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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §55Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. A G, und 2. U G, beide in B und vertreten durch Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2019, G314 2218398-1/2E, G314 2218399-1/2E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen und Rückkehrentscheidung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin, eine kosovarische Staatsangehörige, heiratete am 8. Jänner 2016 einen in Österreich lebenden, über eine Aufenthaltskarte verfügenden kosovarischen Staatsangehörigen (vgl. dazu das seine Ausweisung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufhebende Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2019/21/0185).
2 Am 21. Februar 2019 reiste sie hochschwanger in das Bundesgebiet ein. Sie beantragte internationalen Schutz, weil sie mit ihrem Ehemann zusammenleben wolle und ihr Kind nicht ohne seinen Vater aufwachsen solle. Der gemeinsame Sohn (der Zweitrevisionswerber) kam am 8. März 2019 zur Welt. 3 Mit Bescheiden vom 10. April 2019 wurden die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz vom BFA vollinhaltlich abgewiesen; unter einem wurde ausgesprochen, dass Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt würden, und es wurden gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG Rückkehrentscheidungen sowie gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG einjährige Einreiseverbote erlassen; gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig sei; eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde wurde jeweils die aufschiebende Wirkung aberkannt.
4 Der nur gegen die Rückkehrentscheidungen und die damit verbundenen Aussprüche sowie die Einreiseverbote erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis insoweit statt, als es die Einreiseverbote ersatzlos behob; im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
5 Zur Abweisung der Beschwerde führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren relevant - im Wesentlichen aus, dass die Rückkehrentscheidungen nicht in das Familienleben der revisionswerbenden Parteien eingriffen, weil gegen ihren Ehemann bzw. Vater ebenfalls eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen worden sei. Der Eingriff in das Privatleben sei relativ gering, weil sich die revisionswerbenden Parteien erst kurz im Bundesgebiet aufhielten. Ihr Aufenthalt sei zwar auf Grund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen im Asylverfahren rechtmäßig, es seien aber keine Integrationsbemühungen erkennbar. Demgegenüber bestünden starke Bindungen an den Herkunftsstaat, wo die Erstrevisionswerberin fast ihr ganzes Leben verbracht habe und alle Großeltern des Zweitrevisionswerbers lebten. Angesichts ihrer Ausbildung (Universitätsabschluss) werde die gesunde und arbeitsfähige Erstrevisionswerberin - allenfalls mit Unterstützung ihres Ehemanns, ihrer Herkunftsfamilie und ihrer Schwiegereltern - in der Lage sein, im Kosovo für ihren Lebensunterhalt und den ihres Kindes zu sorgen. Sie sei illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe abgesehen von der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerberin keinen Aufenthaltstitel gehabt, sodass ihr die Unsicherheit eines gemeinsamen Familienlebens mit ihrem Ehemann klar gewesen sein müsste. 6 Der vergleichsweise geringen Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens der Erstrevisionswerberin stehe das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften und an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen gegenüber. Der Verwaltungsgerichtshof habe in Fällen wie diesem, in denen eine Fremde ihrem in Österreich aufhältigen Ehemann nachgereist sei und einen Antrag auf internationalen Schutz missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt habe, festgehalten, dass in solchen Konstellationen das öffentliche Interesse besonders schwer wiege, zumal die Beteiligten nicht von einem rechtmäßigen Verbleib im Bundesgebiet hätten ausgehen können. Art. 8 EMRK werde durch die Rückkehrentscheidungen nicht verletzt, sodass auch die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht komme.
7 Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden habe können, unterbleibe die beantragte Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG.
8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründe, nicht zuzulassen sei; eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Sinn des § 9 BFA-VG und Art. 8 EMRK sei im Allgemeinen nicht revisibel. 9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Unter diesem Gesichtspunkt rügt die Revision, dass das Bundesverwaltungsgericht in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der beantragten Beschwerdeverhandlung abgesehen habe. In der Verhandlung wäre insbesondere zu klären gewesen, inwieweit für die revisionswerbenden Parteien bei der Rückkehr in den Kosovo die Möglichkeit zur Schaffung einer Existenzgrundlage bestehe. Dem stünden die im Verfahren bereits eingewendete schlechte wirtschaftliche Lage im Kosovo, die hohe Arbeitslosigkeit und fehlende Lebensperspektive entgegen. Weiters habe die Erstrevisionswerberin in der Beschwerde vorgebracht, dass es mit ihren Angehörigen im Kosovo Schwierigkeiten gebe, was das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung als zu vage befunden habe, um daraus auf ein schwerwiegendes Zerwürfnis und in weiterer Folge auf fehlende Unterstützung schließen zu können. Außerdem wäre in einer mündlichen Verhandlung zu klären gewesen, inwieweit der Ausgang des Verfahrens des Ehemanns der Erstrevisionswerberin und Vaters des Zweitrevisionswerbers von Relevanz für das Verfahren der revisionswerbenden Parteien sei und welche Auswirkungen es auf deren Familienleben bzw. auf das Wohl des minderjährigen Zweitrevisionswerbers habe, wenn es zu einer unabsehbar langen Trennung der Kernfamilie käme.
12 Dem ist zunächst zu entgegnen, dass die keine existenzbedrohenden Umstände aufzeigenden Feststellungen des BFA zum Umfeld und zur Situation der revisionswerbenden Parteien im Kosovo im Beschwerdeverfahren unbestritten blieben. Schwierigkeiten mit der Familie im Kosovo waren nur im erstinstanzlichen Verfahren, aber nicht mehr in der Beschwerde behauptet worden. Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Anträge auf internationalen Schutz missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt wurden (die Erstrevisionswerberin bestreitet nicht, als Fluchtgrund angegeben zu haben, dass sie mit ihrem Ehemann zusammenleben wolle und ihr Kind nicht ohne seinen Vater aufwachsen solle; in der Beschwerde führte sie dazu aus, dass sie nicht die "grundsätzliche Absicht, Asyl zu beantragen" gehabt habe, aber keinen anderen Ausweg gewusst habe). In solchen Konstellationen wiegt das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders schwer, zumal von den Beteiligten zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0235, mwN). Angesichts dessen hätte die Erstrevisionswerberin auch allfällige Schwierigkeiten beim (Wieder-)Aufbau einer wirtschaftlichen Existenzgrundlage im Kosovo in Kauf zu nehmen, wobei sie aber ohnedies mit (finanzieller) Unterstützung durch ihren Ehemann rechnen könnte. 13 Dass das die Ausweisung ihres Ehemannes bestätigende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2019/21/0185, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde, wird zwar allenfalls zur Folge haben, dass entgegen der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts von einem durch die Rückkehrentscheidungen bewirkten Eingriff nicht nur in das Privat-, sondern auch in das Familienleben der revisionswerbenden Parteien auszugehen ist. Dennoch hat das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise kein Überwiegen der privaten und familiären Interessen der revisionswerbenden Parteien angenommen, zumal ihnen, sollte der Ehemann bzw. Vater einen Aufenthaltstitel erhalten, bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen letztlich auch der - eigentlich rechtlich vorgesehene - Weg für einen dauernden Aufenthalt in Österreich in Form des Familiennachzugs gemäß dem NAG (vgl. dessen § 46 Abs. 1 Z 1) offen stünde.
14 Vor diesem Hintergrund lag ein eindeutiger Fall vor und konnte mangels klärungsbedürftigen Sachverhalts im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG von der beantragten Beschwerdeverhandlung abgesehen werden (vgl. etwa VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316). 15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210186.L00Im RIS seit
11.02.2020Zuletzt aktualisiert am
11.02.2020