Entscheidungsdatum
09.11.2018Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §27Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde des A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 22. Oktober 2018, Zl. …, betreffend Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 – AWEG 2010
zu Recht e r k a n n t:
I. Das angefochtene Straferkenntnis wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführer dafür bestraft, dass er "im Fernabsatz mit der Empfängeradresse C.-straße, D. und somit vom Inland aus, dem Anwendungsbereich des Arzneiwareneifuhrgesetzes 2010 […] fallende Arzneiwaren […] per Fernkommunikationsmittel bestellt" haben soll, welche über den Postversand am Flughafen Wien Schwechat eingeführt und vom Zollamt Wien in 1230 Wien entdeckt worden seien. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von € 140,— (Ersatzfreiheitsstrafe acht Stunden) verhängt. Unter einem wurde der Verfall, der im Straferkenntnis näher bezeichneten Arzneiwaren ausgesprochen.
2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher er wie schon vor der belangten Behörde angibt, es liege ein Missverständnis vor, er habe keine Waren bestellt.
3. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vor.
II. Sachverhalt
1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
Der Beschwerdeführer ist in D., C.-straße, wohnhaft.
Anlässlich von Zollkontrollen durch Organe des Zollamts Wien am 15. Jänner 2018 um 9:00 Uhr, am 27. Februar um 9:00 Uhr und am 9. März 2018 um 9:00 Uhr wurden beim Zollamt Wien, Halban Kurz Straße 5, 1230 Wien, gemäß § 26 ZollR-DG wurden mehrere Poststücke beschlagnahmt, welche die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses genannten Gegenstände, allesamt Arzneiwaren der Position 3004, enthielten. Diese wurden von einer Adresse in Singapur versandt und waren an den Beschwerdeführer an seiner Adresse in D., Vorarlberg, adressiert.
2. Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:
Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und Würdigung des Beschwerdevorbringens.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Behördenakt und ist zudem nicht weiter strittig. Feststellungen darüber, wer den gegenständlichen Bestellvorgang veranlasst hat, waren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mangels Erheblichkeit nicht zu treffen.
III. Rechtliche Beurteilung
1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 – AWEG 2010, BGBl. I 79/2010, lauten:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:
1. Arzneiwaren: nachstehende Waren im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. Nr. L 256 vom 07. 09. 1987, S 1:
[…]
c) Waren der Position 3004,
[…]
4. Einfuhr: Beförderung von Arzneiwaren, Blutprodukten oder Produkten natürlicher Heilvorkommen aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sind, in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr;
[…]
6. Fernabsatz: Abschluss eines Vertrages unter ausschließlicher Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel;
7. Fernkommunikationsmittel: Kommunikationsmittel, die zum Abschluss eines Vertrages ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Parteien verwendet werden können, insbesondere Drucksachen mit oder ohne Anschrift, Kataloge, Pressewerbungen mit Bestellschein, vorgefertigte Standardbriefe, Ferngespräche mit Personen oder Automaten als Gesprächspartner, Hörfunk, Bildtelefon, Telekopie, Teleshopping sowie öffentlich zugängliche elektronische Medien, die eine individuelle Kommunikation ermöglichen, wie etwa das Internet oder die elektronische Post.
2. Abschnitt
Arzneiwaren
Einfuhr, Verbringen, Behördenzuständigkeit
§ 3. (1) Die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, ist, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.
(2) Für die Ausstellung von Einfuhrbescheinigungen und die Entgegennahme von Meldungen ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zuständig.
[…]
4. Abschnitt
Fernabsatz
Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten im Fernabsatz
§ 17. (1) Der Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten, die im Fernabsatz bestellt wurden, durch Personen, die nicht zur Antragstellung auf Ausstellung einer Einfuhrbescheinigung oder einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder zur Meldung berechtigt sind, ist verboten.
(2) Arzneiwaren und Blutprodukte, die entgegen Abs. 1 eingeführt oder verbracht werden, sind dem Absender zurück zu übermitteln, oder sofern dies nicht möglich ist, zu vernichten. Die Kosten dafür trägt jeweils der Besteller.
(3) Abs. 1 gilt nicht für in Österreich zugelassene nicht rezeptpflichtige Arzneispezialitäten, die in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge aus einer Vertragspartei des EWR von einer dort zum Versand befugten Apotheke bezogen werden.
[…]
Strafbestimmungen
§ 21. (1) Wer
1. Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt, oder
[…]
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen.
[…]
(3) Die dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Waren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden, können für verfallen erklärt werden, wenn die Tat vorsätzlich begangen worden ist. Auf den Verfall dieser Waren kann auch selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden kann."
2. Die örtliche Zuständigkeit der Behörde in Verwaltungsstrafsachen richtet sich nach § 27 VStG. Demnach ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Eine Verwaltungsübertretung wird dort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (vgl. § 2 Abs. 2 VStG).
3. Einfuhr im Sinne des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 ist gemäß § 2 Z 4 leg.cit. die Beförderung von unter anderem Arzneiwaren aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des EWR sind, ins Bundesgebiet.
Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tathandlung besteht im Wesentlichen darin, dass er die gegenständlichen Arzneiwaren im Fernabsatz bestellt haben soll; als für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblicher Tatort ist daher der Ort anzusehen, an dem die Bestellung abgegeben wurde (vgl. zu Distanzdelikten durch postbeförderte Briefe zB VwSlg. 13698 A/1992). Örtlich zuständig gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist demnach die Behörde, in deren Sprengel die Bestellung abgesendet wurde.
Am beschlagnahmten Paket waren der Name und der Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers als Empfängeradresse angebracht. Die Behörde hätte aufgrund dieses Sachverhalts – mangels jeglicher anderer Hinweise auf eine andere Bestelladresse, etwa in Wien – (jedenfalls vorläufig) davon ausgehen müssen, dass der Beschwerdeführer die Bestellung gegebenenfalls von der Empfängeradresse aus bestellt und somit seine Tathandlung dort gesetzt hat. Das Hervorkommen der Empfängeradresse war bereits ein zuständigkeitsbegründender Umstand nach § 27 Abs. 1 VStG und führte daher zur Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde am Wohnsitz des Beschwerdeführers. Eine Zuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 28 VStG lag bereits zum Zeitpunkt der Übermittlung der Anzeige an den Magistrat der Stadt Wien nicht vor.
Im Übrigen setzt die Anwendbarkeit des § 28 VStG auch voraus, dass die Behörde den Tatort von Amts wegen ermittelt. Geht man davon aus, dass zum Zeitpunkt der Anzeige nicht ausreichend klar war, wo die vorgeworfene Tat begangen wurde, hätte die Behörde daher entsprechende Ermittlungen anzustellen gehabt; lediglich aufgrund von schwachen, abstrakten Hinweisen auf einen anderen Tatort ist die Behörde nicht verhalten, von Amts wegen Ermittlungen anzustellen (vgl. VwGH 25.1.2013, 2012/09/0116). Im vorliegenden Fall lag hingegen ein starker Anhaltspunkt, nämlich die Empfängeradresse, dafür vor, dass die Bestellung in D. in Vorarlberg getätigt wurde. § 28 VStG konnte daher auch mangels jeglicher weiterer Ermittlungen der Behörde (etwa einer Aufforderung des Beschwerdeführers zur Stellungnahme) zu der Frage, wo die Tat begangen worden sein könnte, nicht zur Anwendung kommen.
In einem Fall, in dem im Ermittlungsverfahren neben der Empfängeradresse des beschlagnahmten Poststücks und dem damit übereinstimmenden Wohnsitz des Beschuldigten keine Hinweise auf einen davon abweichenden Tatort hervorkommen, wird folglich davon auszugehen sein, dass die Bestellung von der Empfängeradresse aus erfolgt und daher die Behörde, in deren Sprengel dieser Ort liegt, örtlich zuständig ist.
4. Auch wenn man davon ausginge, dass die maßgebliche Tathandlung, die dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, die von ihm veranlasste Beförderung der Waren ins Bundesgebiet ist, wäre dem Magistrat der Stadt Wien keine örtliche Zuständigkeit zugekommen, zumal es nicht in Betracht kommt, dass die gegenständlichen Waren in Wien ins Bundesgebiet befördert wurden, weil Wien keine Staatsgrenze hat und auch der Flughafen Wien-Schwechat nicht in Wien liegt (zur allfälligen Zuständigkeit gemäß § 27 Abs. 2 VStG bei mehreren in Betracht kommenden Behörden vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2, § 27, Rz. 6 ff., mwN).
5. Eine Rechtsgrundlage dafür, den Ort der Entdeckung der Waren (hier: das Zollamt Wien) als Ort der Tatbegehung anzunehmen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kommt es auf eine Freigabe durch den Zoll nicht an, zumal die Einfuhr gemäß § 2 Z 4 AWEG 2010 mit der "Beförderung […] in das Bundesgebiet" vollendet wird (vgl. demgegenüber § 2 Abs. 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002, der auf die Zollvorschriften verwies).
6. Der Magistrat der Stadt Wien war zur Verfolgung und Bestrafung im Hinblick auf die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht zuständig. Die Unzuständigkeit der ersten Instanz ist vom Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen. Das angefochtene Straferkenntnis war daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der belangten Behörde keine Zuständigkeit für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren zukam.
8. Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zu der Frage, ob zur Verfolgung und Bestrafung nach dem AWEG 2010 im Hinblick auf den Vorwurf der Bestellung von Arzneiwaren im Fernabsatz die Behörde des Bestellorts oder des Orts der Beförderung ins Bundesgebiet örtlich zuständig ist, liegt zwar – soweit ersichtlich – noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Diese Frage ist für das Verwaltungsgericht Wien jedoch insofern nicht entscheidungswesentlich, als die Unzuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien unabhängig davon gegeben ist; dies auf Grund der hinreichend klaren Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit im Verwaltungsstrafgesetz und die dazu ergangene – zitierte – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die gegenständliche Entscheidung ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.
Schlagworte
Medikamente; Einfuhr; Tatort; Zuständigkeit; örtliche; Unzuständigkeit der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.001.032.14558.2018Zuletzt aktualisiert am
03.02.2020