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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §55Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der J P (früher:
H, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. März 2019, G313 2169727-1/10E, betreffend Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung u.a. (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine serbische Staatsangehörige, hielt sich seit April 2012 wiederholt in Österreich auf. Sie heiratete am 13. Februar 2016 in Serbien einen serbischen Staatsangehörigen, der aufgrund eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" in Österreich lebt. Am 21. April 2015 hatte sie gemäß § 55 AsylG 2005 den (inhaltlich nicht näher begründeten) Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gestellt.
2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 10. August 2017 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurück. Es erließ gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei. Gemäß § 55 FPG bestimmte es eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise. 3 Begründend führte das BFA aus, die (einen auch diese Umstände umfassenden Verbesserungsauftrag vom 13. Juli 2017 unbeantwortet lassende) Revisionswerberin habe ihrem Antrag weder die notwendige schriftliche Begründung beigefügt, noch die erforderlichen Identitätsdokumente und Nachweise im Original vorgelegt, sondern lediglich Kopien u.a. des Reisepasses (Datenseite), von Meldebestätigungen und serbischer Urkunden ohne Übersetzung. Seit dem 10. Jänner 2017 sei sie in Österreich nicht gemeldet; es sei ungewiss, ob sie sich im Bundesgebiet aufhalte. Ein "verfahrensrelevantes Privatleben in Österreich" habe nicht festgestellt werden können.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. März 2019 als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 In der Begründung teilte es die eben wiedergegebene Argumentation des BFA mit dem Fehlen der für eine meritorische Entscheidung erforderlichen Originaldokumente. Der Revisionswerberin sei einzuräumen, unbescholten zu sein und Deutschkenntnisse auf dem Niveau A 1 erworben zu haben. Ihr in Österreich aufenthaltsberechtigter serbischer Ehegatte leide an Asthma, Diabetes Typ 2, habe "nach einer Herzoperation einen Implantatausweis" erhalten, befinde sich in laufender Medikation mit blutverdünnenden Medikamenten und weise insgesamt eine "Behinderung von 50 v.H." auf; ein Verfahren über die Zuerkennung einer entsprechenden Invaliditätspension sei anhängig. Er sorge für seinen achtjährigen Sohn (aus einer früheren Ehe), der bei ihm lebe. Allerdings habe die - nur über einen biometrischen Reisepass, der sie zu einem visumsfreien Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen berechtige, nicht aber über einen Aufenthaltstitel verfügende - Revisionswerberin in den letzten Jahren (wie näher dargestellt wurde) nicht kontinuierlich im gemeinsamen Haushalt mit ihm, sondern immer wieder getrennt von ihm (von 10. März 2016 bis 10. Jänner 2017 bei einem anderen Mann) gelebt und sei am 18. Jänner 2019 (an diesem Tag habe auch ihre Wohnsitzmeldung geendet) in den Herkunftsstaat zurückgereist, wo sie sich seither aufhalte. Auch ihr Ehemann habe ausgeführt, sie "reise immer wieder nach Serbien aus, bis sie wieder zurückkommt, müsse er ... allein zurechtkommen". Ein "Art. 8 EMRK begründendes Familienleben" mit dem Ehegatten sei "mangels einer Art. 8 EMRK erreichenden Beziehungsintensität oder eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses" nicht feststellbar. Auch ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihr und dem Sohn ihres Ehemannes sei nicht erkennbar.
Vielmehr sei es der Revisionswerberin seit ihrer Einreise im April 2012 nur darum gegangen, in Österreich "die Möglichkeit zu einer Arbeit" zu erhalten. Sie habe auch eine Beschäftigung als Reinigungskraft ausgeübt, ohne dafür über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung zu verfügen. Es sei ungewiss, wovon sie ihren (zukünftigen) Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten wolle. Insgesamt sei von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber den privaten Interessen der Revisionswerberin auszugehen. Es sei daher auch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (nach im Einzelnen angestellter Interessenabwägung) nicht zu beanstanden. 6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 1640/2019, insbesondere unter Bezugnahme auf eine behauptete Verletzung des Art. 8 EMRK ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 7 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht macht die Revisionswerberin geltend, das BVwG habe zu Unrecht ein in Österreich geführtes schützenswertes - vor allem mit ihrem Ehegatten geführtes - Privat- und Familienleben verneint.
10 Dem ist zu entgegnen, dass das BVwG bereits angesichts der (siehe Rn. 5) festgestellten, aus eigenem Antrieb erfolgten wiederholten Trennungen der Revisionswerberin von ihrem Ehegatten von einer derart starken Relativierung der Intensität des tatsächlich geführten Familienlebens ausgehen durfte, dass schon von daher die - einzelfallbezogen zu beurteilende - Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung darstellten.
Insgesamt vermag die Revision somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 19. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210239.L00Im RIS seit
11.02.2020Zuletzt aktualisiert am
11.02.2020