Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §39 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des N J in S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juni 2019, W266 2176298-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 9. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er vor, er sei schiitischer Muslim und habe sich in eine Frau verliebt, deren Familie der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Er habe mit der Frau geschlafen und sie sei schwanger geworden. Nun werde der Revisionswerber vom Vater der Frau bzw. von seinem eigenen Vater verfolgt, weil er Schande über die Familie gebracht hätte.
2 Mit Bescheid vom 6. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dieses führte am 16. Juli 2018 eine mündliche Verhandlung durch, in der der Revisionswerber zu seinem bisherigen Fluchtvorbringen befragt wurde. Dabei brachte der Revisionswerber ergänzend vor, er interessiere sich für das Christentum und überlege zu konvertieren.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
In seiner Begründung stellte es unter anderem fest, dass der Revisionswerber nicht vom Islam abgefallen und zum Christentum konvertiert sei. Er hege in Österreich zwar ein gewisses Interesse am Christentum, das Interesse erreiche aber kein Ausmaß, das eine asylrelevante Verfolgung begründen könne. Der Revisionswerber besuche zwar Bibelkurse. Abgesehen von diesem, über ein bloßes Kennenlernen bzw. Recherchieren nicht hinausgehendes Interesse sei jedoch keine besondere Bindung zum Christentum ersichtlich. 5 Mit Beschluss vom 24. September 2019, E 2626/2019-8, wies der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 In der Folge erhob der Revisionswerber die gegenständliche außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die vorliegende Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe nicht die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten maßgeblichen Leitlinien bei der Ermittlung eines behaupteten Religionswechsels beachtet. Der Revisionswerber sei zu seinem Religionswechsel nur oberflächlich befragt worden. Das BVwG hätte ihn zu seinem Wissen über den christlichen Glauben, seinen religiösen Aktivitäten und seinem Verhalten im Fall der Rückkehr nach Afghanistan befragen müssen.
9 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 1.8.2017, Ra 2017/06/0072, 0073).
10 Nach der - auch vom Revisionswerber ins Treffen geführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0303, mwN).
11 Das BVwG hat den Revisionswerber im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu seinem Interesse am Christentum befragt. Dabei gab dieser unter anderem an, in der Phase des Kennenlernens bzw. Recherchierens über das Christentum zu sein, eine Kirche zu besuchen und in Zukunft vielleicht konvertieren zu wollen. Das BVwG stellte daraufhin fest, dass der Revisionswerber weder vom Islam abgefallen noch zum Christentum konvertiert sei und dass das Interesse, das der Revisionswerber am Christentum hege, keine asylrelevante Verfolgung begründen könne.
Ausgehend davon vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass das angefochtene Erkenntnis von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien bei der Ermittlung eines behaupteten Religionswechsels abweiche und dem BVwG insoweit (vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende) grobe Ermittlungsmängel unterlaufen wären.
12 Soweit die Revision darüber hinaus vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, ob das BVwG - trotz der Feststellung, dass sich der Revisionswerber "derzeit nur für das Christentum interessiere" - eine Verfolgung auf Grund einer allfälligen Abkehr vom Islam hätte prüfen müssen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach der Revisionswerber nicht vom Islam abgefallen sei.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. Jänner 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190550.L00Im RIS seit
13.02.2020Zuletzt aktualisiert am
13.02.2020