abs. 1 Z 3 UG nicht erloschen sei.

9 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, was unter einer "vorgeschriebenen Prüfung" im Sinn des § 68 Abs. 1 Z 3 UG zu verstehen sei, nicht vorliege; diesbezüglich liege auch keine eindeutige Gesetzeslage vor.

10 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

11 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 1. Im vorliegenden Fall sind die folgenden Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002 - UG, BGBl. I Nr. 120 in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2019, in den Blick zu nehmen:

"Erlöschen der Zulassung zu ordentlichen Studien

§ 68. (1) Die Zulassung zu einem Studium erlischt, wenn die oder der Studierende

(...)

3. bei einer für ihr oder sein Studium vorgeschriebenen Prüfung auch bei der letzten zulässigen Wiederholung negativ beurteilt wurde, wobei sich die Zahl der zulässigen Wiederholungen nach den Prüfungsantritten an der jeweiligen Universität und bei gemeinsam eingerichteten Studien nach den Prüfungsantritten an den beteiligten Bildungseinrichtungen in allen Studien bemisst oder

(...)

(3) Das Erlöschen der Zulassung in den Fällen des Abs. 1 Z 3, 4 und 7 sowie Abs. 2 ist der oder dem betroffenen Studierenden schriftlich mitzuteilen. Das Rektorat hat auf Antrag der oder des Studierenden einen Feststellungsbescheid zu erlassen.

(...)

Nichtigerklärung von Beurteilungen

§ 73. (1) Das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ hat die Beurteilung mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn

1. bei einer Prüfung die Anmeldung zu dieser Prüfung erschlichen wurde oder

2. bei einer Prüfung oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit die Beurteilung, insbesondere durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, erschlichen wurde.

(2) Die Prüfung, deren Beurteilung für nichtig erklärt wurde, ist auf die Gesamtzahl der Wiederholungen anzurechnen.

(...)"

13 2. Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich allerdings nicht als begründet.

14 2.1. Vorauszuschicken ist, dass die Norm des § 68 Abs. 1 Z 3 UG, welche unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen der Zulassung zu einem Studium anordnet, nach ihrem Sinn und Zweck auch Fälle der Nichtigerklärung der letzten zulässigen Wiederholung einer vorgeschriebenen Prüfung - wie im vorliegenden Fall - erfasst, ist doch eine für nichtig erklärte Prüfung nach § 73 Abs. 2 UG auch auf die Gesamtzahl der (zulässigen) Wiederholungen anzurechnen (vgl. in diesem Sinn auch § 34a Abs. 4 des studienrechtlichen Teils der Satzung der WU).

15 2.2. Aus diesem Grund kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Falles auf die Frage an, ob es sich bei der von der Mitbeteiligten am 29. Februar 2016 abgelegten LVP "Beschaffung, Logistik, Produktion" (welche als nichtig erklärt wurde) um eine "vorgeschriebene Prüfung" iSd § 68 Abs. 1 Z 3 UG handelte. 16 Eine "vorgeschriebene Prüfung" ist - schon nach dem Wortsinn - eine Prüfung, die vom Studierenden abgelegt werden muss (so auch Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3 Rz 4 zu § 68).

17 Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zutreffend geprüft, ob die Mitbeteiligte aufgrund der maßgeblichen Normen zur Ablegung der LVP "Beschaffung, Logistik, Produktion" (in der letzten zulässigen Wiederholung) verpflichtet war ober ob sie - nach wie vor - zu weiteren Wiederholungen der (bislang zweimal negativ beurteilten) LVP "Finanzierung" antreten durfte, um auf diese Weise die Wahlfachgruppe des § 16 Abs. 1 des Studienplanes erfolgreich zu absolvieren.

18 Den insofern maßgeblichen Normen (insbesondere dem Studienplan des Bachelorstudiums "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" der Studienrichtung "Internationale Betriebswirtschaft" sowie dem studienrechtlichen Teil der Satzung der WU) ist allerdings keine Regelung zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise Studierende ihre Wahl aus einer Wahlfachgruppe (etwa der hier gegenständlichen gemäß § 16 Abs. 1 des Studienplanes) zu treffen haben.

19 Davon ausgehend ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die Mitbeteiligte dürfe ungeachtet der Nichtigerklärung der letzten zulässigen Prüfungswiederholung aus "Beschaffung, Logistik, Produktion" (und damit nach Ausschöpfung der Prüfungsantritte in diesem Fach) neuerlich zur LVP "Finanzierung" antreten, nicht zu beanstanden, weshalb sich die Prüfung aus "Beschaffung, Logistik, Produktion" vom 29. Februar 2016 nicht als "vorgeschriebene Prüfung" iSd § 68 Abs. 1 Z 3 UG erweist.

20 Aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 Z 3 iVm § 68 Abs. 3 UG festgestellt, dass die Zulassung der Mitbeteiligten zum Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" nicht erloschen ist.

21 3. Die sich als unbegründet erweisende Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 22. Oktober 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019100027.J00

Im RIS seit

05.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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