TE Vwgh Beschluss 2019/12/19 Ra 2019/21/0308

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Veröffentlicht am 19.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
BFA-VG 2014 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der T B in W, vertreten durch Mag. Peter Michael Wolf, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Bahnhofsplatz 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2019, Zl. L515 2174499-2/7E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 und Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine georgische Staatsangehörige, reiste am 27. September 2012 legal in Österreich ein und erhielt einen Aufenthaltstitel für Studierende mit Gültigkeit bis zum 24. August 2013, der einmal bis zum 25. August 2014 verlängert wurde. In der Folge erhielt sie einen Aufenthaltstitel für Schüler, der zwei Mal, zuletzt bis zum 28. August 2017, verlängert wurde. Am 28. August 2017 stellte sie einen weiteren Verlängerungsantrag, den sie am 5. Oktober 2017 zurückzog. 2 Am 6. Oktober 2017 stellte sie einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30. Jänner 2018 abgewiesen; unter einem wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgelegt.

3 Das BFA führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, dass die Revisionswerberin von 2012 bis 2017 in Österreich studiert und es nicht geschafft habe, einen Studienbzw. Schulerfolg nachzuweisen. Sie gehe keiner Beschäftigung nach. Sie sei ledig und habe keine Kinder; abgesehen von der "naturgemäßen Deutscherlernung" zum Zweck des Studiums bestehe auch "kein besonderes Privatleben". Ihr legaler Aufenthalt habe lediglich auf befristeten Aufenthaltsbewilligungen "Studierender" bzw. "Schüler" beruht. Sie habe von Anfang an gewusst, dafür den notwendigen Studien- bzw. Schulerfolg nachweisen zu müssen. Zu keinem Zeitpunkt habe sie auf einen weiteren unbefristeten Aufenthalt vertrauen dürfen. Auch bei einem fünfjährigen Aufenthalt auf Grund derartiger befristeter Aufenthaltsbewilligungen trete keine maßgebliche Aufenthaltsverfestigung ein. Die Revisionswerberin habe immer wieder aufgefordert und ermahnt werden müssen, die Nachweise ihres Schul- bzw. Studienerfolgs zu erbringen; schließlich sei ihr auch mitgeteilt worden, dass die Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werde, weil sie es nicht geschafft habe, ein Studium oder eine Schule abzuschließen. Es sei nicht im Interesse eines geordneten Fremden- und Niederlassungswesens, dass der Zweck der ursprünglichen Aufenthaltsbewilligung nicht erfüllt und dann auf Grund des langen und "hinausgezögerten" Aufenthalts ein Recht auf Niederlassung begründet werde. Der Revisionswerberin sei auch vorzuwerfen, dass sie trotz Kenntnis ihres unrechtmäßigen Aufenthalts nicht freiwillig aus Österreich ausgereist sei. 4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. 5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte nach Darstellung des eingangs wiedergegebenen Verfahrensgangs fest, dass die Revisionswerberin ein Sprachdiplom B2 erlangt und vom 3. Juli 2015 bis zum 1. Juli 2016 drei Semester lang das International Business College besucht habe. Sie verfüge über einen am 2. Oktober 2017 abgeschlossenen Arbeitsvorvertrag und weise Beschäftigungszeiten als Angestellte auf; derzeit sei sie in der gesetzlichen Krankenverssicherung selbstversichert. Sie lebe bei ihrer Schwester, andere Verwandte in Österreich habe sie nicht.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Gesetzeszweck des § 56 AsylG 2005 darin liege, besonders berücksichtigungswürdige Altfälle unter isolierter Bewertung des faktischen Aufenthalts und des Grades der in Österreich erlangten Integration zu bereinigen. Es handle sich dabei um eine Ermessensentscheidung des BFA. Das Bundesverwaltungsgericht habe lediglich zu prüfen, ob das BFA das Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt habe.

7 Im vorliegenden Fall habe das BFA seine Entscheidung damit begründet, dass keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinn des Einleitungssatzes des § 56 Abs. 1 AsylG 2005 vorlägen. Darüber hinaus habe es zur Begründung seiner Ermessensübung ausgeführt, dass die gegenständliche Antragstellung dazu dienen solle, der Revisionswerberin einen Wechsel ihres Aufenthaltszwecks zu ermöglichen, was vom Regelungszweck des § 56 AsylG 2005 nicht gedeckt sei. Damit habe das BFA in nachvollziehbarer und rechtmäßiger Weise Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, indem es davon ausgegangen sei, dass die Antragstellung nicht zur Bereinigung eines besonders berücksichtigungswürdigen Altfalles diene. Das Bundesverwaltungsgericht teile auch die Ansicht des BFA, dass keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinn des Einleitungssatzes des § 56 Abs. 1 AsylG 2005 vorlägen, sodass eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung des beantragten Titels fehle.

8 In Bezug auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung ging das Bundesverwaltungsgericht mit ausführlicher Begründung davon aus, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der Revisionswerberin ihre privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiege. 9 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

12 Unter diesem Gesichtspunkt führt die Revision aus, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, "ob ein Umstieg nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von 5 Jahren auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung nach dem NAG auf eine Aufenthaltsberechtigung nach § 56 AsylG möglich ist". Überdies sei das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermessensübung abgewichen, weil die Ermessensübung des BFA auf unrichtigen Tatsachenfeststellungen beruht habe.

13 Nach der mit VwGH 29.4.2010, 2009/21/0255 (ergangen zur Vorgängerregelung des § 44 Abs. 4 NAG idF BGBl. I Nr. 29/2009), begonnenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - wie auch das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - Gesetzeszweck (nunmehr des § 56 AsylG 2005) die Bereinigung von besonders berücksichtigungswürdigen "Altfällen" unter isolierter Bewertung allein des faktischen - notwendigerweise mindestens zur Hälfte rechtmäßigen - Aufenthaltes sowie des Grades der in Österreich erlangten Integration. Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 EMRK, sodass gemäß § 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0032, 0033).

14 Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, mit der die dem BFA in einem Verfahren nach § 56 AsylG 2005 offen stehende, stets auf Grund der Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Ermessensübung bestätigt wird, ist im Regelfall - so die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände vollständig und frei von Verfahrensmängeln berücksichtigt wurden und die erfolgte Einzelfallbeurteilung nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (vgl. abermals VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0032, 0033). 15 Die Revision behauptet nun zwar, dass die der Ermessensübung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen falsch seien, vermag jedoch der wesentlichen Annahme, dass der Aufenthalt der Revisionswerberin zum einen nur auf befristeten Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck eines Studiums bzw. eines Schulbesuchs beruht hätten und sie zum anderen in den fünf Jahren ihres auf Grund dieser Aufenthaltsbewilligungen legalen Aufenthalts keine Ausbildung abgeschlossen habe, nichts entgegen zu setzen. Ausgehend davon kann aber auch nicht gesagt werden, dass die Billigung der vom BFA vor dem Hintergrund des in Rn 13 dargestellten Gesetzeszwecks angestellten Überlegungen unvertretbar wäre, zumal sowohl das BFA als auch das Bundesverwaltungsgericht überdies zum Ausdruck gebracht haben, dass es mangels ausgeprägter Integration schon an der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles fehlte. Eine generelle Aussage, wonach ein Umstieg von einer Aufenthaltsbewilligung nach dem NAG auf einen Aufenthaltstitel nach § 56 AsylG 2005 jedenfalls unmöglich wäre, enthält das angefochtene Erkenntnis hingegen nicht. 16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210308.L00

Im RIS seit

11.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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