Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch und Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Ing. J*****, vertreten durch Peissl & Partner Rechtsanwälte OG in Köflach, wegen Abgabe einer Willenserklärung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. August 2019, GZ 4 R 93/19g-16, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen schlossen die Streitteile am 5. 8. 2017 eine „Kaufvereinbarung“ betreffend eine der Klägerin gehörige Liegenschaft samt darauf befindlichem Haus zum Preis von 104.500 EUR; der Beklagte werde für die Errichtung eines (schriftlichen) Kaufvertrags durch einen Rechtsanwalt sorgen. Dieser legte den Streitteilen am 18. 8. 2017 einen Kaufvertragsentwurf vor, mit dessen Inhalt sie sich einverstanden erklärten. Da allerdings der für die Erschließung der Kaufliegenschaft vorhandene Servitutsweg über die Liegenschaft eines Dritten nicht grundbücherlich einverleibt war, vereinbarten die Streitteile, dass die Klägerin noch für eine entsprechend grundbücherlich sichergestellte Zufahrt Sorge zu tragen habe, wobei zwischen den Streitteilen Einigkeit darüber bestand, dass der Vertragsabschluss mit der rechtlich eindeutigen Klärung der Servitutsfrage aufschiebend bedingt war; eine Frist setzte der Beklagte der Klägerin hiefür nicht. Auf Anfrage des Rechtsanwalts, der von einer Ersitzung der Servitut ausging, ob der Beklagte im Hinblick darauf bereit wäre, den Kaufvertrag zu unterfertigen, bejahte der Beklagte dies am 13. 9. 2017 unter der Bedingung, dass die Klägerin hiefür nach gewährleistungsrechtlichen Grundsätzen die Haftung übernehmen würde. Da die Klägerin dies nicht wollte, brachte sie am 22. 11. 2017 gegen den Dritten eine Feststellungsklage betreffend das Bestehen einer Servitut ein, in welchem Verfahren am 18. 1. 2018 ein (letztlich rechtskräftiges) Versäumungsurteil erging. Daraufhin modifizierte der Rechtsanwalt den Kaufvertragsentwurf (nur) insoweit, als er festhielt, dass das Servitutsrecht über die Liegenschaft des Dritten zwar nicht verbüchert sei, jedoch ein vollstreckbares Versäumungsurteil vorliege. Der Beklagte verweigerte allerdings nunmehr die Unterfertigung des Kaufvertrags unter Hinweis auf das Ableben seines Vaters.
Die Vorinstanzen verpflichteten den Beklagten zur Einwilligung in den (schriftlichen) Kaufvertrag, den das Erstgericht im Rahmen seiner Feststellungen vollinhaltlich wiedergab.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist auch beim Liegenschaftskauf der Kaufvertrag grundsätzlich schon dann perfekt, also für beide Vertragsteile voll verbindlich, wenn sie sich – gegebenenfalls auch bloß mündlich – über den Kaufgegenstand und Kaufpreis geeinigt haben (RS0019951). Auch wenn die endgültige Errichtung der Vertragsurkunde in einverleibungsfähiger Form einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wird, hat dies nicht zur Folge, dass die Wirksamkeit des Vertrags erst mit der Einhaltung dieser Form eintritt; der Vertrag gilt vielmehr als Punktation iSd § 885 ABGB (RS0017166). Davon geht auch der Beklagte in seiner außerordentlichen Revision aus.
2. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass sich nach der ursprünglichen Einigung Probleme bezüglich des Servitutswegs ergaben, woraufhin die Streitteile den Vertragsabschluss bis zur rechtlich eindeutigen Klärung der Servitutsfrage für aufschiebend bedingt erklärten (Schuldänderung; vgl Kajaba in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1379 Rz 2 [Stand 1. 1. 2018, rdb.at]); für diese Klärung habe die Klägerin Sorge zu tragen, wobei ihr eine Frist nicht gesetzt wurde. Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation des Beklagten, das Klagebegehren hätte nicht auf Abgabe einer Willenserklärung (Einwilligung in den schriftlichen Kaufvertrag), sondern auf Vertragszuhaltung (Zahlung des vereinbarten Kaufpreises) lauten müssen und sei deshalb unschlüssig, nicht nachvollziehbar. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es genügt, wenn ein auf Zuhaltung eines Kaufvertrags über eine Liegenschaft gerichtetes Klagebegehren auf Einwilligung in eine genau angeführte, bestimmte bücherliche Eintragung abgestellt ist; es muss nicht auf Errichtung und Unterfertigung eines schriftlichen Vertrags geklagt werden, weil das Vorliegen eines gültigen Rechtsgrundes als Vorfrage in der Begründung des Urteils geklärt werden kann (RS0011230). Der Verkäufer, der sich zur Errichtung einer verbücherungsfähigen Urkunde nicht bereit findet, kann auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Käufers geklagt werden (RS0011337). Damit hätte zwar – als umgekehrter Fall – die Klägerin auf Zahlung klagen können, jedoch nicht müssen. Gegenteiliges lässt sich auch der in der außerordentlichen Revision zitierten Rechtsprechung nicht entnehmen.
3. Während des Schwebezustands bis zum Eintritt der Suspensivbedingung waren beide Streitteile an den Vertrag gebunden. Von dieser Bindung konnte sich der Beklagte nicht einseitig lösen (RS0017406; ausführlich Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 [2014] § 897 Rz 7; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2014] § 897 Rz 12), auch wenn sich der Zeitraum über rund sieben Monate erstreckte (vgl Kietaibl in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 897 Rz 31 [Stand 1. 10. 2017, rdb.at] unter Hinweis auf 8 Ob 58/59 [mehrjährige Dauer]), bis die Klägerin – der getroffenen Vereinbarung entsprechend – für eine grundbücherlich sichergestellte Zufahrt Sorge getragen hatte. Ob der Beklagte während dieser Zeit – ausdrücklich oder auch nur stillschweigend (vgl RS0014396) – den Rücktritt vom Vertrag erklärt hat, ist somit nicht von Bedeutung.
4. Auf den (fehlenden) Energieausweis hat sich der Beklagte im Berufungsverfahren nicht berufen; es ist ihm deshalb nunmehr verwehrt, darauf im Revisionsverfahren (wieder) zurückzukommen.
Textnummer
E127233European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00194.19A.1219.000Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020